Die deutschen Lufttorpedos (LTs) Von Robert Mollitor Teil 2 Die Entwicklung zwischen den Kriegen Entwicklung der Torpedoflugzeuge: Der Versailler Vertrag vom 28. Juni 1919, der am 20.01.1920 in Kraft tragt, legte in Artikel 198 kurz und knapp fest: „Die bewaffnete Macht Deutschlands darf keine Land- oder Marine-Luftstreitkräfte umfassen.“ Lediglich zur Suche von Unterseeminen durften bis zum 1. Oktober 1919 noch einhundert Seeflugzeuge oder Flugboote unterhalten werden. Entsprechende Weiterentwicklungen von fliegenden Waffensystemen für Luftwaffe und Seeflieger waren daher nicht offiziell möglich und konnten nur getarnt oder im Ausland durchgeführt werden (z.B. über den Vertrag von Rapallo in der Sowjetunion), entsprechende Führungs- und Erprobungsorganisationen wurden als zivile Tarneinrichtungen betrieben. Die "Deutsche Verkehrsfliegerschule GmbH" (DVS), am 1. April 1925 in Berlin gegründet, war bereits eine getarnte Fliegerwaffenschule, 1928 wurde unter dem Tarnnamen "Reichsverband der Deutschen Luftfahrtindustrie (RDL) Gruppe Flugzeugbau" eine Seeflugzeug-Erprobungsstelle (SES) in Travemünde gegründet) In den zwanziger Jahren begann im Geheimen die Entwicklung neuer deutscher Torpedoflugzeuge. Die erste deutsche Neukonstruktion kam von Dipl.-Ing. Claude Dornier, der auf Grund des alliierten Flugzeugbauverbots zunächst nach Italien ausgewichen war, um dort ab 1921 seine Flugzeuge weiter zu konstruieren und zu bauen. Aus dem Landflugzeug Komet III entstand ab 1924 das Doppelschwimmer-Wasserflugzeug Dornier D 1. 1 http://www.histaviation.com/Dornier_Do_D.html / http://www.letletlet-warplanes.com/dornier_do_d.html Die Dornier D stellte im Juli/August 1927 insgesamt 8 Weltrekorde in den Kategorien Gipfelhöhe, Geschwindigkeit und Reichweite mit/ohne Nutzlast auf. Mit insgesamt 29 hergestellten Exemplaren (1x für Japan, 24x für Jugoslawien, 3 für das Reichsverkehrsministerium und einem Exemplar, das für Jugoslawien vorgesehen war, aber abstürzte) war dies die erste Serienfertigung von deutschen Torpedoflugzeugen. Allerdings war die Do D aufgrund der großen Schwimmerbefestigungen extrem seitenwindanfällig, nach Versuchen bei der „Deutschen Verkehrsfliegerschule“ (DVS) 1929 in Warnemünde wurde sie für ungeeignet befunden. Durch die Auflagen des Versailler Vertrages konnte auch Ernst Heinkel nach dem Krieg zunächst keine Flugzeuge für die deutsche Streitkräfte bauen. In den 1922 gegründete Ernst Heinkel Flugzeugwerken in Rostock-Warnemünde konstruierte er z.B. für die Japanische Kriegsmarine Flugzeuge, die dann unter Lizenz im Ausland gebaut werden konnten. Das erste Torpedoflugzeug war 1925 die Heinkel HD 14, ein Doppelschwimmerflugzeug mit drei Mann Besatzung und einem 600 PS Fiat Motor, das von Heinkel bei der schwedischen Firma Svenska Aero AB gebaut wurde. Da die Flugleistungen der HD 14 nicht von den schwedischen Streitkräften akzeptiert wurden (sie verblieb noch Jahre in Warnemünde und erhielt dort den Spitznamen „Seekuh“), folgte als verbesserte Version 1928 die Heinkel HD 16, von der 2 (zwei) Exemplare bei den schwedischen Marinefliegern eingesetzt wurden2. Die Heinkel He 59 wurde schließlich das erste zweimotorige Doppeldeckerkampfflugzeug auf Schwimmern aus deutscher Produktion, das nach dem Ersten Weltkrieg gebaut wurde. 2 http://www.avrosys.nu/aircraft/Torped/191T1.htm Konzipiert zur hochseefähigen Mehrzweckverwendung, erfolgte der Erstflug im Januar 1932, ab 1935 war die Einführung bei der Truppe, so das am 19. September 1938 37 Maschinen vorhanden waren. Die He 59 besaß sehr gute Flugeigenschaften, war aber nicht einmotorenflugfähig. Zwar waren Flugweite, Tragfähigkeit und Bewaffnung für damalige Verhältnisse ausreichend, insgesamt gesehen aber war die He 59 zu langsam. In den ersten Monaten des Zweiten Weltkrieges war sie als Torpedo - und Minenflugzeug im Einsatz. Flugzeuge dieses Typs versenkten dabei den polnischen Minenleger OPR Gryf. Ab 1940/41 diente sie nur noch als Aufklärer und danach wurden die Bestände bis 1943 für Transport-, Seenot- und Schulungsaufgaben aufgebraucht. Die Entwicklung der Heinkel He 115 begann 1935 nach einer Ausschreibung des RLM über ein Mehrzweckflugzeug als Ersatz für die He 59. Im Gegensatz zu dieser war die He 115 als Eindecker in Tiefdeckerbauweise für drei Besatzungsmitglieder ausgelegt. Der Erstflug fand im August 1937 statt. Nach einem größeren Umbau, bei der die V1 einen anderen Rumpfbug und ein modifiziertes Leitwerk sowie eine stromlinienförmige Kanzel erhielt, erfolgte am 20. März 1938 ein Rekordversuch für Seeflugzeuge, bei dem insgesamt acht Geschwindigkeitsweltrekorde (max. 330 km/h) für unterschiedliche Reichweiten und Beladungen aufgestellt werden konnten. Die Serienfertigung begann im Dezember 1938 und endete bereits im Juli 1940. Mit den Prototypen wurden insgesamt 223 Flugzeuge bei Heinkel Rostock gebaut. Es erfolgte keine Lizenzproduktion und auch kein weiterer Serienbau nach Juli 1940. 1940/41 wurden mindestens 66 Flugzeuge als Langstreckenflugzeuge umgebaut. Die Flugzeuge wurden als Aufklärer, Bomber, Torpedoflugzeug und Minenleger eingesetzt, erwiesen sich in den letzten drei Rollen aber als wenig geeignet. Nachdem die entsprechenden Kampfaufgaben im Verlauf des Krieges auf Radflugzeuge (Do 17, He 111, Ju 88) übertragen worden waren, wurden die He 115-Staffeln nach und nach umgerüstet. Im April 1942 befanden sich die letzten zwei Staffeln (1./406, 1./906) in Norwegen. 1944 existierte nur noch die 1.(F)/406 in Norwegen als Aufklärungsstaffel mit etwa zehn He 115. Insgesamt wurden im 2. Halbjahr 1939 und Anfang 1940 18 Flugzeuge exportiert: zwölf nach Schweden und sechs nach Norwegen. Von den norwegischen Flugzeugen konnten drei während der deutschen Invasion nach Großbritannien fliehen, wo sie von der RAF im Mittelmeerraum und in der Nordsee eingesetzt wurden. Eine fiel der deutschen Luftwaffe in die Hände, eine weitere konnte nach Finnland fliehen. Die He 115 erwies sich auf Grund der Auslegung als Schwimmerflugzeug und der damit verbundenen geringen Geschwindigkeit als wenig geeignet für den vorgesehen Kampfeinsatz. Konsequenterweise wurde das Flugzeug Mitte 1940 aus dem Bauprogramm und im Anschluss daran auch aus dem Kampfeinsatz genommen. Organisation der Torpedoflieger: 1922 bemühten sich Kapitänleutnant W. Faber und Korvettenkapitän W. Hirth von der Waffenabteilung des allgemeinen Marineamtes, die Notwendigkeit der Marinefliegerei herauszustellen und die Lufttorpedowaffe weiterzuentwickeln. Bereits 1924 – zu einem Zeitpunkt, an dem aufgrund des Versailler Vertrages an eigene Luftstreitkräfte noch gar nicht zu denken war – wurde in der Marine darüber diskutiert, wie eine zukünftige Fliegerkomponente für den Seekrieg zu organisieren sein wird: während die Seemächte USA und Japan eigenen Marinefliegern auf Flugzeugträgern den Vorrang gaben, wurden in England und Italien – zumindest zunächst – die Auffassung vertreten, alles fliegende Gerät in einer Organisation zusammenzufassen. Auch die deutsche Kriegsmarine organisierte unter einer zivilen Tarnorganisation eigene Marinefliegerkräfte. In der 1927 von Kapitän zur See Lahs, Leiter des Referat AII, 1. Abteilung Luftfahrt im Reichsmarineamt gegründeten Fluggesellschaft SEVERA (See-Flugzeug-Versuchsabteilung), die sich in den Anlagen der ehemaligen Seefliegerstation Kiel-Holtenau einrichtete, wurden zukünftige Marineflieger ausgebildet. Mit der Verordnung die Verordnung über den Reichskommissar für die Luftfahrt vom 2. Februar 1933 wurde in Übertretung des Versailler Vertrages erstmals ein Reichskommissar für die Luftfahrt bestellte, im April 1933 wurde das Reichsluftfahrtministerium (RLM) gegründet. Die neue Luftwaffe erlebte einen furiosen Aufbau. Die Marine beharrte auf der Feststellung „Marineflieger betreiben Seekrieg aus der Luft, nicht Luftkrieg über See“ und forderte die Unterstellung der Marineluftsttreitkräfte als Hilfswaffe unter die Marineführung. 1935 wurde die gesamte Marinefliegerei organisatorisch in die Luftwaffe eingegliedert, die Marineflieger blieben allerdings taktisch der Marine unterstellt. 1936 schlug die Marine im Zuge des Aufbaus der Luftstreitkräfte für ihre Marinefliegerverbände insgesamt 64 Staffeln vor, 1938 wurde nach Verhandlungen mit dem Oberbefehlshaber der Luftwaffe schließlich 62 Staffeln mit insgesamt ca. 750 Flugzeugen bis zum Jahr 1942 vereinbart: 25 Mehrzweckstaffeln (He 59, He 115 für Bomben, Minen, LT's und Aufklärung) 9 Flugboot-Fernaufklärungsstaffeln (Do 18, Do 138) 3 Fernaufklärerstaffeln Land (Ju 88) 6 Fernkampfstaffeln land (Ju 88) 7 Bordflieger-Staffeln (Ar 196) 12 Träger-Staffeln (Fi 167, Ju 87, Bf 109) 1939 waren hiervon 14 Küstenfliegerstaffeln, 2 Bordfliegerstaffeln sowie 4 Trägerstaffeln einsatzbereit. Der Oberbefehlahaber der Luftwaffe Hermann Göring vertrat weiterhin konsequent die Auffassung: „Alles, was fliegt, gehört mir!“, gegen die sich der Oberbefehlshaber der Marine, Admiral Raeder nicht durchsetzen konnte, und so wurden im Januar 1939 die Marineflieger in die Luftwaffe eingegliedert. Die Marinefliegerverbände wurden in „Luftwaffe-See“ und „Seeluftwaffe“ umbenannt, truppendienstlich wurden sie dem „General der Luftwaffe beim Oberkommando der Marine“ unterstellt, der in der Marine spöttisch „Der General mit dem langen Namen“ genannt wurde. Im Oktober 1941 schließlich wurde der Rest der Marineluftwaffe seiner Funktion entkleidet und der Luftflotte unterstellt, die Marineflieger hatte aufgehört zu bestehen.