Leseprobe - Tectum

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Eva-Maria Siegel
BERTOLT
BRECHT
Eva-Maria Siegel
Bertolt Brecht
Literatur Kompakt – Bd. 10
ISBN 978-3-8288-3531-3
© Tectum Verlag Marburg, 2016
Reihenkonzept und Herausgeberschaft: Gunter E. Grimm
Projektleitung Verlag: Ina Beneke
Layout: Sabine Manke
Bildnachweis Cover: Porträt Bertolt Brecht, 1954, Bundesarchiv,
Bild 183-W0409-300 / Kolbe, Jörg / CC-BY-SA 3.0
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www.tectum-verlag.de
www.literatur-kompakt.de
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben
sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Inhalt
I. Totgesagte leben länger – der Klassiker des 20. Jahrhunderts – 9
II. Zeittafel – 19
Grafik: Brecht kompakt – 24/25
III. Leben und Werk – 35
Grafik: Wichtige Punkte – 74/75
IV. Aspekte der Werkgeschichte – 77
V. Dramatik – 95
1. Überblick zu Brechts dramatischer Entwicklung – 95
2. Theorie des epischen Theaters – 97
3. Dramen in einem Akt – 103
4. Ummontierung des Menschen – 108
5. Das Theater der Republik: Die Dreigroschenoper – 111
6. Dialektik auf der Bühne: Lernspiele – 114
7. Mahagonny oder die Verfertigung der Vergnügungen – 119
8. ‚Öfter die Länder als die Schuhe wechselnd’ – die großen Dramen – 124
Mutter Courage und ihre Kinder – 124
Der gute Mensch von Sezuan – 128
Das Leben des Galilei – 131
Der kaukasische Kreidekreis – 133
9. Nach den großen Kriegen – 137
VI. Erzählwerke – 141
1. Die Bestie – 145
2. Geschichten von Herrn Keuner – 146
3. Der Dreigroschenroman – 148
4. Flüchtlingsgespräche – 150
5. Filmprojekte – 151
VII. Lyrik – 155
VIII. Wirkung – 171
1. Brecht im geteilten Deutschland.
Aspekte der Werk- und Forschungsgeschichte – 171
2. Internationale Wirkung – 175
IX. Literatur – 185
Glossar – 197
Abbildungsverzeichnis – 199
Register – 207
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I. Totgesagte leben länger –
der Klassiker des 20. Jahrhunderts
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Kurz nach der ersten Brecht‑Inszenierung überhaupt, der Uraufführung von
Trommeln in der Nacht im Herbst 1922, erbat der Berliner Theaterkritiker
Herbert Jhering vom Verfasser eine Kurzbiografie. Der Debütant sollte
als Träger des Kleist‑Preises vorgestellt werden. Brecht antwortete,
einigermaßen wahrheitsgemäß:
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Ich habe das Licht der Welt im Jahr 1898 erblickt. Mei‑
ne Eltern sind Schwarzwälder. Die Volksschule langweilte
mich vier Jahre. Während meines neunjährigen Einge‑
wecktseins in einem Augsburger Realgymnasium gelang
es mir nicht, meine Lehrer wesentlich zu fördern. Mein
Sinn für Muße und Unabhängigkeit wurde von ihnen
unermüdlich hervorgehoben. Auf der Universität hörte
ich Medizin und lernte das Gitarrespielen. In der Gymna‑
sialzeit hatte ich mir durch allerlei Sport einen Herzschock
geholt, der mich mit den Geheimnissen der Metaphysik be‑
kannt machte. Während der Revolution war ich Mediziner in
einem Lazarett. Danach schrieb ich einige Theaterstücke
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und im Frühjahr dieses Jahres wurde ich wegen Unterernährung in die
Charité eingeliefert. […] Nach 24 Jahren Licht der Welt bin ich etwas
mager geworden. (GBA 28, S. 177 f.)
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Heute gilt Bertolt Brecht als der einflussreichste deutsche Dramatiker, den
das 20. Jahrhundert hervorgebracht hat. Sein Werk hat noch immer enorme
Auswirkungen auch auf das Theater der Gegenwart. Mit der Dreigroschenoper
und anderen Stücken – Mutter Courage und ihre Kinder, Das Leben des Galilei oder Der gute Mensch von Sezuan – schrieb und inszenierte er einige der
bislang erfolgreichsten deutschsprachigen Theaterstücke (vgl. Knopf 2006,
S. 121). Sein Entwurf des ‚epischen Theaters‘ erforscht auf der Bühne über
weite Teile, wie Ideologien in ihrem Verhältnis zu einer sozioökonomischen
Begründung funktionieren. Über Weltanschauungen beginnt zu sprechen, so
schreibt er an den Juristen und Politiker Karl Korsch, wer sieht, dass »die Welt
sich aufgelöst hat.«
Le
Nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 floh Brecht mit seiner Familie,
politisch links stehend, ins Exil. Seine literarischen Werke wurden in Deutsch‑
land verfemt und verbrannt, er selbst ausgebürgert. Zu dieser Zeit lebte er
in Skandinavien, seit 1941 dann in den USA, wo er nach 1945 als vermutet
kommunistischer Autor ebenfalls Repressalien ausgesetzt war. 1948 kehrte er
über die Schweiz nach Deutschland zurück. Inmitten der Trümmerlandschaft
Berlins gründete er 1949 zusammen mit seiner Frau, der österreichischen
Schauspielerin Helene Weigel, das Berliner Ensemble. Während der ‚Forma‑
lismusdebatte‘, die über den Stellenwert moderner Kunst in der Gesellschaft
geführt wurde, geriet er erneut ins Visier und verbrauchte seine Kräfte im
Kampf mit Staatsapparat und Zensurbehörden der DDR. Er starb im August
1956. Sein Grab befindet sich auf dem Dorotheestädtischen Friedhof in Berlin.
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Nadine Gordimer
Wole Soyinka
Dario Fo
Elfriede Jelinek
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Brechts Werk aber ist lebendig geblieben. Obgleich ihm nie ein Literatur‑
nobelpreis zuerkannt wurde, vermochte sein literarisches Schaffen und seine
Bühnenkonzeption international große Wirkung zu erzielen. Weltweite Auf‑
führungszahlen – nicht nur in Europa, sondern auch in Asien und Latein‑
amerika – sprechen für sich. Unter den Verehrern und Adepten seiner Stücke
befinden sich zahlreiche Literaturnobelpreisträger und ‑preisträgerinnen. Um
nur einige prominente Namen der Weltliteratur zu nennen: Die südafrikani‑
sche Schriftstellerin Nadine Gordimer, der nigerianische Epiker und Dramati‑
ker Wole Soyinka, der italienische Bühnenautor und Regisseur Dario Fo sowie
Elfriede Jelinek, österreichische Romanautorin und Dramatikerin, haben die
Ausstrahlungskraft von Brechts Werken außerordentlich geschätzt. Oft galt
ihnen auch seine Theaterarbeit als bahnbrechend.
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Ein Blick in die wissenschaftliche Debatte zeigt, wie sehr Brechts dramatisches
Werk und theoretische Schriften für lange Jahre im Fokus der Auseinanderset‑
zung standen (Hecht 2007, S. 5; The B‑Effect 2012). Viel stärker als seine Bio‑
grafie werden heute die theatralischen Mittel diskutiert. Dazu zählen etwa das
Durchbrechen der Illusion auf der Bühne und der Einsatz moderner medialer
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Berühmt, auch ohne
Nobelpreis
Wer die Forschungsliteratur sichtet, stößt jenseits der Frage nach der theater‑
geschichtlichen Wirkungsmacht Brechts rasch auf eine zweite aktuelle Frage‑
stellung. Hervorgehoben wird die Bedeutung der Klassizität des Werks. Damit
verbunden ist die Vorstellung, dass Theater nicht allein für die gegenwärtige
Bühne, sondern auch für die europäische Geistesgeschichte und Philosophie
von Relevanz ist (Mayer 2011). Das mag zunächst überraschen. Bezüge etwa
zur Diskurstheorie bzw. Machtanalyse sind seit längerer Zeit hervorgehoben
worden (Raddatz 2007). Doch nicht nur Anknüpfungspunkte an den Prozess
europäischer Theoriebildung werden herausgestellt. Vor Augen geführt wird
der Autor des kollektiv‑schöpferischen Werkes vorzugsweise als »raffinierte[r]
Meister der Verstellung«, als Befürworter »des listigen Lernens« und vor allem
der »Zumutung nichtorthodoxer Erkenntnis« (Mayer 2011, S. 7). Dies ist vor
dem Hintergrund zu sehen, dass Brecht seine Erfahrungen in verschiedenen
Ländern und mit mindestens fünf verschiedenartigen politischen Systemen
machte: dem deutschen Kaiserreich, der Weimarer Republik, der Diktatur des
Nationalsozialismus sowie die Gründung der BRD und der DDR. Dennoch
oder vielleicht gerade deshalb hat er niemals für eine »Verselbstständigung
des Denkens« plädiert. Vielmehr stellt sein Werk selbst eine Praktik dar für
das »Denken über Probleme, die durch Denken nicht gelöst werden können«
(ebd., S. 23). Die Zuwendung zu gesellschaftlichen Problemlagen zeigt sich
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Denken und
Probleme
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Formen im Theater, aber auch das Verhältnis von Vergnügen und Erkenntnis
sowie die Definition eines ‚politischen‘, in gesellschaftliche Verhältnisse ein‑
greifenden Theaters. Im Zentrum steht also die Frage, wie Unterhaltung in
Belehrung – und umgekehrt – auf neue Art und Weise sich verwandeln lassen
(GBA 22.2, S. 701). Eine Fundgrube dafür sind die Darstellungsformen des
epischen Theaters, wie sie Brecht als Bühnenkonzeption in den zwanziger und
dreißiger Jahren entwickelte und immer wieder mit Veränderungen versah.
Bis heute haben sie nichts von ihrem anregenden Charakter und ihrem Poten‑
zial zur Provokation verloren.
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damit auf neuartige Weise: »Neben und nach dem satirischen Gesellschafts‑
kritiker und Antifaschisten, neben dem Nachtclublyriker und Vorturner des
Lehrstücks, dem Theatermeister und Musikkenner, dem Leser der Antike
oder der östlichen Weisheit« gerät nun »der Philosoph Bertolt Brecht« in den
Blick. Dabei geht es allerdings nicht um die Verkündung ewiger Wahrheiten,
sondern vielmehr um die Einsicht in deren Veränderbarkeit (vgl. ebd., S. 7).
Genau hier findet sich seine philosophische Erkenntnis: Zur Entwicklung der
Gesellschaft, zur Bildung ihrer Mitglieder gehörte für Brecht die Veränderung
des Einzelnen, das Anderswerden, unabdingbar hinzu.
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Lange Zeit sind Biografie und Werk Brechts gerade in ihrer wissenschaftlichen
Rekonstruktion in beiden Teilen Deutschlands sehr verschiedenartig gewertet
worden. »Ost‑Interpreten haben, seine Kritik an der DDR vertuschend, das
Bild Brechts SED‑rot geschminkt, und einige West‑Interpreten haben es grell
dunkelrot übertüncht und verteufelt.« (Hecht 2007, S. 5) Nach mehr als zwei
Jahrzehnten eines vereinigten Deutschlands scheint es an der Zeit zu sein, in‑
teressierten jungen Lesern eine Betrachtungsweise jenseits eingefahrener ideo‑
logischer Fronten nahezubringen.
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Diese vergleichsweise ungewohnte Lesart des Brecht’schen Werkes reklamiert
für sich Offenheit und Weltläufigkeit – zum Beispiel, indem sie »Dialektik
und Humor« (Mayer 2011, S. 10) enger zusammenführt. Einer solchen eher
abgeklärten Betrachtungsweise ging viele Jahrzehnte ein regelrechtes Auf und
Ab der Forschungspositionen voraus. Hausse und Baisse von Autorschaft und
Werk hingen nicht nur von der literarisch‑ästhetischen Gewichtung der Dra‑
men, Gedichte, Romane und Erzählungen ab, sondern auch vom politisch ge‑
steuerten Zugriff auf Gedächtnisspeicher wie etwa Archive von Parteien und
Geheimdiensten. Nicht selten ergaben sich geradezu verbittert miteinander
um die Herrschaft über das Werk ringende Positionen, die über Tod und Le‑
ben der Texte entscheiden zu können glaubten. »Eben war er noch mausetot,
13
Geteilte Lektüren
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staatsmännisch eingesargt
im Berliner Ensemble, für
alle Zeiten verräumt in der
(mit dem Jahr 2000) vollen‑
deten dreißigbändigen Großen
kommentierten Berliner und
Frankfurter Ausgabe, ein Reper‑
toire‑Zuchtmeister mit beschei‑
denen, kreidestaubigen Qualitä‑
ten, und dann diese triumphale Wiederkehr…«,
resümierte 1997 der Literaturkritiker Willy Winkler
in Die Zeit. Nun aber dürfe man sich Brecht als
»einen richtigen Menschen« vorstellen – einen, der
gerne geraucht, geboxt, Gitarre gespielt habe, der
in der Weltgeschichte spazieren gefahren sei und
auch noch einiges andere gerne tat. Allerdings
werde dieser, und das sei wohl der Preis, sei‑
nem Protagonisten Macheath aus der Dreigroschenoper, genannt Mackie Messer, dadurch
immer ähnlicher.
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Zahlreiche Publikationen und Veranstaltungen belegen ein
anhaltendes Interesse an Brechts Beziehungen zu Frauen
(von links oben nach rechts unten): Collage anlässlich von
zwei Veranstaltungen zu »Brecht und die Frauen« in Augsburg (2010); Hiltrud Häntzschel: Brechts Frauen, Reinbek
bei Hamburg: Rowohlt (2002); Carola Stern: Männer lieben
anders. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt (2001); Hartmut
Reiber: Grüß den Brecht, Berlin: Eulenspiegel (2008); Sabine
Kebir: Ein akzeptabler Mann?, Berlin: Buchverlag Der Morgen (1987)
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Den weitgehend biografischen Deu‑
tungsabsichten ist entgegenzuhalten, dass
Brecht zu den wenigen Autoren des 20. Jahrhun‑
derts zu zählen ist, die autobiografische Bezugnah‑
men eher vermieden als befördert haben. Noch
seine Tagebuchaufzeichnungen tragen die neutrale
Bezeichnung Arbeitsjournale, sind also der nüch‑
ternen Aufzeichnung eines Schaffensprozesses
untergeordnet und leisten dem Anekdotischen
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bewusst keinen Vorschub. Ausdrücklich waren sie nicht als Aussprache sub‑
jektiver Empfindungen konzipiert. Diese waren bestenfalls den lyrischen Wer‑
ken vorbehalten. Dabei lebte Brecht in den Hauptjahren seiner dichterischen
Produktivität zweifellos mit »großer Intensität« (Kebir 1987, S. 9) und pflegte
eine enorme Fülle an menschlichen Beziehungen. Nicht zuletzt deren unter‑
schiedliche Bewertung hat die Auseinandersetzungen der Forschung in Ost
und West für viele Jahre zusätzlich angeheizt.
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Nicht selten war das schwer zu durchdringende Beziehungsgefüge den schwie‑
rigen Lebensbedingungen im Exil geschuldet. Zu den Frauen, die Brecht zu
dieser Zeit umgaben, zählten neben der Schauspielerin Helene Weigel auch
die angehende Schriftstellerin Margarete Steffin sowie die dänische Regisseu‑
rin Ruth Berlau. Für die Epoche der Weimarer Republik sind insbesondere die
Schauspielerin und Sängerin Marianne Zoff und die Schriftstellerin Elisabeth
Hauptmann zu nennen. Wie wenige andere weibliche Mitglieder aus Brechts
wechselnden ‚erotischen Arbeitsgemeinschaften‘ hat Letztere hellsichtig und
in seltener Klarheit die eingeschränkten Möglichkeiten durchschaut, die einer
Frau ganz grundsätzlich bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts
hinein zur Verfügung gestanden haben. Deshalb sei aus ihren Briefen stellver‑
tretend zitiert. So schrieb sie im Januar 1948, rückblickend auf die Zeit vor
dem Zweiten Weltkrieg, an Brecht:
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Ich habe seit 33 vielleicht allerhand nützliche Sachen gemacht, aber mich
im Grund auch unnützlich gemacht. Es gibt für eine Frau ja nur drei Lö‑
sungen: Entweder sie macht sich erotisch unentbehrlich. Oder sie black‑
mailed [ist erpresserisch], wo das eine oder andere nicht ausreicht. Dann
gibt es das ganz andere, das qualifiziert die Frau dann nicht nur als Frau:
sie macht sich ganz unabhängig und schafft sich ihre eigene einflussreiche
Plattform. (zit. nach Hecht 2007, S. 73)
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Brecht und
die Frauen
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Jenseits des Biografischen gilt es weiter der Frage nachzugehen, was Brechts
Wirkung heute ausmacht. Ist es nicht so, dass noch immer existierende und
wiederauferstehende Kriege, dass der Hunger in der Welt, die Wirtschaftskri‑
sen ein neues Licht auf seine Texte werfen? Einige von ihnen rücken erneut ins
Zentrum der Aufmerksamkeit, weil sie den Zustand der Welt so radikal be‑
fragen und ihn als einen veränderungswürdigen und veränderbaren Zustand
vor Augen führen. Brecht wurde hineingeboren in den und sozialisiert im
Ersten Weltkrieg. Ein britischer Historiker hat diese Epoche einst treffend
die ‚schlimmstmögliche Initialkonditionierung für das beginnende Jahrhun‑
dert‘ genannt. Auch später, nach zwei Weltkriegen und dem vorläufigen Ende
der politischen Lagerbildung, scheinen es immer wieder die Verwerfungen im
Politischen selbst zu sein, die das Gesamtwerk einholen. Abgesehen davon gilt
es beeindruckend nüchterne Fakten zu erwähnen, die vor allem Jan Knopf in
seiner Brecht‑Biographie Lebenskunst in finsteren Zeiten hervorhebt. Diese zeu‑
gen zunächst von einer großen Produktivität des Autors: Knopf stellt Brecht
der Leserschaft als Urheber von 48 Dramen, über 2.300 Gedichten, 200 Er‑
zählungen und drei Romanen in deutscher Sprache vor Augen. Die Frage nach
kollektiven Verfasserschaften und den Anteilen und Rechtsansprüchen der je‑
weiligen Mitautorinnen und ‑autoren bleibt dabei allerdings außen vor. Doch
haben einige der Stücke unter diesem Label eine beispiellose internationale
Resonanz von Amerika über Asien und Afrika bis Neuseeland und Zypern
erfahren. Nicht nur, dass dieser enorme Werkumfang ihn der Meinung einiger
Forscher zufolge an die Seite eines anderen klassischen Literaten deutscher
Sprache, Johann Wolfgang von Goethes, stellt – Brecht heute lesen heißt vor
allem Weltliteratur zu lesen. Diese »neue Haltung« hat der Philosoph Walter
Benjamin, der mit Brecht befreundet war, bereits 1930 angekündigt. Sie gibt
der Beschäftigung mit seinen konkreten Vorstellungen vom Theater und des‑
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Brechts Werke,
quantitativ
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Die Frage, ob sie erneut mit ihm zusammenarbeiten wolle, merkte sie an, habe
Brecht allerdings nach dem Krieg vergessen zu stellen.
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sen Spiel ihren besonderen Wert und lässt ihn zu einem lebendigen Klassiker
der Theaterbühne der Gegenwart werden.
1.
2.
3.
ein überregionaler Bekanntheitsgrad über einen längeren Zeitraum hinweg,
ein Traditionswert, der sich generationsübergreifend erhält,
Wiedererkennungseffekte von Dauer, denen ein hoher ästhetischer Wert
zugeschrieben werden kann (von Wilpert 1989, S. 445).
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Ursprünglich verwies der Begriff in der Antike lediglich auf die Zugehörig‑
keit zur ‚höchsten Steuerklasse‘. Scriptor classicus wurde dann schließlich zum
Merkmal eines mustergültigen Schriftstellers ersten Ranges. Erweitert wurde
der Begriff schließlich auf den Charakter des Mustergültigen, Vorbildlichen
als Normbegriff und schließlich übertragen auf die kulturellen Höchstleistun‑
gen eines Volkes. Dazu zählen: die Klassik in Griechenland, die Periode unter
Augustus in Rom, die Renaissance in Italien, das ‚Goldene Zeitalter‘ in Spani‑
en mit Caldéron und Cervantes, in England das elisabethanische Zeitalter mit
Shakespeare, in Frankreich das Zeitalter Ludwigs XIV. mit Corneille und Ra‑
cine und in Deutschland die Weimarer Klassik oder auch Goethezeit. Brecht
also wäre ein Klassiker in und zwischen den Großen Kriegen. Zwar geht sein
Werk in einer nationalen literarischen Kanonbildung nicht auf, doch »ragt es«
zweifellos mit großer Deutlichkeit »in die Weltliteratur hinein« (ebd., S. 446).
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Was ist ein Klassiker?
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Bleibt die Frage: Was ist das, ein Klassiker? Was impliziert diese Kennzeich‑
nung? Damit kann ja nicht allein jene Pose gemeint sein, mit der sich Brecht
in seinen Jugend‑ und Flegeljahren in einer der ‚Dichternischen‘ des Augsbur‑
ger Stadttheaters, deren Statuen für den Krieg eingeschmolzen worden waren,
selbstgewiss als den ‚neuen Schiller‘ einsetzte. Zu den Merkmalen des Klassi‑
schen zählen gemeinhin:
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Bei der Bezeichnung ‚Klassik‘ handelt es sich demnach um einen sogenannten
Kontextbegriff. Je nach Fokussierung kann er Autoren der antiken griechi‑
schen und römischen Literatur, an den antiken Mustern, Themen und Ideen
orientierte moderne Autoren oder aber Autoren der jeweils nationalen Klas‑
sik bzw. erstrangige moderne Autoren allgemein umfassen – abgesehen von
bahnbrechenden, mustergültigen Autoren einer Gattung, wie etwa des Krimi‑
nalromans, oder wegweisenden Künstlern anderer Bereiche. Aber auch wenn
Bertolt Brecht abends gerne Kriminalromane gelesen hat, wovon die Biblio‑
thek in seinem Wohnhaus noch heute Zeugnis ablegt, und er lange vor Rock
n’ Roll, Beat, Punk oder HipHop Rhythmik und Synkopen des frühen Jazz
schätze – nicht alle Merkmale des Klassik‑Begriffs treffen auf ihn zu. Brecht
hielt es in diesem Sinne eher mit dem ‚Materialwert‘ der Literaturgeschichte
und betrachtete klassische Stoffe eher selbst als einen Fundus, mit dem man
einigermaßen respektlos umgehen durfte. Nicht anders verfuhren dann auch
Verfasser von Adaptionen seiner eigenen Stücke später mit seinem Werk. Frei‑
lich musste, wie die wissenschaftliche Forschung betont, »zur Reduktion auf
den erhaltenswerten […] Gehalt und zur formalen Neugestaltung […] eine
durch die aktuelle politische Situation begründete Thematik hinzutreten«, um
dem »Weiterleben klassischer Werke auf dem Theater« (Horn 2008, S. 324)
ihre ästhetische Rechtfertigung zu geben.
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II. Zeittafel
1898
Am 10. Februar in Augsburg als Eugen Berthold
Friedrich Brecht geboren, protestantisch getauft
Geburtshaus Auf dem Rain 7, heute Augsburger
Brecht-Haus (Gedenkstätte)
Volksschule
Bertolt
Brecht,
Brecht,
1918
1918
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1904
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ZEITTAFEL
Das Brecht-Haus in Augsburg, 2004
Königliches Realgymnasium an der blauen Kappe
1913
Redakteur und Verfasser von Beiträgen für die Schülerzeitschrift Die
Ernte, sechs Hefte bis Februar 1914
Erste literarische Versuche, Tagebuch No. 10, erstes Drama Die Bibel
1914
Deutsche Truppen besetzen Belgien und Luxemburg und dringen
nach Frankreich vor, Beginn des Ersten Weltkrieges
Patriotische Veröffentlichungen in der Augsburger Tagespresse unter
dem Namen Berthold Eugen, Prosa und Gedichte
1917
Freiwillige Meldung zum Kriegshilfsdienst in der Heimat, Schulab‑
schluss mit Notabitur
Hauslehrer am Tegernsee
Immatrikulation an der Universität München
Besuch der Seminare des ‚Theaterprofessors‘ Artur Kutscher, Bekannt‑
schaft mit Frank Wedekind, Hanns Johst, Paula Banholzer, Hedda
Kuhn
7.11. Revolutionäre Aufstände in Russland
Le
1908
19
Ab Oktober (bis Januar 1919) Sanitätssoldat in Augsburg
Ende des Ersten Weltkrieges, Beginn der Novemberrevolution in
Deutschland am 9.11.
1. Fassung des Baal
Sammlung Lieder zur Klampfe von Bert Brecht und seinen Freunden
1919
Studium in München
Spartakus‑Aufstand in Berlin, Wahl der deutschen Nationalversamm‑
lung, Sturz der Räteregierung in Bayern, Abschluss des Versailler Ver‑
trags
Mehrere Einakter, zum Beispiel Die Hochzeit (später: Die Kleinbürgerhochzeit), Der Bettler oder der tote Hund
Drama Spartakus (später: Trommeln in der Nacht), Teile des Baal
Rezensionen von Theateraufführungen; Sohn Frank geboren
Bekanntschaft mit dem Komiker Karl Valentin, der Dramatikerin
Marieluise Fleißer und der Opernsängerin Marianne Zoff
Auftritt in Karl Valentins Kabarett
Kapp‑Putsch in Berlin
Tod der Mutter
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1920
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1918
Zeitweise Immatrikulation an der Universität Berlin, intensive Ver‑
handlung mit Verlagen und Theatern
Drama Im Dickicht der Städte
1922
Aufenthalte in Berlin, in Augsburg Hochzeit mit Marianne Zoff
Bekanntschaft mit dem Literaturkritiker Herbert Jhering
Wegen Nierenentzündung und Unterernährung in die Berliner Cha‑
rité eingeliefert, Kleist‑Preis
1923
Dramaturg und Regisseur in München
Umarbeitung und Uraufführung Im Dickicht der Städte, Proben zum
Baal in Leipzig, Filmprojekte
Höhepunkt der Inflation in Deutschland, Tochter Hanne geboren
Le
1921
1924
20
Wechsel nach Berlin, Dramaturg am Deutschen Theater
Bekanntschaft mit Elisabeth Hauptmann, Walter Benjamin, Helene
Weigel, Geburt des Sohnes Stefan
1925
Zusammenstellung der Augsburger Sonette
Besuch von Boxkämpfen
Erfolg von Helene Weigel auf dem Theater
Elisabeth Hauptmann als Lektorin vom Kiepenheuer‑Verlag ange‑
stellt, Mitbegründung der Gruppe 25
1926
Inszenierungen von Brechts Stücken in Berlin, Darmstadt, Düssel‑
dorf, Frankfurt am Main, Einladungen an andere Theater
Inszenierung von Mann ist Mann mit Elisabeth Hauptmann
Bekanntschaft mit Lion Feuchtwanger, Arnolt Bronnen und Alfred
Döblin
Privatdruck der Hauspostille, Erwerb des ersten Autos
1927
Juror in einem Preisausschreiben für Lyrik
Teilnahme an den Baden‑Badener Festspielen
Zusammenarbeit mit dem Komponisten Kurt Weill, Bekannt‑
schaft mit dem Soziologen Carl Sternberg
Scheidung von Marianne Zoff
Erscheinen von Bertolt Brechts Hauspostille
Uraufführung des Songspiels Mahagonny, Arbeit am Fatzer
(Fragment)
Charles Lindbergh absolviert erfolgreich den ersten transatlanti‑
schen Flug
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Marianne Zoff mit Brecht
Mitarbeiter am Theater von Erwin Piscator
Besuch von Vorlesungen des marxistischen Theoretikers Karl Korsch,
Bekanntschaft mit Hanns Eisler
Arbeit an Lehrstücken sowie an Kurzprosa, Gewinner eines Preisaus‑
schreibens mit Die Bestie
Elisabeth Hauptmann übersetzt John Gay’s Beggar’s Opera
Die Dreigroschenoper am 31.8. in Berlin Uraufführung
Le
1928
ZEITTAFEL
Stücke Leben Eduards des Zweiten von England und Mann ist Mann
‚Kritikerschlacht‘ um Brecht (Jhering und Kerr)
Zusammenstellung der Hauspostille
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1924 Forts.
21
Beginn der Weltwirtschaftskrise
Plagiatsvorwürfe seitens des Kritikers Alfred Kerr
Heirat mit Helene Weigel, Werbung für die Firma Steyr
Arbeit an den Lehrstücken und für den Rundfunk, unter anderem
Lindberghflug und Badener Lehrstück vom Einverständnis
Konflikt mit der Filmfirma wegen Verfilmung der Dreigroschenoper
(Regie: Georg Wilhelm Pabst)
Uraufführung und Absetzung der Oper Aufstieg und Fall der Stadt
Mahagonny in Leipzig
Gelegentliche Besuche von Veranstaltungen an der Arbeiter‑Schule
MASCH, Arbeit an Die Maßnahme
Gründung des Instituts für Sozialforschung durch Max Horkheimer
und Theodor W. Adorno an der Universität Frankfurt am Main
Geburt der Tochter Barbara
Dreharbeiten zum Film Kuhle Wampe oder Wem gehört die Welt? mit
Ernst Ottwalt, Hanns Eisler, Slatan Dudow, Ernst Burri
Bekanntschaft mit Willi Münzenberg, Gründer der Filmgesellschaft
Prometheus sowie Sergej Tretjakow, russischer Futurist
Hefte Versuche 3–4, Reise nach Südfrankreich
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1930
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1929
Großer Erfolg des Filmes Kuhle Wampe, Vergleich im Urheberrechts‑
prozess, teilweise Verbot des Filmes
Hörspiel Die heilige Johanna der Schlachthöfe, Hefte Versuche 5–6
Observierung der Aufführung Die Mutter, Anklage wegen »Verhöh‑
nung des Staates«
Bekanntschaft mit Margarete Steffin
In Deutschland steigen die Arbeitslosenzahlen auf über sechs Milli‑
onen, Reichspräsident von Hindenburg verhandelt mit Adolf Hitler
über eine Regierungsbildung
1933
Hitler wird Reichskanzler
Absetzung des Stücks Die heilige Johanna der Schlachthöfe in mehreren
Städten, Störung der Aufführungen durch die SA
Beschlagnahmung von Brechts Auto durch die Gestapo
27.2. Tag des Reichstagsbrandes
Le
1932
22
Reichstagsbrand, 1933
1934
Verhandlungen mit dem Malik‑Verlag über Gesammelte Werke
Aufenthalte in London und Paris
Arbeit an Filmskripten und dem Lyrikband Lieder Gedichte Chöre
Programmatische Betrachtungen zu den Fünf Schwierigkeiten beim
Schreiben der Wahrheit
Diskussionen mit Karl Korsch und Walter Benjamin, Flucht von Eli‑
sabeth Hauptmann nach Paris nach Verhör durch die Gestapo
Hitler wird nach dem Tod von Reichspräsident Hindenburg zum
Nachfolger erklärt
Beschlagnahmung von Brechts Vermögen in Deutschland
ZEITTAFEL
Flucht aus Deutschland mit Unterstützung von Peter Suhrkamp über
Prag, Wien, Zürich, Corona (Schweiz), Paris
Exil in Svendborg (Dänemark), Gründung des Deutschen Autorendienstes
Arbeit am Dreigroschenroman und an Sonetten
Uraufführung Ballett Die sieben Todsünden der Kleinbürger (Musik:
Kurt Weill)
Margarete Steffin, wegen einer Lungenerkrankung in der Schweiz,
folgt nach Dänemark
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1933 Forts.
Ausbürgerung aus Deutschland am 8.6., für staatenlos erklärt
Reisen nach Moskau, Leningrad, Paris, New York
Rundfunkreden sowie das Stück Die Horatier und die Kuriatier
Bekanntschaft mit Ruth Berlau
In Deutschland Erlass der ‚Nürnberger Gesetze‘: Bürger jüdischer Ab‑
stammung verlieren ihre Rechte
In Moskau erste politische ‚Schauprozesse‘
1936
Mitherausgeber der Zeitschrift Das Wort in Moskau
Arbeiten zum ‚Verfremdungseffekt‘ sowie zum Stück Die Rundköpfe
und die Spitzköpfe
Einleitung der ‚Realismusdebatte‘ in Moskau durch Georg Lukács
Beginn des Spanischen Bürgerkrieges
Carola Neher, die im Dreigroschenoper‑Film die Hauptrolle spielte, in
Moskau verhaftet
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1935
23
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Werke (Auswahl)
Kinder
Wechsel nach Berlin und
Beschäftigung mit Marxismus
* 10.2.1889
Augsburg
Begegnung mit
Marianne Zoff
Lebensereignisse
Wechsel an
das Königliche Realgymnasium
Erste
literarische
Versuche
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Volksschuleintritt
1898
1900
1902
1904
1906
1908
1910
1912
1914
Auftritte
in Karl
Notabitur und EinberuValentins
Besuch von fung als
Kabarett
theaterwiss. SaniTod der
Seminaren tätsMutter
in München soldat
1916
1918
1920
Reisen
(Auswahl)
Begegnungen
Formexperimente
und neue Inhalte in
Kunst und Literatur
Le
Historisch-Kultureller
Hintergrund
Kaiserreich
Tätigkeit als
Dramaturg
Begegnung m.
Helene Weigel
Heirat mit
M. Zoff
Behandlung
wegen Unterernährung
Kleistpreis
1922
1924
Berlin
Elisabeth Hauptmann
Artur Kutscher
Karl Valentin Walter Benjamin
Marieluise Fleißer
Marianne Zoff Herbert Jhering
Industrialisierung und
mechanisierte Arbeit
Wirtschaftskrise und
Massenarbeitslosigkeit
Erster Weltkrieg
(1914–1918)
Konkurrenz
der Frauenbilder
Weimarer Republik
1926
A)
Großer Erfolg
d. Dreigroschen- Bekanntoper-Films
Absetschaft
Mitarbei- zung d. Bekanntschaft mit Ruth
Mahamit Mararete
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Berlau
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Besuch
Zwangs- Werke von
Inszen.
von Box- Piscator
Vermehrte
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Brecht sind
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Mitgrün- gung mit der Arbei- Observierung
terschule durch Geheim- Deutschdung der MarxisEntartete
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Kunst
1928
1930
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Verhör vor
Tod von
Tod des Tod von Sohn Frank
d. AusVaters M. Steffin an der
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Erste Bde Brecht Ostfront Einberu- unamerik.
d. Gesam- lässt Regisfung von Tätigkeiten
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Flucht aus Deutschland. Verbot und Verbrennung von
Brechts Werken in Nazi-Deutschland. Aufenthalte in zahlreichen Ländern: v. a. Dänemark (1933–1940), Finnland
(1940/1941), USA (1941–1947), Schweiz (1947–1949)
Heirat mit
H. Weigel
Scheidung
von M. Zoff
1932
Le Lavandou
München
1934
1936
Moskau
Paris
New York
London
Zürich
Carona
Lion Feuchtwanger
Arnolt Bronnen
Alfred Döblin
Kurt Weill
Willi Münzenberg
Carl Sternberg
Karl Korsch
Sergej Tretjakow
Hanns Eisler
Erwin Piscator
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1924
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Zusammenarbeit mit
Kurt Weill
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posthum:
1958 Der aufhaltsame Aufstieg
des Arturo Ui (UA) / 1959 Die heilige
Johanna der Schlachthöfe (UA am Theater)
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Im Dickicht d. Städte (UA)
Baal (UA)
Drittes Reich
1938
1940
Kopenhagen
Paris
Marlebäck
London
1942
Moskau
1944
New York
Arnold Schönberg
Zweiter Weltkrieg
(1933–1945)
Holocaust
1946
Übernahme des
Theaters
Rückkehr
am Schiffnach
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Grünreichi- rungen Präsident
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1948
1950
New York
1952
1954
† 14.8.1956
Berlin
StalinFriedenspreis
1956
Warschau
Käthe Reichel
Max Frisch
Wolfgang Harich
Anna Seghers
Jean-Paul Sartre
Simone de Beauvoir
Kalter Krieg und deutsch-deutsche Teilung
Vorschlag zur Gründung einer Diderot‑Gesellschaft als Internationale
Theatergesellschaft, Treffen mit Walter Benjamin
Abdruck der Deutschen Satiren in Das Wort, Proben des Stücks Die
Gewehre der Frau Carrar in Paris
Kulmination der sowjetischen Schauprozesse in der ‚Säuberung‘, Bitte
an Feuchtwanger, sich für Carola Neher einzusetzen
Deutsche Legion Condor bombardiert Städte in Spanien
1938
Arbeit an der Szenenfolge Furcht und Elend des Dritten Reiches sowie
erste Fassung Leben des Galilei
Werke von Brecht, Weill und Eisler sind in Deutschland Teil der Aus‑
stellungen über ‚Entartete Kunst‘
Hitler übernimmt die Führung der Wehrmacht, Anschluss des Suden‑
tenlandes
Während der ‚Reichskristallnacht‘ brennen in Deutschland Synago‑
gen, Bürger jüdischen Glaubens werden verfolgt und ermordet
Umzug nach Schweden, Lidingö bei Stockholm
Aufgabe der Mitarbeit an Zeitschrift Das Wort, Auseinandersetzung
mit der ‚Moskauer Clique‘
Arbeit an Mutter Courage und ihre Kinder, Der gute Mensch von Sezuan,
Furcht und Elend des Dritten Reiches, Hörspiel Das Verhör des Lukullus,
Roman Die Geschäfte des Herrn Julius Caesar
Band 1, 2 und 4 der Gesammelten Werke erscheinen; bei seiner Flucht
aus Prag muss der Verleger Wieland Herzfelde die Druckfahnen des
dritten Bandes zurücklassen
Deutschland und die UdSSR schließen einen Nichtangriffspakt und
teilen Polen unter sich auf
In der Sowjetunion sind viele Freunde Brechts verhaftet und verurteilt,
Beginn des Zweiten Weltkrieges
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1939
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1937
Le
1940
26
Flucht nach Finnland wegen Polizeikontrolle in Lidingö, Helsinki,
dann Gut Marlebäck
Warten auf Einreisevisa in die USA; Plan, als Dozent für Literatur an
der New School for Social Research in New York zu arbeiten
Arbeit an Das Verhör des Lukullus, Herr Puntila und sein Knecht Matti,
Flüchtlingsgespräche
1941
Ausreise in die USA via Sowjetunion
Schwere Erkrankung und Tod von Margarete Steffin in Moskau, Sui‑
zid Walter Benjamins
Weiterreise mit der Sibirischen Eisenbahn an die Ostküste
Einschiffung der Familie Brecht mit Ruth Berlau auf dem Frachter
Annie Johnson in Wladiwostok, Aufenthalt in Manila
Niederlassung in St. Monica, Kalifornien
Weiterarbeit an Der gute Mensch von Sezuan, Der aufhaltsame Aufstieg
des Arturo Ui, diverse Filmstorys
1942
Arbeit für die Filmindustrie
Ruth Berlau bleibt in New York, dort Aufführung von Furcht und
Elend des Dritten Reiches
In St. Monica entsteht das Stück Gesichte der Simone Machard
1943
13.10. Tod des Sohnes Frank an der Ostfront
Der Film Hangmen Also Die (Regie Fritz Lang) gelangt in die Kinos,
Brecht wird als Mitarbeiter nicht genannt
1944
Japanischer Angriff auf Pearl Harbour
Das FBI kontrolliert die Post – Brecht ist »enemy alien«
Arbeit an Der kaukasische Kreidekreis sowie an der Kriegsfibel
Übersetzung Leben des Galilei ins Englische mit dem Schauspieler
Charles Laughton (zweite Fassung)
Landung der Alliierten Truppen in der Normandie am 6.6.
Sohn Stefan in den USA zur Front eingezogen
1945
Ende des Zweiten Weltkrieges, Deutschland kapituliert bedingungs‑
los
Arbeit mit Ruth Berlau am Fotoarchiv
Dritte Fassung des Galilei nach dem Abwurf der Atombombe auf
Hiroshima und Nagasaki am 6.8. und 9.8.1945
ZEITTAFEL
Deutsche Truppen besetzen Dänemark und Norwegen
Beginn der deutschen ‚Westoffensive‘ mit der Eroberung von Belgien,
der Niederlande und dem Einfall in Frankreich
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1940 Forts.
27
Beginn der Nürnberger Prozesse gegen 24 der deutschen Hauptkriegs‑
verbrecher
Drama Private Life of the Master Race
15.8. Aufführung der Dreigroschenoper am Hebbel‑Theater im zer‑
bombten Berlin
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1945 Forts.
Inhalt eines CARE-Pakets, 1948
Amerikanische und britische Verbände räumen Gebiete in Sachsen
und Thüringen, sowjetische Truppen rücken nach
Le
1946
28
CARE‑Pakete für Freunde in Deutschland und Österreich
Gespräche mit Emigranten über die Weltlage
Einladung an das Deutsche Theater in Berlin
Psychischer Zusammenbruch Ruth Berlaus, Reise nach New York
Deutschland ist in vier Besatzungszonen aufgeteilt, Berlin in vier Sek‑
toren, in der sowjetischen Besatzungszone gründet sich aus KPD und
SPD die SED
1948
Inszenierung der Antigone in Chur sowie Puntila in Zürich
Entstehung des Kleinen Organon für das Theater
Furcht und Elend des Dritten Reiches am Deutschen Theater in Berlin
Funküberwachung durch die Schweizer Geheimpolizei
Brecht erhält ‚Identitätsausweis‘, Bekanntschaft mit Max Frisch
Reise nach Berlin, Proben am Deutschen Theater
Plan einer Studio‑Bühne zunächst abgelehnt
1949
Ansiedelung in Berlin‑Weißensee, Drama Tage der Kommune
‚Bescheinigung‘ zur Gründung eines eigenen Ensembles erteilt
1.9. Offizielles Gründungsdatum des Berliner Ensembles am Deut‑
schen Theater, Intendantin Helene Weigel
Aufführung der Mutter Courage am 11.1.
Weitere Theaterprojekte abgelehnt, Gründung des Brecht‑Kreises um
Wolfgang Harich, erneuter Kritikerstreit mit Fritz Erpenbeck
Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 7.9.; Gründung der
DDR am 7.10.
ZEITTAFEL
Vorladung und Verhör vor dem amerikanischen Kongress‑Ausschuss
für unamerikanische Tätigkeit am 30.10.
Mitarbeit an der Galileo‑Inszenierung; Bearbeitung der Antigone des
Sophokles
Rückkehr nach Europa, zunächst Schweiz, Wohnsitz in Feldmeilen in
der Nähe von Zürich
Wegen Staatenlosigkeit Intensivierung der Versuche, einen Pass zu er‑
halten
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1947
Proben am Deutschen Theater zum Stück Der Hofmeister von Jakob
Michael Reinhold Lenz
Dramen Die Erziehung der Hirse sowie Bearbeitungen von Gerhart
Hauptmanns Biberpelz und Roter Hahn
Arbeit an den Kinderliedern sowie einer Modellinszenierung der Mutter Courage in München
Brecht erhält die österreichische Staatsbürgerschaft
Gründung der Deutschen Akademie der Künste, Kritik am adminis‑
trativen Einfluss der SED
Le
1950
29
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Politische Landkarten im Verlaufe des Brechtschen Lebens
Deutsches Reich 1871–1918 Weimarer Republik 1919–1933
und »Drittes Reich« 1933–1937
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Administrative Gliederung von NS-Deutschland
Großbritannien
Le
Sowjetunion
Frankreich
USA
Besatzungszonen der Allierten vom
8. Juni 1947 bis zum 22. April 1949
Gebietsteilung zwischen BRD
und DDR ab 1957
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Illustration zum Brecht-Gedicht
»Der Kirschdieb« (1938) an einer
Giebelwand in Berlin-Weißensee
32
Proben zur Oper Das Verhör des Lukullus
Zentralkomitee der SED erhebt Einwände wegen ‚Formalismus‘, Ver‑
bot weiterer Aufführungen
Erster Fünfjahresplan der DDR
Mitarbeiter am Berliner Ensemble: Benno Besson, Claus Hubalek,
Egon Monk, Isot Kilian, Peter Palitzsch, Käthe Rülicke
Bekanntschaft mit Käthe Reichel
1952
Die Staatliche Kunstkommission (Stakuko) unterbindet die Auffüh‑
rung des Urfaust im Theater am Schiffbauer Damm
Proben zu Kleists Der zerbrochene Krug
Pacht eines Hauses in Buckow bei Berlin
Arbeit an Katzgraben von Erwin Strittmatter; Filmdrehbücher
Band Theaterarbeit erscheint, mit vielen Autorenbeiträgen, unter an‑
derem von Ruth Berlau; erste Auslandstournee in Polen
1953
Umzug in die Chausseestraße, heute Brecht-Archiv (Berliner BrechtHaus / Bertolt-Brecht und Helene-Weigel-Archiv)
Arbeit an Oper Turandot und am Gedichtband Buckower Elegien
Übernahme des Theaters am Schiffbauerdamm
Tod Stalins am 5.3., am 17.6. Streiks und Unruhen in Berlin, dann
landesweit, Verhängung des Kriegsrechts durch sowjetische Besat‑
zungsbehörden
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In Berlin Proben zum Kaukasischen Kreidekreis
Gastspiel des Berliner Ensembles in Paris, Theaterpreis für bestes Stück
und beste Inszenierung
Bearbeitung von Johannes R. Bechers Winterschlacht
Teilnahme an einem Schriftstellertreffen in Knokke (Belgien), neben
Elsa Triolet, Carlo Levi, Anna Seghers, Jean‑Paul Sartre, Simone de
Beauvoir, Konstantin Feddin; Besuch von Brügge
1955
Stalin‑Friedenspreis, anstelle von Thomas Mann
Veröffentlichungen zur Theaterarbeit, Wiederwahl zum Präsidenten
des gesamtdeutschen PEN
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1954
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LEBEN und WERK
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1951
Rede auf dem IV. Deutschen Schriftstellerkongress
Am 25.2. XX. Parteitag der KPdSU mit der Rede Chruschtschows
über die Verbrechen Stalins, in der DDR nicht veröffentlicht
Krankheit und Aufenthalt in der Klinik Charité, Tod am 14.8. in
Berlin, Grablegung am 17.8.
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1956
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Gastspiel des Berliner Ensembles in Mailand mit Leben des Galilei,
gemeinsame Proben mit Giorgio Strehler, Reisen nach Moskau und
Warschau
Vorarbeiten zu einer Gesamtausgabe seiner Gedichte bei Suhrkamp
In der DDR wird die Kriegsfibel vom Amt für Literatur beim ZK der
SED als bedenklich eingestuft
Die DEFA, der ostdeutsche Filmverband, sieht in der Courage eine pa‑
zifistische Tendenz; Abbruch der Verfilmung (Regie Wolfgang Staud‑
te)
34
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