The Big Bang – oder die Physik des frühen Kosmos Entstehung von Struktur Von Eva Fischl 23.01.2014 1 Gliederung 1. 2. 3. 4. Erste Materiefluktuationen Die Millenium-Simulation Großräumige Strukturen und die ersten Sterne Chemische Entwicklung 2 1. Erste Materiefluktuationen Wie wir aus den bisherigen Vorträgen wissen, war das frühe Universum bezüglich seiner Masseverteilung außerordentlich homogen. Wenn wir allerdings in einer sternklaren Nacht den Blick zum Himmel wenden, stellen wir fest, dass das Universum nicht homogen sein kann. Wir erkennen dort Sterne, Planeten und Galaxien. Wie konnte es also dazu kommen, dass aus dem homogenen Universum kurz nach dem Urknall, ein Universum wurde, wie wir es kennen? Damit es zu den ersten Verdichtungen des Universums kommen konnte, müssen von vorn herein kleine Fluktuationen in der Verteilung bestanden haben. Wäre das Universum tatsächlich vollkommen homogen gewesen, würden heute keine Galaxien existieren. Die Beschaffenheit solcher Gebiete mit erhöhter Dichte entschied nun über deren Schicksal. Waren die Dichtefluktuationen kleinräumig und relativ massearm, so lösten sie sich mit der Zeit auf (das expandierende Universum verringerte die Dichte wieder). Bei den größeren und massereicheren Fluktuationen war jedoch die Anziehungskraft größer als der nach außen gerichtete Druck. Diese werden allmählich immer dichter. Allerdings wurde festgestellt, dass die für uns sichtbare baryonische Materie niemals eine solche Dichte hätte erreichen können. Die gravitative Anziehung hätte nicht ausgereicht, um die Expansion zu überwinden und gebundene Gebiete zu erzeugen. Um trotzdem Materieverdichtungen entstehen zu lassen, müssen wir uns der dunklen Materie bedienen, die wir ja bereits kennen gelernt haben. Da die dunkle Materie einen viel größeren Anteil am Universum hat und sie bei weitem nicht so stark mit elektromagnetischen Wellen wechselwirkt, ist es viel wahrscheinlicher, dass es ihr gelingt, die Expansion des Universums lokal zu stoppen und gravitativ gebundene Gebiete zu schaffen. 3 Wie in der Grafik zu sehen ist, ist allein der Anteil der kalten dunklen Materie am Universum um ein Vielfaches höher als der der baryonischen Materie. Macht man die kalte dunkle Materie für die Entstehung von Struktur verantwortlich, so entspricht das dem bottom-up-Modell. Dieses Modell stimmt am besten mit unserem Wissen der Realität überein. Wie nachfolgende Abbildung zeigt, würde es erhebliche Unterschiede machen, wenn die Zusammensetzung des Universums anders wäre, bzw. wenn das bottom-up-Modell mit einem Universum, das von kalter dunkler Materie bestimmt wird, nicht passen würde. Trotzdem gibt es Verfechter des top-down-Szenarios, zu denen beispielsweise der sowjetische Kosmologe Yaakov Zel’dovich zählt. In diesem Modell wird das Universum von Baryonen bestimmt. Ein weiterer Unterschied ist, dass sich laut diesem Modell zuerst Galaxienhaufen gebildet haben müssten, bevor diese dann in Galaxien zerfallen wären. Im Weiteren werde ich mich aber auf das bottom-up-Modell beziehen, wie ich es auch schon im Vortrag gemacht habe. Laut diesem Modell bildeten sich, wie oben beschrieben, Gebiete mit einer höheren Dichte an dunkler Materie. Nachdem sich die sichtbare Materie und die Strahlung entkoppelt hatten, strömte die baryonische Materie in die Potentialtopfe, die die dunkle Materie geschaffen hatte. Dabei war es möglich, dass sich dunkle und sichtbare Materie komplett durchdringen konnten, weil sie kaum miteinander wechselwirken. In den Bereichen mit der größten Überdichte gelang es der Schwerkraft die Expansion lokal zu stoppen und gravitativ gebundene Gebiete zu bilden. In diesen Gebieten stieg die Dichte von nun an, da Materie aus der Umgebung auf Bahnen um den Schwerpunkt gezwungen wurde. 4 2. Die Millenium-Simulation Die Millenium-Simulation ist ein Projekt des Virgo-Konsortiums. Das Virgo-Konsortium ist eine Gruppe von Kosmologen aus Deutschland, Großbritannien, Kanada, Japan und den USA. Unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik in Garching erschuf diese Gruppe von Wissenschaftlern eine Simulation, die zum Verständnis der Strukturbildung beitragen sollte. Bevor im Sommer 2005 die Ergebnisse vorgestellt werden konnten, waren 512 Prozessoren 28 Tage damit beschäftigt die Bewegungen der eingebrachten Teilchen zu berechnen. Da es selbst mit modernsten Computern unmöglich ist, das komplette frühe Universum zu simulieren, wurde ein würfelförmiger Ausschnitt mit der Kantenlänge 500MPc/h (bei z=0 entspricht das 2,2 Milliarden Lichtjahren) gewählt. In diesen Würfel wurde dunkle Materie der Masse von 10 Trillionen Sonnen gepackt, welche auf insgesamt 10 Milliarden Teilchen gleichmäßig verteilt wurde. Da ein perfekt homogenes Universum niemals zu Strukturbildungen geführt hätte wurden auch in der Simulation kleine Dichteschwankungen eingebracht. Die beschriebenen Startbedingungen entsprechen dem realen Universum etwa 10 Millionen Jahre nach dem Urknall. Die Rahmenbedingungen wurden so angepasst, dass die Simulation möglichst genau das reale Universum zu dieser Zeit wiedergibt (z.B. wurde der expandierende Raum berücksichtigt). Nun wurde die Simulation gestartet, wobei die Prozessoren die Bewegung aufgrund der Gravitation von jedem einzelnen Teilchen berechneten. z=18,3 z=5,7 z=1,4 z=0 5 Wie sich zeigte entwickelten sich aus den winzigen Dichteschwankungen gravitativ gebundene Gebiete der Große von Galaxien und Galaxienhaufen. Die Simulationsergebnisse stimmen gut mit dem Universum, wie wir es heute kennen überein. In einem weiteren Simulationsschritt wurde auch die sichtbare Materie berücksichtigt. Es zeigte sich, dass sich die Dichteverteilung der baryonischen Materie, wie zu erwarten war, an die der dunklem Materie anglich. Bei der Veröffentlichung der Ergebnisse wurden neben einer Pressemitteilung auch einige Visualisierungen vorgestellt, die allesamt im Internet unter http://www.mpagarching.mpg.de/galform/presse/ verfügbar sind. Neben einigen Bildern und drei Videos (eines wurde in den Vortrag eingebettet) wurde auch nachfolgendes Poster veröffentlicht. Es zeigt die Verteilung der dunklen Materie im heutigen Universum, wobei ein kleiner Ausschnitt zusätzlich vierfach vergrößert dargestellt wurde. Hiervon wurde wiederum ein Ausschnitt vierfach vergrößert usw. 6 3. Großräumige Strukturen und die ersten Sterne Wie oben bereits beschrieben, begann die Strukturbildung mit Dichtefluktuationen der dunklen Materie. Waren die Fluktuationen groß und massereich genug gelang es ihnen gravitativ gebundene Gebiete zu schaffen. Solche Objekte werden als Halos bezeichnet. Da solche Halos im frühen Universum durch Materie der Umgebung (dunkle und sichtbare Materie) an Masse gewinnen konnten, wuchsen sie weiter an. Allerdings wirken zwischen zwei Halos auch immer Gravitationskräfte. Waren diese anziehenden Kräfte groß genug kam es zu Zusammenstößen zweier Halos, was zum Verschmelzen führte. Durch das Verschmelzen von Halos entstanden immer größere Halos, was nachfolgende Grafik veranschaulicht. Prinzipiell ist es auch möglich, dass es in Zukunft neue Verschmelzungen gibt, wobei man sagen muss, dass ein erneutes verschmelzen von zwei Halos zunehmend unwahrscheinlicher wird, da das expandierende Universum die Abstände zwischen den Halos vergrößert. Wie bereits erwähnt verdichtete sich in den Schwerefeldern der Halos auch die sichtbare Materie. Nun sind wir auf der Suche nach den ersten Sternen und Planeten einen Schritt weiter, immerhin haben wir bereits Verdichtungen der sichtbaren Materie in den Halos der dunklen Materie. Allerdings handelt es sich dabei um eine Materiewolke, die immer noch nicht die nötige Dichte aufweist, um von Sternen zu sprechen. 7 Der britische Mathematiker, Physiker und Astronom Sir James Jeans hat das nach ihm benannte Kriterium eingeführt, welches erfüllt sein muss, um die Materiewolken zum kollabieren zu bringen. Damit sich das Gas soweit verdichtet, muss die Gravitationskraft zwischen den Teilchen den thermischen Druck überwinden. Dazu muss die Masse hinreichend groß werden, was der Fall ist, wenn die Jeans-Masse erreicht wird. ρ: Gasdichte Vs: thermische Geschwindigkeit G: Gravitationskonstante Wie wir bereits aus dem letzten Vortrag wissen, sammelt sich die baryonische Materie im Zentrum eines Halos aus dunkler Materie an, weil sie sich weiter verdichten kann. Der Grund dafür ist, dass sie, im Gegensatz zur dunklen Materie, durch Stöße und Abstrahlung von Licht Energie verlieren kann. Einige zehn Millionen Jahre nach dem Urknall hatte sich im Inneren der Halos genügend Gas angesammelt, um die Materiewolke zum kollabieren zu bringen und erste Sterne zu bilden. Ab diesem Zeitpunkt spricht man vom Zeitalter der Reionisation. Von nun an kann man außerdem von Galaxien sprechen, die von der dunklen Materie zusammengehalten wurden. Da sich die Galaxien in den Halos befinden, kann man von der hierarchischen Entwicklung der Halos darauf schließen, dass sich auch die Galaxien entsprechend entwickelt haben müssen. Verschmelzen zwei Halos, in denen sich junge Galaxien gebildet hatten und ist außerdem die Dichte des interstellaren Gases hoch genug, so kommt es zu Starbursts (hohe Sternbildungsraten). Möchte man nun feststellen, welche Charakteristika die ersten Sternsysteme auszeichneten, muss man allerdings feststellen, dass sich dies als nicht so einfach erweist. Das Licht der ersten Sterne ist logischerweise das Sternenlicht, das zum frühesten Zeitpunkt ausgesandt wurde. Somit muss es auch die höchste Rotverschiebung aufweisen. Schwieriger ist aber der Nachweis dieser Strahlung, da nur ein sehr geringer Teil dieses Lichts unsere Teleskope erreicht. Um das Licht der ersten Sterne trotzdem „sehen“ zu können, kann man aber erfolgversprechendere Messungen vornehmen. Da ein großer Teil des ersten Sternenlichts von kosmischen Staubwolken absorbiert wurde, der sich daraufhin aufheizte und seinerseits wieder Strahlung (im infraroten) abgab, versucht man die Strahlung der Staubwolken nachzuweisen. Berücksichtigt man die Rotverschiebung so ist die InfrarotStrahlung heute als Submillimeterstrahlung zu messen. 8 Diese Messungen können von Teleskopen auf der Erde durchgeführt werden. Mit 15 Meter Durchmesser ist das James Clerk Maxwell Telescope (JCMT) das größte astronomische Teleskop, das auf Submillimeterstrahlung spezialisiert ist. Es befindet sich auf dem Gipfel des Mauna Kea auf Hawai, in knapp 4100 Meter Höhe. Das JCMT enthält die Kamera SCUBA-2 (SCUBA = Submillimetre Common-User Bolometer Array), welche die Nachfolgerin der Kamera SCUBA ist. Sie wurde wie ihre Vorgängerin am Royal Observatory in Edinburgh konstruiert, arbeitet aber etwa 1000 Mal schneller. 9 Nun könnte man ja denken, wir wären im jetzigen Universum angelangt, wenn wir von Sternentstehung sprechen, welche ja durchaus heute noch stattfindet. Dass dem nicht so ist erkennt man schnell, wenn man die ersten Sterne mit neueren Sternen vergleicht. Die Eigenschaften der ersten Sterne unterscheiden sich nämlich grundlegend von denen der neuen Sterne (z.B. unsere Sonne). So zeichnet die ersten Sterne eine sehr große Masse, sowie eine geringe Lebensdauer aus. Ihre Oberfläche war außerdem sehr viel heißer, als die heutiger Sterne. Ein weiterer Unterschied liegt auf der Hand. Das frühe Universum bestand zum großen Teil aus Wasserstoff, wobei auch geringere Mengen an Helium und Lithium existierte. Das heißt natürlich auch, dass keine schweren Elemente in den ersten Sternen vorhanden waren. Sterne, die diese Eigenschaften tragen, werden als „Sterne der Population III“ bezeichnet. 10 4. Chemische Entwicklung Wie bereits erwähnt bestand das frühe Universum zum großen Teil aus Wasserstoff, sowie wenig Helium und Spuren von Lithium. Beim Blick auf das Periodensystem der Elemente, wird aber schnell klar, dass im Laufe der Zeit sehr viel mehr Elemente entstanden sein müssen. Für den Anfang der chemischen Entwicklung sind bereits die ersten Sterne verantwortlich. So wird dort erstmals aus Wasserstoff Kohlenstoff gebildet. Dieser sehr ineffiziente Prozess benötigt aber sehr viel Energie. Wenn diese nicht mehr zur Genüge vorhanden ist, kollabiert der Stern. Dabei werden die Elemente bis Zink (Z=30) gebildet. Stirbt ein Stern der Population III, so werden erstmals Metalle (alle Elemente schwerer als He) freigesetzt, aus denen sich dann neue Sterne bilden können. Diese Sterne weisen dann also eine höhere Metallizität (Metallgehalt) auf. Im Allgemeinen gibt die Metallizität der Sterne Aufschluss über deren Alter. Die ältesten Sterne (Population III) enthalten quasi keine Metalle, die nächste Generation (Sterne der Population II) hingegen schon geringe Mengen. Das nachfolgende Diagramm zeigt die Produktionsrate der chemischen Elemente bis Zink in den ersten Sternen relativ zu unserer Sonne. Die gestrichelte Linie berücksichtigt dabei Sterne mit einer Masse von bis zu 40 Sonnenmassen, wohingegen die durchgezogene Linie auch Sterne mit einer Masse von bis zu 260 Sonnenmassen berücksichtigt. 11 Quellen: http://www.mgvoss.de/115.html http://www.raumfahrer.net/astronomie/kosmologie/existieren.shtml http://www.mpa-garching.mpg.de/galform/presse/ http://www.techniklexikon.net/d/jeans/jeans.htm Richard B. Larson/Volker Bromm: The First Stars in the Universe. In: Scientific American, 2004, Nr. 9, S. 4-11 Anita Winter: Sterngeburt kurz nach dem Urknall. In: Sterne und Weltraum, 2013, Nr. 5, S. 46-53 Klaus Jäger: Andersartige Universen? In: Sterne und Weltraum, 2014, Nr. 1, S. 10 Markus Pössel: Der Kosmos im Computer. In: Spektrum der Wissenschaft, 2005, Nr. 11, S. 12ff Immo Appezeller: Die Entwicklung junger Galaxien. In: Sterne und Weltraum, 2010, Nr. 10, S. 34-43 Joseph Silk: Die Geschichte des Kosmos, Spektrum Akademischer Verlag, Berlin, 1999 Wolfgang Gebhardt: Skript zur Vorlesung „Vom Urknall zu den Sternen“, WS 11/12, S. 163-166 12