Ö1-KLASSIKER OFFENBACH MEDIENBEGLEITHEFT zur CD Jacques Offenbach (1819-1880) »Les Contes d’Hoffmann« (»Hoffmanns Erzählungen«) Oper in drei Akten mit einem Prolog und Epilog – Libretto: Jules Barbier Prolog, 24.48 Minuten 1. Akt, 36.40 Minuten 2. Akt, (1.Teil) 10.01 Minuten 2. Akt, (2.Teil) 16.41 Minuten 3. Akt, 44.30 Minuten Epilog, 09.59 Minuten 12143 Ö 1-KLASSIKER: JACQUES OFFENBACH Das vorliegende Heft ist die weitgehend vollständige Kopie des Begleitheftes zur CD Konzept der Zusammenstellung von Dr. Haide Tenner, Dr. Bogdan Roscic, Lukas Barwinski Executive Producer: Martin Kienzl Musik Redaktion: Dr. Gustav Danzinger, Dr. Robert Werba, Albert Hosp, Mag. Alfred Solder Text/Lektorat: Michael Blees Grafikdesign: vektorama. Fotorecherche: Österreichische Nationalbibliothek/ Mag. Eva Farnberger Fotos: ORF, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv Herausgeber der CDs und der Begleithefte: Universal Music GmbH, Austria 2007 Besonderen Dank an: Prof. Alfred Treiber, Mag. Ruth Gotthardt, Dr. Johanna Rachinger, Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek Medieninhaber und Herausgeber des vorliegenden Heftes: Medienservice des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur 1014 Wien, Minoritenplatz 5 Bestellungen: Tel. 01/982 13 22-310, Fax. 01/982 13 22-311 E-Mail: [email protected] 2 Ö 1-KLASSIKER: OFFENBACH JACQUES OFFENBACH: »LES CONTES D’HOFFMANN« 8. Dezember 1881: Der Himmel über Wien ist hell erleuchtet; das Wiener Ringtheater am Schottenring steht in Flammen. An diesem Abend hätte die zweite Aufführung von Offenbachs »Hoffmanns Erzählungen« – am Vortag war das Werk zur erfolgreichen Wiener Erstaufführung gekommen – stattfinden sollen. Ausströmendes Gas aus einer defekten Gaslampe hatte aber innerhalb kurzer Zeit die Bühnendekorationen in Brand gesetzt. Durch die Hitze entstand ein Sog, der plötzlich den Bühnenvorhang in den Zuschauerraum wehte. Die Menschen versuchten sich vor den Flammen ins Freie zu retten. Doch die Abschaltung der Gasbeleuchtung hatte katastrophale Folgen: die orientierungslosen Besucher erstickten in den Rauchgasen oder traten sich gegenseitig zu Tode. Die verheerendste Brandkatastrophe der Theatergeschichte forderte 400 Todesopfer, Franz von Jauner, der Direktor des Theaters wurde wegen mangelhafter Sicherheitseinrichtungen im Theater angeklagt und wegen fahrlässiger Tötung zu einer Haftstrafe verurteilt. Franz von Jauner, Direktor des Wiener Ringtheaters Unmittelbar nach dem Brand wurde das so genannte »Ringtheatergesetz« erlassen, das eine Reihe von Sicherheitsmaßnahmen für Theaterbauten festlegte: ein »Eiserner Vorhang« zwischen Bühne und Zuschauerraum wurde zwingend vorgeschrieben – und dass sich alle Türen im Publikums- und Bühnentrakt nach außen öffnen lassen. Bis heute ist der größte Teil dieser Bestimmungen in Kraft, die »Furcht« vor der Oper »Hoffmanns Erzählungen« insbesondere im deutschen Sprachraum – schnell hieß es nach der Katastrophe, das Werk bringe Unglück – legte sich hingegen relativ rasch: Offenbachs Oper wurde innerhalb weniger Jahre zu einem der beliebtesten und meistgespielten Werke des französischen Opernrepertoires. Brand des Ringtheaters in Wien am 8. Dezember 1881 3 Allerdings müsste man hinsichtlich der vielen unterschiedlichen Versionen der Oper präziser fragen: »Welche >Hoffmanns Erzählungen<?« Jacques Offenbach hatte das Werk unvollendet hinterlassen, ohne eine definitive Form festgelegt zu haben, was Bearbeitern Tür und Tor öffnete. Erst in den 1970er Jahren wurde erstmals von Fritz Oeser eine quasi »quellenkritische« Ausgabe herausgegeben. In ihr blieben aber zahlreiche Materialien unberücksichtigt, die erst in den nachfolgenden Jahren immer wieder in verschiedensten Archiven aufgefunden werden konnten. Die Geschichte der Oper »Hoffmanns Erzählungen« reicht bis in das Jahr 1851 zurück. Damals war am Pariser Théâtre de l'Odéon ein Theaterstück von Jules Barbier und Michel Carré mit dem Titel »Les Contes d'Hoffmann« aufgeführt worden, von dem sich Offenbach begeistert zeigte. Seine immense Karriere als Schöpfer satirisch parodistischer Operetten lag zu jener Zeit noch vor ihm, erst Jahre später sollte der aus Köln stammende Komponist zuerst mit kleinen Einaktern, dann mit großen abendfüllenden Operetten (die zum großen Teil in Offenbachs eigenem Theater, den Bouffes-Parisiens, uraufgeführt wurden) das Publikum als »Mozart der Champs-Élysées« in seinen Bann ziehen – und mit der eigentlich von ihm erst »erfundenen« Gattung der Operette auch die Geschichte der »leichten Bühnenkunst« in Wien maßgeblich beeinflussen. Julius Barbier, Librettist Ernst Theodor Amadeus Hoffmann, Dichter und Musiker Das Theaterstück von Barbier und Carré hatte sich in geschickter Art und Weise die besondere Liebe der Franzosen für den deutschen Dichter E. T. A. Hoffmann zu Nutze gemacht; seine Werke waren ab 1829 in französischer Übersetzung erschienen und hatten die französische Literatur nicht unwesentlich beeinflusst. Die beiden Autoren hatten ihre Themen aus einer Reihe von Novellen des »Gespenster-Hoffmann«, wie der Dichter zuweilen genannt wurde, gewonnen und sie dadurch verbunden, dass sie das literarische und musikalische Multitalent zur zentralen Gestalt des Stückes machten. Die Rahmenhandlung entnahmen sie Hoffmanns »Don Juan«, aus dem »Sandmann« wurden Ideen und Figuren für den Olympia-Akt entlehnt, aus »Abenteuer einer Sylvesternacht« stammen die Giulietta-Motive und aus »Rat Krespel« die Ereignisse des Antonia-Bildes. Weitere Anregungen wurden aus dem »Goldenen Topf«, »Klein Zaches« und »Signor Formico« geschöpft. Was Offenbach dazu bewog, 1876, 25 Jahre nach der Uraufführung des Theaterstücks, auf dieses zurückzugreifen und eine große Oper nach dem Sujet zu planen, ist unbekannt. War es der Wunsch so vieler Komponisten der »Leichten Muse« ihr Können auch im »seriösen« Fach unter Beweis zu stellen? Wollte er zeigen, dass er nicht nur die kleinen musikalischen Formen kurzer und prägnanter Operetten-Couplets beherrschte, sondern auch große Ensembles und Szenenkomplexe komponieren konnte? Immerhin hatte Offenbach schon 1864 für die Wiener Hofoper eine große romantische Oper, »Die Rheinnixen« geschaffen (aus diesem erfolglosen Werk übernahm Offenbach ein Trinklied und die späterhin 4 berühmte Barkarole in »Hoffmanns Erzählungen«), und auch für die Pariser Opera hatte er schon komponiert, allerdings »nur« ein Ballett, »Le Papillon« (1860). Oder war es die Tatsache, dass er, der während des zweiten französischen Kaiserreichs als einer der populärsten Komponisten Frankreichs galt, nach 1870 – unter veränderten politischen und gesellschaftlichen Bedingungen – nicht mehr im gleichen Maß an frühere Erfolge anschließen konnte? Der gesundheitlich angeschlagene Komponist arbeitete auf jeden Fall ab 1876 mit großer Energie an seinem 102. Bühnenwerk. Die Oper »Les Contes d'Hoffmann« – das Libretto dazu schrieb Barbier alleine, nachdem Carré 1872 verstorben war – sollte ursprünglich für das Pariser Théâtre de la Gaîte-Lyrique als Opéra-lyrique entstehen (mit orchesterbegleiteten Rezitativen zwischen den Musiknummern); bevor es dazu kam, geriet das Theater aber in Konkurs. Am 15. Mai 1879 veranstaltete Offenbach in seiner Pariser Wohnung ein Hauskonzert und stellte dabei einige der Nummern aus der gerade entstehenden Oper vor. Der Erfolg war so groß, dass Leon Carvalho, der Direktor der Pariser Opéra-Comique das Werk zur Uraufführung annahm. Dafür musste das Konzept aber geändert werden, nicht nur da an diesem Haus Dialoge statt Rezitativen verlangt waren, sondern auch weil die ursprünglich für einen Bariton konzipierte Hauptrolle nun von einem Tenor gesungen werden sollte. Und da Offenbach schon immer seine Musik bestimmten Solisten und deren Möglichkeiten anpasste, komponierte er wesentliche Teile des Werkes für die zur Verfügung stehende Besetzung neu. An einigen Proben konnte der Komponist noch teilnehmen, er verstarb aber am 5. Oktober 1880, ohne die »Krönung seines Schaffens« auf der Bühne erlebt zu haben. Und ohne sie vollständig hinterlassen zu haben, auch wenn die Familie Offenbach (und die ersten Biographen) das Gegenteil behaupteten. Ernest Guiraud (er hatte auch die RezitativFassung für Georges Bizets »Carmen« komponiert) fiel die Aufgabe zu, das Werk für den Bühnengebrauch und die Uraufführung 1881 an der Opéra-Comique einzurichten. Zusätzlich griff aber auch Leon Carvalho in die Substanz des Werkes ein, als er beispielsweise die Doppelrolle von Muse und Nicklaus auf zwei Sängerinnen aufteilte und letztendlich sogar den ganzen Giulietta-Akt – wegen der Länge des Werkes – streichen, die wirkungsvolle Barkarole dafür in den Antonia-Akt einlegen ließ. Zwischen 1881 und 1890 erschienen mehrere stark voneinander abweichende Druckausgaben von Offenbachs Oper, doch um die Welt ging das Werk vor allem in einer Version, die 1907 herausgegeben wurde und für die weder Guiraud noch Barbier verantwortlich zeichneten. In dieser Ausgabe findet sich erstmals die später berühmte »Spiegel-Arie« des Dapertutto (korrekterweise müsste sie »Diamanten-Arie« heißen), die von unbekannter Hand nach einer Melodie aus Offenbachs Operette »Voyage dans la lune« geschaffen wurde, und ein Septett, für das es bis heute keinen Beweis gibt, dass es auf Offenbach zurückgeht. Diese liebgewonnenen Einlagen von fremder Hand (das Septett allerdings als Quartett) finden sich auch in der Gesamtaufnahme des Werkes unter Richard Bonynge. Er darf für sich in Anspruch nehmen, als erster – noch vor der ersten quellenkritischen Ausgabe und der Wiederauffindung von Materialien, die Guiraud in seiner Aufführungsversion nicht berücksichtigte – in einer Schallplattenproduktion den Versuch unternommen zu haben, sich jener Version anzunähern, wie sie für die Uraufführung vorgesehen, dann letztendlich aber nicht realisiert wurde: natürlich ist in seiner Aufnahme auch der in der Weltpremiere gestrichene Giulietta-Akt enthalten, dafür wird aber konsequent auf Rezitative verzichtet und die Doppelrolle von Muse und Nicklaus wieder eingeführt (in früheren Aufnahmen hatte man beispielsweise die Muse zu Beginn ganz gestrichen, womit die Rolle des Nicklaus an Bedeutung verlor und die Rahmenhandlung ihres dramaturgischen Sinns beraubt wurde). Außerdem konnte Richard Bonynge mit seiner Ehefrau, der australischen Koloraturprima5 donna Joan Sutherland in den vier zentralen Frauenpartien, ein wesentliches Element des Werkes realisieren, das in Aufführungen, in denen die Frauenpartien von verschiedenen Sängerinnen verkörpert werden, nicht zur Geltung kommt: Hoffmann erzählt nicht die Geschichten seiner Leidenschaften, sondern schildert – gleichsam abstrakt – mittels der drei Frauengestalten drei Aspekte einer einzigen Liebe: »Drei Frauen im nämlichen Weibe«, wie es in einer alten Übersetzung heißt. HANDLUNG Prolog. In Luthers Weinstube in Berlin. Gleichsam aus dem Nichts erscheint die Muse. Sie klagt über den Dichter Hoffmann; wieder vernachlässigt er sie einer Frau wegen. In der Gestalt von Hoffmanns treuem Freund Nicklaus will die Muse einen Weg finden, Hoffmann von seiner unglücklichen Liebe zur Sängerin Stella abzubringen [CD 1/1: »Glou! glou! glou! je suis le vin«]. Während sich die Muse entfernt, tritt Stadtrat Lindorf ein, Hoffmanns Rivale um die Gunst der gefeierten Sängerin. Er besticht deren Diener Andrés, kommt so in den Besitz eines Briefes, in dem die Sängerin den Dichter nach der Vorstellung zu sich bestellt; Lindorf will dort selbst erscheinen [CD 1/2: »Dans les rôles d'amoureux langoureux«]. In der Zwischenzeit strömen die Studenten in Luthers Weinkeller, und mit ihnen kommt auch Hoffmann in Begleitung seines Freundes Nicklaus. Der Dichter ist schlecht gelaunt, tief bewegt hängt er seinen Gedanken an Stella nach, die er soeben in der Oper gesehen hat. Seine Freunde bringen ihn zwar dazu, ein bizarres Lied, die Geschichte von Kleinzack, anzustimmen, Hoffmann gerät dabei aber in romantische Schwärmereien; ihm gelingt es nicht, auch nur für einen Moment, Stellas Schönheit zu vergessen [CD 1/5: »II était une fois à la cour d'Eisenach«]. Als er den Stadtrat Lindorf erblickt, glaubt er in ihm seinen ewigen Widersacher zu erkennen. Neugierig wollen die Freunde mehr erfahren. Sie verzichten darauf, in die Oper zurückzukehren; Hoffmann beginnt, die Geschichten seiner drei großen Liebesabenteuer zu erzählen. Lucia Popp als Olympia, Wiener Staatsoper 1966 1. Akt. In Spalanzanis physikalischem Kabinett. Hoffmann hat sich in Olympia verliebt, die Tochter des Erfinders Spalanzani; um ihr nahe sein zu können, studiert er bei ihrem Vater Physik [CD 1/9: »Allons! Courage et confiance«]. In Wirklichkeit aber ist Olympia ein kunstvoller Automat in täuschend ähnlicher Menschengestalt, geschaffen von Spalanzani und dem Optiker Coppelius, der die Augen der Puppe beigesteuert hat und aus diesem Grund Anspruch auf die »Vaterschaft« erhebt. Spalanzani kauft ihm dieses Recht mit einem wertlosen Wechsel ab. Coppelius zieht sich – vorerst zufrieden gestellt – zurück, nicht ohne zuvor noch dem Dichter eine magische Brille verkauft zu haben, durch die man genau das sieht, was man sehen möchte [CD 1/11: »J'ai des yeux, de vrais yeux«]. Nicklaus hat zwar all den Schwindel um Olympia durchschaut, Hoffmann lässt sich jedoch auch vom Spott seines Freundes nicht von seiner Liebe zu Olympia abbringen. – Die Gäste einer Soiree erscheinen; stolz führt ihnen Spalanzani seine »Tochter« vor, die eine Arie 6 zum Besten gibt, allerdings mit gewissen Problemen im mechanischen Ablauf [CD 1/13: »Les oiseaux dans la charmille«]. Während sich die Gesellschaft in den Speisesaal zurückzieht, bleibt Hoffmann allein bei Olympia und gesteht der Puppe – nun erst recht durch die magische Brille verblendet – seine Liebe [CD 1/14: » lIs se sont éloignes enfin!«]. Beim anschließenden Ball gerät der Automat außer Kontrolle und tanzt immer schneller, bis schließlich Hoffmann zu Boden stürzt. Inzwischen hat Coppelius den Wechselbetrug entdeckt. Unbemerkt hat er sich unter die Gäste gemischt und auf eine Gelegenheit gelauert, um Rache zu nehmen. Seine Stunde ist gekommen, als Olympia nach dem Zwischenfall fortgeführt wird und sich die Gäste um den zu Boden gestürzten Hoffmann kümmern: Coppelius zertrümmert die Puppe, Hoffmann muss erkennen, dass er in einen mechanischen Automaten verliebt war. 2. Akt. In einem venezianischen Palazzo. Eine romantische Barkarole ertönt [CD 1/17: »Belle nuit, ô nuit d'amour«], während Hoffmann Zerstreuung in Spiel und Alkohol sucht: er besingt die Freuden des Genusses und will von Liebe nichts mehr wissen [CD 1/18: »Amis! l'Amour tendre et rêveur«]. Und doch ist er von Giulietta, einer Kurtisane fasziniert. Sie dient den teuflischen Unternehmungen des zwielichtigen Dapertutto. Dieser konnte sich bereits dank der Verführungskünste der Kurtisane des Schattens von Schlemihl bemächtigen, nun verlangt er das Spiegelbild von Hoffmann [CD 2/1: »Scintille, diamant«]. Giulietta täuscht dem Dichter ihre Liebe vor, und schon ist dieser bereit, sein Leben und seine Seele der schönen Frau hinzugeben; er ist zwar befremdet, als Giulietta sein Spiegelbild verlangt, ist aber letztendlich bereit, auch dieses für die geliebte Frau zu geben [CD 2/3: »Malheureux, tu ne comprends donc pas«]. Schlemihl fordert seinen Nebenbuhler um die Gunst der Kurtisane zum Duell und wird von ihm getötet. Nicklaus droht, seinen Freund mit Gewalt aus der Stadt zu bringen, aber Hoffmann will unbedingt diese Nacht bei Giulietta verbringen. Dapertutto gibt ihm einen angeblich mit einem Schlafmittel versetzten Wein, um den übereifrigen Freund kurzzeitig außer Gefecht zu setzen – in Wirklichkeit ist jedoch Gift im Kelch. Versehentlich trinkt Giulietta davon und stirbt in den Armen von Hoffmann, nicht ohne zuvor noch ihre Verachtung für ihn zum Ausdruck gebracht zu haben. [Mit dem Tod der Giulietta hat Richard Bonynge für seine Aufnahme eine auch teilweise in Bühnenaufführungen benützte Variante gewählt, die von der gängigen Handlungsführung abweicht: in den traditionellen Fassungen tötet Hoffmann Schlemihl im Duell, gelangt so zum Schlüssel von Giuliettas Boudoir, das er aber leer vorfindet; die Kurtisane ist längst, nachdem sie Dapertuttos Wusch nach Hoffmanns Spiegelbild erfüllt hat, in einer Gondel mit ihrem Diener Pitichinaccio entflohen.] 3. Akt. In München. Hierher ist Crespel mit seiner Tochter Antonia vor den Nachstellungen Hoffmanns geflohen. Antonia hat von ihrer Mutter, einer berühmten Sängerin, die an einer geheimnisvollen Krankheit gestorben ist, nicht nur eine begnadete Stimme sondern auch deren Leiden geerbt [CD 2/5: »Elle a fui, la tourterelle«]. Nun versucht Crespel, Anstrengungen und Aufregungen von seiner Tochter fernzuhalten, hat ihr deshalb auch das Singen und den Kontakt mit ihrem Geliebten verboten. Um sie zu schützen, befiehlt Crespel dem schwerhörigen Diener Frantz, Fenster und Türen geschlossen zu halten und niemanden hereinzulassen. Doch alle Vorsichtsmaßnahmen sind vergeblich: Hoffmann hat seine Geliebte aufgespürt und lockt sie mit dem gemeinsamen Liebeslied in seine Arme [CD 2/7: »C'est une chanson d'amour qui s'envole«]. Dem Geheimnis um Antonias Krankheit und damit auch dem Grund für die ständige Flucht der Familie Crespel kommt er auf die Spur, als er heimlich ein Gespräch zwischen dem Vater und Doktor Mirakel belauscht. Crespel gibt dem dämonischen Doktor die Schuld am Ableben seiner Frau und will ihm nicht auch noch seine Tochter anvertrauen. Mit Grauen wird Hoffmann Zeuge von Doktor Mirakels Macht: Es gelingt dem unheimlichen Arzt, die nicht anwesende Antonia 7 zum Singen zu bringen [CD 2/8: »Que veux-tu faire?«]. Hoffmann nimmt nun seinerseits der Geliebten das Versprechen ab, nicht mehr zu singen, doch kaum ist er gegangen, erscheint auch schon wieder Mirakel. Er weckt mit seinen Einflüsterungen Antonias Ehrgeiz nach einer Laufbahn als Sängerin. Antonia kann sich nur anfangs wehren. Als sie aber die Stimme der Mutter zu vernehmen glaubt, kann sie nicht mehr widerstehen: Antonia steigert sich in ihrem Gesang, bis sie zusammenbricht [CD 2/9: »Tu ne chanteras plus«]. Als Crespel zurückkommt, findet er nur noch seine sterbende Tochter vor. Verzweifelt klagt er Hoffmann an, während Doktor Mirakel nur sachlich den Tod der Patientin konstatiert. Epilog. Wieder in Luthers Weinkeller. Hoffmann hat seine Erzählungen beendet: Die drei Heldinnen waren nichts anderes als Manifestationen seiner Geliebten Stella. Die Muse erscheint wieder und fordert den Dichter auf, der Liebe zu entsagen [CD 2/14: »Et moi? Moi, la fidèle amie«]. Als endlich Stella kommt, weist Hoffmann sie zurück; die Primadonna verlässt die Weinstube am Arm von Stadtrat Lindorf [CD 2/15: »Adieu! Je ne veux pas te suivre«]. Hoffmann ist geheilt und frei für seine einzig wahre Geliebte, die Kunst. 8