Wunderbare Woche Unsere 5. FNL Kräuter-Vital-Woche war ein überwältigendes Erlebnis. Zu den Vorträgen kamen oft bis zu 50 Kräuterfreunde und die einzelnen Tage mit den tollen Referenten haben so gefallen, dass es Lob von allen Seiten gab. Ich danke allen Referenten und Teilnehmern für die beglückende Zeit und kündige heute schon an: Die nächste Kräuter-Vital-Woche gibt es in der ersten Juliwoche 2017. Referent Hans Fuchs Abschlusskreis mit Frau Rosenstatter unsere Bundesleiterin mit Dr. Florian Ploberger Referent Wolfgang Schröder Referentin Susanne Flintsch Prof. Mag. Dr. Helmut Zwander Am 15. August haben wir alle viel zu tun, Mariä Himmelfahrt ist eine „Hoch“zeit für Heilpflanzen und Kräutergärten. Im Kräutergarten Dreifaltigkeit feiern wir das 15-jährige Bestehen (siehe Seite 41) mit einem noch größeren Fest als üblicherweise. Vielleicht sehen wir uns, wünscht sich deine Bundesleiterin Sieglinde Salbrechter Rosenstatter Monika Gesundheitsbote Gesund Ges undhei heitsb tsbote ote 4 – 2016 2016 1 f Natternkop • Das Kraut für die Liebe 2 Freunde naturgemäßer Lebensweise Natternkopf (FKLXPYXOJDUH So ein Schlingel! Manchmal jahrelang nicht auffindbar und heuer in großer Anzahl an jedem Wegrain zu sehen. Offenbar schaut es mit der Liebesbereitschaft der Menschen im Moment gar nicht gut aus, deshalb muss sich der Natternkopf aus der Versenkung wagen. „Schaut mich an“, sagt er. „Ich bin doch da und helfe euch!“ Man sagt ihm nach, er würde die Lust auf Liebe vergrößern. Das gilt für alle seine Teile, vor allem für die haarigen Blättchen und blauen Blüten, die, fein zerschnitten, in jeden Salat passen. Kleine Mengen natürlich, denn größere Mengen sind nicht bekömmlich, das sagt man ja dem Beinwell (einem Familienmitglied) auch nach. Werden die Blätter zerkleinert, merkt man nichts mehr von der Widerborstigkeit. 3ȵDQ]HQVDIW = gut bei Unterschenkelgeschwüren Einige große Natternkopf-Pflanzen (inklusive Wurzeln) gründlich waschen und mit wenig Wasser in einem Hochleistungs-Mixer zerkleinern. ANWENDUNG Bei Unterschenkelgeschwüren betroffene Stellen an den Beinen mit einem keimfreien Tuch abdecken. Den Pflanzenbrei darauf verteilen, dabei die Beine hochlagern. Eine ½ Stunde einwirken lassen, bis der Brei durch die Körperwärme antrocknet. Dieser Pflanzenbrei kann auch bei Nagelbettentzündungen und eiternden Wunden hilfreich sein, ebenso bei Abszessen und Furunkeln. Pflanzensaft erhält man durch Auspressen (mit Wasser zerkleinern, dann durch ein Tuch pressen) der grünen Teile des Natternkopfs. Dieser Saft ist ausschließlich für den äußerlichen Gebrauch bestimmt, zum Beispiel in Salben bei Venenschwäche, Stichen von Insekten oder Tierbissen und gereizter, schuppiger Körperhaut. Gut beschriften, damit den Saft niemand trinkt. Der Saft hält im schrank einige Tage, nach MöglichKühlschrank lso schnell verwenden. keit also natternkopf Gesundheitsbote 4 – 2016 3 Gesund Ges 'URJH GLH:XU]HO Radix Echii (syn. Radix Buglossi agrestis) = Natternkopfwurzel. In alten Büchern finden sich innerliche Anwendungen des Tees oder der WurzelTinktur bei fieberhaften Zuständen, bei Hauterkrankungen, vor allem aber auch bei sexuellen Problemen – wenn m(M)an(n) keine Lust mehr hat. Im 1. Jahr bildet der Natternkopf eine steifhaarige Blattrosette mit einer langen kräftigen Pfahlwurzel aus. Im 2. Jahr den bis 1,5 Meter hohen Blütenstand. Natternkopfwurzeln werden im 1. Jahr gegraben, die Wurzeln ragen bis in 2 Meter Tiefe. Der Gehalt an Allantoin und an Pyrrolizidinalkaloiden, z. B. Heliosupin, ist etwa so hoch wie beim Beinwell, beim Menschen ist die Vergiftungsgefahr gering, Tiere halten sich in der Regel von der Pflanze fern, schon wegen der unangenehmen Borsten an Stängeln und Blättern. ,P*DUWHQ Bienen und Schmetterlinge lieben den Natternkopf über die Maßen. Er darf in einem Naturgarten auf keinen Fall fehlen! Natternkopf ist zwei- bis mehrjährig und blüht ab Juni bis in den Oktober hinein. Er braucht einen trockenen Standort. Die kelchförmigen Blüten sind unterschiedlich gefärbt. Die Blütenfärbung hängt, 4 Freunde naturgemäßer Lebensweise wie beim Lungenkraut, vom Säuregehalt des Zellsaftes ab. In der Knospe sind die Anthocyanfarbstoffe rot, in der offenen Blüte (neutral) zunächst blauviolett und später (schwach basisch) blau. » Die Staubblätter ragen aus der Blüte heraus und erinnern an eine züngelnde Schlange, wahrscheinlich bekam die Pflanze deshalb den Namen. » Die Samen werden vom Wind verstreut oder bleiben an Tieren hängen (klettenartige Samen). » Die Pflanze gehört zur Familie der Raublattgewächse (Boraginaceae) und kann wie Beinwell verwendet werden. )¾U/XVWXQG/LHEH Kleine und noch sehr junge Blättchen, können – fein geschnitten – in kleinen Mengen in einen Salat oder ins Gemüse. Nach dem Essen der Blätter, so die Überlieferung, ist das sexuelle Verlangen erhöht, ob das stimmt, muss jeder selbst ausprobieren. Es wird auch von Frau zu Frau, von Mann zu Mann, verschieden sein. Für Kinder ist der Natterkopf eine ungeeignete Pflanze. S.H. Döldchenstrahl Doldenstrahl ːņċò§Ü²ā Hülle Hüllchen 6 Freunde naturgemäßer Lebensweise ċò§Ü²ā Nachricht aus der Welt der weißen Riesen Dem Schwierigen geht man gerne aus dem Weg. Das gilt auch für die Bestimmung von Pflanzen, wenn diese mit dem Handy-App oder wortkargen Bilderbüchern nicht ad hoc und „dodelsicher“ funktioniert. Um kaum eine Pflanzenfamilie wird so gerne ein Bogen gemacht, wie um unsere Doldenblütler, denn hier bedarf es neben der Kenntnis einiger botanischer Begriffe vor allem an einem: der Geduld zur Entwicklung des „DoldenblütlerBlickes“. Am Anfang wird man sich mit lästigen Fragen nach dem Grad der Fiederung, also dem „Zerteilungsgrad“ der Laubblätter, nach der Anzahl von blütentypischen Dolden- und Döldchenstrahlen, nach dem Vorhandensein von Hüll- und Hüllchenblätter befassen, bis sich durch wiederholten Vergleich die faszinierende Welt der weißen Riesen zu öffnen beginnt. Hat man einmal den Fuß in der Tür, so zeigen sich auch kleine Zwerge, wie z. B. der alpine Zwerg-Liebstock oder der nur in den Südalpen vorkommende Rote österreichische Bärenklau, der jedes Edelweiß ins Abseits stellt. Oft fehlen jedoch Ausdauer und Muse zum Detail und so darf man sich nicht wundern, wenn heute von der einst langen Liste einer von der Antike bis in die frühe Neuzeit hoch angesehenen und medizinisch intensiv genutzten Pflanzenfamilie nur wenige das Ufer der „modernen Volksheilkunde“ erreicht haben. Wer kennt heute noch die Verwendung der unterirdischen Organe des breitblättrigen Laserkrautes / Weißer Enzian (Laserpitium latifolium), welche einst als „Wurzel des Weißen Enzians“ zur Kräftigung und Rekonvaleszenz über den Ladentisch der Apotheken gingen? In welchem Bauerngarten wird heute noch das Berg-Laserkraut / Bergkümmel (Laserpitium siler) kultiviert, das nach der Landgüteverordnung Karl des Großen in jedem Kloster als Mittel gegen funktionelle Magen-Darm-Beschwerden angebaut werden sollte? Welcher Arzt weiß heute um das schleimlösende und antivirale Potential der Heildolde (Sanicula europea), obwohl für das durch Hildegard von Bingen populär gewordene Kraut ein „positives Zeugnis“ durch die Kommission E des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes vorliegt. Kaum eine Bäuerin nutzt heute noch die Früchte des wild wachsenden Myrrhenkerbels (Myrrhis odorata), die aufgrund des Inhaltsstoffes Anethol eine ähnlich schleimlösende Wirkung wie Anissamen besitzen und einst auch zur Aromatisierung von Süßspeisen genutzt wurden. Eine Reihe von Trivialnamen wie Alpen-Mutterwurz (Ligusticum mutellina), Gesundheitsbote 4 – 2016 7 Augenwurz (Atamantha cretensis) oder Hirschheil (Seseli libanotis) verweisen darauf, dass man einst mehr über den Nutzen der Doldenblütler zu erzählen wusste. Abb. oben: Ein seltener Zwerg zeigt seinen roten Kopf. Der Rote österreichische Bärenklau ist ein Endemit der Südlichen Kalkalpen. (Foto: Vogt) 8 Freunde naturgemäßer Lebensweise Abb. oben: Die Früchte der Süßdolde im Bergwald sind ein Leckerbissen mit Anisgeschmack. (Foto: Vogt) Abb. unten: Das Blatt des „Weißen Enzians“ hätte man zur Zeit Karl des Großen in jedem Klostergarten gefunden. (Foto: Vogt) Gesundheitsbote 4 – 2016 9 Einen nicht unwesentlichen Beitrag zum „gefälligen Vergessen“ der Doldengewächse leistete eine zum Teil unsachliche Panikmache bezüglich ihrer Toxizität, denn von den ungefähr 165 im Alpenraum zu entdeckenden „Luftgestalten“ gelten gerade einmal drei als hochtoxisch. Mit einer gehörigen Portion Glück kann einem der stark gefährdete Wasserschierling (Cicuta virosa) im Flachwasserbereich silikatischer Gewässer vielleicht einmal im Leben „über den Weg schwimmen“ – bleiben also im Regelfall nur noch der Gefleckter Schierling und die Hundspetersilie im Rennen. Eine Entwarnung gab die moderne Toxikologie für den Betäubenden Kälberkropf (Chaerophyllum temulum), an dessen Stelle die in Feuchtbiotopen Südeuropas (Südfrankreich, Iberische Halbinsel) und Nordafrikas wachsende Safranrebendolde (Oenanthe crocata) gerutscht ist. Ein allgemeines „Ausweichverhalten“ darf auch der Angst vor der berüchtigten Wiesen- oder Fotodermatitis, einer durch spezielle Inhaltsstoffe (Furocumarine) ausgelösten Herabsetzung der Lichtreizschwelle unserer Haut mit durchaus imposanter Zellschädigung als mögliche Folge, zugeschrieben werden. Aber auch hier ist ein „familiäres Pauschalurteil“ nicht haltbar, denn die für eine Lichtsensibilisierung ernst zu nehmenden Verdächtigen können an einer Hand abgezählt werden. Dazu zählen Erzengelwurz (Angelica archangelica), Pastinak (Pastinaca sativa), Liebstöckel (Levisticum officinale), die aus dem Mit- 10 Freunde naturgemäßer Lebensweise telmeerraum eingeschleppte Knorpelmöhre (Ammi majus) und natürlich der Medienliebling Riesenbärenklau (Heracleum mantegazzianum). Aus eigener Erfahrung darf auch der Waldengelwurz ein schwaches Sensibilisierungspotential zugeschrieben werden. Dieses Problem kann durch Verwendung von Handschuhen bei der Ernte und Verarbeitung jedoch leicht behoben werden. Fast amüsant ist ein aus den 1950erJahren stammendes Pauschalurteil über das angeblich kanzerogene, also krebserregende Potential des in Doldenblütlern oft anzutreffenden Inhaltsstoffes Cumarin, hätte diese wenig differenzierte Behauptung nicht selbst nach Aufhebung einer „Ära der Prohibition“ und Korrektur bei vielen Pharmazeuten und Pflanzen- Abb. oben: Ein grüner Engel entfaltet seine Flügel. Unsere Waldengelwurz besitzt ein sehr ähnliches Spektrum an Inhaltsstoffen wie die Erzengelwurz und zeigt im Experiment ein angstlösendes Potential. (Foto: Vogt)