Zweijahresbericht GeoForschungsZentrum Potsdam in der Helmholtz-Gemeinschaft 2002/2003 Inhaltsverzeichnis Vorwort Das System Erde – Forschungsgegenstand des GFZ Potsdam III V Aus der wissenschaftlichen Arbeit DESERT - Struktur und Dynamik der Dead Sea Transform 1 Ein Ozean taucht ab: Ergebnisse zur Dynamik des aktiven Kontinentalrandes in Südchile 19 Lithium-, Bor-, Strontium-, Neodym- und Blei-Isotope als Monitore fluid-induzierter Mineralreaktionen in kontaktmetamorphen Marmoren 35 Dimensionen und Dynamik des Kohlenstoffkreislaufs in Sedimentbecken 45 MALLIK - Gashydrate unter Permafrost 59 Trizonia Island – simultanes Deformations- und Temperaturmonitoring mit faseroptischen Sensoren in einer Rift-Bohrung 77 Kleine Proben – große Aussagen: Experimente als „Fenster in das Innere der Erde“ 85 Focused Ion Beam-Technik FIB: eine Nanotechnologie ermöglicht neue Erkenntnisse in den Geowissenschaften 99 GRACE - Eine Schwerefeld- und Klimamission 109 Signaturen des Erdmantels im Schwerefeld der Erde 119 Die Departments Department 1 „Geodäsie und Fernerkundung“ 126 Department 2 „Physik der Erde“ 166 Department 3 „Geodynamik“ 238 Department 4 „Chemie der Erde“ 280 Department 5 „Geoengineering“ 332 Gremien des GFZ Potsdam 361 Organisation, Verwaltung und zentrale Dienste 362 Personal- und Sozialwesen Haushalt und Finanzen Bibliothek des Wissenschaftsparks Albert Einstein ICDP Operational Support Group Daten- und Rechenzentrum Das Jahr der Geowissenschaften 2002 Auszeichnungen und Ehrungen 394 Habilitationen, Promotionen 394 Ausgewählte Publikationen 2002/2003 396 Glossar 406 I 1 Gashydrate aus dem Labor: Synthetisierte Gashydratkristalle bei 90 MPa und 12°C. Zusammensetzung der Gasphase: 5% CO2 und 95% CH4 (Foto: J. Schicks, GFZ) Crystals of gas hydrates at 90 MPa and 12°C. Composition of the gas phase: 5% CO2 and 95% CH4 280 Department 4 Chemie der Erde Geodynamische Prozesse sind als räumlich begrenzte Abläufe Antrieb für Deformationsprozesse, Erdbeben und für alle geogenen Stoffkreisläufe, die den Lebensraum Erde aufrecht erhalten. Stoffkreisläufe sind der Motor für die Entstehung von Ressourcen, wie mineralische Lagerstätten, Kohlenwasserstoffvorkommen und Grundwasser. Um Antrieb und Steuerungsmechanismen von geodynamischen Prozessen und Stoffkreisläufen zu identifizieren und deren Risiko- und Ressourcenpotentiale abschätzen zu können, werden neben geophysikalischgeodätischen Messkampagnen in geodynamischen Schlüsselregionen der Erde – vor allem an aktiven und passiven Kontinenträndern („Labor Erde“) - insbesondere Laborexperimente entwickelt („Erde im Labor“), welche die Prozesse simulieren und die Materialeigenschaften in allen Skalenbereichen bis in den atomaren Maßstab entschlüsseln. Der Einsatz mikro- und isotopenanalytischer Methoden erlaubt dabei die Quantifizierung von Stoffumsätzen und die Bestimmung der Chronologie geodynamischer Prozesse. Numerische Modellierungen verknüpfen diese Daten ganz unterschiedlicher Art und Dimension über verschiedene Skalenlängen. In diesem Kontext ist auch die Neu- und Weiterentwicklung innovativer Mess- und Auswertetechnologien von essentieller Bedeutung. Unter den verschiedenen Stoffkreisläufen ist gegenwärtig der geogene Methankreislauf wegen der fundamentalen Bedeutung des Methans als klimarelevantem Treibhausgas von Interesse. Eine Komponente dieses hochaktuellen Themas sind Gashydrate, die mehr als die Hälfte der Kohlenwasserstoffreserven der Erde ausmachen und damit einen erheblichen Einflussfaktor für längerfristige Klimaänderungen darstellen. Die Biogeochemie der Bildungs- und Abbaubedingungen sowie das Verhalten von Methanhydraten in Sedimenten ist daher ein wesentliches Forschungsziel. Die Hälfte der globalen Biomasse lebt unterhalb der Erdoberfläche und beeinflusst dort maßgeblich den Methanhaushalt. Diese bislang kaum bekannte „Tiefe Biosphäre“ ist zudem ein einmaliges natürliches Labor, das die Baupläne für heute noch völlig unbekannte Bakterien und Enzyme für die Biotechnologie liefern wird. Die Untersuchung biogeochemisch gesteuerter Stoffkreisläufe ist daher von grundlegender Bedeutung für unsere Zivilisation und soll in Zukunft ein weiteres wichtiges Forschungsthema bilden. Der Stickstoffkreislauf in metamorphen Gesteinen Der grösste Anteil des Stickstoffs in der Erdkruste ist als Ammonium (NH4+) in Mineralen gebunden und substituiert Kalium in wichtigen Mineralen wie Illit, Muscovit, Biotit und Kalifeldspat. Er stammt zumeist aus organischem Material, das in Sedimenten abgelagert wurde. Bei der Diagenese werden Aminosäuren unter anoxischen Bedingungen zersetzt, Methan gebildet und Ammonium als Fluidkomponente freigesetzt. Im weiteren Verlauf können NH4+-haltige Fluide autigene 281 a b Abb. 4.1: K-NH4-Verteilungen zwischen Muskovit, Feldspat und Fluid bei verschiedenen Drücken und Temperaturen. Symbole bedeuten experimentelle Datenpunkte, die Kurven sind thermodynamisch berechnet. K-NH4-distributions between muscovite, feldspar and fluid at various pressures and temperatures. Symbols denote experimental data points, equilibrium curves are calculated from thermodynamic properties. (NH4,K)-Minerale auskristallisieren oder mit Kaliumsilikaten unter K-NH4 -Austausch reagieren. Sedimente und sehr niedriggradig metamorphe Gesteine enthalten daher sehr variable Mengen an Stickstoff, gesteuert durch Redoxbedingungen und lokale Verfügbarkeit von organischem Material. Bei zunehmenden Druck- und Temperaturbedingungen wird Ammonium zwischen Mineralen und fluiden Phasen kontinuierlich neu verteilt. Geländebeobachtungen haben gezeigt, dass Gesteine mit aufsteigender Metamorphose ständig Stickstoff verlieren und dass in hochgradigen Gesteinen die Stickstoffgehalte um ein bis zwei Grössenordnungen geringer sind. Der zugrunde liegende Mechanismus ist bisher weitgehend unklar. Weil aber Metasedimente mit zunehmender Metamorphose durch Dehydratisierungsreaktionen auch kontinuierlich Wasser verlieren, kann spekuliert werden, dass das Ammoniumbudget durch Mineral-Fluid-Reaktionen gesteuert wird. Experimente können diesen Mechanismus identifizieren und quantifizieren. Dazu wurden Kationenaustauschexperimente zwischen Mineralen und chloridischen Fluiden zu den beiden Reaktionen Muskovit + NH4Cl <=> Tobelit + KCl <=> <=> NH4Al2AlSi3O10(OH)2 + KClaq und K-Feldspat + NH4Cl Buddingtonit + KCl <=> NH4AlSi3O8 + KClaq KAl2AlSi3O10(OH)2 + NH4Claq aq KAlSi3O8 + NH4Cl 282 unter hydrothermalen Bedingungen bei 400 °C, 500 °C, 600 °C und 400 MPa sowie bei 500 °C, 600 °C und 1500 MPa entlang des gesamten K-NH4+-Zusammensetzungsbereichs durchgeführt. Die Zusammensetzung der Glimmer- und Feldspatmischkristallreihen wurde mit Röntgendiffraktion, Elektronenstrahlmikrosonde und infrarotspektrometrischen Methoden bestimmt, die des koexistierenden Fluids mit Ionenchromatographie. Die Phasenbeziehungen und Massenbilanzen in den Experimenten sind konsistent und zeigen GleichgewichtsBedingungen an. Bei allen P-T-Bedingungen bilden Muskovite und Feldspäte kontinuierliche Mischkristallreihen. In beiden Systemen, sowohl für (K,NH4)Muskovit-Fluid als auch für (K,NH4)-Feldspat-Fluid fraktioniert Ammonium über den ganzen Zusammensetzungsbereich bevorzugt ins Fluid. Die Fraktionierungen sind temperatur- und druckabhängig und es können P-T-X-abhängige Verteilungskoeffizienten abgeleitet werden. Die Kombination beider experimentellen Serien zeigt, dass Ammonium bevorzugt in den Feldspat relativ zum Muskovit eingebaut wird. Unter der Annahme, dass sich NH4Cl und KCl in verdünnten Lösungen gleich verhalten, können die experimentellen Resultate thermodynamisch ausgewertet werden. Mithilfe multidimensionaler Regression und regulärer Mischungsmodelle wurden die Mischungsenergien für (K,NH4)-Muskovite und (K,NH4)-Feldspäte bestimmt. Für die Anwendung auf natürliche Gesteine sind K-NH3Verteilungen bei sehr niedrigen NH4-Gesamtkonzentrationen im Bereich von mehreren hundert bis einigen tausend ppm NH4 besonders relevant. Mithilfe der abgeleiteten thermodynamischen Daten werden NH4-Verteifluid-ms fluid-fsp fluid-ms lungskoeffizienten D NH4 , D NH4 und D NH4 bestimmt. fluid-ms D NH4 variiert zwischen 7 und 8 bei 400 bis 600 °C / 400 fluid-fsp MPa, und ist ungefähr 5 bei 1500 MPa. D NH4 variiert zwischen 6 und 7 bei 400 bis 600 °C / 400 MPa und ist ebenfalls ungefähr 5 bei 1500 MPa. Die Daten zeigen eine extreme Fraktionierung des Ammoniums ins Fluid fluid-ms bei allen Bedingungen. D NH4 liegt zwischen 1 und 1,2. Hier ist die Fraktionierung so gering, dass im Rahmen der Meßfehler keine Druck- und Temperaturabhängigkeit festgestellt werden kann. Messungen an natürlichen Gesteinsparagenesen zeigen, dass das Ammonium in metamorphen Gesteinen am liebsten in den Biotit geht. Frühere Experimente von Bos et al. (1988), thermodynamisch evaluiert von Moine et al. (1994) ergaben, dass der NH4-Verteilungskoeffizient fluid-bt zwischen chloridischem Fluid und Biotit D NH4 bei 550 °C / 200 MPa ungefähr 2 beträgt. Damit lassen sich Verteiphl-ms phl-fsp lungskoeffizienten D NH4 ≈ 3.5 and D NH4 ≈ 3 bei 550 °C und 200 bis 400 MPa berechnen. Literaturdaten von gemessenen NH4-Konzentrationen koexistierender Muskovite, Biotite und Kalifeldspäte aus ganz verschiedenen Gesteinen mit unterschiedlichen Metamorphosegraden zeigen tatsächlich sehr häufig Gleichgewichtsverteilungen. Diese können nun, in Verbindung mit den Gesamtkonzentrationen im Gestein, als Monitore für die Reaktions- und Dehydratationsgeschichte von metamorphen Gesteinen verwendet werden. In sehr niedriggradigen Tonen und Tonschiefern ist Ammonium zwischen Schichtsilikaten und Porenfluiden verteilt. Während der prograden Metamorphose wird Wasser durch Dehydratationsreaktionen entlang dem Druck-Temperatur-Pfad zunehmend freigesetzt und aus dem Gestein ausgetrieben. Weil Ammonium bevorzugt ins Fluid fraktioniert, wird Stickstoff dabei kontinuierlich aus dem Gestein entfernt. Das verbleibende Ammonium wird immer wieder neu zwischen Muskovit und Biotit partitioniert, gemäß sich neu einstellender PT-X-abhängiger Verteilungskoeffizienten. In hochgradigen, nahezu H2O-freien Gesteinen bleibt Kalifeldspat bei sehr geringen NH4-Gehalten einziges NH4-haltiges Mineral, nachdem Muskovit und Biotit abgebaut wurden. Der große Fraktionierungseffekt für NH4 zwischen Fluiden und den K-Mineralen einerseits, und zwischen Biotit und Muskovit/Kalifeldspat andererseits bietet ein großes Potential für die Interpretation von Devolatilisierungsprozessen und Fluid-Gesteins-Wechselwirkungen in der Erdkruste. Mit den nun vorliegenden Daten können Massenbilanzen für den Stickstoffkreislauf in der Erdkruste modelliert werden. Dies ist das Ziel zukünftiger Arbeiten. 283 Abb. 4.2: Ammoniumkonzentrationen in koexistierenden Biotiten, Muskoviten und Kalifeldspäten aus Graniten und Metamorphiten unterschiedlicher Fazies. Linien geben die für verschiedene Temperaturen experimentell abgeleiteten Verteilungskoeffizienten für geringe NH4-Konzentrationen an. Nitrogen concentrations calculated as ammonium in apparently coexisting K-bearing minerals from the literature. Dashed lines indicate our experimentally determined distributions at low NH4 bulk concentrations at the respective P-T-conditions. Abb. 4.3: REM-Bilder von (K,NH4)-Muskovit (a) und (K-NH4)-Feldspat, synthetisiert bei 500 °C und 400 Mpa (Foto: B. Pöter, GFZ). SEM micrographs of (K,NH4)-muscovite (a) and (K,NH4)-feldspar, synthetizised at 500 °C and 400 Mpa. Fluide in der Unterkruste: Evidence from nature and experiment 284 In der Natur gibt es viele Hinweise darauf, dass unterkrustale Fluide niedriger H2O-Aktivität (CO2 oder konzentrierte KCl- and NaCl-Lösungen) die Dehydra-tion von H2Oreichen, Plagioklas-Quarz-Hornblende-Biotit-führenden amphibolitfaziellen Gesteinen in H2O-arme, Orthopyroxen-führende granulitfazielle Gesteine (750 bis 900 °C und 600 bis 1000 MPa) über Distanzen von mehreren Kilometern bewirkt haben. Ein petrographisches Merkmal solcher trockener, Orthopyroxen-führender Gesteine ist das Auftreten von Kalifeldspat-Säumen entlang von Quarz-Plagioklas-Korngrenzen, oft assoziiert mit Albitverwachsungen entlang der Grenzflächen zwischen Kalifeldspat und Plagioklas (Abb. 4.4a). Abb. 4.4: Fluid-Gesteinswechselwirkung in der Natur und im Experiment (Erläuterung siehe Text) Fluid-rock interaction in nature and experiment (for details see text) Zur Entstehung dieser Säume können im wesentlichen drei Prozesse beitragen: fazieller in granulitfazielle Gesteine in der Unterkruste unter gleichzeitiger Bildung von Kalifeldspatsäumen. 1. Destabilisierung von Plagioklas (Anorthit-Komponente) entlang von Plagioklas-Quarz-Grenzflächen während der granulitfaziellen Metamorphose unter Einwirkung von KCl-Lösungen entsprechender der chemischen Reaktion Ein anderes typisches Merkmal fluidinduzierter granulitfazieller Dehydrationszonen stellt das Vorkommen von Monazit und/oder Xenotim innerhalb oder am Rand von Fluorapatit dar (Abb. 4.4d). Nach unseren experimentellen Untersuchungen können diese SEEPhosphate metasomatischen Ursprungs sein, entstanden durch Wechselwirkung mit KCl-Lösungen oder CO2/H2O-Mischungen mit dem Apatit über grosse Temperatur- (300 bis 900 °C) und Druckbereiche (500 bis 1000 MPa). CaAl2Si2O8 + 4 SiO2 + 2 KCl = 2 KAlSi3O8 + CaCl2 Anorthit Quarz Fluid Kalifeldspat Fluid Ein weiteres Indiz für die Beteiligung von Fluiden niedriger H2O-Aktivität an der Entstehung granulitfazieller Gesteine, sowohl im lokalen als auch regionalen Rahmen, stellt die raumzeitliche Entwicklung des F/OHVerhältnisses in Apatiten und Biotiten dar. Betrachtet man das relative Fugazitätsverhaltnis von OH zu HF im KCa2(Fe,Mg)4Al3Si6O22(OH)2 + 4 SiO2 metasomatischen Fluid als Funktion von der Entfernung von der Fluidquelle, so ergibt sich eine stetige, systemaHornblende Quarz tische Zunahme von log(fH2O/fHF) (Abb. 4.4e und 4.4f). Diese Entwicklung kann dahingehend interpretiert werden, dass ein initial wasserärmeres = Ca(Fe,Mg)Si2O6 + 3 (Fe,Mg)SiO3 + CaAl2Si2O8 + KAlSi3O8 + H2O Fluid bei seiner Passage durch die Gesteine zunehmend an Wasser angereiKlinopyroxen Orthopyroxen Plagioklas Kalifeldspat chert wird, bis schliesslich irgendwo im amphibolitfaziellen Ausgangsgestein Gleichgewicht erreicht wird. 3. Freisetzung von K und Al im Zuge der Umwandlung Gleichgewicht ist dann eingestellt, von Biotit und Quarz in Orthopyroxen und Kalifeldspat: wenn das Fluid nicht mehr in der Lage ist, die Umwandlung von Amphibolen K(Fe,Mg)3AlSi3O10(OH)2 + 3 SiO2 = 3 (Fe,Mg)SiO3 + KAlSi3O8 + H2O und Biotiten in Pyroxene zu initiieren. Eine stetige Zunahme von log(fH2O/fHF) Biotit Quarz Orthopyroxen Kalifeldspat zeigen die Granulit/Amphibolit-Traversen von Val Strona di Omegna in der Ivrea-Verbano Zone, N-Italien (Abb. 1e) und von Die Reaktionen 2 und 3 spielen vor allem dann eine Tamil Nadu, S-Indien (Abb. 4.4f). Rolle, wenn das infiltrierende Fluid eine NaCl-Lösung darstellt oder reich an CO2 ist. Die dehydrierende Eigen- Alle diese verschiedenen Beobachtungen unterstreichen, schaft von Fluiden niedriger H2O-Aktivität wurde in ver- dass Fluide mit niedriger Wasser-Aktivität eine domischiedenen Piston-Zylinder-Experimenten durch Wechsel- nierende Rolle bei der Umwandlung amphibolit- in wirkung unterschiedlicher Fluide mit einem natürlichen granulitfazielle Gesteine spielen können, assoziiert oder Plagioklas-Quarz-Biotit-Gneis nachgewiesen. In einem nicht mit einer teilweisen Aufschmelzung der Ausgangsdieser Experimente (900 °C; 1000 MPa; 3 Wochen) wur- gesteine. Zukünftige Modelle zur Evolution und Stabilide eine 0,5 cm-lange zylindrische Probe dieses Gneises sation der Unterkruste müssen die Bedeutung von Fluiden (Durchmesser 0,3 cm) mit einer geringen Menge (ca. in geeigneter Weise berücksichtigen. 3.6 % der Masse des Gneises) einer konzentrierten KClLösung in einer Au-Kapsel in Wechselwirkung gebracht. Zoisit als Träger der leichten Seltenen Erden in Im Ergebnis dieses Experimentes wurde der Gneis parSubduktionszonen tiell aufgeschmolzen und es bildeten sich Kalifeldspatsäume entlang von Quarz-Plagioklas-Korngrenzen, Subduktionsbezogene Magmen zeichnen sich im Allgejedoch nur dort, wo sich Biotit und Quarz in Kontakt meinen durch eine deutliche Anreicherung der leichten befanden (Abb. 4.4b) Hier reagierte der Biotit mit Quarz und mittleren Selten-Erd-Elemente (SEE) aus. Diese unter Bildung einer Vielzahl kleiner Kristalle von Anreicherung ist auf einen Fluidtransport aus der subOrthopyroxen, Klinopyroxen und Ilmenit (Abb. 4.4c). duzierten Platte zurückzuführen. Um den Stoffkreislauf Die Quelle des für die Bildung von Ilmenit benötigten der leichten und mittleren SEE in Subduktionszonen zu Titans bilden die 2 bis 3 Gewichts-% Titanoxid im Biotit verstehen, ist es notwendig, das geochemische und kris(Abb. 4.4c). Die Ergebnisse dieses und ähnlicher tallchemische Verhalten ihrer Trägerminerale zu kennen. Experimente mit CO2 und konzentrierten NaCl-Lösungen Typische Trägerminerale in Hochdruckgesteinen sind bestätigen die Möglichkeit der Dehydration amphibolit- die Epidotminerale und Zoisit. So zeigen Untersuchungen, 2. Freisetzung von K und Al im Zuge der Umwandlung von Hornblende und Quarz in Orthopyroxen, Klinopyroxen, Plagioklas und Kalifeldspat: 285 daß bis zu 90 % des leichten SEE-Gesamtgehaltes in Eklogiten in Zoisit und Allanit eingebaut sein können. Als OH-führendes, gesteinsbildendes Mineral kann Zoisit zudem signifikante Mengen Wasser in große Tiefen transportieren und stellt damit eine potentielle Fluidquelle für die Mantelmetasomatose, aber auch für die Bildung von Entwässerungsschmelzen dar. Trotz seiner geochemischen Bedeutung waren jedoch bislang die Stabilitätsbedingungen von Zoisit nur unzureichend bekannt und fehlten experimentell bestimmte Verteilungskoeffizienten für die SEE zwischen Zoisit und Schmelze gänzlich. Die Stabilitätsbedingungen von Zoisit und insbesondere seine Phasenbeziehungen zu Klinozoisit wurden mit Hochdrucksyntheseexperimenten aus chloridischen Lösungen untersucht. Die Versuchsbedingungen waren 2,0 GPa/600 bis 800 °C und die Versuchsprodukte wurden mittels Mikrosonde, Röntgendiffraktometrie und temperaturabhängiger Infrarotspektroskopie analysiert. Die Verteilungsexperimente der SEE zwischen Zoisit und einer wasserhaltigen silikatischen Schmelze wurden bei 3,0 GPa/1100 °C in einer Stempel-Zylinderapparatur durchgeführt. Ausgangszusammensetzungen waren natürliche Kumulate anorthitischer Zusammensetzung. Sie deuten außerdem darauf hin, daß der Eiseneinbau Zoisit gegenüber anderen Phasen wie Granat, Anorthit und Lawsonit stabilisiert. Dies bedeutet, daß die bisher nur aus Versuchen im eisenfreien System bekannten oberen Stabilitätsgrenzen von Zoisit in eisenführenden Systemen zu höheren Druck- bzw. Temperaturbedingungen verschoben werden und Zoisit in Subduktionszonen bis in größere Tiefen als bisher angenommen stabil ist. Sowohl die röntgenographische als auch die temperaturabhängige infrarotspektroskopische Untersuchung der Syntheseprodukte belegen zudem zwei bisher unbekannte Modifikationen von Zoisit. Die Daten deuten darauf hin, daß unter normalen geothermischen Gradienten Zoisit II stabil ist und Zoisit I nur in sehr kalten Subduktionszonen vorkommt (Abb. 4.6). Die Syntheseexperimente zeigen, daß Zoisit nur geringe Eisengehalte einbauen kann, daß der maximale Eisengehalt mit steigendem Druck und/oder steigender Temperatur jedoch ansteigt (Abb. 4.5). Abb. 4.6: Phasenbeziehungen zwischen Zoisit I, Zoisit II und Klinozoisit. Zoisit I ist die Hochdruck-Niedertemperatur-Modifikation, Zoisit II die Niederdruck-Hochtemperatur Polymorph. Steigender Eisengehalt verschiebt den invarianten Punkt I zu höheren Druckbedingungen. 286 Phase relations between zoisite I, zoisite II, and clinozoisite. Zoisite I is the high-pressure/low-temperature, zoisite II the low-pressure/high-temperature polymorph. Increasing iron content shifts the invariant point I to higher pressure. Abb. 4.5: Das Zoisit – Klinozoisit 2-Phasenfeld bei 2,0 GPa. Die Grenzen des 2-Phasenfeldes sind zu niedrigeren Eisengehalten als gerade Linien extrapoliert. Die Gleichungen geben die Temperaturabhängigkeit der maximalen und minimalen Eisengehalte in koexistieren dem Zoisit und Klinozoisit an. (czo = Klinozoisit; zo = Zoisit) The zoisite – clinozoisite two-phase field at 2.0 GPa. The limbs of the two-phase fields are tentatively extrapolated to lower iron contents as straight lines. Equations show the temperature dependencies of maximum and minimum iron contents in coexisting zoisite and clinozoisite. (czo = clinozoisite; zo = zoisite) Welchen Einfluß die zwei Modifikationen auf die Spurenelementgeochemie von Zoisit haben, konnte im Rahmen der Untersuchungen allerdings nicht bestimmt werden. Die experimentell bestimmten Verteilungskoeffizienten für die SEE zwischen Zoisit und wasserhaltiger silikatischer Schmelze sind in sich konsistent. Die Abhängigkeit der Verteilungskoeffizienten von dem Ionenradius der SEE folgt einer idealtypischen Parabel (Abb. 4.7) und belegt, daß die Verteilung der SEE zwischen Zoisit und wasserhaltiger silikatischer Schmelze überwiegend von der Kristallstruktur und -chemie des Zoisits bestimmt wird. Daten sind deshalb homogene und gut charakterisierte Referenzproben verschiedener Zusammensetzung notwendig, an denen die Messungen kalibriert werden können. Nachfolgend werden zwei Anwendungen zur Analytik leichter Elemente mit der CAMECA ims 6f am GeoForschungsZentrum beschrieben. Das erste Beispiel bezieht sich auf das Mineral Staurolith, ein Schlüsselmineral zur Bestimmung des Grades regionaler Metamorphose. Bis vor einigen Jahren war die komplexe Kristallchemie von Staurolith kaum verstanden und auch die experimentellen Arbeiten zur Stabililität des Minerals waren nicht eindeutig zu interpretieren. Es war unklar, warum Staurolith bis zu 1,3 Gew.% Li2O einbauen kann und der H2O-Gehalt mindestens von 1,4 bis 2,3 Gew.% variiert. Die chemische Variation von Staurolith wurde deswegen mit einer flexiblen Formel Abb. 4.7: Onuma-Diagramm der experimentell bestimmten Zoisit/Schmelze Verteilungskoeffizienten für die SEE und Yttrium. Die Verteilungskoeffizienten sind gegen den Ionenradius in siebenfacher Koordination aufgetragen. Onuma plot of experimentally determined zoisite/melt REE (and Y) partition coefficients versus ionic radius in 7-fold co-ordination. Der Zenit der Parabel liegt bei Neodymium und zeigt, daß Zoisit bevorzugt die SEE Neodymium und Samarium einbaut. Für Schmelzen, die mit Zoisit im Gleichgewicht sind, bedeutet dies, daß sie an den mittleren SEE verarmen, was zu einer relativen Anreicherung der leichten SEE führt. Im Gegensatz dazu werden Entwässerungsschmelzen, die beim Abbau von Zoisit entstehen, eine relative Anreicherung der mittleren SEE gegenüber den leichten SEE aufweisen. Leichte Elemente in Staurolith und Nigerit: Indikatoren geodynamischer und petrogenetischer Prozesse. Leichte Elemente (H, Li, Be, B) und ihre Isotopen spielen eine wichtige Rolle bei der Interpretation und Modellierung grossräumiger geodynamischer Prozesse, wie z.B. Subduktion und Krustenbildung. Durch verbesserte analytische Apparaturen und Messverfahren sind während der letzten 5 bis 10 Jahre beachtliche Fortschritte im Nachweis und der Quantifizierung leichter Elemente gemacht worden. Mit einer Ortsauflösung von weniger als 10 µm und niedriger Nachweisgrenzen bei geringen Probenmengen ist die Sekundärionen-Massenspektrometrie (SIMS) eine ausgezeichnete Methode für die „in situ“ -Bestimmung von leichten Elemente in festen Substanzen. Ein Nachteil der SIMS-Methode ist, dass quantitative Ergebnisse von der Zusammensetzung und der Struktur der Matrix abhängig sind. Für gute quantitative SIMS- [M4] (Fe2+,Mg,Mn,j)4 [T2](Fe2+,Zn,Co,Mg,Li,Al,Fe3+,Mn2+,j)4 [M1,M2] (Al,Fe3+,Cr,V,Mg,Ti)16 [M3](Al,Mg,j)4 [T1](Si,Al)8 O40 (OH,O,F)8 beschrieben. Der H2O-Gehalt in Staurolith hängt systematisch von den metamorphen Bedingungen während der Bildung ab, wobei die höchsten H2O-Werte bei hohen Drücken und niedrigen Temperaturen auftreten. Als wichtigste Substitution für den Einbau von Wasser gilt [T2](Fe2+,Zn, Mg,Mn, Ni, Co) + 2j = [T2]j + 2H+, die zu einer Abnahme des Staurolith-Volumens mit zunehmenden H2O-Gehalt führt. Auf der Insel Samos (Ägäisches Meer) tritt am Kontakt zwischen einem Chloritoid-Diaspor-führenden Metabauxit und Calcitmarmor ein ungewöhnlicher Li-H-Zn reicher Staurolith auf. Nach seiner Bildung bei hohen Drücken und niedriger Temperatur wurde dieser Staurolith teilweise abgebaut, hauptsächlich unter Bildung von Na-Ca-Li Glimmer (0.90-1.50 Gew.% Li2O) und Gahnit (ZnAl2O4), gelegentlich mit Diaspor, Ni-Co-reichen Chlorit und Fe-Mn-Oxid (Abb. 4.8). Detaillierte EMS-Arbeiten ergaben, dass viele Staurolith-Kristalle chemisch zoniert sind, wobei die höchsten Zn-Gehalte im Kern und an den Rändern erhöhte Fe-, Co- und Mg-Gehalte auftreten (Abb. 4.9, 4.10). Die SIMS-Analysen ergaben, dass der H2O-Gehalt im Kernbereich von Staurolith-Kristallen höher ist als am Rand; für Li wurde eine geringe, aber signifikante Erhöhung am Rand gemessen (Abb. 4.10). Die chemische Zonierung in Staurolith ist durch ein aufeinanderfolgendes Wachstum während unterschiedlicher metamorpher Stadien entstanden, in Einklang mit der tektono-metamorphen Entwicklung von Samos. Der Zn- und Hreiche Kernbereich ist während einer früh-alpinen, mit Subduktion verbundenen hoch-P/niedrig-T-Metamorphose gewachsen, die Ränder mit erhöhten Fe, Co, Mg und Li (niedriger H) entstanden während einer spätalpinen Grünschiefer-faziellen Metamorphose, nach- 287 288 Abb. 4.8: Dünnschliff-Aufnahme (oben links), Rückstreuelektronen (RSE)-Aufnahme (oben Mitte), EMS X-ray (Si Ká, Al Ká, Na Ká, Zn Ká) und SIMS (7Li+, 27Al+, 28Si+, 40Ca+) Element–Verteilungsbilder eines prismatischen Zincostaurolith (St) Kristalls, der teilweise nach Na-Ca-Li Glimmer (Mi), Gahnit (Gah) und Diaspor (Dsp) umgewandelt ist. Die Matrix besteht aus Calcit (Cal) und Turmalin (Tur). Der Kreis auf Si Ká and Na Ká ?-Bildern gibt den Bereich an, der mit SIMS abgebildet wurde (untersten 4 Bilder). Probe SA22B1 von Ost-Samos. Transmitted light photograph of thin section (upper left), BSE-picture (upper right), EMP X-ray (Si Ká, Al Ká, Na Ká, Zn Ká) and SIMS ion (7Li+, 27Al+, 28Si+, 40Ca+) images of partial breakdown of prismatic zincostaurolite crystal into Na-Ca-Li mica (Mi), gahnite (Gah) and diaspore (Dsp). Matrix consists of calcite (Cal) and tourmaline (Tur). Circles on Si Ká and Na Ká maps indicate the area imaged by SIMS (lower 4 pictures). Sample SA22B1 from EastSamos. Abb. 4.9.: Verteilung von Zn, Fe, Ni und Co in einem zonierten Staurolith-Kristall von Samos (Probe Sa9aE). Fe-reiche Einschlüsse im Kern und im untersten Rand des Kristalls sind (Fe, Mg, Mn)CaCarbonate. R-S zeigt die Position des chemischen Profils in Abb. 4.10. Distribution of Zn, Fe, Ni and Co in zoned staurolite grain from Samos (sample Sa9aE). Fe-rich inclusions in core and lower rim of grain are (Fe, Mg, Mn) Ca-carbonates. R-S indicates the position of the compositional profile shown in Fig. 4.10. 289 Abb. 4.10: Chemische Variation (Atome normiert auf 48 Sauerstoffe) eines Staurolith-Kristalls entlang das Profils R-S (Probe Sa9aE). Li and H wurden mit SIMS, alle andere Elemente mit EMS analysiert. Das Rückstreu-Elektronen-Bild (oben links) zeigt den ganzen Staurolith-Kristall mit Position des Profils R-S (vgl. auch Abb. 4.9). Chemical variation (atoms per 48 oxygens) in staurolite crystal along R-S (sample Sa9aE). Li and H were analyzed with SIMS, all other elements with EMP. BSE-image (upper left) displays entire staurolite crystal with position of profile R-S (cf. Fig. 4.9). dem die hoch-P-Gesteine tektonisch in die mittlere Kruste transportiert wurden. Im Allgemeinen scheint die chemische Zonierung in Staurolith die Empfindlichkeit seiner komplexen Kristallstruktur für Änderungen der physiko-chemischen Randbedingungen (Druck, Temperatur, H2O- und O2-Fugazität) zu zeigen. Im Fall der Insel Samos war es vor allem die rasche Dekompression der hoch-P-Gesteine, die zur Destabilisierung des frühalpin gebildeten Stauroliths und zu dessen teilweisen Abbau in weniger dichte Minerale wie Gahnit, Ca-NaLi-Glimmer und Chlorit führte. Das Beispiel Samos zeigt, dass, ähnlich wie das Mineral Granat, der kristallchemisch komplexe Staurolith ein Monitor für die Druck-Temperatur-Zeit–Geschichte seines Wirtsgesteins ist. Ein zweites Beispiel der SIMS-Analytik leichter Elemente betrifft die quantitative Analyse von Nigerit (Fe-Mg-Zn-Sn-Al-Oxid). Auf der Basis von Kristallstruktur-Verfeinerungen von Nigerit, der mit SnO2-führenden Pegmatiten assoziiert ist, wurde vermutet, dass Nigerit signifikante Mengen von Li einbauen kann. Bestätigt wurde diese Vermutung erstmalig durch SIMS-Analysen an Proben aus Namibia und Nigeria (Typlokalität von Nigerit), welche 0,70 und 0,61 Gew.% Li2O ergaben. Ähnliche Li2O-Gehalte sind für andere, mit Li-Sn reichen Pegmatiten assoziierte Nigerite zu erwarten, so dass eine Neuinterpretation der Kristallchemie von Nigerit notwendig ist. Korngrenzdiffusionskontrollierte Mineralreaktionen 290 Viele Gesteine haben im Verlauf ihrer Existenz durch Wirkung von Temperatur, Druck oder Fluiden wesentliche Veränderungen hinsichtlich ihrer Struktur oder Mineralzusammensetzung erlebt, die man unter dem Begriff der Gesteinsmetamorphose zusammenfaßt. Diese Umbildungen geschehen im festen Zustand und setzen meist Stoffwanderung durch das Mineralaggregat voraus. Im mm- bis dm-Maßstab ist dies vor allem Stofftransport durch Diffusion und in Mineralaggregaten insbesondere durch Korngrenzdiffusion. Viele Merkmale metamorpher Gesteine werden durch diffusionskontrollierte Prozesse erklärt, wie etwa Mineralzonierungen, Symplektite oder Reaktionssäume. Ihnen ist gemeinsam, daß es aufgrund des langsamen diffusiven Stofftransportes nicht zur Einstellung eines thermodynamischen Gleichgewichts gekommen ist. Gerade derartige Ungleichgewichts-Strukturen können Petrologen wichtige Hinweise zur Genese dieser Gesteine und damit zur Rekonstruktion großräumiger geologischer Prozesse geben. Monomineralische oder komplexe Reaktionssäume in metamorphen Gesteinen liefern Aussagen über die Stoffflüsse der beteiligten chemischen Komponenten und ihre relative Größe. Unsicher ist hingegen der Faktor Zeit. Will man die Dynamik der Bildungsprozesse verstehen, ist man auf Experimente angewiesen. In der Sektion 4.1 wurde über mehrere Jahre die Kinetik des Wachstums von polykristallinen Reaktionssäumen zwischen inkompatiblen Mineralen experimentell untersucht. Das Ziel war, Reaktionsmechanismen und limitierende Faktoren herauszuarbeiten und die Diffusivität der chemischen Komponenten in polykristallinen Aggregaten gesteinsbildender Minerale quantitativ zu bestimmen. Als Standardreaktion wurde dabei die Bildung von Pyroxensäumen (Enstatit) bei der Reaktion von Quarz und Olivin etabliert. Dabei stellten sich zwei grundsätzliche Probleme heraus: - An Mineralreaktionen sind im allgemeinen mehrere chemische Komponenten beteiligt, die unterschiedlich mobil sein können. Das Dickenwachstum von Reaktionssäumen ergibt keine unmittelbare Aussage, welche Komponenten tatsächlich diffundieren. - Die Prozesse sind sehr langsam. Um im Labor messbare Effekte zu erzielen, muss man bei wesentlich höheren Temperaturen als in der Metamorphose experimentieren. Ein neuer Ansatz, die individuelle diffusive Mobilität chemischer Komponenten zu bestimmen, wurde mit der isotopischen Dotierung der Startsubstanzen gefunden. Die isotopischen Konzentrationsgradienten in den Reaktionssäumen wurden mittels SekundärionenMassenspektrometrie (SIMS) gemessen. Im Berichtszeitraum gelang es nun auch in Zusammenarbeit mit der Ruhr-Universität Bochum, die Reaktionssaum-Methode im Bereich geologisch relevanter Temperaturen anzuwenden. Der Schlüssel hierzu war die Miniaturisierung der experimentellen Anordnung. Auf polierte Quarz-Oberflächen wurden mit der Pulsed Laser Deposition-Technik (PLD) Dünnschichten von Pyroxen (En90Fs10) und darüber Olivin (Fo90Fa10) in einer Gesamtdicke von einigen 100 nm aufgedampft. Im Olivin waren die Isotope 29Si und 18O stark angereichert. Die Schichtdicken wurden mit Rutherford-Backscattering (RBS) am Bochumer Teilchenbeschleuniger gemessen. Im Diffusionsexperiment verbreiterte sich die Pyroxenschicht unter Kontrolle von Umgebungsatmosphäre, Temperatur und Zeit. Anschließend wurde am GFZ Potsdam die Isotopenverteilung mit SIMS-Tiefenprofilen in einer räumlichen Auflösung von 30 nm gemessen. Mikrostrukturen der Reaktionssäume und ihre Dicke nach den Experimenten wurden am Transmissions-Elektronenmikroskop (TEM) ermittelt. Das dafür notwendige räumlich hochpräzise Extrahieren von TEM-Präparaten aus polierten Probenoberflächen ist erst durch Focussed Ion Beam Methode (FIB) möglich geworden, die am GFZ in die Geowissenschaften eingeführt wurde. Die Untersuchung ergab, daß der geschwindigkeitsbestimmende Reaktionsmechanismus bei 1000 °C derselbe ist wie in trockenen Hochtemperatur-Experimenten bei 1350 bis 1450 °C. In beiden Fällen liegt die Aktivierungsenergie der diffusionskontrollierten Reaktion bei etwa 400 kJ/mol. Spektakulär ist der Effekt von sehr geringen Mengen Wasser (0.1 bis 1 Gew.-%) in Hochdruck-Experimenten bei 1000 MPa (entsprechend dem Druck an der Basis der kontinentalen Kruste). Diese geringen Mengen an Wasser erhöhen die Diffusivität sowohl von Mg wie von Si um das 103- bis 104-fache. Dies läßt den Schluß zu, daß sehr geringe Wassermengen im intergranularen Raum einen enormen Einfluß auf Reaktionsgeschwindigkeiten und somit die Gestalt metamorpher Gesteine nehmen. Insbesondere deutet sich an, daß schon sehr geringe Mengen extern zugeführter Fluide selbst in Abwesenheit schneller Migrationswege metamorphe Reaktionen stark beschleunigen können. Die typischerweise mit ihnen verbundene Volumenreduktion ist eine mögliche Erdbebenquelle. Die PLD-Technik ist sehr flexibel hinsichtlich der Zusammensetzung der Dünnschichten. Die neuentwickelte Dünnschicht-Methode eröffnet damit vielfache neue Möglichkeiten, etwa hinsichtlich variabler Fe-Mg-Konzentrationen in Pyroxen und Olivin in der untersuchten Reaktion oder hinsichtlich ganz anderer Mineralreaktionen. Am GFZ Potsdam existieren hervorragende Möglichkeiten, entsprechende Reaktionsprodukte zu analysieren. Es ist vorgesehen, die Arbeit in Kooperation des GFZ mit Wissenschaftlern der Universität Basel und der Ruhr-Universität Bochum fortzusetzen. Abb. 4.11: TEM-Aufnahmen von polykristallinen Dünnschichten von Pyroxen (Enstatit) und Olivin auf Quarz vor dem Experiment (oben) und nach 360 min bei 1200 °C (unten). Die Enstatitschicht ist weitergewachsen. Zudem fand eine Kristallvergröberung statt. SEM picture of polycrystalline pyroxene (enstatite) and olivine on quartz before (top) and after 360 min at 1200 °C (bottom). Enstatite growth continued and a crystal enlargement took place. Experimentelle Simulation von Mantelmetasomatose In einer subduzierenden Platte können Dehydratationsreaktionen wasserhaltiger Phasen bis in Tiefen von über 300 km stattfinden. Das hierbei freiwerdende Fluid ist an inkompatiblen Elementen angereichert und sein Aufstieg führt durch Reaktionen mit Material des überlagernden Mantelkeils zu Mineralneubildungen. Dieser Vorgang, der als Mantelmetasomatose bezeichnet wird, stellt einen wesentlichen Aspekt zum Verständnis des Stoffkreislaufes an konvergenten Plattengrenzen dar, da er z.B. Stoffmengenbilanzen, Mantel-sowie Magmenchemismen kontrolliert. Die Simulation von Mantelmetasomatose an konvergenten Plattengrenzen erfolgte in Hochdruck/TemperaturExperimenten in einer Stempel-Zylinderapparatur mit dem in Abb. 4.12 dargestellten experimentellen Aufbau. Der Boden einer Au-Kapsel wurde mit synthetischem (Cs,Rb,K)-Phengit gefüllt, der obere Bereich mit einer modellhaft den Mantel repräsentierenden Mischung aus Fe-freiem Olivin und Enstatit. Phengit wurde als typisches Material einer Subduktionsplatte ausgewählt, weil dieser OH- und alkalihaltige Glimmer bei der tiefen Subduktion von Sedimenten und ozeanischer Kruste zu den Hauptträgern von Wasser zählt und seine Entwässerung zudem wesentlich zum Stoffkreislauf der Alkalielemente an konvergenten Plattengrenzen beiträgt. Eine fluiddurchlässige perforierte Gold-Folie trennte in diesem Modellaufbau die „subduzierte Platte“ vom „überlagernden Mantelkeil“, um direkten Kontakt zwischen den Bereichen zu vermeiden. Das Experiment wurde bei einem Druck von 35 kbar durchgeführt und war so konzipiert, das zwischen dem Boden (950 °C) und dem Deckel (1000 °C) der Kapsel ein TemperaturGradient vorlag und dadurch das durch partielle Zersetzung und Rekristallisation von Phengit freigesetzte Fluid aufsteigen und im oberen heißeren Kontaktbereich eine “Mantelmetasomatose” initiieren sollte. Nach dem Experiment zeigte sich Neubildung von Phlogopit und Al-reichem Enstatit im “Slab-Mantel”Kontaktbereich (Abb. 4.12) – erstmalig war die Simulation einer phlogopitischen Mantelmetasomatose im Experiment erfolgreich. Die gemessenen AlkaliVerteilungskoeffizienten zwischen Phlogopiten und rekristallisierten Phengiten stimmen sehr gut mit Literaturdaten experimenteller Arbeiten überein. Die in den Hohlräumen zwischen Mineralen der Kontaktzone aufgefundene amorphe Phase ist sehr alkali-, Al- und Sireich (Abb. 4.13) und entspricht in ihrer Zusammensetzung den aus früheren Löslichkeitsexperimenten bestimmten Fluidchemismen. Wahrscheinlich repräsentiert das amorphe Material das von hohen Drücken und Temperaturen auf Atmosphärenbedingungen abgeschreckte und dabei chemisch nahezu unveränderte Fluid dar. Ob nun das aus der subduzierten Platte aufsteigende Fluid durch einen an alkalihaltigen Mineralen freien Mantel, oder durch einen amphibol- und/oder phlogopi- 291 Abb. 4.12: Schematische Zeichnung und Bild der aufgeschnittenen Au-Kapsel nach dem Experiment. Der grüne Bereich der Kapsel zeigt das aus Forsterit (Fo) und Enstatit (En) bestehende „Mantelmaterial“. Der blaue Bereich, der die „subduzierte Platte“ repräsentiert, besteht aus rekristallisiertem Phengit (phe). Zusätzlich wird in einem REM-Bild die “Platten-Mantel” Kontaktzone gezeigt - die metasomatische Zone, die aus neu gebildetem Phlogopit (phl) und Al-reichen Enstatit (en) besteht. In den Hohlräumen zwischen diesen Mineralen findet man eine Cs-reiche amorphe Phase. Schematic drawings and photograph of the cutted Au-capsule after the experiment. The green part shows the mantle assemblage consisting of forsterite (Fo) and enstatite (En). The blue part, representing the subducted slab, consists of recrystallized phengite (phe). Additionally, the marked area at the contact “slab-mantle”, representing the metasomatic zone with newly formed phlogopite (phl) and Al-rich enstatite (en), is shown in a SEM-photopraph. In the cavities between these minerals a Cs-rich amorphous phase is formed. 292 Abb. 4.13: Zusammensetzungen der Startmaterialien und Produktphasen (siehe Legende) dargestellt in den ternären Systemen a) MgO-Al2O3-SiO2 und b) Cs-Rb-K. Composition of the starting materials and product phases (see legend) plotted in the ternary systems a) MgO-Al2O3SiO2 and b) Cs-Rb-K. thaltigen Mantelsaum wandert, in welchen Tiefen diese Durchströmung stattfindet und wie groß die Breite eines durch Metasomatose gebildeten Amphibol-, bzw. Phlogopitsaumes im Mantel ist – dieses hat grundlegende Bedeutung z.B. für die Interpretation von Alkalisignaturen in Inselbogenvulkaniten. Die Lokation phlogopitischer Mantelmetasomatose hängt sehr stark von der Geometrie und thermischen Struktur einer Subduktionszone ab. Für die in Abb. 4.14a dargestellte relativ warme Subduktion SW Japans, wird Phlogopit im Mantel ab einer Tiefe von etwa 100 km in einem etwa 25 km breiten Saum kristallisieren. In kälteren Subduktionzonen, wie z.B. in NO-Japan (Abb. 4.14b) dehnt sich die maximale Stabilität von Amphibol zu größeren Manteltiefen aus. Bis zu einer Tiefe von ca. 120 km wird sich in einem schmalen Streifen des sich direkt an die Subduktionszone angrenzenden Mantelkeils Amphibol bilden – Phlogopitkristallisation setzt erst mit Überschreiten der Amphibolstabilitätsgrenze ein. Sollte alkalihaltiges Fluid diesen amphibolhaltigen Bereich durchströmen, könnte es zusätzlich zu Phlogopitbildung in heißeren, höher gelagerten Zonen des Mantels kommen. Im Gegensatz zu SW-Japan (Abb. 4.14a), wird durch die in kalten Subduktionsplatten näher zusammenliegenden Isothermen die Breite des Amphibol-/Phlogopitsaumes bzw. der alleinigen Phlogopitzone im Mantelkeil deutlich kleiner. Zusätzlich wird auch die Position der beginnenden Phengitentwässerung in der subduzierten kalten Platte und damit das Auftreten von phengitinitiierter Mantelmetasomatose zu größeren Erdtiefen verschoben. OH in Coesit und seine Auswirkung auf die Coesit-Quarz Transformationskinetik Ausser in nominell wasserhaltigen Mineralen wie Amphibol, Serpentin und Talk kann Wasserstoff auch in nominell wasserfreien (anhydrous) Mineralen (NAMs) wie Pyroxen, Granat und Olivin gespeichert werden. NAMs bauen diesen Wasserstoff als Punktdefekte in Form von Hydroxylgruppen in ihre Struktur ein. Experimentelle Untersuchungen ergaben, dass die Speicherfähigkeit von Wasserstoff in diesem Mineralen generell mit dem Umgebungsdruck steigt. Die Löslichkeit von Wasserstoff in NAMs, ausgedrückt als Gew% H2O, ist zwar auch unter Erdmantelbedingungen noch relativ gering (bis zu 0,3 Gew % H2O), aber global gesehen übersteigt der Wassergehalt des Oberen Erdmantels den der Hydrosphäre bei weitem. Die Anwesenheit von Wasser im Erdmantel hat enorme Auswirkungen auf die physikalischen Eigenschaften der Minerale und Gesteine. Mit steigendem Wassergehalt ändern sich das rheologische Verhalten, die Diffusionsgeschwindigkeiten, die elastische Konstanten, die Wärmeleitfähigkeit, die Transformationskinetik und letztendlich auch der Schmelzpunkt des Mantelmaterials. Zur Modellierung dynamischer Prozesse im Erdmantel ist es also unerlässlich, die Änderung dieser physikalischen Eigenschaften als Funktion des Wassergehaltes zu kennen. Eine geeignete Methode zur Lokalisierung und Quantifizierung von Wasserstoff in Mineralen ist die Fourier Transform Infrarot-Spektroskopie (FTIR). In Kombination mit einem Mikroskop kann man so bis zu 30 µm kleine Kristalle untersuchen. Unter zusätzlicher Verwendung von Synchrotron-IR-Strahlung (z.B. am Bessy II-Speicherring in Berlin) kommt man auf eine lokale Auflösung von 5 x 5 µm. Verwendung von linear polarisiertem Licht, Arbeiten mit Diamantstempelzellen zur Simulation von hohen Drücken, sowie Arbeiten mit Heiz- und Kühlzellen liefern weitere wertvolle Informationen zur Lokalisierung und Quantifizierung der Hydroxylgruppen in den jeweiligen Mineralen. Abb. 4.14: Thermische Struktur der Subduktionszonen in SW-Japan (a) und NO-Japan (b) (modifiziert nach Peacock & Wang, 1999), zusammen mit den Bereichen maximaler Stabilität von Phlogopit (phlog out) und Amphibol (amph out). Der Bereich, in dem Phlogopit innerhalb des Mantelkeils gebildet werden kann, ist rot gefärbt. Der Stern zeigt die Druck/TemperaturBedingungen des Experiments. Thermal structure of the SW Japan (a) and NE Japan (b) subduction zones (modified after Peackock & Wang, 1999), together with the locations of maximum stability of phlogopite (phlog out) and amphibole (amph out). The area of metasomatic phlogopite formation in the mantle wedge is shown in red. The asterix indicates the pressure/temperature-conditions of the experiment. 293 In experimentellen Studien synthetischer und natürlicher Systeme wurde der Einbau von Wasserstoff in Mantelminerale charakterisiert und quantifiziert. Der Einbau von OH in Coesit, die Hochdruckmodifikation von Quarz, wurde experimentell im Druckbereich von 3,0bis 9,0 GPa und bei Temperaturen von 700 bis 1300 °C untersucht. Unsere Experimente zeigten, dass Coesit bis zu 0,02 Gew. % H2O in die Struktur einbauen kann (Abb. 4.15). Der Einbau von nicht stöchiometrischen Wasserstoff in ein nominell wasserfreies Mineral muss ladungsmässig ausgeglichen sein. Dies kann theoretisch über die Ausbildung von Leerstellen, wie z.B. bei der sogenannten Hydrogranatsubstitution Si4+ + 4O2- = [4] j(Si) + 4OH- geschehen, oder über gekoppelte Substitutionen wie z.B. den Erstatz des vierwertigen Si durch ein dreiwertiges Kation plus Wasserstoff nach Si4+ = Al3+(B3+) + H+. Mit Hilfe der FTIR-Spektroskopie bei Raumbedingungen in Kombination mit in-situ FTIR-Spektroskopie bei hohen Drücken konnte gezeigt werden, dass ca. 80% des Wasserstoff im Coesit in Form der Hydrogranatsubstitution eingebaut wird. Bei der Hydrogranatsubstitution werden die Sauerstoffe vakanter Si-Tetraeder durch OH Gruppen ersetzt (Abb. 4.16), also (OH)4-Cluster gebildet. In Abhängigkeit vom Synthesedruck treten zwei verschiedene Typen dieser Cluster auf. Sie unterscheiden sich in der Anordnung der OH-Gruppen und in den O-H…O-Abständen. Dies konnte anhand des unterschiedlichen Druckverhaltens der OH-Banden bestimmt werden (Abb. 4.17). Circa 20% des Wasserstoffs im Coesit wird über gekoppelte Substitutionen unter Beteiligung von Al und B eingebaut. Abb. 4.16: Modell der Hydrogranat-Substitution I in Coesit. In einem vakanten Si2 -Tetraeder werden die vier Sauerstoffe durch vier OH-Gruppen ersetzt. Model of the hydrogarnet substitution I in coesite. In a vacant Si2 tetrahedron the four oxygens are replaced by four OH-groups. Abb. 4.17: Positionen der OH-Banden in Coesite als Funktion des Drucks. Die Spektren wurden in-situ in einer Diamantstempelkammer aufgenommen. Position of the OH bands in coesite as a function of pressure. The spectra were collected in-situ in a diamond anvil cell. 294 Abb. 4.15: Infrarot-Spektren von Coesit, synthetisiert bei verschiedenen Drücken. Die Banden v1-v3 und v7v10 werden Schwingungen von OH-Gruppen zweier unterschiedlicher (OH)4 -Cluster zugeordnet. Die Banden v4, v5 und v6 werden Schwingungen von OH-Gruppen zugeordnet, die im Zusammenhang mit der Substitution des Si4+ durch Al3+ + H, bzw. durch B3+ + H stehen. Infrared spectra of coesite, synthesized at different pressures. The bands v1-v3 and v7 - v10 are assigned to vibrations of OH groups of two different (OH)4 clusters. The bands v4, v5 and v6 are assigned to vibrations of OH groups in connection with Al- and B-based point defects. Obwohl OH-haltige Coesite experimentell relativ einfach zu synthetisieren sind, konnte erst an einem einzigen natürlichen Coesit der OH-Einbau in der Natur nachgewiesen werden (Abb. 4.18). Dieser Coesit kommt als Einschluss in einem Diamanten vor, der in kimberlitischem Gestein des Guyana-Schildes in Venezuela gefunden wurde. Die Infrarotspektren zeigen, dass er OH in Form der Hydrogranatsubstitution I eingebaut hat. Im Vergleich zu den Spektren bei Atmosphärendruck sind die OH-Banden zu niedrigeren Wellenzahlen verschoben. Dies zeigt an, dass der im Diamant eingeschlossene Coesit immer noch unter Druck steht. Im Vergleich zu oben gezeigten experimentellen Daten entspricht die Verschiebung der OH-Banden einem Druck von etwa 5 GPa (ca. 150 km Erdtiefe). Dies ist auch der Druck, den man als Bildungsdruck für die kimberlitischen Diamanten aus Venezuela annimmt. Damit ist dieser Coesit ein Beleg dafür, dass im oberen Erdmantel tatsächlich Wasser vorhanden ist, und dass es in Coesit eingebaut wird. Petrographische Untersuchungen an Hochdruckgesteinen haben ergeben, dass Coesit häufig nur noch als Relikt in den jetzt an der Erdoberfläche auftretenden Gesteinen zu finden ist und dass diese Coesite kein Wasser enthalten. Dünnschliffe dieser Gesteine belegen, dass die meisten Coesite sich in Quarz umgewandelt haben. Dies muss während der Exhumierung, also während der Druckentlastung, geschehen sein. Es drängt sich nun die Frage auf, ob die Rückumwandlung in Quarz durch zuvor in Coesit eingebautes OH gefördert wird. Dies könnte erklären, warum OH bisher erst in einem natürlichen Coesit nachgewiesen werden konnte. Abb. 4.18: Infrarotspektrum eines Coesits, eingeschlossen in einen Diamant im Vergleich zu einem Spektrum eines synthetischen Coesits, das in-situ in einer Diamantstempelzelle bei 4,9 GPa aufgenommen wurde. Es sind nur die zur Hydrogranat Substitution I zugeordneten Banden zu beobachten. Im Vergleich zu den Spektren bei Raumbedingungen (Abb. 4.15) sind die Banden aber zu niedrigeren Wellenzahlen verschoben. Damit ist belegt, dass der Coesit immer noch unter Druck steht. Infrared spectrum of coesite as inclusion in diamond in comparison to a spectrum of a synthetic coesite taken in-situ in a diamond anvil cell at 4.9 GPa. Only bands assigned to the hydrogarnet I substitution can be observed. In comparison to spectra taken at ambient conditions (Fig. 4.15) the bands are shifted to lower wavenumbers indicating that the coesite inclusion is still under confining pressure. Um den Einfluss von OH in Coesit auf die Coesit/Quarz Transformationskinetik zu untersuchen, wurden in-situ-Experimente im Druck/Temperaturbereich 2,4 bis 3,0 GPa / 600 bis 950 °C an der MAX 80 im Hamburger Synchrotronstrahlungslabor (HASYLAB) durchgeführt. Dazu wurde röntgenographisch die Umwandlungsrate von OH-haltigem und OH-freiem Coesite zu Quarz bestimmt (Abb. 4.19). Es zeigte sich, dass bei OH-haltigen Coesiten die Umwandung um einige Grössenordnungen schneller geht als in OH-freien Coesiten. Damit können wir verstehen, warum OHhaltige Coesite so selten sind. Sie überleben die Exhumierung nur, wenn sie, wie der Coesiteinschluss im Diamant, in einem Druckkontainer eingeschlossen sind. 295 Abb. 4.19: Sequenz von Röntgendiffraktogrammen gegen die Zeit während der Coesit-Quarz-Transformation bei 2,4 GPa und 700 °C. Die (040) und (041) Reflexe gehören zu Coesit, die (101) und (100) Reflexe zu Quarz. (a) OH-freier Coesit; nach 16 Minuten war 80% des Coesits in Quarz umgewandelt. (b) OH-haltiger Coesit; nach 2,5 Minuten war 80% des Coesits in Quarz umgewandelt. Sequence of diffraction patterns versus time during the phase transition coesite-quartz at 2.4 GPa and 700 °C. The (040) and (041) diffraction lines belong to coesite, the (101) and (100) lines to quartz. (a) OH-free coesite; 80% conversion was reached after 16 min. (b) OH-bearing coesite; 80% conversion was reached after 2.5 min. Bor-Isotopenfraktionierung in Subduktionszonen: Systematische Borisotopenvariation über den kontinentalen vulkanischen Bogen der Zentralen Anden jüngster Zeit besondere Bedeutung beigemessen. Mit Hilfe des geochemischen Verhaltens von Bor wurde an Vulkangesteinen der Zentralen Anden sowohl der Stofftransfer als auch eine eventuelle Fraktionierung der Borisotope während fortschreitender Subduktion untersucht. Subduktionsprozesse an konvergenten Lithosphärenplatten haben großen Einfluß auf die stoffliche und strukturelle Entwicklung der kontinentalen Kruste. Insbesondere die Untersuchung der Stoffkreisläufe in Subduktionszonen bietet die Möglichkeit Aussagen über die Entwicklung der kontinentalen Kruste sowie über die dynamischen Prozesse während der Subduktion zuerhalten. Den Stoffflüssen leichter Elemente wird aufgrund ihrer speziellen geochemischen Eigenschaften in Die Zentralen Anden stellen ein Extrembeispiel eines Ozean-Kontinent-Subduktionssystems dar (Abb. 4.20), das durch seine bis zu 70 km dicke kontinentale Kruste einzigartig ist. Weil die primären Signaturen der Subduktionsmagmen bei den meisten geochemischen Tracern, wie z.B. Cs, Rb und den radiogenen Isotopensystemen Sr, Nd, und Pb, durch Kontamination in der verdickten andinen Kruste teilweise oder vollständig 296 Abb. 4.20: Topographische Karte der Zentralen Anden mit den Lokationen der bearbeiteten vulkanischen Zentren und den Tiefenkonturen der Wadati-Benioff Zone nach Cahill und Isacks (1992). Topographic map of the study area showing the locations of volcanoes investigated and depth contours to the WadatiBenioff Zone after Cahill and Isacks (1992). überprägt sind, wurde Bor und seine Isotopenzusammensetzung als Anzeiger für einen Stofftransfer von der ozeanischen Unterplatte in die andine Oberplatte untersucht. Insbesondere die charakteristische Borisotopensignatur der durch Meerwasseralteration an 11B angereicherten oberen ozeanischen Kruste (δ 11B-Werte > 0 ‰), die sich von den anderen an der Magmengenese beteiligten Reservoiren (Mantel und kontinentale Kruste δ 11B-Werte < 0 ‰) unterscheidet, ermöglicht es einen eventuellen Stofftransfer zu identifizieren. Alle früheren Studien zur Borisotopenzusammensetzung von Inselbogenvulkaniten haben sich mit Ozean-Ozean-Subduktionszonen beschäftigt, während von uns die erste systematische Untersuchung zur Borisotopenverteilung subduktionsbezogener Vulkanite in einer Ozean-Kontinent-Subduktionszone durchgeführt wurde. Die untersuchten quartären bis miozänen subduktionsbezogenen Laven stellen ein Profil von der vulkanischen Front im Westen bis in den “Back-arc“-Bereich im Osten über unterschiedlichen Tiefen der nach Osten abtauchenden eozänen Nazca-Platte dar (vgl. Abb. 4.20). Dieses Profil ermöglicht die Untersuchung dynamischer Prozesse während der Subduktion und der damit einhergehenden Entwässerung der Unterplatte. Die δ 11B-Werte und Borkonzentrationen variieren über einen großen Bereich von -7 bis + 4 ‰ und von 6 bis 60 µg/g Bor (Abb. 4.21). Es ist deutlich zu erkennen, dass Proben mit positiven δ 11B-Werten generell höhere Borkonzentrationen aufweisen und ausschließlich von der vulkanischen Front stammen, wohingegen Proben mit negativen δ 11B-Werten Borkonzentrationen generell unter 20 ppm zeigen und vornehmlich aus dem “Back-arc“Bereich stammen (Abb. 4.21). Das auffälligste Merkmal bezüglich der Bordaten ist die systematische Variation der δ 11B-Werte von +4 zu -7 ‰ über den andinen vulkanischen Bogen von Westen nach Osten (Abb. 4.22). Abb. 4.21: Borkonzentrationen und δ 11B-Werte der untersuchten andinen Inselbogenvulkanite. Der Pfeil zeigt die Beziehung der Borkonzentrationen und δ 11BWerte in Abhängigkeit von der Tiefe der WadatiBenioff-Zone. Boron concentrations and δ 11B-values of the investigated Andean arc-volcanic rocks. Arrow highlights the relationship between δ 11Bvalues and boron concentrations depending on the depth of the Wadati-Benioff Zone Abb. 4.22: Systematische Variation der δ 11B-Werte der untersuchten Inselbogenvulkanite mit der Tiefe der Wadati-Beniof- Zone. Systematic variation of δ 11Bvalues of the investigated volcanic rocks with depth to the Wadati-Benioff Zone. 297 Eine ähnliche Variation der δ 11B-Werte wurde schon für drei westpazifische Ozean-Ozean-Suduktionszonen beschrieben und konnte mit dieser Arbeit erstmals in einer Kontinent-Ozean-Subduktionzone nachgewiesen werden. Die positiven δ 11B-Werte der Vulkanite der vulkanischen Front zeigen deutlich eine Beteiligung einer 11B-reichen Komponente am Aufbau der andinen Vulkanite, die am wahrscheinlichsten aus Fluiden der alterierten ozeanischen Kruste der abtauchenden NazcaPlatte stammt. Diese Beobachtung macht einen alleinigen Ursprung der untersuchten Laven aus dem Mantelkeil und der kontinentalen Kruste unwahrscheinlich und gibt erstmals einen eindeutigen Hinweis auf einen Stofftransfer von der ozeanischen Nazca-Platte in die andine Oberplatte. Der Trend zu systematisch negativeren δ 11B-Werten von der vulkanischen Front zum “Back-arc“ wird als Resultat einer Borisotopenfraktionierung, einhergehend mit einer stetigen Abnahme der Fluidkomponente und einer relativ konstanten krustalen Kontamination, interpretiert. Die Borisotopenfraktionierung zwischen Mineral und Fluid während der Entwässerung der subduzierenden Unterplatte wurde mit einer Rayleigh-Fraktionierung und neuen experimentellen Daten zur Fraktionierung der Borisotope während der prograden Bildung von Schichtsilikaten (Smektit-Illit), die Hauptträger von Bor in der alterierten ozeanischen Platte sind, modelliert (Abb. 4.23). Die kalkulierte Isotopenfraktionierung entspricht dem theoretisch angenommenen Verlauf. Das entwässernde Fluid hat zu Beginn der Subduktion einen δ 11B-Wert von ca. +35 ‰. Mit steigender Temperatur entwässern bei einem exponentiellen Verlauf Fluide mit zunehmendem Anteil von 10B. Dieser Fraktionierungseffekt beruht auf der koordinationsabhängigen Verteilung der Borisotope in Mineral und Fluid, wobei 11B den trigonalen B(OH)3-Komplex im entwässernden Fluid bevorzugt und 10B dadurch im “Subduktionsrestit“ der ozeanischen Platte angereichert wird. Durch eine Kombination des Borisotopenfraktionierungsmodells mit einem Temperaturmodell der ANCORP Working Group (1999) für die Zentralen Anden wurde aus der Tiefenlage der Wadati-Benioff-Zone unter den jeweiligen Probenlokalitäten die Temperatur am Übergang der Nazca-Platte zum Mantelkeil bestimmt. Mit dieser Information konnten die gemessenen Borisotopen-Zusammensetzungen der andinen Vulkanite in das Fraktionierungsmodell eingebaut werden. Weil die δ 11B-Werte der andinen Vulkanite sehr gut mit der modellierten thermischen Entwicklungslinie des Subduktionszonenfluides übereinstimmen, liegt die Vermutung nahe, daß das Borbudget von Inselbogenvulkaniten bis in den “Back-arc“-Bereich von Bor aus Subduktionszonenfluiden der ozeanischen Platte domi-niert wird. Die positive Korrelation der δ 11B-Werte mit der reziproken Temperatur unterstützt die Interpretation, dass die δ 11BVariation in den Anden von der temperaturabhängigen Borisotopenfraktionierung während der Entstehung des Subduktionsfluides bestimmt wird. Bisher wurde dieses systematische Verhalten damit erklärt, dass es sich nur um eine Mischung zwischen einer Subduktionsfluidkomponente, die über das gesamte Profil eines vulkanischen Bogens eine konstante Borisotopenzusammensetzung aufweist und die der subduzierten Platte am Beginn der Subduktion entspricht, und einer Mantelkomponente handeln könnte. 298 Unser Daten und unser Fraktionierungsmodell legen indes nahe, dass die Fraktionierung der Borisotope während der Entwässerung der Unterplatte ein genereller Prozess in Subduktionszonen ist 11 Modelled B-isotope fractionation between slab-fluid and slab-restite as a function of und die δ B-Werte subtemperature: δ 11B-values of slab-fluid (blue solid line) and the slab-restite (green dashed duktionsbezogener Vulline) were calculated for different temperature increments using the Rayleigh fractiona- kanite entscheidend mitbestimmt. Demnach tion model. Inset shows the linear correlation of our δ 11B data vs. 1000/T. Abb. 4.23: Modellierte Borisotopenfraktionierung zwischen Subduktionsfluid und “Subduktionsrestit“ als Funktion der Temperatur: δ 11B-Entwicklungslinen des Subduktionsfluides (blaue Line) and des “Subduktionsrestites“ (grüne gestrichelte Linie) wurden mit einem Rayleig- Fraktionierungsmodell für die einzelnen Temperaturinkremente kalkuliert (für Detailinformationen siehe Rosner et al. (2003)). Das Diagramm rechts oben zeigt die positive Korrelation unserer δ 11B-Daten mit reziproker Temperatur. müssen die δ 11B-Werte von Inselbogenvulkaniten nicht notwendigerweise Unterschiede in der primären Zusammensetzung der subduzierten ozeanischen Platte reflektieren, vielmehr dokumentieren sie den dynamischen Prozess der Borisotopenfraktionierung während der Subduktion. Die Borisotopenfraktionierung während der Subduktion hat aber nicht nur Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Vulkanite der vulkanischen Bögen, sondern bestimmt ebenso die Borisotopie der tief in den Mantel subduzierten ozeanischen Platte. Die negativen δ 11BWerte von ca. -10 ‰ für Ozean-Insel-Basalt-Magmen reflektieren möglicherweise die Beteiligung eines durch Borisotopenfraktionierung an 10B angereicherten “Subduktionsrestits“. Fluidentmischung und der magmatisch-hydrothermale Übergang: Ein Schlüssel zum Verständnis von Schmelzen und Fluiden in der Erdkruste Eine quantitative Interpretation der mit Magmatismus verbundenen Energie- und Stoffumsätze in der Erdkruste setzt ausreichende Kenntnisse über die thermodynamischen und physikalischen Eigenschaften von Mineral-, Fluid- und Schmelzphasen unter geologischen Bedingung sowie über Elementverteilungen zwischen den Phasen voraus. Nirgends ist unsere Wissenslücke über fundamentale Phasenbeziehungen und stoffliche Eigenschaften grösser als zum Übergangsbereich Schmelze - hydothermale Lösung , der für viele Prozesse wie z.B. die Entstehung vulkanischer Gase oder die Bildung von Lagerstätten wichtiger Wertmetalle verantwortlich ist. Handelt es sich dabei um einen kontinuierlichen oder diskontinuierlichen Übergang von hochpolymerisierten Silikatschmelzen zu wässrigen Lösungen? Die Vorstellungen darüber gehen in der Literatur weit auseinander. Bei dem klassischen Modellansatz für die Bildung von Pegmatiten wird z.B. die Koexistenz einer nicht-mischbaren Silikatschmelze und einer wässrigen Lösung vorausgesetzt. Über die exakten Löslichkeitsgrenzen sowie die chemische Zusammensetzung und Zustandsfunktionen der beteiligten Phasen ist allerdings sehr wenig bekannt. Andere Autoren stellen dieses Modell mit der Begründung in Frage, dass hohe Anteile volatiler- und semi-volatiler Komponenten in der Schmelze den kritischen Punkt herabsetzen und eine Fluidentmischung verhindern würden. Konsequenz dieser Vorstellung ist, dass hochkonzentrierte SalzWasser-Silikatlösungen (sog. Salzschmelzen) bis in Temperaturbereiche von nur wenigen hundert Grad existieren müssen. Der Bedarf an verlässlichen experimentellen Daten über Phasengleichgewichte in komplex zusammengesetzten Silikatschmelz-Fluidsystemen ist daher entsprechend gross. Fortschritte durch neue Experimentiertechniken Das Verhalten volatil-reicher Silikatschmelzen in der Nähe ihrer kritischen Drücke und Temperaturen zu studieren, ist eine sehr anspruchsvolle und reizvolle Aufgabe, die neue experimentelle und analytische Verfahren benötigt. Klassische Methoden der experimentellen Petrologie versagen hier, weil die Produkte der Experimente nicht „quenchbar“, d.h. bei Raumtemperatur und -druck nicht mehr stabil sind. Ein Lösungsweg bietet der Einsatz der hydrothermalen Diamantstempelkammer (HDAC). Diese Apparatur, die seit 1998 am GFZ eingesetzt wird, ermöglicht die optische und Raman- bzw. Infrarot-spektroskopische Untersuchung der beteiligten Phasen bei hohen Drücken und Temperaturen (bis ca. 900 °C und 1 GPa). Es lassen sich mit der HDAC Phasenübergange bei krustalen P-TBedingungen erstmals direkt beobachten und Eigenschaften der Phasen auch in situ messen. Durch Einsatz der HDAC konnte z. B. gezeigt werden, dass unter hohem Druck eine Silikatschmelze mit Wasser in beliebigen Verhältnissen mischbar ist (Bureau und Keppler, 1999). Dieser experimentelle Hinweis des superkritischen Verhaltens im System Schmelze-Wasser war ein wichtiger Fortschritt, jedoch wird der ermittelte Druck in der oberen Erdkruste nicht erreicht. Durch den Zusatz von Fluor, Natrium und Bor können die erforderlichen Drücke erheblich herabgesetzt werden. Einen ersten Beweis, dass in natürlichen, volatil-reichen Magmen überkritische Bedingungen für H2O und Silikatschmelze möglich und für geologische Prozesse von Bedeutung sind, konnte am GFZ mit Hilfe von Einschlussuntersuchungen an pegmatitischen Magmatiten erbracht werden (Thomas et al., 2000). Diese Untersuchungen zeigten, dass das System beim Abkühlen zur Entmischung zweier Schmelzphasen neigt und dass sich die entmischenden Phasen bezüglich der Elementverteilung sehr unterschiedlich verhalten (Abb. 4.24). Dieses Ergebnis war nur möglich weil am GFZ neue analytische Verfahren wie z. B. die Laser-Ramanspektroskopie insbesondere zur Bestimmung von H2O und B in Schmelz- bzw. Fluideinschlüssen weiterentwickelt werden konnten. Wir setzen neben der HDAC auch einen sog. „rapidquench“-Autoklaven ein, um die Phasenbeziehungen in synthetischen, Volatil-reichen Granitsystemen experimentell zu bestimmen und die Elementverteilung zwischen den beteiligten Phasen zu untersuchen. Die Wahl der chemischen Zusammensetzung und des zu untersuchenden P-T-Bereichs wird von Beobachtungen an natürlichen Schmelzeinschlüssen geleitet, wodurch die geologische Relevanz der Ergebnisse gewährleistet wird. Durch diese Arbeiten erbrachten wir den ersten experimentellen Nachweis von drei koexistierenden, nicht-mischbaren Fluiden unter geologisch relevanten Bedingungen (Veksler et al., 2002). Die Abb. 4.25 zeigt ein solches Experiment in der Diamantstempelkammer. Wir sehen, dass Silikatschmelze, “Salzschmelze” und wässrige Lösung stabil koexistieren. 299 Abb. 4.24: Beispiel von koexistierenden Silikat-reichen und Wasser-reichen Schmelzeinschlüssen in Quarz aus dem Pegmatit Ehrenfriedersdorf (Sachsen). Das Diagramm zeigt den durch Einschlussuntersuchungen ermittelten Solvus und die Einschlussfotos veranschaulichen die beiden Schmelztypen „A“ und „B“ nach Rehomogenisierung bei 650 °C und 100 MPa. Coexisting silicate- and waterrich melts included in quartz from the Ehrenfriedersdorf pegmatite (Saxony). The diagram shows the polybaric solvus determined by homogenization experiments and the photos illustrate the two melt phases “A” and “B” after quench from 650 °C and 100 MPa. Abb. 4.25: Experimenteller Nachweis für drei koexistierende, nicht-mischbare Fluide im synthetischen B-, P- und F-reichen Pegmatitsystem. Das Bild (oben) zeigt eine Momentaufnahme des Systems in der HDAC-Zelle bei 810 °C und 0,4 GPa. Die beteiligten Phasen werden in der Skizze (unten) gekennzeichnet. Experimental proof of three coexisting, immiscible fluids in a synthetic B-, P- and F- rich pegmatite. The photo (top) shows an experiment in the HDAC cell at 810 °C and 0.4 GPa. The phases are identified in the sketch below. 300 Diese sogenannte „Salzschmelze“ ist an gelösten Stoffen hochkonzentriert (ca. 30 Gew.-% H2O, 70 Gew.-% gelöste Salze) und besitzt eine im Vergleich zur Silikatschmelze niedrigere Dichte und Viskosität. Die Salzschmelze ist sehr mobil und besitzt ein hohes Stofftransportvermögen. Daher ist sie vermutlich von grosser geologischer Bedeutung, nicht nur im Endstadium der magmatischen Entwicklung (Lagerstättenbildung und Vulkangase), sondern auch für Prozesse bei der fluidgesteuerten Schmelzbildung in der Kruste oder in Subduktionszonen. Der erste experimentelle Nachweis von Salzschmelzen wurde zwar in Systemen mit hohen Konzentrationen von Bor, Phosphor und Fluor erbracht, die in der Natur nur bei hochentwickelten Graniten und Pegmatiten erreicht werden. Neue systematische Experimente zeigten allerdings, dass koexistierende Silikatund Salzschmelzen auch in weit weniger „exotischen“ Stoffsystemen erwartet werden können, so auch in „simplen“ Quarz-Feldspat-Pegmatiten ohne nennenswerte Anreicherungen an F, Cl oder B (Abb. 4.26). Abb. 4.27: Die Tendenz zur Schmelzentmischung in Wasser-freien binären Silikat-Oxid-Systemen wird von der Ladungsdichte der Netzwerk-modifiziernden Kationen bestimmt. Gezeigt ist die Korrelation der kritischen Temperatur der Solvi und das Verhältnis Ladung zu Ionenradius nach Hess (1995). Abb. 4.26: Schematische Projektion der Mischbarkeitsgrenzen im einfachen System Haplogranit-Na2O-H2O bei 700 °C und 100 MPa (nach Trufanova und Gluk, 1986). Unten: Nachweis von Schmelzentmischung in diesem System nach einem Experiment im „RapidQuench“-Autoklav bei 770 °C, 100 MPa. Das Bild zeigt einen in granitischem Glas (L1) eingeschlossenen „Tropfen“ aus nicht-mischbarer Na-reicher Schmelze (L2) und Wasser-reichem Fluid (V) Schematic projection of the miscibility gap in the granite – Na2O – H2O system at 750 °C and 100 MPa (from Trufanova and Gluk, 1986). The microphotograph below gives experimental proof of 3-phase unmixing in this system (rapid-quench autoclave, 770 °C, 100 MPa). A globule of Na-hydrosilicate glass (L2) coexisting with water-rich fluid (V), both set in a matrix of granitic aluminosilicate glass (L1). Unsere bisherigen Ergebnisse zeigen, dass die Tendenz zur Entmischung und Bildung von Salzschmelzen im wesentlichen von der Ionenstärke der im Silikatnetzwerk gebundenen Kationen (Abb. 4.27) sowie vom Verhältnis dieser Kationen zu Aluminium abhängt. Schmelzentmischung tritt in peralkalinen Systemen (Na+K>Al) bevorzugt auf. Der Zusatz einer Volatilkomponente, wie F, Cl, CO3 und BO3 kann die Entmischung fördern, ist aber keine notwendige Bedingung dafür. Effects of network-modifying cations on liquid immiscibility in dry silicate systems. The diagram shows the critical temperatures of two-melt solvi in metal oxide – silica binaries as a function of the charge-radius ratio of the cations, from Hess (1995). Bestimmung der Elementverteilung Es bestehen noch erhebliche Probleme bei der quantitativen Bestimmung der Elementverteilung zwischen den Schmelz- und Fluidphasen, nicht nur wegen ihrer geringen Größe sondern auch wegen ihrer Instabilität bei Raumbedingungen. Wir waren bereits erfolgreich mit der Entwicklung und Anwendung der Zentrifugenautoklav-Technik, die eine effektive Trennung nichtmischbarer Phasen bei hohen Temperaturen und Drücken ermöglicht. Nach der Separation können die Phasen mit konventionellen oder auch neu entwickelten mikroanalytischen Methoden untersucht werden. Zur Zeit wird intensiv an Methoden für die in-situElementbestimmung in der HDAC-Apparatur gearbeitet. In Kooperation mit dem HASYLAB in Hamburg wird die Synchrotron-Röntgenfluoreszenzanalyse für Spurenelementbestimmung in der HDAC optimiert. Parallel dazu wird, zusammen mit Prof. A. Anderson (Antigonish University, Canada), ein neues Verfahren entwickelt, das es ermöglichen soll die fluiden Phasen während eines HDAC-Experiments zu extrahieren und anschließend mit ICP-MS zu analysieren. 301 Cl/Br und δ37Cl Fraktionierung in magmatischen und hydrothermalen Fluiden. Hochsalinare Lösungen (brines) spielen in vielen Lagerstätten-bildenden Prozessen eine bedeutende Rolle. Dies ist nicht verwunderlich, da in wässrigen Lösungen viele Metallionen als Chloridkomplexe transportiert werden, wobei schon Lösungen mit einer relative geringen Salinität erhebliche Mengen an Metallen transportieren können. Die Untersuchung der Herkunftsbereiche des Chlors in wässrigen Lösungen ist daher eine wichtige Vorraussetzung für das Verständnis mineralbildender Prozessen in der Erdkruste. Hochsalinare Lösungen können in verschiedenen geologischen Milieus gebildet werden: (1) Abtrennung von Fluiden aus einem kristallisierenden Magma („magmatic brines“) (2) Verdunstung von Meerwasser und der damit verbundenen Abscheidung von Salz, wobei die residuale wässrige Lösung in Brom angereichert wird („bittern brines“) (3) Lösung von Halit (Steinsalz) durch Wasser („NaCl brines“) sowie (4) Dehydration chloridischer Lösungen bei metamorphen Prozessen in der Erdkruste („metamorphic brines“). 302 Die ursprüngliche chemische und isotopische Zusammensetzung eines brine kann bei der Migration durch krustale Gesteine und damit verbundenen Wasser/ Gestein Wechselwirkungen wesentlich und schnell verändert werden. Man unterscheidet daher zwischen konservativen und nicht-konservativen Komponenten und „tracern“ in wässrigen Lösungen. Chlor und Brom sind die am besten bekannten konservativen Komponenten in einem brine, d.h. die Komponenten, die die ursprüngliche Zusammensetzung eines brines widerspiegeln; δD und δ37Cl sind konservative „tracer“. Daher werden die Cl/Br-Verhältnisse in Fluiden dazu genutzt die Herkunftsbereiche von brines zu charakterisieren. So haben z.B. brines, deren Salzfracht aus der Auflösung von Salzen herrührt ein hohes Cl/BrVerhältnis, während brines, die durch Evaporation von Meerwasser entstanden sind, ein niedrigeres Cl/BrVerhältnis als Meerwasser aufweisen. Seit einigen Jahren wird das Verhältnis der stabilen Isotope des Chlors, 35Cl und 37Cl (ausgedrückt als δ37Cl) als zusätzlicher konservativer „tracer“ verwendet. Die δ37Cl Werte von Salzen aus Evaporiten und Fluideinschlüssen in Mineralen aus Mississippi-Valley-TypeBlei-Zink und Porphyry-Copper-Lagerstätten variieren geringfügig um etwa ±1‰ im Vergleich zum Meerwasserstandardwert von 0‰. Die Untersuchung von Flüssigkeitseinschlüssen in diversen Mineralsationen innerhalb sedimentärer Becken führt zu vergleichbaren Ergebnissen (Abb. 4.29). Abb. 4.29: δ 37Cl-Cl/Br Diagramm von Flüssigkeitseinschlüssen in Quarzen und Fluoriten aus Mineralisationen in sedimentären Becken. Das blaue Feld deckt den Bereich von δ 37Cl Werten für brines ab, die durch Verdunstung von Meerwasser oder durch Auflösen von Evaporiten gebildet werden können. δ 37Cl-Cl/Br diagram of fluid inclusions in Quartz and Fluorite from mineralizations in sedimentary basins. The blue field covers the range of δ 37Cl of brines which are produced by precipitation of sea water or by dilution of evaporites. Ein weiterer wichtiger Prozess, der zur Bildung von brines führen kann ist die Phasenseparation hydrothermaler Lösungen. Tiefzirkulierende, hochthermale Fluide können beim Aufstieg auf Störungszonen durch die Erdkruste oder ozeanische Kruste in Druckbereiche gelangen wo sie auf die 2-Phasengrenze (Flüssigkeit/ Dampf) stoßen, wobei sich eine niedrig salinare Gasphase von der wässrigen Phase trennt (Abb. 4.30). Die chemische Zusammensetzung der durch die Phasenseparation entstandenen Gasphase und flüssigen Phase unterscheidet sich deutlich von der chemischen Zusam- Abb. 4.30: Wässrige und gasreiche Flüssigkeitseinschlüsse in Quarz aus einer epithermalen Ag-Mineralisation, Creede, Colorado, USA. Die zeitgleiche Bildung beider Einschlusstypen ist auf Phasenseparation der hydrothermalen Lösung zurückzuführen. H2O- and gasrich fluid inclusions in quartz from an epithermal Ag-mineralization, Creede, Colorado, USA. The simultaneous formation of both inclusion types can be explained by a phase separation of the hydrothermal fluid. mensetzung des ursprünglichen Fluids. Ionische Bestandteile (z.B. Na+, Cl-) haben eine große Affinität für die wässrige Phase, so dass sich die Na/Cl, K/Na usw. Verhältnisse in der flüssigen Phase nicht wesentlich gegenüber den Verhältnissen im Ausgangsfluid ändern. Neutrale Säuren, Basen sowie neutrale Komplexe (z.B. NaCl0) und gelöste Gase hingegen wandern bevorzugt in die Gasphase. Kommt es bei dem Prozess der Phasenseparation zum Absatz hydrothermaler Minerale können gleichzeitig wässrige als auch gasreiche Flüssigkeitseinschlüsse in diesen Mineralen gebildet werden (Abb. 4.31). Erfolgt die Mineralbildung zu einem späteren Zeitpunkt werden zumeist oder ausschließlich wässrige, salinare Flüssigkeitseinschlüsse gebildet, da die Gasphase bereits aus dem hydrothermalen System entwichen ist. Die Untersuchung von Flüssigkeitseinschlüssen in hydrothermalen Mineralen, deren Lösungen eine Phasen- separation durchlaufen haben, erbrachte neue Ergebnisse zur Fraktionierung von Chlor Isotopen. Es konnte erstmals nachgewiesen werden, dass die Phasenseparation magmatischer als auch hydrothermaler brines eine deutliche Fraktionierung der Chlor Isotope bewirkt, die mit einer Fraktionierung der Cl/Br -Verhältnisse korreliert ist (Abb. 4.32). Flüssigkeitseinschlüsse in Zinkblende aus rezenten marinen Hydrothermalsystemen (Jade-Feld, NordFidschi-Becken) haben positive δ37Cl -Werte wobei die Einschlüsse mit den positivsten δ37Cl -Werten grundsätzlich die niedrigsten Cl/Br -Verhältnisse aufweisen. Gasreiche Einschlüsse treten in diesen Proben nicht auf. Die Regressionsgerade für die Proben aus dem JadeFeld verläuft durch den Meerwasser-Wert, so dass die Vermutung nahe liegt, dass das Ausgangsfluid für die Mineralisation tiefzirkulierendes Meerwasser war, das in der ozeanischen Kruste aufgeheizt worden ist. Die Proben aus dem Nord-Fidschi-Becken wurden ebenfalls aus erhitztem Meerwasser abgeschieden, wobei jedoch eine Zumischung magmatischen Chlors nicht ausgeschlossen werden kann. Flüssigkeitseinschlüssen in Quarzproben aus einer gangförmigen Quarz-Antimonit-Mineralisation im spanischen Pyritgürtel beinhalten hingegen neben wässrigen Flüssigkeitseinschlüssen auch gasreiche Einschlüsse. Die wässrigen Flüssigkeitseinschlüsse weisen wiederum positive δ37Cl -Werte auf während die Untersuchung der gasreichen Einschlüsse negative δ37Cl 303 Abb. 4.31: Zweiphasengrenze einer hydrothermalen Lösung mit Meerwassersalinität im Temperatur-Druck (hydrostatisch) -Diagramm. Infolge von Druckentlastung kann eine auf Störungen aufsteigende hydrothermale Lösung eine vollständige oder partiellen Phasenseparation durchlaufen wobei sich eine niedrig-salinare Dampfphase von der Lösung abtrennt. Die Salinität der residualen fluiden Phase wird dadurch erhöht. 2-phase boundary of a hydrothermal fluid with sea water salinity in the p-T diagram. Due to pressure release during uplift a hydrothermal fluid can be completely or partially separated into its phases. The salinity of the residual fluid phase will be increased. Abb. 4.32: δ 37Cl-Cl/Br -Diagramm vulkanischer Gase und Flüssigkeitseinschlüssen in Mineralen aus magmatischen und hydrothermalen Mineralisationen. Die gestrichelten Linien sind die Regressionsgraden für nicht kontaminierte Proben und liefern Hinweise zu den Herkunftsbereichen der Fluide. Die extreme Fraktionierung der δ 37Cl -Werte und der Cl/Br -Verhältnisse resultiert aus der Phasenseparation der mineralbildenden Lösungen. δ 37Cl-Cl/Br diagram of volcanic gases and of fluid inclusions in Minerals from magmatic and hydrothermal mineralizations. The dashed lines represent the regression lines for non-contaminated samples. The extreme fractionation of δ 37Cl and of Cl/Br ratios results from the phase separation of the mineral forming fluids. -Werte ergab. Auch hier liegt eine gute Korrelation von δ37Cl -Werten und Cl/Br -Verhältnissen vor: die Probe mit dem negativsten δ37Cl Wert hat das höchste Cl/Br Verhältnis, die Probe mit dem positivsten δ37Cl Wert das niedrigste Cl/Br Verhältnis (Abb. 4.32). Eine Vielzahl von untersuchten vulkanischen Gasen zeigt ebenfalls eine gute Korrelation der δ37Cl -Werte und den Cl/Br -Verhältnissen jedoch ist das Cl/Br Verhältnis gegenüber dem hydrothermaler Fluid deutlich erhöht. Dies ist möglicherweise auf Unterschiede bei der Fraktionierung der Gasphase aus einer Schmelze gegenüber der aus einer flüssigen Phase zurückzuführen. Die positiven δ37Cl -Werte und die Cl/Br Verhältnisse wässriger Flüssigkeitseinschlüsse in Quarzen, die aus magmatischen brines kristallisierten, fallen ebenfalls nahe an die Regressionsgerade für die meisten der untersuchten vulkanische Gase. Die Gasproben, die dem Meerwasser-Wert ähneln, sind vermutlich durch Wasserdampf (Meerwasser) kontaminiert (Abb. 4.32). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Phasenseparation von Fluiden eine extreme Fraktionierung der Chlorisotope und Cl/Br-Verhältnisse bewirkt, wobei der Verlauf der Regressionsgeraden Hinweise auf die Quelle der ursprünglichen Fluide liefert. Somit lassen sich Fluide magmatischen Ursprungs von hydrothermalen Fluiden unterscheiden oder Lösungsmischungen erkennen, wie am Beispiel des Nord-FidschiBeckens gezeigt werden kann. Vorhersage von Erdölphase und -Zusammensetzung 304 Die Mechanismen, Effekte und Migrationswege anhand derer Erdöl vom Muttergestein zu den Reservoiren gelangt sind noch relativ unerforscht. Neueste Ergebnisse zeigen allerdings, dass das Phasenverhalten der generierten Fluide eine äußerst bedeutsame Rolle in dem sich anschließenden Fraktionierungsverhalten spielt. Neben petrophysikalischen Parametern sowie Temperatur und Druckgradienten sind vor allen Dingen die Zusammensetzung und das Phasenverhalten der Kohlenwasserstoffe mitentscheidend für die Fördervoraussage (Production Forecast) und damit die Wirtschaftlichkeit einer Lagerstätte. Grundlage hierfür bieten Tiefenproben oder auch Testergebnisse (PVTDaten), die in älteren Explorationsgebieten in der Regel in umfangreichen Datenbanken dokumentiert sind und für die Entwicklung neuer Felder genutzt werden können. In Frontier-Explorationsgebieten jedoch beruhen solche Voraussagen der Fluideigenschaften auf konzeptionellen Modellen und Datenextrapolationen. Um das Risiko eines Misserfolgs zu minimieren, ist die Richtigkeit dieser Vorhersagen gerade im Vorfeld größerer Bohrkampagnen von enorm hoher wirtschaftlicher Bedeutung. Eine wichtige Möglichkeit, um das Phasenverhalten auch in solchen Gebieten zu bestimmen, ist die Anwendung neuster Beckenmodellierungssoftware, in die PVT-Simulatoren und kompositionelle kinetische Modelle integriert werden können. Im Rahmen des Industrie-Partnerschaft-Programms des GFZ Potsdam wird innerhalb des Projektes „Vorhersage von Erdölphase und Zusammensetzung“ die Rolle des Muttergesteins bei der Kohlenwasserstoffzusammensetzung und das Phasenverhalten der generierten Fluide untersucht. Ziel des Forschungsprojektes ist es, eine Methodik zur Bestimmung des Phasenverhaltens aus künstlichen Aufheizexperimenten im Labor (Pyrolyse) zu entwickeln, um anschließend daraus eine kompositionelle Kinetik für die Beckenmodellierung abzuleiten. Bisherige kinetische Untersuchungen (Vandenbroucke et al., 1999) sowie im Rahmen dieser Studie durchgeführte Testexperimente haben gezeigt, dass nur mittels geschlossener Pyrolyseexperimente und insbesondere der MSSV-Pyrolysetechnik (Horsfield et al., 1989) die in der Natur ablaufenden Prozesse wirklich sinnvoll rekonstruiert werden können. Die so erhaltenen kinetischen Modelle werden schließlich auf die von Reservoiringenieuren genutzten PVT-Datenformate abgestimmt und auf natürliche Erdölfunde geeicht. Um die Ergebnisse der MSSV-Pyrolyse in das PVT-Datenformat zu überführen, wurde insbesondere auf die korrekte Ermittlung des Molekulargewichtes und der Dichte der C7+ -Fraktion Wert gelegt. Gerade diese Parameter haben entscheidenden Einfluß auf die Phaseneigenschaften. Von den beteiligten Industriepartnern ConocoPhillips, ENI, Norsk Hydro, Petrobras, Shell und Statoil wurden zu diesem Zweck umfangreiche Datensätze zur Verfügung gestellt. Diese umfassten unreife Muttergesteine verschiedener Kerogentypen für die künstlichen Reifeexperimente und Fluide einer Reifesequenz sowie umfangreiche PVT-Datensätze. Die PVT-Daten wurden zunächst im regionalen und geologischen Kontext interpretiert. Bisherige regionale Studien haben bereits gezeigt, dass solche Daten entscheidende Hinweise für die Aufsuchung von Erdöl und Erdgas liefern können (di Primio, 2002). Die ersten Ergebnisse unserer Untersuchungen bestätigen das enorme Potential von PVTDaten zur organisch-geochemischen Charakterisierung von Fluiden. Das Phasenverhalten von Fluiden kann neben einer Vielzahl weiterer Parameter mit Hilfe von Phasendiagrammen sowie dem Gas- zu Öl-Verhältnisses (GOR) beschrieben werden. Ein solches p,T-Diagramm ist für die fünf wichtigsten Reservoirfluide beispielhaft in Abb. 4.33 dargestellt. Die Kurvenzüge kennzeichnen jeweils den berechneten Sättigungsdruck in Abhängigkeit von der Temperatur. Oberhalb der Kurvenzüge, die die Phasengrenzen markieren, ist nur eine Phase beständig, unterhalb besteht das System aus zwei Phasen. Um ein solches Phasendiagramm zu erhalten, müssen Berechnungen mit Hilfe einer entsprechenden Simulationssoftware (z. B. PVTsim V.12 der Firma Calsep) durchgeführt werden. Mit fortschreitender Produktgenese ergeben sich kontinuierliche Veränderungen des Phasenverhaltens. In dem für diese Untersuchungen relevanten Bereich der Erdöle zeigt der kritische Punkt eine Verschiebung in Bereiche hoher Drücke und niedriger Temperaturen. Dieses Verhalten ist typisch für Geneseprodukte eines Ergebnisse der MSSV-Pyrolyseexperimente zeigen erhebliche Unterschiede in der Zusammensetzung für unterschiedliche Muttergesteinstypen. Sehr gute Übereinstimmungen ergaben sich für die Zusammensetzung, Molekulargewichte und Dichten der C7+-Fraktion. Erhebliche Differenzen aber wurden für den Bereich der gasförmigen Kohlenwasserstoffe, insbesondere beim Methan beobachtet. Muttergesteine der Heather-Formation (Typ III-Kerogen) sind bereits bei relativ geringen Reifegraden in der Lage große Mengen Methan zu generieren. Dagegen wurde die Generierung großer Methanmengen bei den Typ II-Muttergesteinen erst im Bereich des sekundären „Crackens“ von Öl zu Gas beobachtet. Speziell die Lösung dieser Problematik ist Ziel der weiteren Untersuchungen. Abb. 4.33: Die fünf Reservoirfluide; nach McCain (1990). The five reservoir fluids Muttergesteins mit zunehmender Reife und geht außerdem mit einem Anstieg des GOR einher. Dieses Verhalten kann auch durch die MSSV-Pyrolysexperimente im Labor simuliert werden wie dies in Abb. 4.34 exemplarisch für ein Muttergestein aus der Duvernay Formation (Westkanadisches Becken) gezeigt ist. Abb. 4.34: Phasendiagramme für die MSSV-Produkte aus der Duvernay-Formation. Phasediagrams for the MSSV products of the Duvernay formation. Diese Entwicklung zeigt, dass das Phasenverhalten natürlicher und künstlicher Produkte grundsätzlich miteinander vergleichbar ist. Bei einer Heizrate von 0,1 K/min führt die Zunahme der Pyrolysetemperatur zu einer ebensolchen Verschiebung des kritischen Punktes. Die berechnete Vitrinitreflexion (Ro) gilt als Maß für die Reife des organischen Materials. PVT-Daten sind aber ebenso geeignet um Alterationsprozesse im Reservoir, wie z. B. die Überarbeitung von Erdölvorkommen durch Bakterien (Biodegradation) aufzuzeigen. Generell zeichnen sich biodegradierte Öle durch ein höheres Molekulargewicht und geringe Mol-% im Bereich der gasförmigen C3-n-C5 -Kohlenwasserstoffe aus. Weiterhin können die hier durchgeführten Studien auch dazu benutzt werden um z. B mittels Beckenmodellierung die natürliche Emissionen von Methan aus Sedimentbecken als Funktion der geologischen Zeit zu bilanzieren. Makromoleküle in Erdölen als geologische Marker tiefer Ablagerungsräume Riesige Mengen organischen Materials sind als Zeugen der erdgeschichtlichen Faunen- und Florenvielfalt in Sedimenten erhalten geblieben. Dieses Material kann wichtige Informationen über palaeo-klimatische und geographische Bedingungen liefern. Nur ein Teil des organischen Materials bleibt tatsächlich in Sedimenten erhalten und wird hier zu 90% von makromolekularen Strukturen - dem Kerogen - dominiert. Mit der Aufheizung im Zuge der Absenkung sedimentärer Systeme werden diese Makromoleküle in verschiedene Molekülfraktionen umgewandelt und migrieren als Erdöl und Erdgas in flachere, besser erforschbare Bereiche sedimentärer Systeme (Abb. 4.35). Die Struktur des makromolekularen organischen Materials bleibt bei diesen Prozessen teilweise erhalten und bildet in den Erdölen die Fraktion der Asphaltene. Diese Fraktion zeigt eine gewisse Übereinstimmung mit dem sedimentären organischen Material aus dem es gebildet wurde, so dass sich sowohl Strukturmerkmale (geologische Marker) als auch deren Umwandlungseigenschaften ableiten lassen. In Erdölreservoiren und Oberflächenaustritten (Seeps) stellen sie also eine Form geologischen Archivs tiefer unerforschter Sedimentationsräume dar. Wir versuchen die makromolekulare Fraktion in Erdölen auf geologische und geochemische Marker hin zu untersuchen. Entgegen konventioneller Studien an Erdölen, gilt unser Interesse nicht der Auffindung fossiler Energieträger sondern der Vielzahl an Informationen über tiefe Sedimente, die in den Erdölasphaltenen enthalten ist. Wir konzentrieren uns dabei im wesentlichen auf passive Kontinentalränder. Sowohl die Ablagerungsbedingungen in der Prä-Riftphase als auch die Entwicklung in der Post-Riftphase sind hier von herausragender Bedeutung. Ihre Rolle im weltweiten Kohlenstoffzyklus ist wesentlich von der Qualität des organis- 305 Abb. 4.35: Erforschung tiefer Sedimente im Bereichen passiver Kontinentalränder. Erdölproben aus flachen Akkumulationen stehen zu Verfügung, Asphaltene als makromolekulare Fraktion werden isoliert und untersucht um Eigenschaften tiefer Sedimente besser erfassen zu können. Research of deep sediments in passive continental margins. 306 chen Materials und seiner thermischen Stabilität im geologischen Untergrund abhängig. Kern unserer Forschung ist deshalb die thermische Zersetzung von Erdölasphaltenen im Labor und die Entwicklung von Modellen, welche geologische und geochemische Informationen miteinander verknüpfen können. Reaktionskinetische Modelle sind hier von besonderer Bedeutung, da sie als Bindeglied zwischen den schnellen Prozessen bei der Simulation der Umwandlungsprozesse im Labor und den langsamen geologichen Prozessen fungieren können. So konnte gezeigt werden, dass die Umwandlung von Erdölasphaltenen in marinen schwefelarmen Systemen weitgehend mit den Muttergesteinscharakteristika übereinstimmt. Dagegen enthalten Erdölasphaltene aus schwefelreichen Muttergesteinen nur die initiale Phase der Umwandlung schwefelreichen organischen Materials in den Sedimenten und eigenen sich insbesondere flache, relativ oberflächennahe Umwandlungsprozesse (<2000 m) zu erfassen. Unter Anwendung komplexer geochemischer Pyrolyseverfahren ist es darüber hinaus gelungen die Bildung verschiedener Kohlenwasserstoffklassen, insbesondere auch von Gas, entlang der geologischen Zeitachse zu rekonstruieren. Hier konnte gezeigt werden, dass die migrierten Asphaltene aus den Erdölen eine genau Rekonstruktion der Gasbildung aus nicht verfügbaren Sedimenten erlauben. Wird die Forschung an Erdölasphaltenen mit seismischen Tiefenprofilen und der numerischen Beckensimu- lationen gekoppelt, lassen sich regionale Faziescharakteristika tieferer Regionen bestimmen. Die Bildung von Gas und sein Potential unter bestimmten Voraussetzungen bis an die Erdöberfläche zu migrieren, ist dabei von übergreifendem Interesse. Grundlage unserer Untersuchungen sind gute erforschte Sedimentbecken. Diese fungieren in unseren Projekten als natürliche Labore und erlauben die Kalibration der Vorhersagen an natürliche Abläufe und ihre erfolgreiche Anwendung auf unerforschte Gebiete. Abb. 4.36 zeigt die Ergebnisse aus Strukturuntersuchungen an Makromolekülen mariner Öle aus dem Westkanadischen Sedimentbecken. Aus der charakteristischen Verteilung der n-Alkyketten in den Pyrolyseprodukten lassen sich marine Ablagerungsbedingungen für die relevanten Sedimente aus den Erdölasphaltenen ableiten. Daneben zeigt sich in den Zersetzungsprodukten der Asphaltene eine spezielle Verbindung namens 1.2.3.4-TMB (Tetramethylbenzol). Diese Verbindung, die relativ selten in sedimentärem organischen Material zu finden ist, zeugt von der Existenz spezieller Bakterienkulturen – photosyntetisierender grüner Schwefelbakterien – welche während der Ablagerung des organischen Materials vor mehr als 300 Millionen Jahren aktiv waren. Daraus lässt sich eine relative geringe Palaeowassertiefe und episodisch suboxische Bedingungen für das organische Material in den entsprechenden Sedimenten ableiten. Abb. 4.36: Pyrolyse Gaschromatogram zeigt die n-Alkylkettenverteilung aus den Resten mariner Lebensformen. 1.2.3.4-TMB als geologischer Marker für die Aktivitiäten bakterieller Kulturen während der Ablagerung dieser Sedimente können ebenfalls in den Pyrolyseprodukten der Erdölasphaltene identifiziert werden. Reaktionskinetische Parameter (Aktivierungsenergieverteilung und Frequenzfaktor) sind ebenfalls in der Abbildung gezeigt und helfen die Umwandlungsrate des sedimentären organischen Materials in unerforschten Ablagerugsräumen vorherzusagen. Mechanismen des anaeroben mikrobiellen Kohlenwasserstoff- und Erdölabbaus Biologischer Abbau von Erdöl und Erdgas in Lagerstätten ist von großer wirtschaftlicher Bedeutung und spielt eine wichtige Rolle im biogeochemischen Kohlenstoffund Schwefelkreislauf. Die Vorkommen an biodegradierten Schwerölen in nur zwei Erdölsystemen in Kanada und Venezuela übersteigen die nachgewiesenen konventionellen Reserven um ein Mehrfaches. Der Einfluss der Biodegradation auf die Zusammensetzung und damit auf die Eigenschaften von Erdöl ist empirisch gut dokumentiert, die zugrundeliegenden Mechanismen sind jedoch bislang nur sehr unzureichend verstanden. Biologischer Abbau führt zur Erhöhung der Dichte, der Viskosität und der Gehalte an organischen Säuren, Schwefel, und Metallen. In der Konsequenz sind biodegradierte Erdöle schwieriger zu produzieren und verarbeiten, haben einen geringeren ökonomischen Wert und weisen erheblich größere ökologische Probleme auf. Erdöllagerstätten sind ein außergewöhnliches Habitat der tiefen Biosphäre in geologischen Systemen. Kohlenwasserstoffe als potenzielle mikrobielle Kohlenstoffund Energiequellen sind praktisch unbegrenzt verfüg- bar. Die Limitierung mikrobieller Aktivität muss daher durch andere geologische und geochemische Faktoren bestimmt werden. Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Temperatur eine wichtige Rolle spielt. Biodegradation wird in der Regel nicht in tiefen Lagerstätten bei Temperaturen oberhalb von 80 °C beobachtet. Der wichtigste Faktor ist jedoch vermutlich die begrenzte Verfügbarkeit von Elektronenakzeptoren für die mikrobiellen Respirationsprozesse. In jüngerer Zeit setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass Sauerstoff als Elektronenakzeptor in Erdöllagerstätten keine Rolle spielt. Aerober Kohlenwasserstoffabbau ist bereits seit Anfang des vorigen Jahrhunderts bekannt. Aerobe Bakterien nutzen den Sauerstoff nicht nur als Elektronenakzeptor, sondern auch als Kosubstrat bei der Aktivierung der reaktionsträgen Kohlenwasserstoffsubstrate für den weiteren oxidativen Abbau. Aus diesem Grund wurde die Fähigkeit anaerober Mikroorganismen zum oxidativen Abbau von Kohlenwasserstoffen lange Zeit grundsätzlich in Frage gestellt. In den letzten 15 Jahren wurde jedoch eine große Vielfalt denitrifizierender, eisenreduzierender, sulfatreduzierender und methanogener Mikroorganismen aus unterschiedlichen geologischen 307 Habitaten isoliert, die Kohlenwasserstoffe und teilweise auch Erdöl unter anaeroben Bedingungen als alleinige Kohlenstoff- und Energiequelle verwerten (zum Überblick siehe Widdel und Rabus, 2001). Experimentelle Untersuchungen mit solchen Organismen und reinen Kohlenwasserstoffen oder Erdöl als Substraten haben es jetzt erstmals ermöglicht, einen plausiblen Abbauweg für n-Alkane unter anaeroben Bedingungen vorzuschlagen (Rabus et al., 2001, Wilkes et al., 2002, 2003; siehe Abb. 4.37). n-Alkane sind die Hauptbestandteile konventioneller nicht-biodegradierter Erdöle. Sowohl denitrifizierende als auch sulfatreduzierende Bakterien sind demnach in der Lage, diese Erdölbestandteile unter Ausschluss von Sauerstoff vollständig zu Kohlendioxid zu oxidieren. Neuste Untersuchungen zeigen, dass mesophile und thermophile sulfatreduzierende Bakterien, die aus Sedimenten des Guaymas-Beckens im Golf von Kalifornien isoliert wurden, die gasförmigen n-Alkane Propan und n-Butan auf diese Weise abbauen können. Das Abbaupotenzial solcher Mikroorganismen ist jedoch nicht auf n-Alkane beschränkt, sondern umfasst auch Cycloalkane (Wilkes et al., 2003) und Alkylbenzole (Kniemeyer et al., 2003). 308 Suche nach Spuren mikrobiellen Lebens in den Tiefen der Erde – molekulare „Life Marker“ Die Entdeckung von mikrobiellem Leben in, vom menschlichen Standpunkt aus gesehen, extremen Lebensräumen, wie z.B den Polarregionen der Erde, hypersalinen Seen, der Tiefsee, heißen Quellen und im tiefen Untergrund der Erde führte in den letzten Jahren zu der Erkenntnis, dass die Grenzen für Leben auf unserem Planeten sehr viel weiter gesteckt werden müssen, als bisher angenommen. Studien, wie die von Parkes et al. (2000), haben gezeigt, dass mikrobielles Leben bisher, wenn auch mit abnehmender Konzentration der Zellanzahl, bis in Teufen von 1000 m nachgewiesen werden konnte. Unser Ziel ist die Charakterisierung dieser mikrobiellen Lebensgemeinschaften (Bakterien, Archaeen) mit molekular organisch-geochemischen Mitteln. Gleichzeitig soll deren Aktivität, Häufigkeit sowie die Anpassung an „extreme“ Habitate (hohe Drücke und Temperaturen) untersucht werden. Eine besondere Rolle kommt dabei der extremen Substratlimitierung zu, die den größten Einfluss auf Wachstumsraten und Spezies-Charakter haben dürfte. Die für diese Studien ausgewählten Sedimente Abb. 4.37: Vorgeschlagener genereller Weg für den anaeroben Abbau von n-Alkanen. Das n-Alkan (1) reagiert an Kohlenstoffatom 2 in einem Radikalmechanismus mit Fumarat zu (1-Methylalkyl)succinat (2), das dann mit HSCoA (Koenzym A, CoA) zu (1-Methylalkyl)succinat (3) aktiviert wird. Letzteres unterliegt einer Kohlenstoffgerüstumlagerung (Wasserstoff-Carboxyl-CoA-Austausch), die zu (2-Methylalkyl)malonyl-CoA (4) führt und eine nachfolgende Decarboxylierung zu 4-Methylalkanoyl-CoA (5) erlaubt. Dieses wird durch konventionelle â-Oxidation weiter oxidiert, wobei als Intermediate unter anderem 2-Methylalkanoyl-CoA (6), Propionyl-CoA (nicht gezeigt) und Acetyl-CoA (CH3COSCoA ) auftreten. Propionyl-CoA könnte zu Fumarat recycelt werden (Details nicht gezeigt; für weitere Informationen siehe Wilkes et al., 2002) und Acetyl-CoA wird zu CO2 oxidiert (Details nicht gezeigt). Proposed generalised pathway for the anaerobic degradation of n-alkanes. The n-alkane (1) reacts at carbon2 in a radical mechanism with fumarate yielding a (1methylalkyl)succinate (2) which is then activated with HSCoA (coenzyme A, CoA) to (1-methylalkyl)succinylCoA (3). The latter undergoes carbon skeleton rearrangement (hydrogen-carboxyl-CoA exchange) yielding (2-methylalkyl)malonyl-CoA (4) that allows decarboxylation to 4-methylalkanoyl-CoA (5). This is further oxidised via conventional b-oxidation, yielding intermediates such as 2-methylalkanoyl-CoA (6), propionyl-CoA (not shown) and acetyl-CoA. Propionyl-CoA could be recycled to fumarate (details not shown; for further information see Wilkes et al., 2002), and acetylCoA is oxidised to CO2 (details not depicted). stammen aus den unterschiedlichsten marinen (verschiedene Fahrten des internationalen Tiefseebohrprogramms ODP, Ocean Drilling Program), lakustrinen (Baikalsee, Aralsee) und terrestrischen (Mallik-Bohrung, Mackenzie River Delta, Nord-Kanada) Ablagerungsräumen. Die aufbereiteten Sedimentproben werden mittels sensitiver Methoden (gekoppelte Flüssigkeitschromatographie-Massenspektrometrie (LC-MS), Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC-MS) auf molekularer Ebene detailliert untersucht. Insbesondere die Suche nach intakten Membranlipiden (i.e.S. Phospholipide) von Mikroorganismen steht im Mittelpunkt unserer Untersuchungen. Diese Lipide eignen sich in besonderem Maße als Indikatoren für lebende Biomasse, da sie nach dem Absterben der Zellen sehr schnell abgebaut werden (White et al., 1997). Im Rahmen des ODP konnten erstmals vor der Küste Japans im Nankai-Graben mehrere Bohrungen speziell im Hinblick auf sowohl mikrobielle als auch molekulare Fragestellungen beprobt werden (Leg 190). In den 15 Millionen Jahre alten organisch-armen Sedimenten aus bis zu 750 m Teufe (Temp. ca. 47 °C) und Temperaturen von bis zu 84 °C (Teufe 500 m) konnten verschiedene intakte Phospholipide und Lysophospholipide (Phosphatidyl-ethanolamine und -choline) als potentielle „Life Marker“ für Prokaryoten in allen drei Bohrungen nachgewiesen werden (Zink et al., 2003). Erhöhte Konzentrationen an Bakterienpopulationen werden aufgrund hoher Bioproduktivität und z.T. hoher Methangehalte in den Sedimenten der ODP Leg 201 und 204 vermutet. Erste Analysen von Proben des Leg 201 zeigen Anreicherungen von vorläufig als Phosphatidyletherlipide bestimmte Komponenten, die vermutlich von Archaeen stammen, im Vergleich zu den sehr niedrigen Signalen von estergebundenen Phosphatidylglycerolen (Abb. 4.38). Dagegen wurden bis jetzt keine signifikanten Mengen intakter mikrobieller Lipide in Sedimenten des Leg 204 (zwischen 27 und 170 mbsf) detektiert. Ein Zusammenhang zwischen den stark wasserbindenden Gashydraten und benachbarten ausgetrockneten Sedimentlagen könnte dabei bestehen, da ohne wässrige Phase keine mikrobielle Aktivität möglich ist. Auch in den terrestrischen Sedimenten der Mallik 5L-38 Gashydratbohrung konnten bis zu einer Tiefe von 1063 m intakte mikrobielle Membranlipide nachgewiesen werden. Die Besonderheit dieser Bohrung ist neben einer Permafrostzone von 0 bis 650 m insbesondere eine Gashydratzone von 890 bis 1110 m. Wie bereits in marinen Ablagerungsräumen nachgewiesen, in denen mikrobielle Konsortien aus Archaeen und Bakterien Gashydrate als Nahrungs- und Energiequelle nutzen (AOM: Anaerobe Oxidation von Methan, Boetius et al., 2000), 309 Abb. 4.38: Massenspektren (LC-MS, Retentionszeit 1,42 bis 1,72 min) von intakten mikrobiellen Lipiden in Sedimentkernen aus zwei Teufen, Site 1230, ODP Leg 201, Peru/Chile. Detektierte Massen von m/z 543 bis 689: ethergebundene Lysophosphatidylglycerole; Massen von m/z 844 bis 942: noch nicht identifizierte intakte ethergebundene Lipide; Massen von m/z 707 bis 747: intakte estergebundene Phospholipide (PG – Phosphatidylglycerole). Mass spectra (LC-MS, retention time 1,42 to 1,72 min) of microbial lipides in sedimentcores of ODP Leg 201, site 1230, Peru/Chile. Masses with m/z 543 - 689: etherbased Lysophospateidylglycerole; m/z 844 - 942: not yet identified etherbased lipides; m/z 707 - 747: etherbased phospolipides (PG - Phospateidylglycerole) Abb. 4.39: LC-MS/MS-Massenspektrum eines Phosphatidylethanolamins, detektiert in 1.049 m tiefem Sediment der terrestrischen Mallik 5L-38 Gashydratbohrung, Mackenzie River Delta, Kanada. LC-MS/MS mass spectrum of phosphateidylethanolamin found in sediments of the terrestrial Mallik 5l-38 gashydrate research well, Mackenzie River Delta, Canada, from a depth of 1049 m stellen die Gashydrate der Mallik-Bohrung eine potentielle Kohlenstoff- und Energiequelle für mikrobielles Leben in Tiefen dar, in denen andere Substratquellen kaum verfügbar sind. In den tiefliegenden MallikSedimenten der Gashydratzone wurde neben Phospholipidestern hauptsächlich Lipidsignale detektiert, die anhand ihrer Massenspektren als Lysophospholipidether interpretiert werden können. 310 Etherlipide sind indikativ für Archaeenvergesellschaftungen und können damit auf die Existenz von methanogenen (Methanproduzenten) oder sogar methanotrophen (Methankonsumenten) Gemeinschaften hindeuten. Aufschluss über einen direkten Zusammenhang zwischen diesen mikrobiellen Lipidsignalen und der MallikGashydratzone sollen in Zukunft Kohlenstoffisotopenmessungen einzelner Lipidbiomarker ergeben. In Kooperation mit Mikrobiologen werden außerdem aus tiefen Sedimenten isolierte mikrobielle Kulturen systematisch untersucht, um den Einfluss dort lebender Organismen auf die Biosphäre besser verstehen zu können. Dynamik des Zentraleuropäischen Beckensystems Ein besseres Verständnis der Faktoren, die die Dynamik des intrakontinentalen Zentraleuropäischen Beckensystems steuern, war auch in diesem Berichtszeitraum ein zentrales Forschungsziel. Zu den Untersuchungen des NO-deutschen Beckens kamen neue Arbeiten zum Polnischen Becken und schließlich des gesamten Beckensystems. Die Studien sind in den DFGSchwerpunktprogramm „Sedimentbeckendynamik“ eingebettet und entstanden in Zusammenarbeit mit polnischen und dänischen Kollegen. Das Zentraleuropäische Beckensystem erstreckt sich von der südlichen Nordsee über die Niederlande, Dänemark und Norddeutschland bis nach Polen und besteht aus drei großen Teilbecken, dem Dänischen, dem Norddeutschen und dem Polnischen Becken. Die Entwicklung dieser IntraPlatten-Becken war entscheidend durch tiefkrustale Strukturen beeinflußt. Insbesondere NW-S0 streichende und damit parallel zu den Hauptbeckenachsen verlaufende Störungssysteme, die Sorgenfrei-TeysseireTornquist Zone im Norden und das Elbe-Störungssystem im Süden, sowie die Randstörungen des Ringkøbing-Fyn-Hochs wurden im Laufe der Beckengeschichte wiederholt reaktiviert (Abb. 4.40). Eine zweite Familie von Störungen strukturiert die großen Grabenstrukturen, die sich im Mesozoikum senkrecht zu den Rändern des Beckensystems entwickelt haben. Um die Interaktion dieser Strukturelemente sowie die Zeit zu verstehen, wurde ein 3D-Strukturmodell des gesamten Beckensystems entwickelt, das die Analyse der regionalen Absenkungsgeschichte, der strukturellen Entwicklung und der unterschiedlichen Krusteneigenschaften erlaubt. Das Modell integriert fünf permischkänozoische Sedimentschichten sowie die Mächtigkeit der Kruste unterhalb des Perms. Die Teilbecken des Zentraleuropäischen Beckensystems weisen seit dem Perm ähnliche Absenkungsmuster auf, obwohl sie auf unterschiedlichen Krustenblöcken angelegt sind. Auf Vulkanismus und lokale Subsidenz an der Wende Karbon/Perm folgte thermische Subsidenz in NW-SO gerichteten Becken während Perm und Trias (Abb. 4.41, 4.42). In der späten Trias erfolgte eine Umgestaltung des Beckensystems mit +/- N-S-gerichteten Gräben und Trögen als Hauptdepozentren. Im späten Jura traten wieder NW-SO gerichtete Subsidenzzentren, nun allerdings in den Randbereichen der ehemaligen Permbecken auf. Die Gesamtmächtigkeit der oberpermisch bis unterkretazischen Sedimente (Abb. 4.42) zeichnet entsprechend sowohl Ablagerungsräume mit NW-SO als auch mit N-S gerichteten Achsen nach. An der Wende Kreide/Känozoikum wurden vor allem die beckenrandlichen Bereiche entlang der Tornquist- Abb. 4.40: Blick auf die beleuchtete Tiefenlage der PräPermoberfläche im Modell des Zentraleuropäischen Beckensystem mit den Hauptstrukturelementen: Das Beckensystem wird durch die Sorgenfrei -TeysseireTornquist Zone (STZ, TTZ) im Norden und das ElbeStörungssystem im Süden begrenzt. Das RingkøbingFyn -Hoch trennt das Dänische Becken vom Norddeutschen und Polnischen Becken. Dazwischen entstanden der Central-Graben (CG), der Hor- Graben (HG) und der Glückstad- Graben (GG) senkrecht zu den Hauptbeckenachsen. View on the modelled pre-Permian surface (lit from above) in the Central European Basin System showing the major structural elements: The basins system is framed by the Sorgenfrei -Teysseire- Tornquist Zone (STZ, TTZ) in the north and by the Elbe Fault System in the south. The Ringkøbing-Fyn-High separates the Danish Basin from the North German and the Polish Basin. In between, the Central Graben (CG), the Horn Graben (HG) and the Glückstadt Graben (GG) developed perpendicular to the main basin axes. Abb. 4.41: Die Mächtigkeit des sedimentären Rotliegend zeigt stärkste Subsidenz in NW-SO gerichteten „Südlichen Permbecken“ (Norddeutsches und Polnisches Becken) während kaum Sedimente im „Nördlichen Permbecken“ (Dänisches Becken) abgelagert wurden. The thickness distribution of the sedimentary Rotliegend (Lower Permian) indicates strongest subsidence in the NW-SE oriented “Southern Permian Basin” whereas sedimentation in the “Northern Permian Basin” is of minor importance. Compiled from: NE German Basin: Scheck & Bayer 1999; Polish Basin: Lamarche et al., 2003; other areas: Plein, 1978; Ziegler, 1990; Bachmann and Hoffmann, 1997;Lockhorst et al., 1998, NW European Gas Atlas. Compiled from: NE German Basin: Scheck & Bayer 1999; Polish Basin: Lamarche et al 2003; other areas: Lockhorst et al., 1998, NW European Gas Atlas, Vejbaek, 1997. Zone und entlang des Elbe-Störungssystems invertiert, was sich im heutigen Strukturbild der Oberkreidebasis bemerkbar macht (Abb. 4.43). Die inversionsbedingte Deformationslokalisierung erfasste diejenigen Bereiche am stärksten, unterhalb derer die geophysikalischen Eigenschaften der tieferen Kruste auf das Vorhandensein von Schwächezonen hinweisen. Im Känozoikum schließlich sanken weite Teile des Beckensystems erneut ab, wobei sich das Hauptsubsidenzzentrum in die zentrale Nordsee verlagerte. Während der permisch-känozoischen Geschichte wurden bis zu 12 km überwiegend klastischer Sedimente abgelagert. Eine Ausnahme bildet das bis zu 2.500 m mächtige permische Zechsteinsalz, dessen Mobilisierung die Beckenentwicklung ebenfalls maßgeblich beeinflusst hat. 311 Abb. 4.42: Die berechnete Gesamtmächtigkeit Zechstein bis Unterkreide zeigt zwei Arten von Beckenachsen, die auf unterschiedliche tektonische Phasen hinweisen. The calculated thickness of Upper Permian (Zechstein) to Lower Cretaceous sediments shows two types of depocentral axes indicating different tectonic phases during this interval. NW-SE: Danish Basin, North German Basin, Polish Basin as well as the smaller Sole Pit Basin (SPB), Broad Fourteens Basin (BFB), Lower Saxony Basin (LSB), Subhercynian Basin (SHB). N-S: Central Graben (CG), Horn Graben (HG), Glückstadt Graben (GG). Abb. 4.43: Die modellierte Tiefenlage der Oberkreidebasis im Zentraleuropäischen Beckensystem zeigt herausgehobene, Blöcke mit NW-SO streichenden Strukturachsen (blaue Linien) entlang der südlichen und nördlichen Beckenränder, im östlichen Bereich des Ringkøbing-Fyn-Hochs, sowie entlang der Beckenachse des Polnischen Beckens. Diese Inversion wird auf regionale, alpin induzierte Kompression an der Wende Kreide/Tertiär zurückgeführt. The modelled Base Upper Cretaceous in the CEBS shows uplifted blocks with NW-SE striking axes along the northern and southern margins of the basin system, along the RFH as well as along the axis of the Polish Basin (Mid-Polish Swell). This inversion is related to alpine-induced compression in Late Cretaceous/Early Tertiary. 312 In den letzen Jahren wurden 3D-Strukturmodelle einzelner Teilbecken mit unterschiedlicher Auflösung entwickelt. Dem Modell des gesamten Zentraleuropäischen Beckenssystems gingen detaillierte 3D-Modelle des NO-deutschen Beckens (Scheck and Bayer, 1999) und des Polnischen Beckens (Lamarche et al., 2003) voraus. Die Modelle der Teilbecken erlauben eine unabhängige Untersuchung der dort abgelaufenen Prozesse und den direkten Vergleich der einzelnen Becken, um regional wirksame Faktoren abzugrenzen. Dabei zeigten sich sowohl Gemeinsamkeiten als auch signifikante Unterschiede, die in der Variation von physikalischen Eigenschaften der unterlagernden Kruste bedingt sind. So enthalten alle Teilbecken Zechsteinsalz, das im Mesozoikum mobilisiert wurde und eine Vielzahl von Salzstrukturen ausbildete. Dieser Vorgang beeinflusste nicht nur die Absenkungsgeometrie erheblich, sondern führte auch zu einer tektonischen Entkopplung der post-permischen Deformationen im Liegenden und Hangenden der Salzschicht. Ein Verständnis der damit verbundenen Prozesse im NO-deutschen und polnischen Teilbecken war deshalb ein weiterer Forschungsschwerpunkt der letzten Jahre. Abb. 4.44: Die modellierte Tiefenlage der Tertiärbasis weist auf eine radikal veränderte Absenkungsdynamik während des Känozoikums im Zentraleuropäischen Beckensystem hin. Die tiefsten Depressionen sind N-S orientiert, während NW-SO gerichtete Elemente von untergeordneter Bedeutung sind. Das Hauptdepozentrum liegt in der zentralen Nordsee außerhalb der permisch-mesozoischen Beckenstrukturen. Vierecke bezeichnen die Lage der detaillierten Teilmodelle des NOdeutschen und des polnischen Beckens The modelled depth of the Base Tertiary indicates a radical change in subsidence regime in the Central European Basin System during the Cenozoic. Deepest depressions strike N-S and the main depocentre is shifted north into the Central North Sea and thus outside the Permo-Mesozoic basin structures. Rectangles delineate the location of detailed models of the NE-German and Polish basins. Neue Ergebnisse aus dem NE-deutschen Becken Das 3D-Strukturmodell des NO-deutschen Beckens wurde genutzt, um die Salzdynamik dieses Teilbeckens zu untersuchen. Dazu wurde eine Methode entwickelt, die ein 3D-Backstripping mit Salz-Rückdeformation ermöglicht (Scheck et al. 2003). Ausgehend von der heutigen Salzverteilung wurden schrittweise die Deckschichten weggenommen, das Salz entsprechend der veränderten Last im Hangenden umverteilt und ein isostatischer Ausgleich durchgeführt. Dabei wurden rekonstruierte Mächtigkeiten der Salzdeckschichten berücksichtigt. Zusätzlich wurden reflektionsseismische Daten interpretiert, um mit einer zweiten, von der Modellierung unabhängigen Methode, die Dynamik der Salzbewegung zu untersuchen. Wichtigstes Ergebnis dabei war, dass Phasen der Salzbewegung zeitlich mit tektonischen Phasen korrelieren(Abb. 4.45). Abb. 4.45: Rekonstruierte Mächtigkeitsverteilungen des Zechsteinsalzes nach 3D-Backstripping: Die wichtigsten Phasen der Salzbewegung korrelieren zeitlich mit spättriassischer Extension und mit spätkretazischer Kompression. Während der Extensionsphase entstand ein NNO-SSW gerichteter Trog in den Salzdeckschichten, dessen Subsidenz durch Salzabwanderung unterhalb des Trogs und Salzaufstieg an den Trogflanken begleitet war. Während der Kompressionsphase kam es zur Faltung der Salzdeckschichte,n begleitet von Salzwanderung in die Sattelkerne und Salzabwanderung aus den Muldenbereichen. Reconstructed thickness distributions of the Zechstein salt from 3D backstripping: The major phases of salt movement correlate temporally with Late Triassic extension and with Late Cretaceous compression. During extension, formation of a NNE-SSW directed trough in the salt cover was accompanied by salt withdrawal below the trough and by salt rise along the flanks of the trough. During compression, folding of the salt cover went along with salt migration into the cores of anticlines and salt removal from the synclines. Das Polnische Becken Das Polnische Becken hat sich seit dem Perm direkt oberhalb der Teisseyre-Tornquist-Zone (TTZ) entwickelt. Klassische Konzepte der Beckenentwicklung sind deshalb auf dieses Becken nur begrenzt übertragbar. Vielmehr scheint die Heterogenität der unterlagernden Kruste eine Schlüsselrolle für die Lokalisierung von Subsidenz und Inversion zu spielen. Entlang der TTZ grenzt die präkambrische Kruste der Osteuropäischen Plattform an die paläozoische Kruste Mitteleuropas, was sich in einer Änderung geophysikalischer Krusteneigenschaften (Geschwindigkeit der Unterkruste, Krustenmächtigkeit) bemerkbar macht (Guterch et al., 2002). Das entwickelte 3D-Strukturmodell des Polnischen Beckens (Lamarche et al., 2003) integriert diese Informationen und setzt sie in Zusammenhang zur internen Architektur des Beckens (Abb.4.46). Der Sedimentanteil des Modells ist in 13 Schichten permisch bis känozoischen Alters aufgelöst, die die Absenkungsmuster durch die Zeit wieder spiegeln. Herausragendes Merkmal ist dabei eine konsistent NWSO streichende Strukturachse oberhalb der TTZ entlang derer sowohl die intensivste permo-triassische Absenkung Abb. 4.46: Die Tiefenlagen der Basis Känozoikum (a), der Basis Kreide (b) und der Basis Zechstein (c) im 3DModell des Polnischen Beckens illustrieren die tektonische Entkopplung durch das Zechsteinsalz. Depth of the base Cenozoic (a), base Cretaceous (b), and base Zechstein (c) in the Polish Basin model illustrating the tectonic decoupling due to the presence of Zechstein salt. erfolgte als auch die stärkste Hebung in der spätkretazischen Inversionsphase. Zusätzlich treten NNO-SSW streichende Transferstörungen auf, die das Becken in drei große Blöcke zerlegen. In den Bereichen, wo Zechsteinsalz abgelagert wurde, kam es zu dessen Mobilisierung ab der Trias, wobei hier wie auch im NOdeutschen Becken eine tektonische Entkopplung durch das Salz zu beobachten ist. Genese und Migration stickstoffreicher Erdgase im Norddeutschen Becken Das Norddeutsche Becken ist Teil der Mitteleuropäischen Senke, die vor allem in karbonischen und permischen Speichergesteinen große Erdgaslagerstätten aufweist. Die Gase wurden zum großen Teil aus den Oberkarbon Kohlen und Corg-reichen marinen Tonsteinen generiert. In England, den Niederlanden und in Niedersachsen sind diese Erdgase reich an Methan. Neben Methan treten aber auch Nicht-Kohlenwasserstoffe wie CO2, H2S und N2 auf, deren Gehalte über die 313 Ökonomie der Förderung entscheiden. Die Kenntnis der Genese, Migration und Akkumulation dieser Gase liefert einen wichtigen Beitrag bei der Exploration von Gaslagerstätten. Im nordostdeutschen Teil der mitteleuropäischen Senke nimmt der Stickstoffgehalt der Erdgaslager extrem zu. So finden sich Gaslagerstätten mit bis zu 90 % N2. Die Frage nach der Herkunft des Stickstoffs ist trotz intensiver Forschung noch nicht gelöst. Da sich der Eintrag von Luftstickstoff ausschließen lässt, verbleiben drei generelle Erklärungsmöglichkeiten der Generierung: 1. aus sedimentären organischem Material während der Diagenese 2. aus Sedimenten während der Diagenese und Metamorphose und 3. Mantelentgasungen. Im Rahmen des SPP1135 der DFG werden im Projekt MI 708 in Zusammenarbeit mit der BGR und dem GZG die Wechselwirkungsprozesse zwischen organischer Substanz, Illiten und Fluiden in tonigen Sedimenten des Karbons der mitteleuropäischen Senke untersucht. Um die Generierungsprozesse von Stickstoff aus Sedimenten zu evaluieren, werden die mineralogische Zusammensetzung, die Stickstoff- und Ammoniumgehalte sowie deren Isotopenverhältnisse bestimmt und Einschlussuntersuchungen durchgeführt. Abb. 4.47: Dünne kohlige Lagen aus dem Namur des Nordostdeutschen Beckens zeigen neu gebildete NH4reiche Illite mit mehr als 0,5 % N (Foto A. Kronz, Universität Göttingen) in ehemaligen Zellstrukturen. Thin coal layers fraom the Namur of the Norteastern German Basin show newly formed NH4-rich illites with more than 0,5 % N . Primär ist Stickstoff in Sedimenten zum größten Teil in organischer Substanz gebunden. 314 Die biologische und thermische Zersetzung der organischen Substanz während der Ablagerung und Diagenese der Sedimente führt zur Freisetzung von anorganischen Stickstoffkomponenten. Hier liegt die erste Quelle der Stickstoffgenerierung. Freigesetztes Ammonium (NH4+) kann aufgrund seines ähnlichen Ionenradius für Kalium (K+) in authigen gebildeten Illiten eingebaut werden. Abb. 4.47 dokumentiert NH4-reiche Illite als Neubildung in kohligen Lagen des Namurs. So fixiert kann der Stickstoff in tiefe Beckenbereiche abgesenkt werden. Abgekoppelt von der Methanbildung wird dieser Stickstoff erst zu einem späteren Zeitpunkt, aufgrund thermischer oder hydrothermaler Prozesse, freigesetzt. Das entspricht dem zweiten Prozess der Stickstoffgenerierung. Ein schematischer Stickstoffkreislauf illustriert Fixierung und Freisetzung in Abbildung 4.48. Präpermische Ton- und Siltsteine des Nordostdeutschen Beckens zeigen Gesamtstickstoffgehalte zwischen 500 bis 3000 ppm. Bei höher diagenetisch überprägten Proben liegt der Gehalt an anorganisch fixiertem Stickstoff bei über 60 %. Besonders hohe Gehalte an fixiertem anorganischem NH4+-N finden sich in den Tonsteinen und Tonschiefern des Namur. Sie liegen bei durchschnittlich 1000 ppm und zeigen δ15N Isotopenverhältnisse um +3 ‰. Die über 2000 m mächtigen namurischen Schichten des Nordostdeutschen Beckens haben somit ein hohes N-Fixierungs- und Speicherungspotential. Im Beckenzentrum indizieren hohe δ15N- Abb. 4.48: Schematischer Stickstoffkreislauf in der Lithosphäre Schematic Nitrogen-cylce ni the lithosphere. Werte von über +6 ‰ und sehr niedrige NH4+-N-Gehalte von ~600 ppm eine bedeutende Mobilisierung des als NH4+ gebundenen Stickstoffs aus den hoch maturen namurischen tonigen Sedimenten. Dieser Stickstoffverlust führt zu einer relativen Anreicherung von 15N im Gestein und daraus resultierenden schwereren Isotopenverhältnissen. Kalkulationen über Rayleighfraktionierung belegen eine bevorzugte Freisetzung des Stickstoffs aus den namurischen tonigen Sedimenten in Form von NH3. Dieser mobilisierte Stickstoff migrierte innerhalb des Karbons hauptsächlich als NH3/NH4 und wurde erst in den Gesteinsfolgen des Rotliegenden zu N2 oxidiert. Dies kann auch anhand der Ergebnisse von FluidEinschlussuntersuchungen belegt werden. In Kluftmineralisationen und diagenetischen Zementen des Karbons konnten CH4- und CO2-haltige Gaseinschlüsse nachgewiesen werden, N2 tritt hier nur in Spuren auf. Dagegen lassen sich in Kluftmineralisationen innerhalb des Rotliegenden im Nordostdeutschen Becken Gaseinschlüsse mit variierenden N2-CH4-Gehalten und nur noch Spuren von CO2 nachweisen. Abb. 4.49 zeigt einen N2 -reichen Einschluss in einem QuarzHämatitgang innerhalb eines permischen Quarzporphyrs. Interessant sind hierbei die deutlich geringeren rekonstruierten Bildungsdrücke der N2 Einschlüsse im Vergleich zu den CO2-CH4-Einschlüssen in karbonischen Sedimenten. Die niedrigen Bildungsdrücke zum Zeitpunkt der Einschlussbildung deuten auf eine erhebliche Stickstoffmigration während der Beckeninversion hin. Unsere Daten stützen die Hypothese der Stickstoffgenerierung im Norddeutschen Becken aus einem „anorganischen Tiefenstickstoff“. Während die Fixierung und Speicherung dieses Stickstoffs parallel zur KWGenerierung erfolgte, fand die Mobilisation, Migration und Akkumulation jedoch zu einem späteren Zeitpunkt und unter anderen Konditionen statt. DOBREflection-2000, eine beispielhafte Inversionsstruktur Das reflektionsseismische Profil DOBREflection-2000 war ein multinationales Projekt im südlichen Teil des Pripyat-Dniepr-Donets Beckens, Ukraine, mit Beteiligungen aus der Ukraine (Ukrgeophyzica), Deutschland (Univ. Hamburg, GFZ-Potsdam, Univ. Kiel), den Niederlanden (FU Amsterdam, Univ. Utrecht) und Dänemark (Univ. Kopenhagen). Die Lage der seismischen Linie in Bezug zu den regionalen tektonischen Strukturen zeigt Abb. 4.50. Vor DOBREflection gab es nahezu keine tiefenseismischen Linien im südlichsten invertierten Bereich des Pripyat-Dnieper-Donets Beckens, während die oberflächennahen Strukturen bis ca. 1000m durch den im Donbas betriebenen intensiven Kohlebergbau sehr gut erkundet waren. Entsprechend wurde das seismische Experiment mit einer Länge von 133 km geplant und umfasste den Bereich vom Azov Massif des Ukrainischen Schildes durch den zentralen Bereich des Beckens bis nahe zu dessen nordöstlichem Rand. Das Experiment wurde 2001 durch Ukrgeofizika bis an die russische Grenze fortgesetzt. Die Datengewinnung Abb. 4.49: Charakteristischer N2-Einschluß (blauer Kreis) in einem Quarz-Hämatitgang eines alterierten Rotliegendporphyrs einer norddeutschen Tiefbohrung. Das Ramanspektrum zeigt eine Gaszusammensetzung von mehr als 95 % N2 und < 5 % CH4. Characteristic N2-inclusion (blue circle) in a quartzhematitevein of an altered porphyr. The Ramanspectrum shows gas composition of > 95 % N2 and < 5 % CH4. 315 Abb. 4.50: Lage der seismischen Linie DOBREflection-2000 in Bezug zu den regionalen Strukturen im Bereich der Ukraine und angrenzender Gebiete. Position of the seismic profile DOBREflection-2000 with respect to the regional structures. Abb. 4.51: Geologische Interpretation von DOBREflection-2000 Geological interpretation of DOBREflection-2000 316 Abb. 4.52: Palinspastische Rekonstruktion der Beckenstruktur vor Einengung und Inversion (unten) mit der interpretierten heutigen Struktur (oben). Palinspastic reconstruction of the basin structure before compression and inversion (below) with the interpreted actual structure (top). erfolgte mittels Vibroseis® und explosiven Quellen mit 681 Kanälen und einem Stationsabstand von 25 m. Die Schussabstände betrugen 140 m für die Vibroseis®Daten und 3010 m für die Explosionsdaten. Dabei wurde die Datengewinnung lokal durch den intensiven, unter Tage betriebenen Kohleabbau behindert, was sich durch Lücken im Profil bemerkbar macht. Beckens die heute vorliegenden Strukturen wesentlich mitbestimmt hat. Das Becken hat dann mehrere Phasen der Einengung erlebt: im frühen Perm wurde in einem transtensionalen tektonischen Regime vor allem das Salz mobilisiert, während die Haupteinengung und Inversion dann in der späten Trias und am Übergang Kreide-Tertiär erfolgte. Das Pripyat-Dniepr-Donets-Becken entstand als intrakratonisches Rift im Devon mit einer nachfolgenden weiteren Absenkung im Karbon. Dabei wurde im oberen Devon eine mächtige Salzlage abgeschieden, deren spätere Bewegungen vor allem im zentralen Bereich des Die Interpretation der seismischen Linie erfolgte aufgrund der sehr guten Oberflächenanbindung durch den Kohleabbau sowie durch Vergleiche mit den weiter nördlich im Zentralbereich des Beckens vorhandenen Bohrungen und seismischen Daten. Neben der strati- graphischen Abfolge und ihrer Deformation konnten so insbesondere Störungssysteme bis in den tiefen Untergrund verfolgt werden (Abb. 4.51). Die wesentlichen Punkte für die Interpretation in Abb. 4.51 sind: eine Verdoppelung der MOHO im SW-Teil der Linie, eine Überschiebung der Prä- und Synriftsedimente östlich der zentralen Antikline sowie eine vertikale Veränderung der Reflektivität in der kristallinen Kruste. Fügt man diese Elemente zusammen, so ergibt sich eine lange, von Südwesten nach Nordosten ansteigende lystrische Aufschiebung, die in einem Störungsfächer an der Oberfläche endet, der schon lange aus oberflächennahen Daten bekannt ist. Konjugiert dazu verläuft eine Aufschiebung vom Zentrum des Beckens, ausgehend von der Aufschiebung, nach Südwesten und sie erreicht die Oberfläche ebenfalls in einer bekannten Störung mit beträchtlichem Versatz. Die Inversion stellt sich damit als ein Mega-Horst oder eine „Pop up“Struktur im Skalenbereich der Kruste dar, die bis zur Basis der Kruste reicht. Hinzu kamen interne Verformungen der Sedimentfüllung, die zu einer faltenartigen Deformation sowie einem System untergeordneter Verwerfungen führten. Die Interpretation der seismischen Linie wurde durch eine palinspastische Rekonstruktion für den Zeitpunkt vor der Inversion überprüft, wobei die Volumina bzw. Flächenanteile der einzelnen Schichten erhalten bleiben. Abb. 4.52 zeigt das Ergebnis und macht deutlich, dass nach Ausgleich der Verwerfungen und Entzerrung der faltenartigen Deformationen eine Beckenstruktur entsteht, die nur noch die wesentlichen Elemente einer Riftstruktur beinhaltet. Die seismische Linie DOBREflection-2000 bietet damit hervorragende Informationen zur Entwicklung des südöstlichen Teils des Pripyat-Dniepr-Donets Beckens und stellt ein exzeptionelles Beispiel einer Inversionsstruktur dar. Bemerkenswert ist, dass die Inversion die gesamte Kruste bis zur MOHO erfasste, wodurch eine Mega-„Pop Up“-Struktur entstand. Modellierung der Versenkungs- und Temperaturgeschichte mehrere ODP-Bohrungen im Nankai-Trog Der Nankai-Akkretionskeil und der daran anschließende Nankai-Trog gehören zu den am besten untersuchten Strukturen dieser Art. Im Rahmen des International Ocean Drilling Programs (ODP) wurden vor Japan im Nankai-Trog, südöstlich der Insel Shikoku, mehrere Bohrungen in einer Wassertiefe von über 4,6 km abgeteuft. Der Nankai-Trog markiert die Plattengrenze zwischen der Eurasischen Platte und der darunter mit eine Rate von 2 bias 4 cm/a abtauchenden Philippinischen See Platte. Im Bereich des Arbeitsgebietes wird ein Spreading Center subduziert, dessen Aktivitäten vor etwa 15 Ma zu Ende gingen (Jolivet et al., 1994). Entlang des Muroto-Profils haben zwei Bohrungen am Fuß des Akkretionskeils sowie eine in den davor liegenden marinen Ablagerungen im Graben bis zu 1100 m mächtige und gering bis undeformierte Sedimente durchteuft. Die Sedimentabfolge besteht aus fünf lithologischen Einheiten (Shipboard Scientific Party, 2001). Die Abfolge beginnt mit der Ablagerung saurer Vulkanite zu Mitte des Miozäns. Daran schließt sich die Ablagerung von hemipelagischen Gesteinen während des mittleren Miozäns bis zum mittleren Pliozäns an. Ab dem oberen Pliozän bis zum unteren Pleistozän kommt es zu Einschaltungen von Tephra-Lagen in die hemipelagischten Sedimenten. Während des Pleistozäns kam es dann zu einem langsamen Übergang vom hemipelagischen Ablagerungsmilieu zu vermehrten turbiditischen Ablagerungen, die in der Ablagerung massiver TurbiditSequenzen im Holozän kulminiert. Die Schichten in den Bohrungen an der Deformationsfront sind, bis auf eine Überschiebung in 365 m Tiefe mit 145 m Versatz, gering deformiert und die Schichten in der Bohrung, die sich im Graben befindet, sind ungestört. Von besonderem Interesse ist diese Lokalität auch, weil in den Bohrungen die Temperatur mit der Tiefe sehr stark, maximal 165 °C/km, ansteigt. Weiterhin werden in dieser Zone des Nankai-Trog sehr hohe und über kurze Distanzen stark variierende (130 bis 200 mW/m2) Wärmeflüsse gemessen. Aufgrund des Alters der ozeanischen Kruste von 15 Ma sollte man einen Wärmefluss von etwa 130 mW/m2 erwarten (Yamano et al., 2003), der auf Grund der hohen Sedimentationsraten eher noch bis zu 20% niedriger sein sollte. Tatsächlich wurden in einer Bohrung 130 mW/m2 und in zwei weiteren Bohrungen 180 mW/m2 bestimmt (Yamano et al., 2003). Diese Wärmeflusswerte wurden nun als Randbedingungen für die Modellierung der Absenkungsgeschichte der Bohrungen verwendet. Für die gesamte Absenkungs- und Temperaturgeschichte wurde zudem ein bis auf den heutigen Wert abnehmender Wärmefluss angenommen, der das Abkühlen der relativ jungen ozeanischen Kruste widerspiegeln soll. Sowohl die 1D-Modellierungen der einzelnen Bohrungen wie auch 2D-Modellierungen einer Sektion zeigen, dass es kein einheitliches Wärmeflussmodell gibt, mit dem sowohl die Temperaturverteilung mit der Tiefe, der gemessene Reifetrend der Vitrinitreflexion als auch die Wärmeflusswerte modelliert werden können. So sind zur Erreichung der gemessenen Vitrinitreflexionswerte Wärmeflusswerte von 170 bis 180 mW/m2 notwendig, was deutlich über dem aus der ozeanischen Kruste zu erwartenden Wärmefluss von 130 mW/m2 liegt, wenn man den Wärmefluss aus einer 15 Ma alten ozeanischen Kruste als Randbedingung zugrunde legt. Dieses Ergebnis ist im Einklang mit Modellierungen von Brown et al. (2001), die ebenfalls von solchen Wärmeflusswerten bei ihrer Smektit-Diagenesemodellierungen ausgehen. Welche Ursachen für diesen außergewöhnlich hohen Wärmefluss verantwortlich sind, ist ungewiss. Yamano et al. (2003) erörtern unter anderem Fluidfluss im Zuge der Akkretion mariner Sedimente und Hinweise auf Vulkanische Aktivitäten in jüngerer Zeit, kommen aber zu keinem abschließenden Ergebnis. Obwohl das hier verwendete Modell nur eingeschränkt zur Modellierung advektiven Wärmetransports geeignet 317 Abb. 4.53: Heutige Verteilung der Temperatur entlang des schematisierten Muroto-Profils Todays temperature distribution along the schematic Muroto profile ist, wurde versucht diesen Effekt bei der Modellierung der rapiden Holozänen Versenkung zu berücksichtigen. Es wurde angenommen, dass Fluide aus dem tiefen Teil des Akkretionskeils entlang des Decollements und in den darüber und darunter liegenden Schichten bis in den Beckenbereich fließen können. Dabei zeigte sich, dass, um überhaupt einen nennenswerten Effekt auf die Temperatur- oder Reifeentwicklung zu erzielen, sehr hohe Flussraten von mehr als 100 m/a angenommen werden müssen, was als ein eher unwahrscheinliches Szenario anzusehen ist. 318 Ob die Ozeanische Kruste in dieser Region generell wärmer ist und somit nicht den gängigen Modellen entspricht oder tatsächlich ein jüngeres vulkanisches Ereignis zu einer Aufwärmung der Kruste führte, kann aus den vorliegenden Daten nicht bestimmt werden, denn die Vitrinite gelangen erst mit dem Einsetzen der rapiden Versenkung zu Ende des Pliozäns in einen Teufen- und damit Temperaturbereich, in dem ihre Reife zunimmt. Während des gesamten vorhergehenden Zeitraums ist die Versenkungstiefe zu gering, um trotz des sehr hohen Wärmeflusses zu einer nennenswerten Reifezunahme zu führen. Erst im Zuge der rapiden Versenkung im Holozän gelangen die Sedimente in Temperaturbereiche, die zur Inkohlung des organischen Materials führen. Im Rahmen von DeepBUG wurden unter anderem an organischem Material aus zwei Bohrungen kinetische Parameter des thermischen Abbaus bestimmt. Dieser Datensatz wurde im Rahmen der Modellierung dazu verwendet, um herauszufinden, ab wann und in welchen Schichten organisches Material abgebaut wird. Es zeigte sich, dass in den beiden Bohrungen am Fuße des Akkretionskeils in den tieferen Schichten bereits organisches Material abgebaut wird. Die Abbauprodukte stehen somit als potentielle Nahrungsquelle für die organischem der tiefen Biosphäre zu Verfügung, die in diesen Bohrungen nachgewiesen wurden (Zink et al. 2003). Die Modellierung der Absenkungs- und Temperaturgeschichte mehrer Bohrungen im Nankai Trog haben gezeigt, dass der thermische Abbau organischen Materials erst mit Beginn der extrem schnellen quartären Versenkung begann und durch einen gleichzeitig sehr hohen Wärmefluss möglich wurde. In wieweit advektiver Abb. 4.54: Gemessene (Dreiecke, Berner & Koch, 1993) und modellierte (Linie) Verteilung der Vitrinitreflexion in ODP-Bohrung 808. Measured (triangles) and calculated (line) distribution of the vitrinite reflexion in ODP hole 808. 319 Abb. 4.55: Gemessene (Dreiecke) und modellierte (Linie) Verteilung der Temperatur in ODP-Bohrung 808. Measured (triangles) and calculated (line) temperature distribution in ODP hole 808. Wärmetransport zu diesen Prozessen beigetragen hat lässt sich mit dem gegenwärtigen Modell nicht eindeutig beurteilen. KTB-VB-Pumptest Das Kontinentale Tiefbohrprogramm der Bundesrepublik Deutschland (KTB) war von Beginn an bis heute, da die Bohrungen als Tiefenlabors benutzt werden, ein außerordentlich erfolgreiches Vorhaben. Es wurden eine große Vielfalt geowissenschaftlicher Daten gewonnen und Ergebnisse von bisher unerreichter Qualität erhalten. Trotzdem konnten zahlreiche wichtige Forschungs- Abb. 4.56: Prozentuale Zunahme der Umwandlung organischen Materials mit der Tiefe. Berechnet für die Temperaturgeschichte von ODP-Bohrung 808. Increase of transformation of organic material with depth, calculated for the temperature history of ODP hole 808. fragen aus verschiedenen Gründen nicht befriedigend untersucht werden. Insbesondere wurde das wissenschaftliche Potenzial der zwei benachbarten Tiefbohrungen (Vorbohrung KTB-VB, 4.000 m und Hauptbohrung KTB-HB, 9.100 m) bei weitem nicht ausgeschöpft. Das übergeordnete Ziel einer neuen Forschungsinitiative, die vom GFZ Potsdam, dem GGA-Institut Hannover und der FU Berlin koordiniert wird, ist es, Energieund Fluidtransportprozesse in kontinentalen Bruchsystemen im km-Maßstab am Beispiel der KTB-Lokation zu studieren. Dazu wurde in einer ersten Phase ein 12monatiger Fluidproduktionstest in der KTB-VB durchgeführt, an dem sich 15 Arbeitsgruppen aus Deutsch- land und Übersee beteiligen. Während des Tests wurden geophysikalische, hydraulische und chemische Messgrößen on-line bestimmt und regelmäßig Wasser- und Gasproben für weiterführende geochemische, isotopengeochemische und geobiologische Untersuchungen genommen. In der nächsten Phase ist in 2004 und 2005 ein massiver Injektionstest in der KTB-VB geplant, welcher zunächst das obere von zwei dominanten Bruchsystemen in 4,0 und 7,2 km Tiefe anregen soll. Der Pumptest startete im Juni 2002 mit der Installation einer elektrischen, 18 m langen, Bohrlochtauchpumpe, die zusammen mit einer Druckmesseinrichtung bei 1.283 m Tiefe in der KTB-VB eingebaut wurde. Damit sollten 120 °C heiße Krustenfluide aus dem offenen Bohrlochbereich zwischen 3.850 und 4.000 m über Tage gefördert werden. Die obertägige Austrittstemperatur, die Absenkung des Wasserspiegels, die Fließmengen, der pH-Wert, das Redoxpotenzial und die elektrische Leitfähigkeit der Fluide wurden ebenso wie die Gesamtmenge an gelösten Gasen in Echtzeit registriert. Die Gasphase der Fluide wurde separiert und on-line mit Quadrupol-Massenspektrometrie auf N2, CH4, He, H2, O2, Ar und CO2 analysiert. Zusätzlich wurde der Gehalt an Radon in der Gasphase mit einem Alphaspektrometer bestimmt. 320 Um einen evtl. Einfluss der Pumpaktivitäten auf die 200 m entfernte Hauptbohrung feststellen zu können, war diese mit einem empfindlichen Bohrlochseismometer und verschiedenen Wasserpegel-Messgeräten ausgestattet. Von Juni bis Oktober 2002 wurde mit einer durchschnittlichen Pumprate von 29 l/min gefördert, wobei sich in der Vorbohrung ein Wasserspiegel von etwa 300 m unter Gelände einstellte. Überraschender Weise war die Förderrate um etwa 6 bis 8 mal höher als aus den Daten eines früheren Pumptests in 1991 berechnet wurde. Nachdem die erforderlichen Genehmigungen erteilt waren, konnte mit der maximalen Förderrate von ca. 58 l/min bis Ende Juni 2003 weiter gepumpt werden. Im Verlaufe des Pumptests sank der Wasserspiegel in der KTB-VB auf 620 m unter Gelände und die Fluidaustrittstemperatur stieg bis auf 43 °C an. Nach Abschluss des sehr erfolgreichen Pumptests im Juni 2003 waren mehr als 23.000 m3 Krustenfluide zu Tage gefördert worden. Die chemische Zusammensetzung der Krustenfluide (Tab. 4.1) veränderte sich im Verlauf des Produktionstests nur sehr geringfügig. So war das Gas- zu Wasser-Volumenverhältnis bei Oberflächenbedingungen durchweg ca. 1,0. Die Gasphase bestand im Wesentlichen aus Stickstoff und Methan sowie relativ hohen Konzentrationen an Helium und einer 222Rn-Aktivität zwischen 5.000 und 6.000 Bq/m3. Tab. 4.1: Stoffbestand der tiefen Krustenfluide des KTB-VB Produktionstests. Die in Endteufe 120 °C heissen Wässer stammen aus dem offenen Bohrlochbereich der Vorbohrung (3850-4000 m). Die Tiefenpumpe wurde am 26. Juni 2003 nach Förderung von ca. 23.000 m3 endgültig abgeschaltet: Wasserspiegelabsenkung = 620 m; Austrittstemperatur = 42 °C; pH = 7,5; EC25 = 86 mS/cm; EH = -430 mV Die verschiedenen zahlreichen Messdaten sowie die Wasser- und Gasproben sind noch in Bearbeitung, aber die ersten Resultate des KTB-VB Science Teams lassen sich wie folgt zusammenfassen: • Die Konzentration gelöster Stoffe war während des Pumptests mehr oder weniger konstant, nur die Raund Rn-Konzentrationen zeigten eine deutliche Abhängigkeit von der Pumprate. Da sich beide Elemente im radiochemischen Gleichgewicht befinden, haben wir bisher noch keine eindeutige Erklärung für dieses Verhalten. • Die Gehalte an Seltenen-Erden-Elemente waren unerwartet niedrig (10-14 mol/l). Solch geringe Konzentrationen wurden bisher weder in Tiefenwässern noch in natürlichen Oberflächenwässern bestimmt. • Die Auswertung verschiedener Wasserspiegelanstiegskurven, die durch zeitweises Abschalten der Tiefenpumpe erhalten wurden und der Verlauf der Absenkung zeigen nach bisheriger Interpretation, dass es sich scheinbar um ein „unendliches“ Reservoir handelt; die Transmissivität des Gebirges wurde mit etwa 3 x 10-13 m2 berechnet. • Der Wasserspiegelstand in der Hauptbohrung wurde eindeutig von den Pumpaktivitäten in der Vorbohrung beeinflusst. Er sank kontinuierlich im Verlaufe des Produktionstests ab und steigt ebenso wie der Wasserspiegel in der Vorbohrung seit dem Ende des Produktionstests im Juni 2003 mit einer zeitlichen Verzögerung an. Dies ist ein eindeutiger Hinweis auf eine direkte Kommunikation zwischen den zwei Bohrungen, wie sie bisher ohne diesen Versuch nicht aufgezeigt werden konnte. • Das Seismometer in der KTB-Hauptbohrung hat zahlreiche seismische Ereignisse detektiert, wobei die noch laufende Auswertung zeigt, dass nur sehr wenige durch die eigentliche Pumpaktivität her vorgerufen wurden. • Möglicherweise wegen der doch zu hohen Temperaturen von ca. 120 °C auf der Bohrlochsohle der KTB-Hauptbohrung konnten trotz umfangreicher Untersuchungen noch keine „lebenden“ thermophilen oder hypothermophilen Organismen eindeutig nachgewiesen werden. Im Verlaufe von 2003 werden weiterhin die Wasserspiegelveränderungen in der Haupt- und in der Vorbohrung beobachtet. In der Vorbohrung selbst werden im Herbst/Winter 2003 regelmäßig Temperatur- und Leitfähigkeitsmessungen sowie geoelektrische Versuche durchgeführt. Der Start der 2. Phase der jüngsten KTB-Forschungsinitiative ist für April 2004 geplant, während eines 12-monatigen Injektionstests soll bis zu 200 l/min Oberflächenwasser in die 4,0 km-Bruchzone (SE2-Reflektor) gepumpt werden, um Mikroseismizität hervorzurufen und das dadurch gespannte Bruchsystem durch Deformationsmessungen abzubilden. Abb. 4.57a,b: Installation der Bohrlochtiefenpumpe in der KTB-Vorbohrung (Fotos: J. Erzinger, GFZ) Installation of borehole submersible pump at KTB pilot hole 321 Abb. 4.58: Schematische Darstellung des obertägigen Monitoring während des Produktionstests in der KTB-VB Sketch of real-time monitoring for the fluid production test at KTB pilot hole Abb. 4.59: Fluidprobennahme für weiterführende Laboruntersuchungen (Foto: J. Erzinger, GFZ) Fluid sampling for detailed laboaratory investigations in den Wasserkäfigen eingelagert wird, immer mit geringen Beimischungen von Ethan oder Propan, Kohlendioxid oder Schwefelwasserstoff . 322 Abb. 4.60: Brennendes Eis: Gashydrate enthalten soviel Methan, dass sie brennen (Foto: J. Schicks) Abb. 4.61: Schematische Darstellung eines Hydratkäfigs mit Methan als Gastmolekü Burning ice: Gas hydrates Sketch of a hydrate cage are flammable due to the with methane as guest momethane they contain lecule Laborexperimente an Gashydraten Gashydrate sind eisähnliche, feste Verbindungen, bei denen Wassermoleküle über Wasserstoffbrückenbindungen einen Käfig bilden, in dem ein Gasmolekül eingebunden ist. Somit gehören sie aus chemischer Sicht zu den Einschlussverbindungen, den sogenannten Clathraten. Wenngleich die Wechselwirkung zwischen dem Gasmolekül und dem Käfig sehr schwach ist, stabilisiert das eingeschlossene Gasmolekül dennoch sein eigenes Gefängnis. Die Bildung von Gashydraten ist nur möglich bei höheren Drücken und/oder bei tiefen Temperaturen, womit sich das Vorkommen natürlicher irdischer Gashydrate i. W. auf Permafrostregionen und den Meeresboden begrenzt (vgl. dazu auch den Bericht „Mallik – Gashydrate im Permafrost“ in diesem Zweijahresbericht). In natürlichen Gashydraten ist es vorwiegend Methan (aber auch Kohlendioxid), welches Es sind für Gashydrate, die leichtere Kohlenwasserstoffe als Gastmoleküle enthalten, drei unterschiedliche Strukturen bekannt. Sie werden als Struktur I, Struktur II und Struktur H bezeichnet. Diese Strukturen unterscheiden sich im Wesentlichen in der Anzahl, dem Verhältnis und der Anordnung von kleineren und größeren Käfigen. Eine Übersicht gibt hierzu Tabelle 4.2. Welche Struktur letztlich gebildet wird, hängt unter anderem von der Größe des eingeschlossenen Moleküls ab. Kleine Moleküle wie CH4, CO2, H S oder auch C2H6 bilden bevorzugt die Struktur I aus, da sie in dieser Struktur die vorhandene kleinen (512) und größeren (51262) Käfige gut ausfüllen und stabilisieren können. Die Struktur II wird aus kleinen (512) und etwas größeren (51264) Käfigen aufgebaut, was dazu führt, dass Moleküle wie Methan diese Käfige nicht mehr optimal ausfüllen und stabilisieren können. Daher wurde bisher davon ausgegangen, dass Methan ausschließlich Struktur I-Hydrate bildet. 2 Zum grundlegenden Verständnis der Gashydrate ist es notwendig, den Einfluss verschiedener Parameter wie Druck, Temperatur und Zusammensetzung der Gasphase auf ihre Bildung und Stabilität zu bestimmen. Für die Synthese der Gashydrate unter definierten Bedingungen wird eine im GFZ Potsdam weiterentwickelte und angefertigte Druckzelle verwendet. Diese Zelle verfügt über ein Probenvolumen von max. 400 µl. Sie kann von –27 °C bis +80 °C ohne Temperaturgradienten temperiert werden, die aktuelle Temperatur wird direkt am Probenraum kontinuierlich mit einer Genauigkeit von ± 0,1 °C gemessen. Der wählbare Druckbereich liegt zwischen 1 bar und 100 bar und wird mit Hilfe eines Druckreglers mit hoher Genauigkeit geregelt. Im Zentrum der Zelle befindet sich die eigentliche Probenkammer. Sie ist nach oben mit einer Quarzglasscheibe verschlossen, wodurcheine Analyse der einzelnen Phasen mit Hilfe der Ramanspektroskopie möglich ist. Darüber hinaus können sämtliche Prozesse, die in der Zelle stattfinden, im Tab. 4.2: Verteilung der Clathrat-Kristallkäfige in den unterschiedlichen Auflicht unter dem Mikroskop beoHydratstrukturen bachtet und mit Hilfe einer CCDKamera dokumentiert werden. Distribution of clathrate cage types building-up the hydrate structure“) Abb. 4.62: Schematische Darstellung der Druckzelle Sketch of the pressure cell Die in dieser Zelle durchgeführten Experimente an den Systemen CH4-H2O und CH4-CO2-H2O führten zu unerwarteten Beobachtungen und Ergebnissen: Zunächst wachsen die Hydrate in Form kubischer Kristalle, wie sie in Abbildung 4.63a dargestellt sind. Werden Druck oder Temperatur nun dahingehend verändert, dass sich das System weiter in das Stabilitätsfeld von Struktur I Methanhydraten hinein begibt, konnte eine bemerkenswerte Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes der Hydrate beobachtet werden. Dieser Vorgang erinnert an einen Schmelzprozess: die Hydratkristalle verlieren ihre scharfen Kanten und werden durch eine amorph erscheinende Masse ersetzt. Dieser Prozess ist in den Abbildungen 4.63b-d dokumentiert. Ramanspektroskopische Untersuchungen zeigten, dass einige der wohldefinierten Kristalle (Abb. 4.63a) nicht die erwartete und stabile Struktur I aufweisen, sondern die metastabile Struktur II. Diese beiden Strukturen koexistieren in einem kinetisch gehemmten Ungleichgewicht. Deshalb genügen bereits geringe Veränderungen in Druck oder Temperatur, um eine Umstrukturierung der metastabilen SII-Phase in die stabile Struktur I auszulösen. Dieser Prozess ist exotherm und ist nicht nur begrenzt auf die Umwandlung von SIIKristallen, sondern beeinflusst auch die Abb. 4.63: Wachstum (a) und Umwandlung der Gas-hydrate: In a) liegen umliegenden SI-Kristalle und breitet Struktur I und Struktur II Hydrate nebeneinander vor. Durch sich so über die gesamte Hydratmasse Temperaturerniedrigung wird eine Umwandlung der Struktur II Hydrate aus (Abb. 4.63d). in Struktur I Hydrate ausgelöst (b-c), bis schließlich eine Rekris-tallisation der gesamten Hydratphase erfolgt nach der ausschließlich Struktur I Die Ramanspektren in Abb. 4.64 zeigen diesen Um-strukturierungsprozess, bei Hydrate vorliegen. dem der Anteil der SII-Hydrate zu Growth and transformation of gas hydrates: a) Coexistence of structure I Gunsten der SI-Hydrate zunehmend and structure II hydrate crystals. Reduction in temperature incuces a geringer wird, bis schließlich ein stabiltransformation of structure II to structure I hydrates (b-c). A recrystallizaer Zustand erreicht wird, in dem ausstion of the complete hydrate phase follows, until structure I hydrates chließlich SI-Hydrate vorliegen. remain only. 323 keiten vp und vs, elastische Konstanten cij sowie Kompressions- und Schermoduli Ks und G bei erhöhten Druck und/oder Temperaturbedingungen zu bekommen. Diese Ergebnisse können dann benutzt werden, um Geschwindigkeitsprofile von Mineralgemengen wie sie etwa im oberen Erdmantel (Olivin und Pyroxen), in der Übergangszone (Spinelle und Granate) und im unteren Erdmantel (Perovskit und Magnesiowüstit) vorkommen, zu modellieren und mit seismischen Daten zu vergleichen. Abb. 4.64: Die Umwandlung der Struktur II- zu Struktur I -Methanhydraten lässt sich an den Ramanspektren nachvollziehen. The transformation of structure II to structure I methane hydrates could be proven by Raman spectra. Zur Zeit ist noch nicht geklärt, warum sich die theoretisch nicht zu erwartenden Struktur II-Methanhydrate überhaupt bilden können. Es ist auch noch nicht absehbar, welchen Einfluss dieses Verhalten auf die Modelle zur Vorhersage von Hydratstabilitätsgrenzen und auf den Verlauf geologischer Hydratbildungs- und -abbauprozesse haben werden. 324 Ultraschallexperimente in der Diamanthochdruckzelle Messungen und Interpretationen der Laufzeiten seismischer Schallwellen sind die wichtigsten Methoden zur Entschlüsselung des Aufbaus des Erdinneren. So zeigen Geschwindigkeitssprünge der Schallwellen in 410 und 660 km Tiefe abrupte Übergänge der Phasen und/oder des Chemismus an. Ein anderes Beispiel sind Messungen der Laufzeiten im oberen und unteren Erdmantel, die auf unterschiedliche Schallgeschwindigkeiten in verschieden Richtungen hindeuten. Dies läßt den Schluß zu, daß ein Teil der Minerale sich bevorzugt in bestimmte Richtungen orientiert. Es ist jedoch nicht möglich, allein aus den seismischen Geschwindigkeitsbestimmungen auf die chemische Zusammensetzung und die Phasen der Minerale im Erdmantel zu schließen. Hierfür werden zusätzlich Geschwindigkeitsmessungen an mantelrelevanten Mineralen im Labor durchgeführt. Das Ziel ist es, einen genügend großen und verläßlichen Datensatz über longitudinale und transversale Schallwellengeschwindig- Eine Methode, Schallwellengeschwindigkeiten zu messen, ist die Ultraschall - Interferometrie. Hierbei wird die Laufzeit eines Schallpulses durch eine Probe gemessen und daraus die Geschwindigkeit der Schallwellen bestimmt. Diese Methode bietet folgende Vorteile: 1. Es können dunkle oder opake Proben, die optischen Methoden wie Brillouin - Streuung nicht zugänglich sind, untersucht werden. Dies ist ein besonders wichtiger Punkt, da viele mantelrelevante Minerale, wie Magnesiowüstit (Mg,Fe)O oder Ringwoodit ( (Mg,Fe)2SiO4, Eisen in verschiedenen Wertigkeitsstufen enthalten und deshalb Licht absorbieren. 2. Wegen der sehr hohen Frequenzen im GHz – Bereich ist es möglich, kleinste Proben mit einer Dicke von ca. 40µm zu untersuchen. 3. Die GHz – Interferometrie kann in Diamanthochdruckzellen angewendet werden. Dies bietet uns die Möglichkeit, die elastischen Eigenschaften von Mineralen als Funktion des Druckes und der Temperatur zu bestimmen. Ein Beispiel für ein wichtiges, opakes Mineral ist Magnesiowüstit. Dieses Mineral -(Mg,Fe)O - bildet eine komplette Mischreihe zwischen den beiden Endgliedern MgO und FeO. Magnesiumwüstit ist neben Perovskit der Hauptbestandteil des unteren Mantels und das häufigste Nichtsilikat im gesamten Mantel. Die elastischen Eigenschaften von (Mg,Fe)O bestimmen somit maßgeblich die elastischen Eigenschaften des unteren Erdmantels mit. Bisher gab es von den (Mg, Fe)O Mischkristallen keine Einkristalldaten, da ab einem Eisengehalt > 6mol% (Mg,Fe)O dunkel wird. Abb. 4.65 zeigt die elastische Konstanten c11 = ∆ (vp[100])2, c44 = ∆ (vs[100])2 und (c11 + 4c44 +2c12)/3 = ∆ (vp[111])2, mit ∆ Dichte und (vp[100]), (vp[111]) und (vs[100]) longitudinale Schallwellengeschwindigkeiten in (100) und (111) Richtung sowie Scherwellengeschwindigkeit in (100) Richtung. Auffällig ist der plötzliche Sprung von c11 bei Zugabe von kleinen Mengen Eisen zu MgO, was ein ‚weicher werden‘ (softening) vorzugsweise parallel zu (100) entspricht. Der adiabatische Kompressionsmodul Ks = (c11 + 2c12)/3 jedoch ändert sich kaum (Abb. 4.66), da c12 mit steigendem FeO - Gehalt ansteigt (vgl. Abb. 4.65). Im Gegensatz dazu ist der Schermodul jedoch stark vom Eisengehalt in Magnesiowüstit abhängig. Dies deutet darauf hin, daß der Kompressionsmodul für (Mg,Fe)O im unteren Erdmantel ähnlich dem von MgO ist, während der Schermodul signifikant kleiner ist. Abb. 4.65: Die elastischen Konstanten cij von (Mg,Fe)O als Funktion des Druckes Elastic constants of (Mg,Fe)O as a function of pressure Abb. 4.67: Die gemittelten Longitudinal – und Transversalschallwellengeschwindigkeiten, vp und vs, von Magnetit Fe3O4 als Funktion des Druckes. Auffällig ist die Abnahme von vs mit steigendem Druck Mean values of vp and vs of magnetite Fe3O4 as a function of pressure. Vs decreases with pressure. 325 Abb. 4.66: Der adiabatische Kompressions – und Schermodul Ks und G als Funktion des Eisengehaltes in (Mg,Fe)O (volle Kreise). Offene Kreise: Röntgenmessungen von (Mg,Fe)O (Jacobsen et al., JGR 107, 2002) The adiabatic compression- and shear modulus Ks and G as a function of Fe-content in (MG,Fe)O (full circles). Open circles: X-ray investigations of (Mg,Fe)O. Ein anderes wichtiges Mineral ist Magnetit Fe3O4 (ca. 1.5 Volumen % in der Erdkruste). Bisher gab es keine Messungen der Longitudinal – und Transversalgeschwindigkeiten und der 3 elastischen Konstanten cij in Abhängigkeit vom Druck P. Abb. 4.67 und 4.68 zeigen die longitudinalen und transversalen Schallwellengeschwindigkeiten vp und vs sowie die elastischen Konstanten cij von Fe3O4 als Funktion des Druckes. Die longitudinale Schallgeschwindigkeit vp steigt mit zunehmendem Druck an, wie es bei den meisten Mineralen beobachtet wird. Die Scherwellengeschwindigkeit Abb. 4.68: Die elastischen Konstanten cij von Magnetit als Funktion des Druckes. Die negative Druckabhängigkeit von c44 deutet auf einen Phasenübergang bei höheren Drücken hin. Die durchgezogenen Linien sind lineare Fits an die Datenpunkte. Elastic constants of magnetite as a function of pressure. The negative pressure dependance of c44 indicates a phasetransition at higher pressures. zeigt jedoch ein außergewöhnliches Verhalten: sie nimmt mit zunehmendem Druck ab. Ebenso nimmt c44 mit steigendem Druck ab (Abb. 4.68). Mittels Röntgenmessungen wurde ein Phasenübergang bei ca. 21GPa festgestellt. Das Abfallen von c44 ist ein ‚Vorbote‘ dieses Phasenübergangs. Das heißt, mit Messungen bei niedrigen Drücken können mögliche Phasenübergänge bei weitaus höheren Drücken vorausgesagt werden. Um die Bedingungen im Erdinneren besser zu simulieren, werden Messungen bei noch weiter erhöhten Druck – und Temperaturbedingungen vorbereitet. Ultraschallexperimente an Amphiboliten und Serpentiniten während der Dehydratation Entwässerungsreaktionen und partielle Schmelzbildung sind eng mit geodynamischen Prozessen in tektonisch aktiven Zonen verknüpft. So werden großräumige geophysikalische Anomalien, wie beispielsweise Zonen geringer seismischer Geschwindigkeit, hoher seismischer Dämpfung und hoher elektrischer Leitfähigkeit, auf in der Lithosphäre zirkulierende Fluide und/oder Schmelzen zurückgeführt. Eine Möglichkeit, den Einfluss dieser Prozesse auf die elastischen Eigenschaften von Gesteinen mit wasserhaltigen Mineralen unter definierten Druck-Temperatur-Bedingungen im Labor zu untersuchen, bieten in-situ Ultraschallexperimente. 326 In den letzten 50 Jahren wurden viele Daten zur Temperaturabhängigkeit der seismischen Geschwindigkeiten von Gesteinen veröffentlicht (z.B. Hughes und Maurette, 1957; Christensen, 1979; Kern, 1997). Die Proben wurden dabei in offenen Systemen untersucht, aus denen die bei der Dehydratation wasserhaltiger Minerale freigesetzten fluiden Phasen entweichen konnten. Unter der Annahme, dass zumindest ein Teil der in Subduktionszonen freigesetzten Fluide in größeren Tiefen verweilt, ist die Betrachtung von geschlossenen Systemen von besonderer Bedeutung, bei denen Fluide im Probenraum verweilen können. Aus diesem Grunde wurden spezielle Versuchsaufbauten entwickelt, um an gekapselten Proben Ultraschallversuche durchführen zu können. Dies erlaubt uns, über die intrinsischen elastischen Gesteinseigenschaften hinaus, die Auswirkungen des sich während der Dehydratation ändernden Porenfluiddruckes auf die Mikrostruktur eines Gesteines zu untersuchen. Die Abhängigkeit der seismischen Geschwindigkeit von Druck und Temperatur wird in einem innenbeheizbaren Gasdruckautoklaven an Kernen natürlicher Amphibolite und Serpentinite bei Umschließungsdrücken von bis zu 10.000 bar (100 km Wassersäule) und Temperaturen bis 700 °C untersucht. Die Messzelle besteht aus einer zylindrischen Probe (Länge = 25 mm; Durchmesser = 30 mm) und zwei Vorlaufkörpern (Abb. 4.69), an deren äußeren Enden Ultraschallsensoren befestigt sind. Die Bestimmung der seismischen Geschwindigkeiten erfolgt durch eine Kombination von Durchschallungs- und Impuls-Echo-Messungen. Im Falle des Durchschallungsmodus durchläuft die seismische Welle den gesamten Probenaufbau und wird an der Probenrückseite registriert. Ein Teil der Wellenenergie wird jedoch an der Grenzfläche zwischen Vorlaufkörper und Probe reflektiert und als Echo am ersten Sensor empfangen. Mit der Differenz beider Laufzeiten wird die Laufzeit durch die Probe präzise bestimmt. Charakteristisch für den Serpentinit und Amphibolit ist der Abfall und Wiederanstieg der seismischen Geschwindigkeiten mit steigenden Temperaturen (Abb. 4.70a und b). Diese Beobachtungen im geschlossenen System weichen deutlich von Literaturdaten (z.B. Kern et al., 1997) ab, die eine lineare Abnahme der Geschwindigkeit von einigen wenigen Prozenten im offenen System zeigen. Darüber hinaus konnte beim Amphibolit ein relativ starker Abfall der p-Wellengeschwindigkeiten um ~ 7 % in einem Temperaturintervall zwischen Raumtemperatur und 400 °C beobachtet werden. Ein weiterer Versuch mit einer vakuumgetrockneten Amphibolitprobe bestätigt den allgemeinen Trend des Kurvenverlaufes, allerdings bei einer weit geringeren Geschwindigkeitsreduktion. Aus petrologischen Untersuchungen ist bekannt, dass die Entwässerung des Serpentinites und auch des Amphibolites bei ca. 500 °C einsetzt. Eine starke lineare Geschwindigkeitsabnahme bei Temperaturen weit unterhalb der Entwässerungstemperaturen, wie sie an den Amphibolitproben beobachtet wird, spricht im Allgemeinen für eine Auflockerung des Kornverbandes. Da eine thermisch induzierte Rissbildung, d.h. die Öffnung von Rissen bedingt durch die verschiedenen thermischen Ausdehnungskoeffizienten der jeweiligen gesteinsbildenden Minerale, durch die hohen Umschließungsdrücke (10.000 bar) stark unterdrückt sein sollte, vermuten wir, dass die Geschwindigkeitsreduktion von an den Korngrenzen adsorbiertem Wasser verursacht wird. Da der thermische Ausdehnungskoeffizient von Wasser eine Größenordnung über der von Festkörpern liegt, könnte ein steigender Porenfluiddruck im geschlossenen System die Öffnung von Mikrorissen bedingen. Die Mobilisierung von Fluiden führt in distinkten Temperaturintervallen zu Ausfällungen neuer Mineralphasen (Abb. 4.71). Mit dem Erreichen der Dehydratationstemperaturen wird ein Wiederanstieg der Wellengeschwindigkeiten beobachtet, der besonders deutlich in den Amphibolitproben hervortritt. Die Auswertung von Dünnschliffen legt nahe, dass zumindest in den Amphibolitproben die Neubildung von Epidotmineralen den Kornverband wieder verfestigt und durch die Änderung des Mikrogefüges die Geschwindigkeitsabnahme kompensiert. Mit weiter steigenden Temperaturen führt die Dehydratation der wasserhaltigen Phasen (Chlorit, Amphibol; Antigorit) vermutlich zu einer verstärkten Mikrorissbildung, was sich in einer erneuten Abnahme der seismischen Geschwindigkeiten äußert. Abb. 4.69: Schematische Darstellung der Versuchsanordnung zur Messung der seismischen Geschwindigkeit. Schematical illustration of the experimental assembly for seismic velocity measurements. Abb. 4.71: Dünnschliffaufnahmen eines Amphibolites. (a) Das Ausgangsmaterial ist zumeist frisch. (b) Nach dem Erhitzen auf 450 °C scheinen Mikrorisse durch die Neubildung von Epidot „auszuheilen“. Microgarphs of amphibolite. (a) The starting material is almost fresh. (b) After a run up to 450 °C the healing of microcracks due to the formation of epidote minerals is observed. 327 a b Abb. 4.70: Seismische Geschwindigkeit von Amphibolit und Serpentinit in Abhängigkeit von der Temperatur. Die offenen Symbole repräsentieren Datenbeispiele vergleichbarer Proben, die in einem „offenen“ System gemessen wurden (Kern et al., 1997). (a) Amphibolit: luft- bzw. vakuumgetrocknet; (b) Serpentinit: vakuumgetrocknet. Seismic velocities versus temperature of amphibolite and serpentinite. Open symbols represent data sets for comparable samples, measured in an “open” system (Kern et al., 1997). (a) amphibolite: air-dried and vacuum-dried, respectively; (b) Serpentinite: vacuum-dried. Wärmekraftmaschine Erde Das Erdinnere besitzt noch eine gewaltige Wärmemenge aus der Entstehungszeit unseres Planeten. Durch die gravitative Trennung des schweren Erdkerns und des leichteren Erdmantels wurden große Wärmemengen freigesetzt. Die wesentlich höhere Radioaktivität in der Anfangszeit unseres Planeten hat zu einer großen Wärmefreisetzung geführt, die noch in der Erde gespeichert ist. Reaktionswärme an der Kern-Mantel-Grenze und Kristallisationsenthalpie des wachsenden festen Erdkerns auf Kosten des flüssigen äußeren Kerns führen zu einer weiteren Temperaturerhöhung in der sich langsam abkühlenden Erde. Heute sind die meisten Elemente, die radiogene Wärme produzieren (K, U, Th), in der Erdkruste konzentriert und erzeugen dort eine Wärme, die zu einer Wärmeflussdichte von ca. 45 mW pro Quadratmeter führt. Dies kann aus der bekannten chemischen Zusammensetzung der zugänglichen Erdkruste bestimmt werden. An der Erdoberfläche wird jedoch im weltweiten Mittel eine Wärmestromdichte von rund 65 mW/m2 gemessen. Die restlichen 20 mW/m2 kommen vermutlich überwiegend aus der Region der Kern-Mantelgrenze, die durch Reaktionen zwischen Mantel- und Kern-Material freigesetzt werden. Daraus resultiert ein hoher Temperaturgradient, der durch Wärmetransport ausgeglichen wird. Aus den physikalischen Eigenschaften der Mantelminerale errechnet sich eine Wärmeleitfähigkeit von ca. 3 W/(m K). Der über tausend Kilometer mächtige „isolierende Mantel“ würde deshalb zu einem Hitzestau an der Kernmantelgrenze führen, wenn nicht ein Teil der Wärme über einen andern Wärmetransportmechanismus durch den Erdmantel transportiert würde, nämlich über großräumige Konvektion. So kann der gesamte Erdkörper als eine gigantische Wärmekraftmaschine betrachtet werden. 328 Es ist heute weitgehend unumstritten, dass Temperaturausgleichsprozesse für den Antrieb der Plattentektonik verantwortlich sind, obwohl die näheren Zusammenhänge noch unbekannt sind. Deshalb ist die quantitative Kenntnis der den Wärmetransporteigenschaften zugrunde liegenden Prozesse und Mechanismen eine wichtige Voraussetzung, um die dynamischen Vorgänge unseres Planeten zu verstehen. Neben der Bedeutung für geodynamische Fragestellungen und zum Verständnis geodynamischer Prozesse ist die Kenntnis der Wärmetransporteigenschaften von Mineralen wesentlich bei der Nutzung geothermaler Energie. Die Wärmeleitfähigkeit von Gesteinen wird meist von den Mineraleigenschaften dominiert. Gute und verlässliche Daten als Funktion der Temperatur und des Druckes sind deshalb von fundamentaler Bedeutung – aber kaum bekannt. Wärmetransporteigenschaften werden durch die Temperatur- und Wärmeleitfähigkeit beschrieben. Die Temperaturleitfähigkeit gibt an, wie schnell sich die Temperaturunterschiede innerhalb eines Körpers ausgleichen. Die Temperaturleitfähigkeit kann auch als Wärmediffusion beschrieben werden (thermal diffusivity). Die Wärmeleitfähigkeit bzw. der Wärmewiderstand (thermal conductivity / thermal resistivity) beschreiben wie viel Wärme durch einen Körper transportiert werden kann. Temperatur- a und Wärmeleitfähigkeit λ sind in homogenen Körpern über die Wärmekapazität cP und Dichte ρ korreliert. λ = a cp ρ (1) Verschiedene Mechanismen können für den Wärmetransport in Mineralen verantwortlich sein. In den gesteinsbildenden Mineralen dominieren Phononen (Gitterschwingungen) und Photonen (Lichtquanten) den Wärmetransport. Um die Wärmetransporteigenschaften über einen großen Druck- und Temperaturbereich extrapolieren zu können, ist die Kenntnis der zugrundeliegenden Prozesse von entscheidender Bedeutung. Im Wesentlichen sind die dazu notwendigen mineralphysikalischen und theoretischen Untersuchungen bisher auf hochreine Einkristalle – vor allem Elemente – bei tiefen Temperaturen beschränkt. In Zusammenarbeit mit der Universität Montpellier wurden Untersuchungen zum Wärmetransport des Erdmantels durchgeführt. Ein besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Anisotropie (Richtungsabhängigkeit) der Wärmetransporteigenschaften gelegt. Dazu wurde an Olivinen und Olivin-dominierten Gesteinen – Duniten – Messungen zum Wärmetransport als Funktion der Temperatur durchgeführt. Für die Untersuchung des Wärmetransports in Mineralen bei höheren Temperaturen wurde ein spezielles Transientenverfahren eingesetzt (Abb. 4.72). Die dazu genutzte Apparatur ermöglicht die richtungsabhängige Bestimmung der Temperaturleitfähigkeit als Funktion der Temperatur in höchster Präzision [Schilling, 1999]. Für die Messung wird ein kurzer Wärmeimpuls auf die Probe übertragen und mit dem Thermoelement registriert (Abb. 4.72, rote Kurve). Die übertragene Wärmemenge führt zu einem Temperaturausgleichsprozess in der Probe, welcher mit dem Differenzthermoelement an der Probenrückseite aufgezeichnet wird. Aus dem beobachteten Temperaturausgleichsverhalten lässt sich die Temperaturleitfähigkeit bestimmen. Abb. 4.72: Transientenverfahren zur Messung der Temperaturleitfähigkeit als Funktion der Temperatur bis 900 °C [Schilling, 1999]. Transient Technique to measure thermal diffusivity as a function of temperature up to 900 °C [Schilling 1999]. Abb. 4.73: Temperaturleitfähigkeit von San Carlos Olivin-Einkristallen als Funktion der Temperatur für die Richtungen [100], [010] und [001]. Thermal diffusivity of San Carlos olivine single crystals as a function of temperature. The diffusivities in [100], [010], and [001] direction are plotted. Abb. 4.73: Temperaturleitfähigkeit von San Carlos OlivinEinkristallen als Funktion der Temperatur für die Richtungen [100], [010] und [001]. Thermal diffusivity of San Carlos olivine single crystals as a function of temperature. The diffusivities in [100], [010], and [001] direction are plotted. 329 In Abb. 4.73 ist die Temperaturleitfähigkeit von San Carlos-Olivin-Einkristallen als Funktion der Temperatur dargestellt. Bei höheren Temperaturen wird eine Zunahme der Temperaturleitfähigkeit beobachtet. Letzteres zeigt, dass neben dem Wärmetransport über Phononen zusätzlich Wärmetransport über Strahlung, über einen so genannten radiativen Wärmetransport, berücksichtigt werden muss. Bei Temperaturen unterhalb ca. 500 °C wird eine Abnahme der Temperaturleitfähigkeit beobachtet. Die beobachtete Abnahme deutet auf einen Wärmetransport hin, der durch Phononen dominiert wird. Die Temperaturleitfähigkeit a kann dann durch die Geschwindigkeit der Phononen v (entspricht der mittleren Schallgeschwindigkeit) und die mittlere freie Weglänge der Phononen l beschrieben werden: a = 1 vl 3 Aus den bekannten Schallgeschwindigkeiten können die mittleren freien Weglängen für Olivin berechnet werden abb. 4.75). Wir haben dazu das quadratische Mittel der P- und zwei S-Wellengeschwindigkeiten verwendet. (2) Abb. 4.75: Mittlere Schallgeschwindigkeit und mittlere freie Weglänge in Abhängigkeit von der Temperaturleitfähigkeit. Mean sound velocity and mean free path length as a function of thermal diffusivity. 330 Abb. 4.74: Anisotropie der Schallgeschwindigkeiten von San Carlos-Olivin, berechnet aus den elastischen Konstanten nach Bass (1997). Anisotropy of sound velocities of San Carlos olivine modelled with elastic constants from Bass (1997). Die Schallgeschwindigkeiten für San Carlos-Olivin sind sehr gut bekannt und zeigen eine deutliche Richtungsabhängigkeit. Die Richtungsabhängigkeit ist in Abb. 4.74 für die Ebene (001) dargestellt. Aus Deformationsexperimenten an olivinführenden Gesteinen ist bekannt, dass sich der trockene Olivin in der [010] Richtung orientiert. Die aus der bevorzugten Mineralorientierung resultierende Anisotropie wird seismologisch zur Bestimmung von Bewegungen im Erdmantel benutzt. Wie Tommasi et al. (1999) gezeigt haben, sollte dies auch zu einem bevorzugten konduktivem Wärmefluss in Bewegungsrichtung führen. Dies zu überprüfen war eines der Ziele des gemeinsamen Projektes mit A. Tommasi, D. Mainprice und B. Gibert (alle Univ. Montpellier). Die Temperaturleitfähigkeit hängt von der mittleren freien Weglänge und Phononengeschwindigkeit (mittlere Schallgeschwindigkeit) ab. Ähnlich wie wir es für Quarz und Feldspäte zeigen konnten (Höfer und Schilling 2002), scheint es auch beim Olivin einen Zusammenhang zwischen mittlerer freier Weglänge und Phononengeschwindigkeit zu geben. Mit zunehmender Phononengeschwindigkeit nimmt auch die mittlere freie Weglänge zu. Dies erlaubt es, auf Details des Transportmechanismus zu schließen. Eine Abhängigkeit der mittleren freien Weglänge von der Schallgeschwindigkeit wird dann erwartet, wenn der Streuprozess sich auf eine Rayleigh-Streuung zurückführen lässt. Bei der Rayleigh-Streuung hängt der Streuquerschnitt von der Wellenlänge der elastischen Welle ab. Die Wellenlänge ist dabei eine Funktion der Geschwindigkeit. Mit zunehmender Geschwindigkeit nimmt die Wellenlänge zu und die Streuwahrscheinlichkeit ab. Die mittlere freie Weglänge ist reziprok zur Streuwahrscheinlichkeit und nimmt deshalb mit zunehmender Schallgeschwindigkeit zu. 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