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YOUR History - Mehr Wissen über den Holocaust für Jugendliche.
Ein multimediales Geschichtsprogramm des Hallischen Instituts für Medien (HIM) e.V. © 2015
Kontakt:
Hallisches Institut für Medien e.V.
YOUR HISTORY
Mansfelder Straße 56 / MMZ
06108 Halle (Saale)
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Website: http://yourhistory.de/Your_History/Startseite.html
Mail: [email protected]
Telefon: 0345-77891140
Texte aller Clips:
Einführungsclip
Hilfeclips (1-4)
History Clips (75)
S. 2
S. 5
S. 10 - 102
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YOUR HISTORY – Einführungsclip: Die NS-Filmpropaganda
Text: H = Sprecher André Hüttner / A = Sprecherin Lisa Adler
H
Dokumentarische Filmbilder zeigen, was sie darstellen. Das ist richtig, und doch reicht diese
Beschreibung nicht aus, das Filmbild und seine Wirkung vollständig zu erfassen.
A
Diese Bilder zum Beispiel zeigen eine Übung der Berliner Feuerwehr aus dem Jahre 1912. Hier
wurde ein Kamerastandpunkt und eine Kameraperspektive gewählt, durch die der Zuschauer
der Rettungsaktion gut folgen kann. Die Kamerabewegung, ein Schwenk, unterstreicht die
Dynamik und Dramatik des Geschehens. Dies kann im Schnitt der bewegten Bilder, in der
sogenannten „Montage“ noch verstärkt werden. Filmbilder stellen vielmehr ein eigenes Leben
auf der Leinwand her. Sie schaffen eine „gemachte“ Wirklichkeit, die so nur im Medium der
bewegten Bilder entstehen kann.
H
Auch die Filmbilder, die uns aus der Zeit der Nazidiktatur 1933 bis 1945 erhalten geblieben
sind, stellen nicht nur dar, was sie abbilden. Sie sind in ganz besonderer Weise eine „gemachte
Wirklichkeit“.
A
Alle Filme, das Fernsehen, Zeitungen und Radio unterlagen in der Naziherrschaft einer strikten
Zensur. Das heißt: Geschrieben, gedreht und gesendet durfte nur werden, was die politischen
Machthaber darstellen wollten. Dabei benutzten sie besonders das Medium Film auch dazu, die
Wirklichkeit zu verfälschen und ausschließlich in ihrem Sinne darzustellen. Sie wollten die
Masse der Bevölkerung dadurch beeinflussen. Diese einseitige und verfälschende Verwendung
von Medien für politische Zwecke nennt man Propaganda.
H
Die von den Nazis betriebene Film-Propaganda verfolgte drei große Ziele:
Schrifttafel: Parteipropaganda Der Jude als Feind Kriegspropaganda
Diese Bilder zeigen den Triumphzug der Nationalsozialisten durch das Brandenburger Tor am
30. Januar 1933, nachdem ihr Anführer Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde.
Falsch. Diese Bilder wurden ein halbes Jahr nach der NS-Machtübernahme gedreht. Mit
großem filmischen Aufwand auf hochwertigem Farbmaterial in damals bester Qualität.
A
Diese Filmbilder zeigen also nicht, was am 30. Januar am Brandenburger Tor wirklich geschah.
Sie dienen vielmehr dazu, die Nazipartei größer, wichtiger und pompöser erscheinen zu lassen,
als sie es am Beginn ihrer Schreckensherrschaft zunächst wirklich war.
H
Diese Bilder dienen einem ähnlichen Zweck: Sie behaupten: Die Staatspartei ist eine
Volkspartei der Massen. Sie sollen die enge Verbindung zwischen dem Volk, besonders den
Jungen, und dem „Führer“ Adolf Hitler zeigen.
A
Hitler ragt stets aus der Masse heraus. Mal wirkt er als der einsame Führer, mal soll er als der
Magnet der Massen erscheinen, auf den alle Menschen ausgerichtet sind. Dann wieder als
väterlicher Herrscher, ganz privat ein netter Onkel. Ein Volk, ein Reich, ein Führer – die
Menschen in Deutschland sollten sich mit Hitler und seiner Partei voll und ganz identifizieren.
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O-Ton Heß
H
Hitler-Vertrauter Rudolf Heß bringt auf den Punkt, was die zuvor gezeigten Propagandabilder
behaupten. Die Absicht, Hitler, Nazipartei und Volk als eine Einheit erscheinen zu lassen, war
eng mit einem zweiten Ziel der NS-Propaganda verbunden:
Schrifttafel: DER JUDE ALS FEIND
A
Die Juden wurden auf Plakaten, in Schulbüchern und Filmen als hinterlistige und
niederträchtige Feinde der Volksgemeinschaft zwischen dem Führer und dem deutschen Volk
verächtlich gemacht. Die Judenfeindlichkeit war radikal, zeigte jüdische Figuren immer wieder
mit denselben Attributen: unrasiert, gebogene Nase, stechende Augen.
H
Den Höhepunkt dieser Verfälschung des wirklichen jüdischen Lebens stellte der Film „Der
ewige Jude“ dar. In diesem von den Nazis so genannten „Dokumentarfilm“ sind Bilder aus den
polnischen Ghettos zu sehen. Unter Zwang waren die polnischen Juden von den Nazis seit
Kriegsbeginn 1939 in diese Ghettos deportiert worden. Hier mussten sie unter
menschenunwürdigen und lebensbedrohenden Bedingungen leben. Diese Verfälschung der
wahren Umstände in Polen geht schließlich so weit, dass die Juden im Ghetto durch
Montageüberblendungen direkt mit Ratten verglichen werden. Und der Kommentar gibt vor, wie
der Zuschauer diesen Schnitt verstehen soll:
O-Ton „Der ewige Jude“
Film als Verbrechen. Den NS-Machthabern sollte der Film „Der ewige Jude“ als Legitimation für
Massenmord dienen, der an den Juden in Osteuropa schon begonnen hatte.
A
Filmpropaganda der Nazis sind aber auch diese Bilder. Sie zeigen anscheinend das genaue
Gegenteil: jüdische Bewohner im Ghetto Theresienstadt. Die SS hat diesen Film 1944 drehen
lassen. Der Film war für Zuschauer im Ausland gemacht. Er sollte beweisen: Den Juden in den
Konzen-trationslagern und Ghettos geht es nicht schlecht. Die massenhafte Ermordung von
Juden in Vernichtungslagern sei nur Gräuelpropaganda. Doch die Lagerwirklichkeit im KZ
Theresienstadt sah gleichfalls anders aus. Nur: Bewegte Bilder von den wahren Verhältnissen,
durch die mehr als 33.000 Häftlinge in Theresienstadt umkamen, sind nicht überliefert.
Schrifttafel: KRIEGSPROPAGANDA
Mit ihrem verfälschenden Film über Theresienstadt verfolgte die SS schließlich auch ein
weiteres Ziel der NS-Propaganda: Falschund Fehlinformationen ihrer Kriegsgegner. Eine Form
der Kriegspropaganda.
H
So wie diese Bilder hier. Vorrückende Panzerverbände, anfliegende Bomberstaffeln. Zu Beginn
des 2. Weltkriegs verkünden diese Bilder von den Fronten des Krieges, dass die deutsche
Armee unbesiegbar sei. Dann die vielen Toten in der Schlacht von El Alamein in Nordafrika im
Herbst 1942, schließlich die Katastrophe in Stalingrad im Winter 1942/43. Die Propaganda kann
die Kriegsniederlagen nicht mehr leugnen. Also versucht sie, sie zu beschönigen.
A
Nach der verheerenden Niederlage in der Schlacht um Stalingrad läßt
Reichspropagandaminister Joseph Goebbels im Berliner Sportpalast diese Jubelveranstaltung
inszenieren. Goebbels selbst gibt den Hauptredner und erklärt unter dem frenetischen Beifall
des handverlesenen Publikums dem Ausland den „totalen Krieg“. Wieder sollen diese Bilder die
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unverbrüchliche Einheit von Volk und Nazipartei verbriefen, diesmal allerdings schon vor dem
Hintergrund der sich abzeichnenden Kriegsniederlage.
H
Doch bis zur totalen Niederlage zeigt die NS-Filmpropaganda immer jünger werdende
Kriegshelden, berichtet von tapferen Taten, frischen Heerestruppen und bereitstehenden
Wunderwaffen. Nichts von alledem ist wahr.
A
Die Mehrzahl der Filmaufnahmen aus Deutschland der Jahre 1933 bis 1945 sind nichts weiter
als Bilder-Lügen.
Rolltitel
H
In 75 Clips werden auf diesem Webportal die Vorgeschichte und die Geschichte des Holocaust
mit dokumentarischen Filmaufnahmen nacherzählt, auch mit sehr vielen Bildern, die in der
Nazizeit zum Zwecke der beschriebenen Propaganda hergestellt wurden. Die in den Clips
verwendeten Bilder stehen auch im Archiv dem Nutzer des Portals für den Schnitt eigener Clips
zur Verfügung.
A
Viele dieser Bilder sind Propagandaaufnahmen. Sie können große Gefühle beim Zuschauer
hervorrufen und geben verfälschende und verzerrende Sichtweisen auf die historische
Wirklichkeit wieder. In den Clips wird durch den Kommentar versucht, die propagandistischen
Zwecke der Bilder zu brechen, sie einzuordnen und dem Zuschauer verständlich zu machen.
H
So sollte sich auch jeder Betrachter und jeder Nutzer von Archivmaterialien dieses Webportals
der Verführungskraft der Film-Propaganda stets bewusst bleiben. Die Aufnahmen, die hier zu
sehen sind, müssen mit kritischem Blick betrachtet werden.
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YOUR HISTORY – Hilfeclips (vier Teile)
Teil 1: Allgemeine Funktionen
Die Anwendung von YOUR HISTORY bietet Dir die Möglichkeit, Dich über die Geschichte des
Nationalsozialismus und des Holocaust in Form von Filmaufnahmen zu informieren. Du kannst
die Informationen sammeln, speichern und auch selbst Videoclips aus den Materialien
herstellen und anderen zeigen.
In vier Teilen kannst Du hier erfahren, wie das funktioniert. Die Anwendung ist in sechs Bereiche
unterteilt:
• Eine perspektivische Karte von Europa mit den wichtigsten größeren Städten.
• Ein Band mit Videos befindet sich am oberen Bildschirmrand, die sog. HISTORY CLIPS.
• Videomaterial, welches sich im Raum über der Karte anordnet, das HISTORY FOOTAGE. • Eine Zeitleiste am linken Bildrand. • Ein Menü mit Sortierungswörtern am rechten Bildrand. • Und eine Werkzeugleiste mit unterschiedlichen Symbolen am unteren Bildschirmrand.
Dies sind die wichtigsten Elemente, um in der Anwendung zu navigieren und Inhalte
auszuwählen. Um Dich in der Anwendung zu bewegen, hast Du mehrere Möglichkeiten: • Bei gedrückter Maustaste kannst Du dich durch Ziehen nach links, rechts, vor und zurück bewegen. • Bewegst Du bei gedrückter Maustaste die Zeitleiste nach oben oder unten, so erhältst Du
anderes, zeitbezogenes FOOTAGE. • Führst Du im Himmelsbereich, über der Karte, die gedrückte Maustaste nach rechts oder
links, dreht sich die Ansicht, als würdest Du Dich über der Karte umsehen. Seite 6 von 102
• Mit dem Scrollrad der Maus bedienst Du die Zoom-Funktion, mit der Du den Zeitleistenbereich
verkleinern oder vergrößern bzw. näher an die Karte heran oder weiter weg gelangen kannst. Wenn Du ein Trackpad oder Touchpad benutzt, sind die Funktionen
entsprechend der jeweiligen Gestensteuerung verfügbar. Teil 2: Verwendung der HISTORY CLIPS
Die Videos in dem Band am oberen Bildschirmrand sind die HISTORY CLIPS. Hier findest Du
insgesamt 75 aus historischen Filmarchiven montierte Kurzfilme, mit einer durchschnittlichen
Länge von fünf Minuten. Die HISTORY CLIPS sind von Historikern, Medienwissenschaftlern
und Medienpädagogen geprüft worden, und sie zeigen und kommentieren verschiedene
Aspekte der Themengebiete.
Die Leiste am oberen Rand kann durch Drücken und Ziehen der Maus nach links oder rechts
bewegt werden, damit die gesamten 75 HISTORY CLIPS angesehen werden können. Die
übergeordneten Kapitel können jedoch auch gezielt im HISTORY CLIPS-Menü angesteuert
werden, indem Du auf den darüber liegenden Schriftzug klickst.
In dem Menü werden die Hauptkapitel angezeigt, zu denen die Filme zusammengestellt
wurden. Entsprechend der Auswahl springt die gesamte Leiste zu dem gewünschten Kapitel.
Sobald Du mit der Maus auf einen HISTORY CLIP gehst, wird der entsprechende Filmtitel
angezeigt.
Klickst Du nun auf das Vorschaubild des Clips, öffnet sich der Player, und der HISTORY CLIP
wird abgespielt.
• Der Player hat neben den gängigen Funktionen wie Play/Pause, Bewegen in der Zeitleiste,
Lautstärkenregler und Vollbildmodus noch weitere Funktionen. So kannst Du zwischen Vollbildund Textmodus wählen. Im Textmodus wird das Video kleiner dargestellt, und Du siehst den
Text der Sprecher. So kannst Du die Informationen genauer nachlesen. Die Texte findest Du
auch als Textdatei im pdf-Format auf dem Datenträger (YH-Cliptexte), um sie z.B. am Stück zu
lesen, für eigene Videos zusammenzustellen oder auszudrucken.
• Darüber hinaus kannst Du den HISTORY CLIP auch zu Deinen Favoriten hinzufügen (er
erscheint dann unter dem Favoriten-Symbol in der unteren Werkzeugleiste). Außerdem hast Du
die Möglichkeit, nur einen Teil der HISTORY CLIP mithilfe der Inund Out-Punkte auszuwählen
und in die Favoriten zu speichern. Hierzu setzt Du die Anfangsund End-Punkte in der Zeitleiste
des Videos und überweist diese dann mithilfe des Favoriten-Symbols in die
Favoritensammlung. Teil 3: Verwendung des HISTORY FOOTAGE
Wie in der allgemeinen Einführung erwähnt, findest Du im Raum über der Karte eine Vielzahl
von HISTORY FOOTAGE. Es besteht aus unzähligen Archiv-Schnipseln, die das YOUR
HISTORY-Team ausgewählt, aber nicht montiert oder kommentiert hat. In einigen Fällen sind in
diesem Material auch O-Töne enthalten.
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Das HISTORY FOOTAGE ist räumlich und zeitlich dem Entstehungsort
zugeordnet. Es schwebt sozusagen über der Stadt zu der Zeit, in der es
aufgezeichnet wurde.
Es gibt nun mehrere Möglichkeiten, in dem FOOTAGE-Material zu recherchieren.
Du kannst Dir das Material aus einer Stadt anzeigen lassen, indem Du auf der
Karte eine Stadt deiner Wahl anklickst. Das gefundene FOOTAGE ist zusätzlich
noch durch eine Linie mit der ausgewählten Stadt verbunden. Möchtest Du die
Auswahl rückgängig machen, dann klicke erneut auf die ausgewählte Stadt. Mit
einem Klick auf das jeweilige Vorschaubild startet der Videoplayer.
Wählst Du in der Zeitleiste am linken Bildschirmrand eine bestimmte Jahreszahl
an, so wird alles FOOTAGE-Material, das in diese Zeit gehört, hervorgehoben.
Die Kamera nimmt automatisch eine Perspektive ein, in der Du das komplette
Material überblicken kannst.
Über das Menü am rechten Bildschirmrand hast Du die
Möglichkeit, bestimmte Ereignisse, Personen oder
Organisationen auszuwählen. Klickst Du auf eine Kategorie,
öffnen sich deren Einträge. Fährst Du mit der Maus über einen
Eintrag, so wird das dazu verknüpfte FOOTAGE-Material
hervorgehoben. Klickst Du einen Eintrag an, so wird alles
Material, was dazu passt, aktiviert. Die Auswahl kann durch
weitere Klicks erweitert werden. Klickst Du auf einen bereits
aktivierten Eintrag, so wird dieser deaktiviert.
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Der Player für das FOOTAGE-Material hat die gleichen Funktionen wie der HISTORY CLIPPlayer. Du kannst den Film anhalten, in der Zeitleiste hinund herspringen, die Lautstärke
verändern, in den Vollbildmodus wechseln und mit den Inund Out-Marken bestimmte
Ausschnitte aus dem Material zu den Favoriten hinzufügen. Dieser FavoritenOrdner enthält
dann alle Ausschnitte, aus denen Du Deine Playliste herstellst.
Des Weiteren findest Du im HISTORY FOOTAGE-Material Informationen darüber, ob das
Material schwarz/weiß oder farbig ist, ob es O-Töne enthält, wo und von wem es aufgenommen
wurde – ob es z.B. Propagandamaterial enthält –, und Du kannst den Player schließen. Diese
Informationen blenden sich automatisch bei inaktiver Maus aus.
Teil 4: Funktionen der Werkzeugleiste
Die Werkzeugleiste am unteren Bildschirmrand zeigt Dir verschiedene Symbole:
• Das Info-Symbol zeigt Dir Informationen über das Projekt YOUR HISTORY.
• HISTORY CLIPSund HISTORY FOOTAGE-Materialien kannst Du als Favoriten
markieren und in Playlisten zusammenstellen.
Die Favoriten können aus der Liste wieder entfernt oder durch Klicken auf das Plus-Symbol zur
Play-Liste im Fenster daneben hinzugefügt werden. Die komplette Favoriten-Liste kannst Du
auch auf einmal löschen. Den Clip kannst Du durch Klicken auf das Vorschaubild ansehen. Aus
den Favoriten erstellst Du Playlisten, die Du speichern, importieren, löschen und abspielen
kannst. Einzelne Clips können über das Minus-Symbol wieder aus der Liste gelöscht werden
oder über die Pfeile in ihrer Reihenfolge verändert werden. Auch hier gilt: Klickst Du auf das
Vorschaubild, kannst Du Dir das Material ansehen und im Player In und Out-Marken setzen,
welche abgespielt werden. Klickst Du auf die Filmrolle, kannst Du die einzelnen Playlisten
abspielen.
• In der Anwendung kannst Du zwischen der „Weltansicht“
und der „Galerieansicht“ wechseln.
In der Galerie erhältst Du eine gute Übersicht über alle HISTORY FOOTAGE-Materialien –
aufgerastert nach Zeit und Ort. Die Leisten können durch Ziehen der Maus bewegt werden. • Hast Du Dich einmal in der Anwendung verloren oder fühlst Du Dich mit der Auswahl der
Materialien überfordert, hast Du die Möglichkeit, über die Symbole
„Position zurücksetzen“
und
„Daten/Filter zurücksetzen“
wieder zum Ausgangspunkt der Anwendung zurückzukommen. Seite 9 von 102
• In der Hilfe kannst Du nochmal den Clip, der Dir zu Beginn der Anwendung angeboten wird,
abspielen. Er zeigt, wie die Anwendung aufgebaut ist und wie sie funktioniert. Wie in einem
Tutorial kannst Du hier also lernen, Dich in der Anwendung besser zurechtzufinden.
• Das Ausrufungszeichen im „Warndreieck“ kennzeichnet gegebenenfalls
propagandistisches Material im HISTORY FOOTAGE-Player. Über die Werkzeugleiste kannst Du mit dem „Warndreieck“ einen Clip aufrufen, der sich im Detail mit dieser
Problematik beschäftigt. Viele dieser Bilder sind Propagandaaufnahmen. Sie können große
Gefühle beim Zuschauer hervorrufen und geben verfälschende und verzerrende Sichtweisen
auf die historische Wirklichkeit wieder. In den Clips wird durch den Kommentar versucht, die
propagandistischen Zwecke der Bilder zu brechen, sie einzuordnen und dem Zuschauer
verständlich zu machen. So sollte sich auch jeder Betrachter und jeder Nutzer von
Archivmaterialien dieses Webportals der Verführungskraft der Film-Propaganda stets bewusst
bleiben. Die Aufnahmen, die hier zu sehen sind, müssen mit kritischem Blick betrachtet werden. Seite 10 von 102
YOUR HISTORY – HISTORY CLIPS
Die HISTORY CLIPS sind 75 aus historischen Filmarchiven montierte Kurzfilme mit einer
durchschnittlichen Länge von fünf Minuten. Die HISTORY CLIPS sind von Historikern,
Medienwissenschaftlern und Medienpädagogen geprüft worden, und sie zeigen und
kommentieren verschiedene Aspekte der Themengebiete. Die Historyclips haben folgende
thematische Schwerpunkte:
A. Jüdisches Leben in Deutschland bis zur Machtübernahme der NSDAP in Deutschland.
B. Die Emigration
C. Stationen der Judenverfolgung und –vernichtung in Deutschland und Europa (1933 – 1945)
D. Die juristische und moralische Aufarbeitung der Holocaust-Verbrechen nach 1945
E. Das System von Verfolgung und Vernichtung im NS-Staat
F. Protagonisten des Terrors
G. Widerstandsbewegungen gegen die NS-Gewaltherrschaft
H. Jugend unterm Hakenkreuz – Erziehung zu Rassenhass und Völkermord
I. Die Mediathek der Verfolgten
Die Inhalte der Filmclips im Einzelnen:
A.
01.
Jüdisches Leben in Deutschland (1900 – 1933)
02.
Judenhass in Deutschland: Von der Weimarer Republik zum „Dritten Reich“
03.
Jüdische Reaktionen nach der „Machtergreifung“ 1933
04.
Haltung der christlichen Kirchen zur Judenverfolgung nach 1933
B.
05.
Beginn der Emigration
06.
Exil in Paris
07.
Exil in Moskau
08.
Exil in GB und in den USA
09.
Fluchtpunkt Palästina
C.
10.
Judenhass als Programm – der Aufstieg der NSDAP
11.
Die „Machtergreifung“ 1933
12.
Ausgrenzung der Juden (1933-1939): Boykott, Stigmatisierung, Ausweisung
13.
„Nürnberger Gesetze“ 1935
14.
Novemberpogrome 1938
15.
„Arisierung“ – Die wirtschaftliche Ausplünderung der Juden
16.
Judenverfolgung in Polen nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs
17.
Beginn der systematischen NS-Vernichtungspolitik in Polen und in der Sowjetunion
18.
Die Wannseekonferenz 1942 – „Die Endlösung der Judenfrage“
19.
Aufbau der Vernichtungslager in Polen
20.
Judenverfolgung in Deutschland nach Beginn des Zweiten Weltkriegs
21.
Judenverfolgung in Westeuropa (1940-1944)
22.
Judenverfolgung in Osteuropa (1940-1945)
23.
„Todesmärsche“ 1944/45
24.
Befreiung der Konzentrationslager 1945
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D.
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27.
28.
29.
30.
E.
31.
32.
33.
34.
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36.
37.
38.
39.
40.
41.
42.
F.
43.
44.
45.
46.
47.
48.
G.
49.
50.
51.
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H.
56.
57.
58.
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61.
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63.
64.
65.
Deutsche und Juden nach 1945
Nürnberger Prozesse: Hauptkriegsverbrecherprozess
Nürnberger Prozesse: Nachfolgeprozesse/Ärzteprozess
Nürnberger Prozesse: Juristenprozess
Nürnberger Prozesse: Einsatzgruppenprozess
Holocaust vor Gericht (1944-1963)
Administration des Terrors: Die SA
Administration des Terrors: Gestapo und Schutzpolizei
Administration des Terrors: Die SS
Administration des Terrors: Das Reichssicherheitshauptamt
Die „Aktion Reinhardt“
Der Terror beginnt – Aufbau der NS-Konzentrationslager 1933/34
Das Konzentrationslager Dachau
Das Konzentrationslager Buchenwald
Das Konzentrationslager Bergen-Belsen
Das Konzentrationslager Ravensbrück
Das Ghetto-KZ Theresienstadt
Das Konzentrationsund Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau
Protagonisten des NS-Terrors: Adolf Hitler
Protagonisten des NS-Terrors: Joseph Goebbels
Protagonisten des NS-Terrors: Hermann Göring
Protagonisten des NS-Terrors: Heinrich Himmler
Protagonisten des NS-Terrors: Reinhard Heydrich
Protagonisten des NS-Terrors: Adolf Eichmann
Attentate auf Adolf Hitler
Widerstandsgruppen: Kommunisten und Sozialdemokraten
Widerstandsgruppen: Christen und Konservative
Widerstandsgruppen: Militärischer Widerstand
Widerstandsgruppen: Jugendopposition
Jüdischer Widerstand: Ghettoaufstände und Partisanenkämpfe
Jüdischer Widerstand: Jüdische Soldaten in den Armeen der Alliierten
Jugend in der NS-Diktatur
„Jungvolk“ und „Spielschar“
Die Erziehung zum Kriege Die Verführungstricks der Hitlerjugend
Von Kriegern und Müttern Rollenbilder in der HJ und im BDM
Die Faszination der „Blitzkriege“ – Soldaten als Kriegshelden
Heldenmythos und Kriegsrealität
Die jungen Toten von Stalingrad
Kinder und Jugendliche an der „Heimatfront“
Kinder-Soldaten im „Volkssturm“
Kindheit in Trümmern 1945
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I.
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75.
Anne Frank (1929-1945)
Janusz Korczak (1878-1942)
Leo Baeck (1873-1956)
Erich Fried (1921-1988)
Max Liebermann (1847-1935)
Albert Einstein (1879-1955)
Carl v. Ossietzky (1889-1938)
Ernst Thälmann (1886-1944)
Kurt Schumacher (1895-1952)
Martin Niemöller (1892-1984)
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Clip 01: Jüdisches Leben in Deutschland (1900 – 1933)
560.000 Bürger jüdischen Glaubens lebten 1925 in Deutschland, zwei Drittel von ihnen in
Großstädten, wie hier im Berliner Scheunenviertel. Jahrhundertealte Vorurteile hatten dafür
gesorgt, dass Juden überall in Europa stets Bürger Zweiter Klasse blieben. Erst die
Reichsverfassung, die Reichskanzler Otto v. Bismarck 1871 aus der Taufe hob, machte die
Juden in Deutschland zu gleichberechtigten Staatsbürgern mit allen Rechten und Pflichten. Das
war einmalig in Europa. Im Wirtschaftswachstum der Kaiserzeit um 1900 fanden die Juden
schnell Zugang zu unabhängigen Berufen als Ladenbesitzer. Sie gründeten Kaufhäuser,
wurden Industrieunternehmer, engagierten sich im Bankwesen. Jüdische Unternehmer wagten
sich auf neue, besonders risikoreiche Geschäftsfelder wie die damals noch junge Filmindustrie.
Hier Aufnahmen von den Berliner Dreharbeiten zu dem Film „Anna Boleyn“ von Ernst Lubitsch.
Der jüdische Filmregisseur ging 1922 nach Hollywood. Neben dem Film prägten viele Juden die
Theaterlandschaft in der Weimarer Republik maßgeblich mit. Kritiker Alfred Kerr war
federführend, Regisseur Max Reinhardt eine bestimmende Größe im Kulturleben Berlins. Berlin
war das geistige Zentrum Deutschlands. Hier wirkten Juden als Philosophen wie Ernst Bloch,
als Kunstkritiker wie Walter Benjamin oder als Soziologen wie Max Horkheimer und Siegfried
Kracauer. Der jüdische Journalist und Schriftsteller Kurt Tucholsky schrieb hier seine kritischen
Kommentare zur Zeit. Er arbeitete u.a. an der linken Wochenzeitschrift "Die Weltbühne" mit.
Herausgeber war der jüdische Publizist Carl v. Ossietzky. Unter seiner Leitung vertrat die
Zeitschrift schon ab 1927 eine stritt pazifistische Tendenz. Früh warnten die Autoren der
„Weltbühne“ vor dem Niedergang der jungen deutschen Demokratie. Doch noch tanzte Berlin
auf dem Vulkan, und jüdische Komponisten und Texter wie Fritz Rotter, Walter Jurmann und
Werner Richard Reimann lieferten mit ihren frechen Schlagern voll jüdischem Witz den
passenden Rhythmus dazu. Bildende Künstler wie der jüdische Maler und Graphiker Max
Liebermann engagierten sich in den Kunstbewegungen der Zeit. 1932 wurde Liebermann
Ehrenpräsident der Preußischen Akademie der Künste. Unter den 15 deutschen
Nobelpreisträgern in der Zeit von 1918 bis 1933 waren fünf jüdische Naturwissenschaftler. Der
bekannteste: Albert Einstein. Er erhielt die Auszeichnung für seine Forschungen zur
Quantenphysik. Schon 1919 gründete sich der „Vaterländische Bund jüdischer Frontsoldaten“.
Ihre Mitglieder traten der Lüge entgegen, Juden hätten im 1. Weltkrieg nicht genauso tapfer
gekämpft wie alle anderen Deutschen. Trotz alledem blieb die Judenfeindlichkeit in Wort und Tat
eine bestimmende Größe in der Weimarer Republik. Dies zeigte sich u.a. im Sommer 1922 als
der deutsche Außenminister Walther Rathenau, ein Jude, durch die rechtsextreme Organisation
"Consul" ermordet wurde. Die Judenfeindlichkeit in der Bevölkerung bewegte viele deutsche
Juden schon früh, ihrem Heimatland den Rücken zu kehren. Bereits nach dem 1. Weltkrieg
wanderten viele nach Palästina aus.
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Clip 02: Judenhass in Deutschland: Von der Weimarer Republik zum „Dritten Reich“
Weniger als ein Prozent der Bevölkerung in Deutschland waren jüdischen Glaubens, als Adolf
Hitler 1933 an die Macht kam. Dennoch erklärten die Nationalsozialisten das Judentum zum
Staatsfeind Nr. 1. Im III. Reich erreicht der Antisemitismus, ein anderes Wort für Judenhass,
seinen grausamen Höhepunkt.
O-Ton „Der ewige Jude“
In dem Hetzfilm „Der ewige Jude“ von 1940 ging die Propaganda der Nationalsozialisten sogar
soweit , den Juden jede Menschlichkeit abzusprechen. Das Judentum wird mit Rudeln von
Ratten verglichen. Antisemiten wie Adolf Hitler und sein Propagandaminister Joseph Goebbels
trieben den Judenhass in Wort, Bild und Tat auf die Spitze ...
O-Ton Goebbels
... erfunden haben sie den Antisemitismus freilich nicht. Woher kam dieser fanatische Hass auf
ein friedfertiges Volk, diese irrationale Angst vor den Juden, die auch in der deutschen
Bevölkerung weit verbreitet war? 1918: Der Weltkrieg ist verloren, die alte Ordnung des
Kaiserreichs bricht in den Wirren der Novemberrevolution zusammen. Rechtsgerichtete
Freikorpskämpfer und linke Revolutionäre stehen sich auf der Straße unversöhnlich gegenüber.
Die Mehrheit der Deutschen versteht die Welt nicht mehr: zuerst die Niederlage im Kriege, dann
die Abdankung des Kaisers und nun die Wirren der Revolution. Schließlich die harten
Bedingungen des Versailler Vertrags. Viele fühlen sich in ihrem Nationalstolz verletzt. Das harte
Diktat der Sieger wiegt schwer. Die Zahlungen für den verlorenen Krieg sind hoch, zu hoch. Die
junge deutsche Republik stürzt in die Armut, droht an der Inflation 1923 zu zerbrechen.
Deutschnationale Kreise machen für jede Unordnung und alles Leid die Juden verantwortlich.
Die Siegermächte des 1. Weltkriegs, die den Deutschen nun alles diktieren würden, sehen sie
als Werkzeuge des internationalen Judentums. Dessen Ziel sei es, Deutschland zu zerstören.
Viele Menschen in Deutschland nehmen solche einfachen Erklärungen für die Wirren der Zeit
gerne an. Sie haben den Boden unter ihren Füssen verloren. Sie suchen nach Orientierung.
Judenfeindliche Organisationen wie die „Thule-Gesellschaft“ haben in den Nachkriegsjahren
großen Zulauf, vor allem aus dem Mittelstand und aus dem Bildungsbürgertum. Viele
Kleinhändler, Ärzte und Anwälte wollen ihre jüdischen Konkurrenten los werden. Auch deshalb
unterstützen sie politische Vereine, die die Juden zu Sündenböcken machen. In dieser
Stimmung kann die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) mit dem
fanatischen Antisemiten Adolf Hitler an der Spitze von einer Splitterpartei 1920 bis zur
Staatspartei 1933 aufsteigen. Die Nationalsozialisten knüpfen in ihrer Propaganda gegen die
Juden an ganz alte bösartige Feindbilder an. Schon die Kinder in der Schule erleben den Juden
nun als Feind – ein Bild, das tief in die Geschichte unseres Christentums zurückreicht. Judas
habe Jesus verraten, verbreiten seine Jünger nach der Kreuzigung Christi. Die Juden gelten als
„Christusmörder“. Von den Römern aus Palästina vertrieben, lebten die Juden als Minderheit in
vielen Ländern der Welt. Viele Einheimische empfanden die Fremden als Bedrohung. Sie
übertrugen ihre Ängste auf die Juden. Sie behaupteten, die Juden seien Schuld an Seuchen
wie der Pest. Die Juden würden die Brunnen vergiften. An solchen Lügen ist nichts dran. Doch
in den meisten Ländern bleiben die Juden außen vor. Unter der Herrschaft der Nazis wird der
Judenhass nun zu einer Art Religion des Staates.
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Clip 03: Jüdische Reaktionen nach der „Machtergreifung“ 1933
O-Ton Hitler
Jetzt erst recht! sagen sich einige. Sie bekennen sich selbstbewusst und stolz zu ihrem
Judentum. Max Liebermann, der berühmte Maler und Graphiker, erklärte öffentlich seinen
Austritt aus der Preußischen Akademie der Künste. Sie wollte keine Werke jüdischer Künstler
mehr auszustellen. 1933 legte auch der jüdische Philosoph Martin Buber seine Professur
nieder. Er engagierte sich gemeinsam mit dem Berliner Rabbiner Leo Baeck beim Aufbau der
„Reichsvertretung der Deutschen Juden“. Leo Baeck wird ihr Präsident. Sie entstand im
September 1933 als Reaktion auf die judenfeindlichen Maßnahmen des NS-Staates. Die
Reichsvertretung koordinierte die jüdische Selbsthilfe gegen Übergriffe der Nationalsozialisten.
Ab 1935 organisierte sie auch die finanzielle Unterstützung für Gemeindemitglieder. Viele Juden
begannen durch staatliche Enteignungsmaßnahmen, durch die sogenannte „Arisierung“, in Not
und Armut zu geraten. Die Bewahrung der gemeinsamen jüdischen Kultur war eine weitere
wichtige Aufgabe der „Reichsvertretung.“ Sie förderte den Zusammenhalt der Juden in
Deutschland. Denn: Die jüdischen Mitbürger wurden immer stärker aus der sogenannten
„Volksgemeinschaft“ ausgegrenzt, wie diese jüdischen Schüler und Studenten. Sie verloren
wegen des „Gesetzes gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ 1933 ihren
Platz in Ausbildung und Studium. Zur Überbrückung schickte sie das Regime in die Landarbeit.
Viele Juden sahen in dem staatlich verordneten „Praktikum“ eine Chance: Es war eine gute
Vorbereitung für die Auswanderung nach Palästina. Dort würden sie als jüdische Pioniere und
Siedler daran gehen, ihr „Gelobtes Land“ urbar zu machen. Auch Martin Buber, dem seit 1935
jede Lehrtätigkeit in Deutschland untersagt war, ging 1938 noch vor den „Novemberpogromen“
nach Jerusalem.
O-Ton Buber
Allein Rabbiner Leo Baeck blieb als letzter hoher Repräsentant des Judentums in Deutschland
zurück, auch dann noch, als in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 die SA fast alle
Synagogen in Berlin in Brand steckte und so auch Leo Baeck seiner geistlichen Wirkungsstätte
beraubt wurde.
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Clip 04: Haltung der christlichen Kirche zur Judenverfolgung nach 1933
Am Beginn der Dreißiger Jahre ist die politische Lage in Deutschland verwirrend.
Rechtsgerichtete Nationalsozialisten und Anhänger der Kommunistischen Partei liefern sich
Straßenschlachten. Auch für die Christen in Deutschland ist es schwer, in dieser Situation eine
klare Haltung zum politischen Geschehen zu entwickeln. Die Mehrheit der katholischen Kirche
lehnt die NS-Bewegung zunächst völlig ab. Doch direkt nach der Machtergreifung schwenkt der
Vatikan um. Im Sommer 1933 schließt der Papst eine Art Waffenstillstand mit dem neuen
Regime: Das „Reichskonkordat“. Es sichert der Katholischen Kirche freie religiöse Betätigung
zu; aus allen politischen und weltlichen Dingen in Deutschland hat sich die Kirche allerdings
herauszuhalten. Das „Reichskonkordat“ schmiedet die katholische Kirchenobrigkeit in
Deutschland bis zur bitteren Neige unverbrüchlich an den NS-Staat. Kritische Stimmen an der
katholischen Basis zu diesem Pakt mit dem Teufel bleiben ungehört. Erst 1937 äußert sich
Papst Pius XI. „mit brennender Sorge“ zum Terror der Nazis. Die staatlich organisierte
Judenverfolgung, die die meisten Menschen, auch die Mehrzahl der Christen in Deutschland
tatenlos hinnehmen, kritisiert auch der Papst nicht. Selbst als Hitler 1939 den Befehl zur
Euthanasie, zur Ermordung unheilbar Kranker und Behinderter gibt, schweigt ein Großteil der
Kirchengemeinden. Und das, obwohl die Kirche als größter Träger von Pflegeheimen den
Abtransport der kranken und behinderten Menschen unmittelbar mitbekommt. Einzig Bischof
von Galen in Münster kritisiert und verurteilt die Rassenpolitik der Nationalsozialisten. Die Nazis
wollen den „Burgfrieden“ mit der Katholischen Kirche nicht gefährden. Sie stellen die
Euthanasieprogramme offiziell ein. „Der Löwe von Münster“, wie Bischof von Galen bald im
Ausland genannt wird, zeigt, dass Mut zu einer eigenen Meinung und Zivilcourage selbst in
einer totalen Diktatur wie dem NS-Staat möglich war.Doch auch aus der evangelischen Kirche
hört man während der Nazi-Zeit nur wenig Kritisches zum Thema Judenverfolgung.
Adolf Hitler findet schon vor der Machtergreifung unter den evangelischen Christen viele
Unterstützer. Sie hoffen durch die Nationalsozialisten auf eine Eindämmung der Kommunisten,
weil die gegen die Kirche eingestellt sind. Sammelbecken der christlichen Nazis ist die
„Glaubensbewegung Deutsche Christen“. Sie gewinnt schon 1932 in Preußen 33% der
Gemeindesitze. Nach der Machtergreifung gelingt es der Nazi-Partei zunächst schnell mithilfe
der „Deutschen Christen“ die evangelische Kirche im Sinne ihrer Vorstellungen
„gleichzuschalten“. Im Juli 1933 erzwingt die NSDAP eine neue Kirchenwahl. Die „Deutschen
Christen“ erhalten 2/3 der Stimmen. Sofort setzen sie einen Paragraphen durch, der besagt,
dass nicht-arische Priester fortan vom Dienst in der Kirche ausgeschlossen werden. Noch 1933
wird Ludwig Müller, der führende Kopf der „Deutschen Christen“ zum Evangelischen
Reichsbischof gewählt. 1934 zelebriert er den Evangelischen Kirchentag am
Völkerschlachtsdenkmal bei Leipzig ganz im Sinne der Nazis: Rassenlehre und
Judenfeindlichkeit sollen zur neuen Religion in Deutschland werden. Der Wahn geht soweit,
dass die „Deutschen Christen“ das Alte Testament ganz abschaffen wollen. Es erzählt die
Geschichte des alten Volks der Juden. Deshalb soll es weg. Stattdessen sollen Vorstellungen
von einem „germanischen Jesus“ im Gottesdienst gepredigt werden. Es hagelt Proteste. Doch
kaum ein Kirchenmitglied wagt den offenen Bruch mit dem Staat. Dennoch gründen schon im
September 1933 einige wenige evangelische Geistliche den Pfarrernotbund. Sie bekennen sich
zu einem friedlichen Ungehorsam gegen eine verbrecherische Obrigkeit. Diese „Bekennende
Kirche“ findet unter den Pastoren schnell Zuspruch. Doch die „Bekennende Kirche“ versteht
sich in erster Linie als Bewahrer religiöser Freiheiten. Sie sieht sich nicht als politische
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Opposition. Gegenüber dem beginnenden Terror gegen Juden bleibt die evangelische Kirche
unentschieden und unentschlossen. Nur wenige helfen den Juden. Die kritische Denkschrift, die
der radikale Flügel der „Bekennenden Kirche“ 1936 an Hitler schreibt, bleibt ein eher einmaliges
Ereignis.
O-Ton: Niemöller
Die Köpfe der Kirchenopposition, unter ihnen Martin Niemöller und Dietrich Bonhoeffer, werden
verhaftet und gefoltert. Bonhoeffer wird von den Nazis ermordet. Niemöller überlebt die KZ-Haft
durch glückliche Fügung. In der Bundesrepublik wird er zu einer Symbolfigur des kirchlichen
Widerstands gegen den Nationalsozialismus.
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Clip 5: Beginn der Emigration
Im April 1933 beginnen gleich nach der Machtergreifung Hitlers erste Kampagnen gegen die
Juden in Deutschland. Noch 1933 verlassen fast 40.000 jüdische Bürger ihre Heimat. Sie
ahnen, was der braune Mob mit ihnen vorhat. In einer ersten Ausbürgerungswelle werden im
August 1933 der jüdische Schriftsteller Lion Feuchtwanger, der jüdische Theaterkritiker Alfred
Kerr, der jüdische Journalist und Schriftsteller Kurt Tucholsky, der Kommunist Wilhelm Pieck
und der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann aus ihrem eigenen Land ausgeschlossen.
Scheidemann war nach Drohungen der Nationalsozialisten gegen seine Person schon im März
1933 nach Prag emigriert. Später flüchtet er über die Schweiz und Frankreich bis in die USA.
Schließlich geht er noch vor Kriegsbeginn nach Dänemark. Im November 1939 stirbt er in
Kopenhagen. Die Odyssee des Mannes, der einst die erste deutsche Republik vom Balkon des
Reichstags verkündete und nun von den Nazis durch Europa gejagt wird, ist symptomatisch für
das Schicksal der Emigranten. Solange die NS-Diktatur herrscht, sind sie nie sicher, nirgends.
Doch noch ist der Terror am schlimmsten in Deutschland selbst. Deshalb verlassen bis 1937
jährlich 20 – 25.000 Juden ihre deutsche Heimat. Viele der deutschen Juden gehen zunächst in
unmittelbare Nachbarländer wie Frankreich, die Tschechoslowakei oder die Niederlande. Sie
hoffen auf eine baldige Besserung der politischen Lage in Deutschland, ersehnen die Rückkehr
herbei. Doch als sie sehen, dass das Hitler-Regime sich in Deutschland etabliert und mit seinen
Verbündeten wie dem italienischen Faschistenführer Benito Mussolini den Krieg gegen die Welt
und gegen die Juden vorbereitet, da fliehen sie weiter. Viele versuchen von Amsterdam und
Antwerpen aus in die „Neue Welt“ zu gelangen, in die USA zu emigrieren wie Albert Einstein.
Palästina ist ein weiterer Fluchtort vieler Juden. Ungefähr 80.000 jüdische Flüchtlinge
emigrieren nach Lateinamerika. Doch viele Länder haben kein Interesse an dem Exodus der
überwiegend mittellosen Emigranten. Viele werden zurückgeschickt wie diese Flüchtlinge auf
der „St. Louis“, die von Kuba zurückgewiesen, nach Antwerpen zurückfahren muss.
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Clip 06: Exil in Paris
Am 10. Mai 1933 fallen die Werke von Heinrich Heine, Karl Marx und anderen deutschen
Dichtern und Denkern den Flammen der nationalsozialistischen Bücherverbrennungen zum
Opfer – wie hier auf dem Opernplatz in Berlin. Gleichzeitig entwickelt sich nun Paris, die
einstige Zufluchtsstätte von Marx und Heine schnell wieder zum Zentrum des politischen und
kulturellen Exils für viele Deutsche. Sie denken anders als die neuen Machthaber in Berlin.
Deshalb müssen sie aus Deutschland fliehen. Frankreich, das Land der Revolution von 1789,
das Geburtsland von „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“, ist vielen Deutschen nahe
liegende Zuflucht. In der pulsierenden Seine-Metropole hoffen sie darauf, dass der „braune
Spuk“ in Deutschland bald vorüber ist. Sie wünschen sich nichts sehnlicher, als in ihre Heimat
zurückzukehren. Im Exil sind die meisten Emigranten weitgehend mittellos. Der Nazistaat lässt
sich besonders die Emigration von Juden gut bezahlen. Er erhebt eine „Reichsfluchtsteuer“. Bei
der Ankunft wie hier in einem französischen Asylbewerberheim, heißt es erst einmal warten,
warten, warten. Nervige Einreiseformalitäten müssen überwunden werden. Anschließend leben
die meisten jüdischen Exilanten zunächst in Heimen. Der Schriftsteller Klaus Mann beschreibt
die Lage der Emigranten folgendermaßen: „Die Emigration war nicht gut. In dieser Welt der
Nationalstaaten und des Nationalismus ist ein Mann ohne Nation, ein Staatenloser, übel dran.
Er hat „nichts hinter sich“, keine Organisation, keine Macht, keine Gruppe. Wer zu keiner
Gemeinschaft gehört, ist allein.“ Geldsorgen, die Jagd nach schlecht bezahlten Jobs,
Sprachschwierigkeiten, Heimweh und kulturelle Entwurzelung prägen ihr Leben in Paris. Lion
Feuchtwanger hat es in seinem Schlüsselroman „Exil“ beschrieben. Und die Autorin Anna
Seghers, die acht Jahre mit ihrer Familie in einem Vorort von Paris zur Untermiete wohnte,
appelliert 1940 an einen Freund, den Verleger Wieland Herzfelde: „Lieber Freund, man muss
mir unbedingt Geld schicken. Ich finde keinen Ausweg mehr.“ Im Juni 1940 marschiert die
Wehrmacht in Paris ein. Manche Emigranten verzweifeln, einige nehmen sich das Leben.
Schnell schließen die Deutschen einen Burgfrieden mit dem konservativen französischen
Marshall Pétain. Der Norden Frankreichs und Paris bleiben bis zur Befreiung 1944 von den
Deutschen besetzt. Im Süden etabliert Pétain, ein gefeierter Kriegsheld des 1. Weltkriegs, das
Vichy-Regime. Das ist eine konservativ-autoritäre Diktatur. Sie betreibt eine judenfeindliche
Politik, die ganz im Sinne der Nationalsozialisten ist. Dies vorausahnend, fliehen beim
Einmarsch der Deutschen in Paris viele Emigranten panisch gen Süden. Ihr Ziel: die spanische
Grenze und schließlich sogar darüber hinaus bis nach Lissabon. Dort lockt die Hoffnung auf
eine Passage nach Übersee, in die USA oder nach Lateinamerika.
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Clip 07: Exil in Moskau
Während des wirtschaftlichen Zusammenbruchs in Deutschland am Beginn der 1930er Jahre
gewannen auch die Kommunisten viele neue Anhänger. 1932 wählte jeder sechste Bürger in
Deutschland kommunistisch. Diese Menschen glaubten, dass eine Gemeinwirtschaft besser sei
und allen Menschen eine größere Arbeitsund Lebensperspektive geben könnte als der
Kapitalismus. Dessen schlimme Seiten bekamen sie durch die eigene Armut und den Verlust
ihrer Arbeit gerade zu spüren. Zu recht prangerten die Kommunisten den Judenhass als
Bestandteil des rechtsradikalen Gedankenguts, besonders auch in Hitlers NSDAP an. Die
Kommunistische Partei wurde u.a. von der Jüdin Rosa Luxemburg mitbegründet. Trotzdem gab
es auch unter den Kommunisten Judenfeinde. 1924 warnte die kommunistische
Reichstagsabgeordnete Clara Zetkin, eine Mitstreiterin Rosa Luxemburgs: Die Kommunisten
dürfen sich nicht dazu verleiten lassen, Judentum und Kapitalismus in einen Topf zu werfen wie
das Nationalsozialisten etwa Otto Strasser vom linksradikalen Flügel der NSDAP machen
würden. Hitler drängte Strasser u.a. aus seiner Partei. Er wollte Rassenkampf, keinen
Klassenkampf. Für Hitler blieben Kommunisten und Sozialdemokraten stets die größten
politischen Feinde. Gleich nachdem die Nationalsozialisten in Deutschland am 30. Januar 1933
an die Regierung kamen, wurden politische Gegner, besonders Kommunisten und
Sozialdemokraten, gnadenlos gejagt, vertrieben, ins Gefängnis geworfen, gequält und
ermordet. Einige begannen Widerstandsgruppen in Deutschland aufzubauen, andere gingen ins
Exil. Die meisten Kommunisten nach Moskau. Sie sahen in dem Sowjetstaat, der nach der
Oktoberrevolution in Russland 1917 entstanden war, ihr politisches Vorbild. Die Juden unter
ihnen mussten schnell erleben, dass die Sowjetunion den Judenhass nach der Revolution
keineswegs abgeschafft hatte. Dabei hatten viele Juden bei dieser Revolution mitgeholfen. Leo
Trotzki zum Beispiel baute die „Rote Armee“ auf. Auch Revolutionsführer Lenin selbst hatte
jüdische Wurzeln. Nach Lenins Tod kam ein neuer Führer: Josef Stalin. Er wollte – ähnlich wie
Adolf Hitler – nun alles allein bestimmen. Deshalb fing er an, alle, die ihm gefährlich werden
könnten, verfolgen und beseitigen zu lassen. Seinen Widersacher Leo Trotzki ließ er zuerst
nach Sibirien verbannen, trieb ihn dann ins Exil, wo er ihn schließlich 1940 in Mexiko durch den
sowjetischen Geheimdienst ermorden ließ. Die deutschen Emigranten kamen zu einer Zeit nach
Moskau, als Stalins Geheimpolizei und Justiz die sogenannten „Moskauer Prozesse“
vorbereiteten. Das waren öffentliche Gerichtsverfahren, sogenannte „Schauprozesse“.
Insgesamt standen 54 hohe und verdiente Politiker der Kommunistischen Partei vor Gericht,
darunter viele jüdische Kommunisten. Ihnen wurde vorgeworfen, ihr Land verraten, Spionage
getrieben und terroristische Anschläge vorbereitet zu haben. Stalin erzeugte eine antijüdische
Stimmung in der Bevölkerung. Er wollte die Anklagen gegen seine ehemaligen Mitstreiter
glaubwürdiger machen. Auch im russischen Volk waren judenfeindliche Vorurteile über
Jahrhunderte gewachsen und hatten sich auch über die Revolution hinaus erhalten. Doch in
Wirklichkeit war nichts dran an den Anklagen. Die Beweise waren gefälscht; die Geständnisse
der Angeklagten waren in der Ljublanka, dem berüchtigten Foltergefängnis des sowjetischen
Geheimdienstes NKWD, mit Gewalt erzwungen worden. Dennoch mussten sieben Angeklagte
für viele Jahre ins Gefängnis. Und die weiteren 47 erhielten Todesurteile. Sie wurden
hingerichtet. Für viele Kommunisten in der Welt verlor das Vorbild Sowjetunion an Strahlkraft.
Leo Trotzki brachte Stalins Verbrechen kurz vor seinem Tod in einem flammenden Appell auf
den Punkt:
O-Ton: Trotzki (in englischer Sprache, deutsche UT)
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Die deutschen Emigranten in Moskau, gerade die jüdischen, mussten erkennen, sie waren vom
Regen in die Traufe gekommen, hatten von einer grausamen Führer-Diktatur in eine andere
gewechselt. Dieser Eindruck bestätigte sich am 23. August 1939. An diesem Tag
unterzeichneten der deutsche Außenminister von Ribbentrop und sein sowjetischer Kollege
Molotow den deutschsowjetischen Nichtangriffspakt. Stalin gab Hitler damit einen Freibrief, mit
dem der nun sehr bald seine Eroberungskriege in Europa beginnen konnte. In einem
Geheimprotokoll verabredeten die beiden Diktatoren, Polen von ihren jeweiligen
Landesgrenzen aus zu besetzen und unter sich aufzuteilen. Mit dem Überfall der deutschen
Wehrmacht auf Polen am 1. September 1939 begann der 2. Weltkrieg; am 17. September zog
die Rote Armee nach und besetzte Ostpolen. Stalin erhoffte sich durch die Zusammenarbeit mit
Hitler einen zeitlichen Aufschub des Überfalls auf die Sowjetunion durch die Deutschen. Er
nutzte diese Zeit für die Aufrüstung der eigenen Armee. So standen den rund 3,6 Millionen
Soldaten, die die deutsche Wehrmacht beim Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 zur
Verfügung hatte, ca. 4,7 Millionen sowjetische Soldaten gegenüber. Für die Rote Armee kam
der deutsche Einmarsch überraschend. Knapp die Hälfte der Soldaten befand sich nicht im
Westteil der Sowjetunion. So konnten die deutschen Panzerverbände über Sommer 1941
Schlacht um Schlacht gewinnen. Sie drangen weit ins Landesinnere vor, machten
Hunderttausende sowjetische Kriegsgefangene. Moskau, der Fluchtpunkt deutscher
Emigranten, war im Herbst 1941 bedroht, von den deutschen Truppen überrannt zu werden.
Doch Ende des Jahres blieb der deutsche Vormarsch im Eis, Schnee und Schlamm Russlands
stecken. Der vermeintliche „Blitzkrieg“ wurde zur Katastrophe für die deutschen Soldaten.
Das Blatt des Krieges wendete sich. Im Winter 1942/43 gewann die Rote Armee die Schlacht
um Stalingrad. Sie drängte mit ihren Panzerverbänden nun ihrerseits die Truppen Hitlers
zurück, machte Hunderttausende deutsche Kriegsgefangene. Als die Niederlage von Hitlers
Deutschland näher rückte, gründeten einige der in der Sowjetunion gebliebenen deutschen
Kommunisten wieder politisch aktiv. Auf Geheiß Stalins gründeten deutsche Kommunisten unter
Führung des Schriftstellers Erich Weinert, des KPD-Vorsitzenden im Exil, Wilhelm Pieck, das
Nationalkomitee „Freies Deutschland“. Im Heer der deutschen Kriegsgefangenen sahen die
Kommunisten ein Reservoir, um Parteigänger für ihr neues, kommunistisches Deutschland zu
finden.
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Clip 08: Exil in Großbritannien und in den USA
Die Möglichkeiten, auf die britischen Inseln einzuwandern, waren für Juden, die aus
NaziDeutschland und ab 1938 auch aus dem besetzten Österreich flüchten mussten, sehr
eingeschränkt. Nur wenige schafften es – wie Sigmund Freud, der Erfinder der Psychoanalyse.
Freud floh in letzter Sekunde nach London. Seine Bücher hatten die Nazis schon 1933
verbrennen lassen. Nach den verheerenden November-Progromen in Deutschland am 9.
November 1938 entschlossen sich jüdische Hilfsorganisationen in Großbritannien zu einer bis
dahin einmaligen Aktion: Sie fanden zahllose Gastfamilien in ihrem Land, die bereit waren,
jüdische Kinder aufzunehmen. Freiwillige Helfer organisierten die „Kindertransporte“. In der Zeit
von Dezember 1938 bis zum Beginn des 2. Weltkrieges am 1. September 1939 konnten 10.000
jüdische Kinder zwischen 14 und 17 Jahren nach England gerettet werden. Sie kamen aus
Deutschland, Österreich, Polen und der Tschechoslowakei. Sie durften nur einen Koffer
mitnehmen. Viele konnten die Trennung von den Eltern kaum ertragen. Die meisten sahen
Vater und Mutter nie wieder. Auch die USA erlaubten den jüdischen Flüchtlingen aus Europa
zunächst nur sehr zögerlich die Einreise. Das Land litt noch stark unter den Folgen der
weltweiten Wirtschaftskrise. Es gab große Armut und viele Menschen waren ohne Arbeit. Die
Angst, dass zu viele Einwanderer den Einheimischen die wenigen Jobs streitig machen
könnten, war groß. Erst Ende der Dreißiger Jahre und während des 2. Weltkrieges wurden die
USA ein Sammelbecken für Emigranten aus Deutschland und Europa – für Juden wie für NichtJuden. Der jüdische Theatermacher Max Reinhardt fand hier ebenso eine neue Heimstatt wie
der linke Berliner Theatermann Erwin Piscator. In seinem 1939 in New York gegründeten
Dramatic Workshop besuchten u.a. Marlon Brando und Tennessee Williams Piscators Kurse.
Der Dramatiker Bert Brecht und der Komponist Kurt Weill, sowie Schriftsteller Leon
Feuchtwanger kamen über diverse Stationen des Exils schließlich in die USA. Auch Thomas
Mann emigrierte 1938 nach Amerika und wurde Gastprofessor an der Universität Princeton.
Hier lehrte seit 1933 schon ein anderer großer Deutscher, der Physiker Albert Einstein. Aus
Protest gegen die Machtergreifung der Nazis hatte er 1933 sofort sein Amt an der Akademie der
Wissenschaften niedergelegt und war in die USA übergesiedelt. Hier engagierte sich Einstein
gegen die Nazis, plädierte für die Zerschlagung ihrer Herrschaft, um Zivilisation und Kultur der
Menschheit zu retten.
O-Ton: Einstein
1941 gehörte Albert Einstein zu den Wissenschaftlern, die in einem Brief an US-Präsident
Roosevelt ihre Sorge darüber zum Ausdruck brachten, dass die Nazis bald eine Superwaffe,
eine Atombombe, haben könnten. Am 6. Dezember unterzeichnete der Präsident tatsächlich die
Anordnung zum Bau einer eigenen US-Atombombe. Ihre Entwicklung begann wenig später in
der Wüste von Los Alamos im streng geheimen „Manhattan Project“ unter Leitung von Robert
Oppenheimer. Der US-Atomwissenschaftler deutsch-jüdischer Abstammung konnte den
Rüstungswettlauf gegen die Nazis gewinnen. 1945 erlebte Oppenheimer mit, dass der Abwurf
der Atombombe über den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki hunderttausende Tote
forderte und verheerende Zerstörungen auslöste. Oppenheimer bezeichnete die Entwicklung
der Atombombe daraufhin als einen „Fehler“. Er setzte sich ebenso wie nun auch Albert
Einstein für eine ausschließlich friedliche Nutzung der Kernenergie ein.
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Clip 09: Fluchtpunkt Palästina
Paris 1894: Der Militärprozess gegen den jüdischen Offizier Alfred Dreyfuß löst wütende
judenfeindliche Reaktionen der Bevölkerung aus. Dreyfuß wird wegen Spionage für die
Deutschen verurteilt und auf die Teufelsinseln verbannt. Doch Dreyfuß ist unschuldig, wurde –
wie sich später herausstellt – aufgrund gefälschter Beweise verurteilt. Der Schriftsteller und
Politiker Theodor Herzl ist schockiert über den Judenhass, der in der Presse, in Teilen der Justiz
und des Militärs angesichts der Affäre Dreyfuß zutage tritt. Erstmals entwickelt er eine Idee, die
er wenig später in seinem Buch „Der Judenstaat“ niederlegt und ausspinnt: die organisierte
Emigration der Juden in einen eigenständigen Staat. Palästina, das gelobte Land der Juden,
sollte Heimstatt des jüdischen Volkes werden. Unabhängig von Herzls Traum hatte sich in
Osteuropa als Reaktion auf die zunehmenden Pogrome seit 1882 eine fluchtartige
Auswanderung von Juden nach Palästina entwickelt. Herzls Schrift liefert nun die theoretische
Grundlage für diese zionistische Bewegung. Sie wurde also aus der Not der Verfolgung
geboren. Bis zu seinem Tode im Jahre 1904 arbeitet Herzl an der Verwirklichung seines
politischen Traums. Mehrmals reist er nach Palästina, sucht politische Unterstützung beim
Osmanischen Reich. Doch auch bei dessen Verbündeten, dem deutschen Kaiser Wilhelm II.,
findet er nur wenig Zuspruch für ein autonomes Gebiet, in dem die Juden siedeln können. 1899
beschreitet Herzl einen neuen Weg. Er gründet eine Organisation, um Land für jüdische Siedler
zu kaufen – der Beginn der jüdischen Siedlungspolitik in Palästina. In der Zeit von 1904 bis
1914 wandern 40.000 Juden illegal nach Palästina ein. Der Bevölkerungsanteil der Juden
wächst kontinuierlich. Die Juden fordern Autonomie, manche sogar die Vertreibung der Araber
aus Palästina. Die Lage spitzt sich zu. Auch die Araber machen Front gegen die Juden. 1917/18
besetzen die Briten das Land. Zuvor hatte der britische Außenminister Balfour in einem
Schreiben an den britischen Zionisten Lord Rothschild die Absicht Großbritanniens bestätigt, die
Schaffung einer „Heimstätte für das jüdische Volk“ in Palästina zu unterstützen. Die Rechte
nicht-jüdischer Gemeinschaften sollten aber nicht beeinträchtigt werden. Die „BalfourDeclaration“ legte den Grundstein für die spätere Teilung Palästinas in einen jüdischen und
einen arabischen Teil. 1922 gründen jüdische Siedler aus Osteuropa eine Enklave in Palästina
mit Unterstützung der britischen Schutzmacht. Bis zum Ende der 20er Jahre kommen mehr als
100.000 Juden, hauptsächlich aus Polen und der Sowjetunion nach Palästina. Nach der
Machtergreifung der Nazis in Deutschland steigt die Zahl der jüdischen Einwanderer stark an.
Von 1932 – 1938 sind es mehr als 200.000, jetzt überwiegend deutsche Juden, die Palästina
als Ziel ihrer Flucht wählen. Arabische Aufstände – wie hier 1936 – sind die Folge. Die Briten
reagieren mit Einwanderungsbeschränkungen, schließlich mit einer Seeblockade. Viele
Flüchtlinge werden nicht an Land gelassen, müssen in Auffanglager wie hier auf Zypern
Unterkunft finden. Viele der Juden, die in Palästina sind, schließen sich nach Kriegsbeginn als
Freiwillige der Britischen Armee an, einige gehen aber auch in den Untergrund. Sie schließen
sich der Haganah, der militanten jüdischen Untergrundbewegung an. Sie beginnen einen
Guerillakampf gegen die Briten. Sie wollen die Autonomie eines jüdischen Staates mit Gewalt
erzwingen. Dabei bleibt Palästina, die Zufluchtsstätte der Juden, stets von außen bedroht. Nach
dem Motto: „Die Feinde meiner Feinde sind meine Freunde“ verbünden sich Teile der
arabischen Welt mit den Nazis wie der Grossmufti von Jerusalem, hier auf Staatsbesuch bei
Adolf Hitler am 28. November 1941. Doch auch nach dem Kriegsende 1945 hat das
Flüchtlingsdrama um Palästina kein Ende. Immer wieder werden Schiffe voller Emigranten von
der britischen Kriegsmarine aufgebracht und an einer Weiterfahrt nach Palästina gehindert.
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Erst die Gründung des Staates Israel im Jahre 1949 löst die Einwanderungsfragen
weitestgehend, schafft aber neue kriegerische Probleme mit den arabischen Nachbarn, die bis
heute ungelöst sind.
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Clip 10: Judenhass als Programm – der Aufstieg der NSDAP
Die Judenfeindlichkeit in Deutschland machten sich schnell rechtsradikale Parteien wie die
Deutsche Arbeiterpartei (DAP) zunutze. Der DAP tritt 1919 der Kriegsheimkehrer Adolf Hitler
bei. Er ist voller Hass auf die Juden. Er unterstellt ihnen eine Weltverschwörung gegen
Deutschland. Hitler kann gut reden. Schnell wird er zum Führer der Partei. 1920 lässt er sie in
NSDAP, Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei umbenennen. 1921 wird er ihr erster und
einziger Parteivorsitzender. Er sieht sich als Alleinherrscher. Hitler und seine wenigen Getreuen
lehnten die Gleichheit aller Menschen und jede Demokratie ab. Für sie galt nur das Recht des
Stärkeren, alles Schwache wollten sie vernichten. Von Anfang an machte Hitler den Deutschen
weis, sie seien ein ausgewähltes Volk, eine höhere Rasse, die arische Herrenrasse, die
minderwertige Rassen wie die Slawen in Osteuropa, wie Sinti und Roma, besonders aber wie
alle Juden zu vernichten habe. Zuerst folgten nur wenige Menschen den Wahnvorstellungen der
paar Nationalsozialisten. Hitlers Versuch, die Republik zu stürzen, ging am 9. November 1923
nach wenigen Metern vor der Münchener Feldherrenhalle im Sperrfeuer von Polizei und
Reichswehr unter. Die NSDAP wurde verboten, Hitler kam ins Gefängnis. Dort schrieb er ein
Buch. In ihm schreibt er seine Wahnvorstellungen über eine jüdische Weltverschwörung und
den Kampf der Rassen nieder. Es hieß „Mein Kampf“. Doch auch nachdem sich Hitlers Partei
nach der Neugründung an Wahlen beteiligt, finden seine wirren Gedanken kaum Zuspruch.
Gerade einmal 2,6 Prozent der Stimmen bekam die NSDAP 1928. Doch der plötzliche
Zusammenbruch der New Yorker Börse im Jahre 1929 stürzte die Welt in ihre schwerste
wirtschaftliche Krise. Viele Menschen verloren ihre Arbeit. Sie wurden mittellos, verarmten.
Wieder suchten die Deutschen nach Erklärungen, wie es soweit kommen konnte. Wieder boten
die Nazis „das internationale Finanzjudentum“ als Sündenbock an. Diesmal sprang der Funke
über. Alle, die gegen die Demokratie und die Republik waren, sammelten sich nun in der
NSDAP. Gemeinsam arbeiteten sie auf die Zerstörung der Demokratie und die Errichtung der
Führer-Diktatur hin.
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Clip 11: Die „Machtergreifung“ 1933
Deutschland ist von der Weltwirtschaftskrise 1929/30 massiver betroffen als andere Länder.
Wegen der Rückzahlung der Kriegsschulden des 1. Weltkriegs wird das Geld knapp. Im Juli
1931 kommt es zu einer massiven Bankenkrise im Deutschen Reich. Kunden fordern ihr Geld
zurück. Banken müssen schließen. Durch seine Politik, Staatsschulden abzubauen und
staatliche Ausgaben zu kürzen, verschärft Reichskanzler Heinrich Brüning die Lage. Schon im
Wahlkampf 1930 zeichnet sich ab, dass sich die Bevölkerung angesichts schwindender
Zukunftschancen und wachsender Perspektivlosigkeit verstärkt rechtswie linksradikalen Ideen
zuwendet. Die NSDAP wird mit 18,3 Prozent zweitstärkste Partei, die SPD erreicht nur noch
24,5 Prozent. Rechtsradikale Organisationen wie die „Harzburger Front“, ein lockerer Verbund
von Deutschnationaler Partei, Nationalsozialisten, dem reaktionären Frontsoldaten-Bund
„Stahlhelm“ und dem völkischen „Alldeutschen Verband“, sowie die NSDAP selbst haben
enormen Zulauf. 1932 erreicht die Weltwirtschaftskrise in Deutschland ihren Höhepunkt. Die
KPD erzielt in den Reichstagswahlen im November mit mehr als 16 Prozent ihr bestes
Ergebnis; die NSDAP kommt auf 33 Prozent, verliert Stimmen, kann aber die Position als
stärkte Partei behaupten. Nach der Reichstagswahl tritt Reichskanzler Franz von Papen zurück,
betreibt aber hinter dem Rücken seines Nachfolgers Kurt von Schleicher eine Zusammenarbeit
mit den Nationalsozialisten. Da die Regierungen seit dem Kabinett Brüning hofften, die
wirtschaftliche und politische Krise Deutschlands durch Notverordnungen in den Griff
bekommen zu können, fällt es von Papen und Hitler nun leicht, sich in ihren
Geheimverhandlungen auf eine Regierung zu einigen, die mit Notverordnungen als erstes und
wichtigstes Ziel „die Entfernung aller Sozialdemokraten, Kommunisten und Juden von
führenden Stellungen in Deutschland“ erreichen will. Am 30. Januar 1933 ernennt
Reichspräsident Hindenburg Adolf Hitler tatsächlich zum Reichskanzler. Die Nationalsozialisten
zelebrieren die Machtergreifung als mystisches Ereignis, sehen ihren Messias am Ziel seiner
Träume. Als am Abend des 27. Februar der Reichstag in Flammen aufgeht, haben die
Nationalsozialisten den Vorwand selbst geschaffen, sich von Reichspräsident Hindenburg eine
„Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat“ zu holen. Damit konnten sie die
parlamentarische Demokratie auf legalem Wege abschaffen. In der Schlussphase des
Wahlkampfes 1933 kann die NSDAP ihre politischen Gegner nun massiv unter Druck setzen
und erreicht – wohl auch, weil sich Sozialdemokraten und Kommunisten nicht zu gemeinsamen
Aktionen zusammenfinden können – mit 17,3 Millionen Stimmen knapp 44 Prozent. Der Weg in
den Führerstaat ist vorgezeichnet. Schnell übernehmen die Nazis im ganzen Land die Macht.
Mit Ausnahme der NSDAP werden alle politischen Parteien in Deutschland verboten.
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Clip 12: Ausgrenzung der Juden (1933-1939): Boykott, Stigmatisierung, Ausgrenzung
O-Ton Goebbels: „Boykott-Aufruf am 1. April 1933“
Mit hohlem Pathos verkündete Propagandaminister Joseph Goebbels am 1. April 1933 die
Durchführung des sogenannten „Judenboykotts“. Er war die erste flächendeckende, zentral
koordinierte judenfeindliche Aktion der Nazis nach ihrer Machtergreifung in Deutschland. Mit der
Parole „Deutsche! Wehrt Euch! Kauft nicht bei Juden!“ besetzten SAund SSMänner in allen
deutschen Großstädten die Eingänge von jüdischen Kaufhäusern und Geschäften. Sie
hinderten Kunden und Patienten auch am Betreten von Arztpraxen und Kanzleien jüdischer
Ärzte und Rechtsanwälte. Die Mehrheit der Bevölkerung nahm den Boykott tatenlos hin,
einzelne beteiligten sich aktiv. Doch besonders in katholischen Gemeinden regte sich
Widerstand gegen den Boykott. Die Bürger ließen sich durch die Nazis, die Gewalt androhten,
nicht beirren und an ihrem Besuch von Läden und Praxen nicht hindern. Abends musste die
Nazi-Führung den Boykott „aussetzen“. Auch das Ausland, besonders die USA hatten
protestiert und drohten dem Dritten Reich, nun dann auch Waren aus Deutschland weltweit zu
boykottieren. Nach drei Tagen wurde der Boykott für beendet erklärt. Doch nun begannen die
Nazis still und leise zunächst alle Juden aus dem deutschen Staatsapparat hinauszuwerfen.
Schon am 7. April setzten sie ein Gesetz in Kraft, das alle „nichtarischen“ Beamte in den
Ruhestand beförderte. Jüdische Lehrer und Professoren verloren über Nacht ihre Arbeit. Auch
wer jüdische Eltern oder Großeltern hatte, galt nach dem Gesetz fortan in Deutschland als
„nichtarisch“. Dieser sogenannte „Arier-Paragraph“ wurde bald auf den gesamten öffentlichen
Dienst, schließlich schnell auch auf fast alle anderen Berufsgruppen in Deutschland
ausgedehnt. Die Nationalsozialisten missbrauchten ihre politische Macht, um Gesetze zu
machen, mit denen sie dann „legal“ die deutschen Juden aus dem öffentlichen Leben
verbannen konnten. Hierzu diente auch das „Gesetz gegen die nichtarische Überfüllung von
Hochschulen“. Es trat am 25. April 1933 in Kraft. Es legte fest, dass nur eine Quote von 1,5%
Nicht-Ariern pro Schule, Fakultät, Universität zugelassen wurde. Diese Gesetzgebung zielte auf
ein totales Ausbildungsund Berufsverbot für Juden. Das Gesetz zur Reichskulturkammer
schließlich grenzte ab dem 22. September 1933 alle jüdischen Künstler von jeglicher Tätigkeit in
nichtjüdischen Kultureinrichtungen aus. Wie hier in der Reichsfilmkammer konnten nur noch
deutsche Künstler ihren Beruf ausüben, die sich mit dem Gedankengut und den Taten der
Nationalsozialisten arrangierten oder sogar ihre Parteigänger waren. Die quasi „legalisierte“
Judenfeindlichkeit des Nazi-Staates führte dazu, dass schon 1933 rund 37.000 Juden
Deutschland verließen, vornehmlich die Jungen, die Talentierten, die Intelligenten. Deutschland
war zunehmend von allen guten Geistern verlassen.
O-Ton Goebbels: Bücherverbrennungen
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Clip 13: „Nürnberger Gesetze“ 1935
In der Mitte der 1930er Jahre wurde das Leben für die deutschen Juden in ihrem Heimatland
immer gefährlicher. Die Nationalsozialisten, die 1933 an die Macht gekommen waren, hatten
Deutschland in eine Diktatur verwandelt. Alle, die anders dachten als Hitler und die Nazis,
saßen im Gefängnis, waren mit dem Tode bedroht oder bereits ermordet. Viele waren ins
Ausland geflohen oder waren von der Nazi-Regierung sogar ausgewiesen worden. Auch viele
Juden waren bereits emigriert. Nach fast 40.000 im Jahr 1933 waren es in den folgenden
Jahren bis zu 25.000 pro Jahr. Doch manche Juden hofften noch immer auf bessere Zeiten.
Aber sie kamen nicht. Im Gegenteil – hatten am Beginn der Nazi-Herrschaft noch viele
Menschen geglaubt, Hitler habe die weit verbreitete Judenfeindlichkeit bloß genutzt, um
möglichst viele Menschen dazu zu bringen, ihn zu wählen, so wurden sie 1935 endgültig eines
Besseren belehrt:
O-Ton: Göring verliest Nürnberger Gesetze
Die Ausschnitte zeigen den hohen Nazi-Funktionär Hermann Göring 1935 beim Verkünden des
sogenannten „Reichsbürgergesetzes“ und des „Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes
und der deutschen Ehre“. Mit diesen „Nürnberger Gesetzen“ erreichte der Plan der
Nationalsozialisten seinen Höhepunkt, den deutschen Staatsbürgern jüdischer Abstammung
alle Rechte zu nehmen. Nur wer „deutschen oder artverwandten Blutes“ war, heißt es im
„Reichsbürgergesetz“, behielt alle Rechte in der deutschen Volksgemeinschaft. So hatten
zukünftig nur „Deutsche“ mit „Ariernachweis“ noch das Recht, um nicht zu sagen, die Pflicht,
den „Führer“ zu wählen, wie hier bei der sogenannten Reichstagswahl 1936:
O-Ton Goebbels u.a.
Wer aber jüdisch war oder auch nur jüdische Vorfahren hatte, verlor alle politischen Rechte.
Juden durften nicht einmal mehr die Staatsflagge des Deutschen Reiches, die mittlerweile die
Hakenkreuzfahne war, vor ihrem Haus oder Fenster hissen. Die „Nürnberger Gesetze“ löschten
endgültig jede Rechtsstaatlichkeit in Deutschland aus; öffneten Denunziation und Willkür alle
Türen. Brutaler als zuvor griff die Diktatur in das Privatleben der Menschen ein. Liebe zwischen
Juden und Nichtjuden war nun in Deutschland nach dem sogenannten „Blutschutzgesetz“
verboten. Wer es trotzdem tat, beging „Rassenschande“. Liebe und Sex als Straftatbestand.
Wie mögen diese beiden sich gefühlt haben? Nur weil sie sich liebten, waren sie plötzlich mitten
in Deutschland mit dem Tode bedroht.
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Clip 14: Novemberpogrome 1938
Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 nahm die Judenverfolgung im nun großdeutschen
Reich stark zu. Auch aus Wien flohen viele Juden. Der Flüchtlingsstrom schwoll an. Doch je
mehr deutsche Juden aus Deutschland fort wollten, desto weniger waren die Länder Europas
bereit, sie aufzunehmen. Die polnische Regierung beispielsweise – hier der polnische
Außenminister Józef Beck – erließ ein neues Gesetz. Es machte die Pässe der polnischen
Juden, die länger als fünf Jahre in Deutschland gelebt hatten, ab dem 30. Oktober 1938
ungültig. Nach diesem Datum konnten sie also nicht in ihr Heimatland zurückkehren. Die Nazis
nahmen dieses Gesetz zum Anlass für die erste größere Deportation von Juden aus
Deutschland. Rund 15.000 Juden polnischer Herkunft wurden am 28. und 29. Oktober von der
Gestapo aus ihren Wohnungen und Häusern geholt, von ihren Arbeitsplätzen weggerissen,
abgeschoben und einfach hinter der „grünen Grenze“ auf polnischem Gebiet ausgesetzt. Unter
den Deportierten war auch die Familie Grynszpan. Der 17-jährige Sohn, Herschel Grynspan,
erfuhr am 3. November 1938 in Paris vom brutalen Vorgehen der Gestapo gegen seine Familie.
Vier Tage später erschoss er den deutschen Botschaftssekretär Ernst vom Rath. Mittlerweile
haben Historiker herausgefunden, dass beide im Homosexuellenmilieu verkehrten. Ob
Grynspan vom Rath aus privaten oder politischen Gründen erschoss, ist nicht endgültig geklärt.
Doch die Nazis nahmen den Tod des Diplomaten am 9. November 1938 sofort zum Anlass, eine
großangelegte Trauerzeremonie zu starten. Vom Rath bekam ein Staatsbegräbnis. Hitler hatte
den eher unbedeutenden Gesandtschaftsrat nach dem Attentat noch schnell um drei Stufen
nach oben befördert zum Botschaftssekretär 1. Klasse. Propagandaminister Joseph Goebbels
stellte das Attentat auf den Diplomaten als Komplott des internationalen Judentums dar. In der
Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 fanden überall in Deutschland brutale Überfälle auf
deutsche Juden statt. Sie setzten sich am 10. November tagsüber besonders in Österreich fort.
Es waren überwiegend SAund SS-Leute, die gezielt jüdische Geschäfte stürmten und
zertrümmerten, Juden in ihren Wohnungen überfielen, misshandelten, vergewaltigten,
Wertgegenstände stahlen, alles kurz und klein schlugen und männliche Juden verhafteten.
Solche grausamen Übergriffe auf Juden wurden als Pogrome bezeichnet. Die
NovemberPogrome in Deutschland 1938 fanden mit dem Niederbrennen von über 1400
Betstuben und Synagogen ihren Höhepunkt. Kein einziges nicht-jüdisches Geschäft wurde
beschädigt; die Feuerwehr hatte klare Anweisung, nur nicht-jüdische Häuser zu schützen und
die Synagogen ausbrennen zu lassen. Die November-Pogrome waren von der Nazi-Partei zu
perfekt geplant, um tatsächlich als „spontaner Volkszorn“ erscheinen zu können, wie es Joseph
Goebbels tags darauf behauptete. Was in dieser Nacht des zerbrochenen Glases, in der
sogenannten „Reichskristallnacht“, in Deutschland geschah, waren die schlimmsten Pogrome
seit dem Mittelalter. Über 30.000 männliche deutsche Juden wurden in Konzentrationslager
verschleppt nur, weil sie Juden waren. Nach neuesten Schätzungen kamen insgesamt 1.500
Juden bei den November-Pogromen in Deutschland ums Leben.
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Clip 15: „Arisierung“ – die wirtschaftliche Ausplünderung der Juden
Der Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 war der Vorbote einer wirtschaftlichen
Ausgrenzung und Ausplünderung aller Juden und aller Andersdenkenden in Deutschland. 1938
waren knapp 60 Prozent aller jüdischen Geschäfte und Unternehmen enteignet und in
Staatsbesitz übergegangen oder weit unter Preis an sogenannte „Volksdeutsche“ verkauft
worden. So stammten 1938/39 immerhin fast 9 Prozent aller Staatseinnahmen aus der
„Arisierung“. Das nationalsozialistische „Wirtschaftswunder“, das die Massenarbeitslosigkeit seit
der Weltwirtschaftskrise in Deutschland beseitigte, gründete sich zu einem Gutteil also auf eine
räuberische Umverteilung von jüdischem Eigentum und Besitz zugunsten des Staates und
einzelner Deutscher. Der Wirtschaftsaufschwung diente nur einem Ziel. Er führte geradewegs in
den Krieg. Auch Privatfirmen wie die „Deutsche Bank“ oder der Chemiekonzern „IG Farben“
bereicherten sich durch „Arisierung“ an jüdischem Eigentum. Nach dem „Anschluss Österreichs“
übernahmen die IG Farben unter Wert die Skoda-Werke Wetzler. Sie gehörten der Familie
Rothschild. Sie musste 1938 emigrieren. Die Diktatur, die nun auch über Österreich kam, wurde
den neuen „Volkdeutschen“ z.B. durch die Möglichkeit versüßt, einfach die Wohnungen der
geflohenen oder später dann deportierten Juden zu übernehmen. So wechselten allein in Wien
bis zum Kriegsbeginn mehr als 60.000 Wohnungen in guter Lage ihre Besitzer. Und über das
Winterhilfswerk konnten sich Volksdeutsche sogar mit geraubten jüdischen Kleidern neu
eindecken. Nach Kriegsbeginn ging die Ausplünderung der Juden nun in ganz Europa weiter.
Allein aus dem besetzten Frankreich fuhren ab 1940 zehntausende Güterwaggons voll mit
geraubten Möbeln, Kleidern, Gemälden und Kunstgegenständen „heim ins Reich“. Sie wurden
in Deutschland versteigert und verkauft. Der Erlös floss in die Kassen des NS-Staates.
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Clip 16: Judenverfolgung in Polen nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs
Polen in den 30er Jahren: Hier leben fast 3 Millionen Juden – wie in anderen osteuropäischen
Ländern sind sie eine bedeutende Minderheit in der Gesellschaft. Sie gehören überwiegend der
Mittelschicht an, leben mehrheitlich in Städten und sind wie in Deutschland wichtige Stützen
des wirtschaftlichen und geistigen Lebens. Oft stärker als in Westeuropa leben die
osteuropäischen Juden ihren Glauben sehr traditionell. Nach der Weltwirtschaftskrise am Ende
der 1920er Jahre versuchte die Mehrheit der nichtjüdischen polnischen Bevölkerung ihren
sozialen Status zu halten und drängte auch durch eine judenfeindliche Gesetzgebung viele
Juden aus ihren wirtschaftlichen Positionen. Viele Juden verarmten und lebten am Rande des
Existenzminimums. Am 1. September 1939 überfallen deutsche Truppen Polen. Der 2.
Weltkrieg beginnt. Die vorrückenden Soldaten treffen auf viele Juden und jüdische Gemeinden,
die viel ärmer und traditioneller sind als sie es aus Deutschland kannten. Viele Soldaten
schreiben in ihren Briefen in die Heimat, wie fremd ihnen die Welt der polnischen Juden ist, wie
abscheulich und abstoßend sie deren Leben finden und wie recht der Führer doch habe, sie
verfolgen zu lassen. Die jahrelange Propaganda wirkt. Und die Kameraleute der „Deutschen
Wochenschau“ fügen auf ihrem Vormarsch durch Polen täglich neue Aufnahmen armer Juden
hinzu. Sie dienen als Feindbilder, die belegen sollen, wie „minderwertig“ das Judentum doch
sei. Gemeinsam mit den Sondereinheiten von Sicherheitspolizei und Sicherheitsdienst, den
sogenannten „Einsatzgruppen“, demütigen, verprügeln und quälen auch viele
Wehrmachtssoldaten polnische Juden in aller Öffentlichkeit. Die „Einsatzgruppen“ machen
regelrechte Hetzjagden auf Juden, aber auch auf Sinti und Roma, Kommunisten und
Sozialdemokraten. Es kommt zu Massenhinrichtungen und Massakern. Das besetzte Polen,
das die Deutschen nunmehr als „Generalgouvernement“ bezeichnen, wird zu einem
rechtsfreien Raum. Misshandlung, Vergewaltigung und Mord an Juden wie an der polnischen
Bevölkerung, die die Nazis gleichfalls als „minderwertig“ ansehen, ist an der Tagesordnung. Im
Herbst 1939 beginnen erste Deportationen. Die Juden vom Lande werden in die
nächstgelegenen Städte umgesiedelt, später in neu von den Nazis eingerichteten Ghettos der
größeren Städte konzentriert, etwa in Krakau, Lodz und Warschau. Die polnischen Juden
müssen ab Dezember 1939 eine Binde tragen und sind so für jedermann äußerlich kenntlich
gemacht. Im November 1940 wird das jüdische Armenviertel Warschaus zum größten Ghetto
Polens. Über 350.000 Menschen müssen hier auf engstem Raum zusammenleben. Die
Zwangsquartiere, die auf etwa 70 Straßenzüge begrenzt sind, werden von den Besatzern mit
hohen Mauern umgeben. Niemand darf das Warschauer Ghetto unerlaubt verlassen. Wer es
dennoch tut, um Lebensmittel oder lebenswichtige Arzneien zu besorgen, wird mit dem Tode
bestraft. Für die innere Organisation des Ghettos setzen die Deutschen einen sogenannten
„Judenrat“ ein. Er wurde gezwungen, mit den Besatzern zusammenzuarbeiten und die
Anordnungen den Deutschen umzusetzen. So übertragen die Deutschen sehr perfide einen Teil
der Verantwortung für die Ausführung der eigenen judenfeindlichen Maßnahmen auf die Juden
selbst. Um zu überleben, müssen die arbeitsfähigen Juden Zwangsarbeit verrichten. Sie
arbeiten entweder im Ghetto oder in ca. 50 Warschauer Betrieben, die vornehmlich für die
Rüstungsindustrie des Dritten Reiches tätig sind. Anfang 1941 verschlechtern sich die
Lebensbedingungen im Warschauer wie in den anderen Ghettos zusehends. Immer mehr
Juden aus den verschiedenen Regionen Polens werden in die Ghettos gesperrt, in Warschau
allein sind es fast 60.000 Menschen zusätzlich. Seuchen brechen aus. Viele Kinder und alte
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Menschen sterben an Unterernährung, Auszehrung, Epidemien. Der Judenrat verwaltet nur
mehr den Tod. Das Ghetto ist zu einer Hölle auf Erden geworden.
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Clip 17: Beginn der systematischen NS-Vernichtungspolitik in Polen und in der
Sowjetunion
Der 23. August 1939 in Moskau. An diesem Tag unterzeichneten der deutsche Außenminister
von Ribbentrop und sein sowjetischer Kollege Molotow den deutsch-sowjetischen
Nichtangriffspakt. Stalin gab Hitler damit einen Freibrief, mit den Eroberungskriegen in Europa
beginnen zu können. Polen wurde Hitlers erstes Ziel. In einem Geheimprotokoll verabredeten
die beiden Diktatoren, Polen unter sich aufzuteilen. Am 17. September 1939 besetzt die Rote
Armee Ostpolen. Stalin wollte schon damals seinen eigenen Einfluss in Europa vergrößern. Er
sah auch klar, dass Hitler in naher Zukunft auch die Sowjetunion überfallen würde. Stalin
erhoffte sich einen zeitlichen Aufschub durch die Zusammenarbeit mit Hitler. Die Sowjets
nutzten diese Zeit für die Aufrüstung der eigenen Armee. Am 22. Juni 1941 trat ein, was Stalin
befürchtet hatte: Die deutsche Wehrmacht überfiel die Sowjetunion. Doch nun stand den 3,6
Millionen deutschen Soldaten eine Überzahl von ca. 4,7 Millionen sowjetischen Soldaten
gegenüber. Aber für die Rote Armee kam der deutsche Einmarsch überraschend. Nur knapp die
Hälfte der Soldaten befand sich im Westteil des riesigen Landes. Über den Sommer 1941
gewannen die deutschen Panzerverbände Schlacht um Schlacht. Sie drangen weit ins
Landesinnere vor und machten Hunderttausende Kriegsgefangene. Für die Deutschen schien
alles nach Plan zu laufen, nach „Generalplan Ost“. Dieser Plan zur Gewinnung von
„Lebensraum im Osten“ war von der SS im Auftrage von Heinrich Himmler 1941 ausgearbeitet
worden. Er sah vor: Ganz Osteuropa bis zum Ural sollte zum Siedlungsgebiet der Deutschen
werden. Nahezu 30 Millionen Menschen aus Polen, Tschechien, der Slowakei, der Ukraine und
aus Russland sollten in die Weiten Sibiriens umgesiedelt werden. Hinter der vorrückenden
deutschen Armee verfolgten ca. 3.000 Männer ein weiteres, noch grausameres Kriegsziel der
Nazis: die Ermordung aller Juden in Osteuropa. Die Männer waren überwiegend Angehörige
der Polizei, des Sicherheitsdienstes (SD) und der SS. Sie waren in den sogenannten
„Einsatzgruppen“ organisiert. Die Männer der Einsatzgruppen töteten aber auch die geistige
Elite Polens. Sie ermordeten Intellektuelle, katholische Priester und kommunistische
Funktionäre. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion waren die Einsatzgruppen den
Heeresgruppen Nord, Mitte und Süd zugeordnet. Im Einsatzgebiet der 11. Armee operierte die
Einsatzgruppe D. 1941 beging die Einsatzgruppe A in Litauen unter Mithilfe der dortigen
Bevölkerung mörderische Pogrome. In Lettland führte sie Massenexekutionen durch. In der
Ukraine verübten die Leute der Einsatzgruppe C den wohl bis dato größten Massenmord am
Volk der Juden. An nur zwei Tagen, am 29. und 30. September, erschossen sie mehr als 30.000
Juden in der Schlucht von Babi Jar. Doch der Reichsführung und Adolf Hitler waren die
herkömmlichen Tötungsmethoden nicht effektiv genug. Für die sogenannte „Endlösung der
Judenfrage“ suchten und fanden sie Verfahren des Massentötens, die in der Geschichte der
Menschheit ohne Beispiel sind.
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Clip 18: Die Wannseekonferenz 1942 – „Die Endlösung der Judenfrage“
„Am Großen Wannsee 56-58“ lautet die Adresse dieser Berliner Villa. Hier trafen sich am 20.
Januar 1942 wichtige Reichsführer des NS-Staates zu einer „Besprechung mit anschließendem
Frühstück“. Eine Verabredung zum Massenmord, denn besprochen wurden Maßnahmen zur
sogenannten „Endlösung der Judenfrage“. Schon im Sommer 1941 hatte die Naziführung
beschlossen, alle Juden in ihrem Herrschaftsgebiet ermorden zu lassen. Der Chef von
Sicherheitspolizei und Sicherheitsdienst, Reinhard Heydrich, wurde von Reichsmarschall
Hermann Göring beauftragt, ihm „in Bälde einen Gesamtentwurf über die organisatorischen,
sachlichen und materiellen Vorausmaßnahmen zur Durchführung der angestrebten Endlösung der
Judenfrage vorzulegen.“ Zu diesem Zwecke lud Heydrich seine Experten für Deportation und
Judenmord, darunter neun promovierte Juristen, in die Wannsee-Villa. Adolf Eichmann, Leiter
des Referats „Judenangelegenheiten“, führte das Protokoll der „Wannsee-Konferenz“. Minutiös
listete er auf, wie viele Juden noch in den einzelnen europäischen Ländern leben und deportiert
werden sollen. Kühl kalkuliert er durch: „Im Zuge dieser Endlösung der Judenfrage kommen rund elf
Millionen Juden in Betracht.“ Das Ergebnis der Besprechung, also das, was nun mit den Juden in
Europa geschehen soll, formulierte Eichmann in seinem Protokoll in unnachahmlichem
Beamtenund Behördendeutsch: „Im Zuge der praktischen Durchführung der Endlösung wird Europa
von Westen nach Osten durchgekämmt.“ Und weiter: „Die evakuierten Juden werden zunächst Zug um
Zug in sogenannte Durchgangsghettos verbracht, um von dort aus weiter nach dem Osten transportiert zu
werden.“ Schließlich: „Unter entsprechender Leitung sollen nun im Zuge der Endlösung die Juden in
geeigneter Weise zum Arbeitseinsatz kommen [...], wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche
Verminderung ausfallen wird.“ „Natürliche Verminderung“ – Selten wurde Massenmord juristisch
und bürokratisch so verklausuliert wie auf jener Konferenz der Nazi-Größen am Wannsee im
Januar 1942. Eichmanns Protokoll endete mit dem Hinweis auf die Bitte Heydrichs, „ihm bei der
Durchführung der Lösungsarbeiten entsprechende Unterstützung zu gewähren“. Bedeutet: Wer hat die
beste Idee, so viele Juden wie möglich in der kürzesten Zeit wie möglich umzubringen? Wenige
Monate nach der Wannsee-Konferenz, Ende Mai 1942, wurde Heydrich von tschechischen
Widerstandskämpfern in Prag getötet. Doch das Morden des NS-Staates an den Juden ging
unvermindert weiter. Der Holocaust hing schon lange nicht mehr an einzelnen Personen,
sondern war zu einer bürokratisch organisierten Maschine des Tötens geworden. Sie wurde von
vielen bedient, damit nur wenige sich verantwortlich fühlen mussten für das, was wirklich
geschah: gemeiner Massenmord.
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Clip 19: Aufbau der Vernichtungslager in Polen
Die Schlucht von Babi Jar. Mehr als 30.000 Juden wurden hier allein an zwei Tagen im
September 1941 erschossen. Mit nüchternem Zynismus stellte die Führung der
Einsatzgruppen, die die Exekutionen durchführte, fest, dass die physische und psychische
Belastung für die Tötenden auf Dauer zu hoch sei. Experimente zum Massenmord mithilfe der
Einleitung von tödlichem Kohlenmonoxid in Gaswagen führte nicht zu den gewünschten
Resultaten, um die von den Nazis beschlossene Ermordung aller europäischen Juden so
schnell wie möglich zu bewerkstelligen. In Polen hatten die Nazis alle Juden in Ghettos
konzentriert. Waren die Lebensbedingungen dort für die Menschen schon lebensbedrohend, so
begann die Nazi-Führung 1942 mit der „Aktion Reinhardt“. Ihr Ziel: Die Ermordung aller Juden
im sogenannten „Generalgourvenement“, wie das damalige Polen im Amtsdeutsch hieß. Ab
November 1941 entstanden erste Vernichtungslager: Belzec, Sobibor, Treblinka. Auf Befehl
Himmlers rollten nun Tag für Tag „Judentransporte“ aus den polnischen Ghettos in die
Vernichtungslager. Im März 1942 wurden die ersten Juden in Treblinka und den anderen Lagern
ermordet, ab Juli begann deren systematische Ermordung in den Vernichtungslagern. Anfang
1943 lebten von den einstmals 2 Millionen polnischen Juden nur noch etwa 30.000. Nach dem
Massenmord im „Generalgourvenement“ konzentrierte sich die Nazi-Führung bei der
Verwirklichung der sogenannten „Endlösung der Judenfrage“ nun auf ihr größtes
Vernichtungslager: Seit Mai 1940 war im östlichen Teil Oberschlesiens nahe der Stadt
Auschwitz ein riesiges Lager entstanden. 1941 entstand nahe Auschwitz das Außenlager
Monowitz, ein Industriewerk der IG Farben. Die IG Farben war ein Zusammenschluss großer
deutscher Chemiebetriebe. Sie bediente sich der KZ-Insassen als Zwangsarbeiter. Allein 1944
mussten hier 42.000 Auschwitz-Häftlinge unter unmenschlichen Bedingungen Zwangsarbeit für
die deutsche Chemieindustrie leisten. Viele kamen während der mörderischen Arbeitseinsätze
ums Leben. Die toten Häftlinge wurden durch neue, arbeitsfähige KZ-Insassen ersetzt. Wer
nicht mehr weiterarbeiten konnte, wurde als „arbeitsunfähig“ eingestuft und in den sicheren Tod
der Gaskammer geschickt. Im Oktober 1941 wurde auf Befehl Himmlers im nahen Birkenau ein
zweites Lager errichtet. Hier ließ Lagerkommandant Höß Anfang 1942 zunächst zwei Häuser in
Gaskammern umbauen. In ihnen wurden die überwiegend jüdischen Häftlinge mit dem Giftgas
Zyklon B ermordet. Es strömte statt Wasser aus den Duschen. Höß ließ nun das Mordverfahren
an den Häftlingen perfektionieren. Bis 1945 wurden 1,3 Millionen Juden aus ganz Europa in das
Vernichtungslager AuschwitzBirkenau deportiert. 900.000 wurden direkt von der Rampe weg in
die Gaskammern geführt und getötet oder sogar unmittelbar nach Ankunft gleich erschossen.
Ca. 200.000 Häftlinge starben an Unterernährung, Epidemien, Misshandlungen und den Folgen
der schweren Zwangsarbeit, die sie in den naheliegenden Fabriken der IG Farben verrichten
mussten. Die Leichen der Getöteten wurden verbrannt, ihre Habseligkeiten in einer Sortierstelle
fein säuberlich getrennt und aufbewahrt.
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Clip 20: Judenverfolgung in Deutschland nach Beginn des Zweiten Weltkriegs
Deutschland im Krieg. Ab Herbst 1940 schlägt der Zerstörungsund Eroberungsfeldzug der
deutschen Truppen in Europa immer stärker gegen die eigene Bevölkerung zurück. Nacht für
Nacht fallen die Bomben der britischen und amerikanischen Kampfgeschwader auf deutsche
Städte. Sie richten große Verwüstungen an. Die Volksdeutschen können sich in
Luftschutzräume retten. Juden ist der Zutritt verboten. Schutzlos sind sie dem Bombenhagel
und den Feuerstürmen ausgesetzt. Viele sterben. Im Herbst 1941 verbietet der Reichsführer
SS, Heinrich Himmler, den Juden, die nun noch in Deutschland leben, die Auswanderung. Das
letzte Kapitel des Holocaust beginnt. Rund 151.000 Menschen jüdischen Glaubens, viele
Frauen und Alte darunter, sind betroffen. 75.000 von ihnen leisten harte Zwangsarbeit in
wichtigen Betrieben der Kriegswirtschaft. Doch die Juden sind völlig rechtlos, verarmt. Sie
werden von den Nazis gebrandmarkt wie Vieh. Seit September 1941 müssen auch alle Juden in
Deutschland einen gelben Stern auf der Kleidung tragen. Die Ausgrenzung der Juden aus der
Gesellschaft wird nun für jedermann auch äußerlich sichtbar. Die männlichen Juden müssen
den Beinamen „Israel“; die Frauen den Beinamen „Sarah“ tragen. Man nimmt ihnen jedes Recht
auf eine eigene Persönlichkeit, erklärt sie zur verfügbaren Masse von namenlosen Männern,
Frauen, Kindern und Alten. Wenig später beginnen die Massendeportationen in die
Vernichtungslager, die mittlerweile von den Nazis in Osteuropa errichtet wurden. Allein aus
Hamburg lässt Gauleiter Kaufmann zwischen 1940 und 1945 mehr als 7.000 Juden in die
Ghettos und Lager in Osteuropa verschleppen. Offiziell heißt es, die Juden würden zum
Arbeitseinsatz nach Osten fahren. Dort werden die meisten Juden, aber auch der Großteil der
deportierten Sinti und Roma, von den Nazis ermordet. Ende 1942 leben nur noch rund 75.000
Juden in Deutschland. Sie arbeiten in kriegswichtigen Betrieben. Doch Hitler will sie so schnell
wie möglich durch andere Zwangsarbeiter ersetzen lassen und gleichfalls in die Vernichtung
treiben. In der sogenannten „Fabrik-Aktion“ wird besonders in Berlin im März 1943 offene Jagd
auf Juden gemacht. Der Berliner Gauleiter Joseph Goebbels will die Reichshauptstadt
„judenrein“ machen. Er lässt viele Juden direkt aus den Fabriken verhaften. Sie werden in
Deportationszügen, die vornehmlich in Berlin-Grunewald zusammengestellt werden, gen Osten
abtransportiert. Insgesamt sind es 165.000 Juden aus Deutschland, die bis 1945 dem
Rassenwahn der Nazis zum Opfer fallen. Trotz der mörderischen Hetzjagd auf Juden schaffen
es bis zu 12.000, im Gebiet des sogenannten „Altreiches“ unterzutauchen. Diese sogenannten
„U-Boote“ werden von Deutschen in Kellern und Gartenlauben versteckt und versorgt oder sie
leben mit falschen Papieren in Deutschland, immer in der Furcht, entdeckt zu werden.
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Clip 21: Judenverfolgung in Westeuropa (1940-1944)
Nach der sogenannten „Reichskristallnacht“ waren 1938 ca. 14.000 Juden aus Deutschland in
die Niederlande geflohen. Zentraler Ankunftsort der Flüchtlinge war der Bahnhof von Zevenaar.
Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen im Mai 1940 begann auch in den Niederlanden
sofort die Verfolgung der Juden nach deutschem Muster: Ausgrenzung, Ächtung, Arisierung
jüdischen Eigentums, schließlich Deportation. Trotz des teilweise offenen Widerstands der
holländischen Bevölkerung konnten die deutschen Besatzer 110.000 der 140.000 Juden aus
den Niederlanden in die Konzentrationsund Vernichtungslager nach Deutschland und
Osteuropa deportieren. Die Deportationen begannen im Sommer 1942 und liefen über das
Durchgangslager Westerbork in der Nähe der deutschen Grenze. Schon 1943 galten die
Niederlande – im Sprachgebrauch der Nazis – als „judenrein“. Im europäischen Vergleich ist die
Zahl von 73 Prozent deportierter holländischer Juden erschreckend hoch. In Dänemark
beispielsweise war es nach dem Überfall durch die deutschen Truppen am 9. April 1940 lange
friedlich geblieben. Den Nazis in Berlin erschien Dänemark als eine Art „Musterprotektorat“, die
Dänen als „germanisch-nordisches Volk“ idealer Bündnispartner. Doch der Schein trog – zum
Glück. Als im Oktober 1943 auch in Dänemark die „Endlösung“ beginnen sollte, konnte die
Bevölkerung in einer beispiellosen Rettungsaktion fast alle der 8.000 dänischen Juden in
Sicherheit bringen. Viele wurden ins neutrale Schweden gebracht. Polizei und Küstenwache in
Dänemark waren nicht bereit, sich an einer Menschenjagd auf Juden zu beteiligen. Ganz
anders sah die Situation der Juden in Frankreich aus. Hier begannen die Deportationen im
März 1942. Mehr als 70.000 Juden aus dem besetzten Teil Frankreichs, später aus der
sogenannten „freien Zone“ der Vichy-Regierung im Süden des Landes, wurden abtransportiert.
Die französische Polizei war aktiv beteiligt, Behörden halfen bei Registrierung und Internierung
der französischen Juden. Besonders die Vichy-Regierung hatte die Illusion, sich durch diese
Form der „Kollaboration“ ein gewisses Maß an politischer Selbständigkeit bewahren zu können.
Das war ein Trugschluss. Für die Deutschen war die „Kollaboration“ reine Taktik, um zumindest
die Loyalität von einem Teil der Franzosen zu gewinnen. Ab Mai 1942 verstärkte der SSund
Polizeiführer Carl Oberg den Terror gegen die französische Zivilbevölkerung. Er gab den Befehl
zu Geiselerschießungen. Die Maßnahmen gegen die Juden wurden bösartiger, die
Deportationen massiv. Immer mehr Franzosen wurden als Zwangsarbeiter für die deutsche
Wirtschaft rekrutiert. Die Résistance, die französische Widerstandsbewegung, wuchs daraufhin
stark an. Viele Kämpfer der Résistance halfen mit, Frankreich nach der Invasion der Alliierten in
der Normandie von der deutschen Besatzung zu befreien.
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Clip 22: Judenverfolgung in Osteuropa (1940 – 1945)
Ungarn nahm zwischen 1933 und 1945 eine besondere Haltung gegenüber dem faschistischen
Deutschland ein. Unter dem „Reichsverweser“ Horthy verbündete sich Ungarn schon früh mit
dem „Dritten Reich“. Beim Angriff auf die Sowjetunion unterstützten ungarische Truppen die
Deutschen. Als Ungarn sich jedoch Anfang 1944 aus dem Bündnis mit Deutschland befreien
wollte, besetzte die deutsche Wehrmacht das Land am 19. März 1944. Nun gerieten die bis
dato weitgehend unbehelligt lebenden ungarischen Juden in Gefahr. Adolf Eichmann, der
Organisator der „Endlösung der Judenfrage“, war nach Budapest gereist, um die Deportation
ungarischer Juden in Rüstungsbetriebe nach Deutschland zu überwachen. Die SS ließ im
Zusammenspiel mit den ungarischen Faschisten, den sogenannten „Pfeilkreuzlern“, in kürzester
Zeit, von März bis Juli 1944, mehr als 200.000 Juden deportieren. Sie wurden größtenteils in
Auschwitz ermordet. Die Anzahl der jüdischen Opfer des NS-Völkermords war auch in den
anderen osteuropäischen Ländern sehr hoch. Insgesamt fielen allein in Osteuropa ca. fünf
Millionen Juden dem Holocaust der Nationalsozialisten zum Opfer.
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Clip 23: „Todesmärsche“ 1944/45
Die Kriegsgegner Deutschlands ahnten, dass das, was in den Konzentrationslagern geschah,
das Schlimmste war, das der ganzen Menschheit je angetan wurde. Auf der Konferenz von
Teheran am 28. November 1943 trafen sich der britische Premierminister Winston Churchill und
der US-Präsident Franklyn D. Roosevelt zum ersten Mal mit ihrem Verbündeten im Osten, dem
sowjetischen Diktatur Josef Stalin. Sie hatten unterschiedliche politische Weltanschauungen.
Doch in einem Punkt waren sie sich einig. Sie wollten Deutschland gemeinsam besiegen. Sie
wollten zusammen den Völkermord der Nazis so schnell wie möglich beenden. Sie wussten:
Die deutsche Wehrmacht war geschwächt. Der Schock der Deutschen saß tief. Mit der
verheerenden Niederlage in der Schlacht um Stalingrad im Januar 1943 hatte in Deutschland
wohl kaum jemand gerechnet. Briten, Amerikaner und Russen verabredeten, sowohl im Westen
wie im Osten mit Gegenoffensiven zu beginnen. Nazi-Deutschland sollte durch einen
Zweifronten-Krieg in die Knie gezwungen werden. Am 6. Juni 1944, dem sogenannten D-Day,
begann die Landung der alliierten Streitkräfte in der Normandie. 150.000 Amerikaner, Briten,
Polen, Kanadier und Soldaten anderer Bündnisländer eroberten verlustreich fünf
Strandabschnitte. Für die deutsche Armeeführung kam die Landung an diesem Punkt der
französischen Atlantikküste überraschend. Dank dieser Überraschungstaktik und der großen
Kampfkraft ihrer Truppen konnten die alliierten Streitkräfte in nur wenigen Tagen eine
zusammenhängende Front von 100 Kilometern Länge auf dem französischen Festland
aufbauen. Systematisch begannen sie nun, die deutschen Truppen gegen die eigenen Grenzen
und darüber hinaus zurückzudrängen. Zwei Wochen nach der Landung ihrer westlichen
Verbündeten in der Normandie startete die Rote Armee ihre großangelegte Sommeroffensive
gegen die deutsche „Heeresgruppe Mitte“ inmitten der Sowjetunion. Die deutschen Truppen
wurden nun auch an der Ostfront entscheidend geschlagen und waren auf dem Rückzug. Als
die Front näherrückte, gab SS-Führer Heinrich Himmler den Befehl aus: Kein KZHäftling dürfe
in die Hände des Gegners fallen. Alle Spuren des Holocaust sollten so schnell wie möglich
beseitigt werden. Im Spätsommer 1944 begann die SS mit der Evakuierung des
Vernichtungslagers Auschwitz in Ostoberschlesien. Ca. 65.000 Häftlinge, die im Sinne der
Nazis noch als „arbeitsfähig“ galten, wurden in Rüstungsbetriebe nach Deutschland
transportiert. Ende 1944 begannen die SS-Männer, die Vernichtungsanlagen zu demontieren
und einen Großteil der Geheimakten zu verbrennen. Im Januar 1945 setzte die SS 56.000
Häftlinge in Richtung Westen in Marsch. Die entkräfteten, ausgemergelten Menschen trugen
bloß ihre dünne, zerfetzte Häftlingskleidung. Historiker schätzen, dass allein bei dieser SSAktion 9.000 bis 15.000 Häftlinge, überwiegend Juden, ums Leben kamen. Deshalb wurden
diese Aktionen der SS später als „Todesmärsche“ bezeichnet. Im April 1945 trieb die SS 28.000
der insgesamt 47.000 Häftlinge des KZ Buchenwald bei Weimar auf „Todesmärsche“. Tausende
starben in den letzten Kriegstagen. Auch beim „Todesmarsch“ von Häftlingen aus dem KZ
Mittelbau Dora bei Nordhausen in Thüringen kamen viele um. In diesem Außenlager des KZ
Buchenwald mussten die Gefangenen in Bergwerksstollen unter mörderischen
Arbeitsbedingungen die Produktion von NS-Raketenwaffen vorantreiben. Auch als sich die USArmee dem KZ Flossenbürg in der Oberpfalz näherte, wurden Mitte April 1945 25.000 – 30.000
Gefangene auf „Todesmärsche“ nach Dachau getrieben. Auf diesem „Todesmarsch“ kamen
mindestens 5.000 Häftlinge ums Leben. Auch vom KZ Dachau starteten die SSWachmannschaften noch Ende April 1945 für ca. 7.000 Häftlinge „Todesmärsche“ Richtung
Alpen. Die Wachleute jagten sie durch Eis und Schnee, hetzten sie teilweise mit Hunden zu
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Tode. Insgesamt trieb die SS in den letzten Kriegstagen in Deutschland etwa eine Viertel Million
kranker und entkräfteter Häftlinge auf „Todesmärsche“. Warum, ist nicht endgültig geklärt. Ging
es den Nazis darum, die Gefangenen durch die Strapazen umkommen zu lassen? Oder glaubte
die SS-Führung, Gefangene als Geiseln für die Verhandlungen mit den Siegermächten behalten
zu müssen? Immerhin wurden prominente „Sonderhäftlinge“ wie Pfarrer Martin Niemöller oder
der österreichische Ex-Kanzler Kurt von Schuschnigg für den Dachauer „Todesmarsch“
ausgewählt.
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Clip 24: Befreiung der Konzentrationslager 1945
Am 27. Januar 1945 befreite die sowjetische Armee das Konzentrationsund Vernichtungslager
Auschwitz in Ostoberschlesien. Im tiefsten Winter lagen das Stammlager und die Nebenlager
fast verlassen da. Die Wachmannschaften der SS waren geflohen. Nur ca. 7.500 kranke und
erschöpfte Häftlinge hatte die SS in Auschwitz zurückgelassen. Den Befreiern boten sich Bilder
des Grauens. Die Kameraleute der sowjetischen Wochenschau haben sie für die Nachwelt
festgehalten. Das ganze Ausmaß des nationalsozialistischen Massenmordens wurde
schlagartig deutlich, der Völkermord an den Juden, an den Sinti und Roma, an allen
Andersdenkenden und an allen, die die Nazis in ihrem Rassenwahn für minderwertig hielten.
Wenig später, im April 1945, sahen auch die Soldaten der westlichen Alliierten die Berge von
Leichen der gestorbenen, getöteten Häftlinge, der vor Hunger und Erschöpfung ausgezehrten
Gefangenen in den Konzentrationslagern. Hier Bilder aus dem KZ Bergen-Belsen bei Celle,
kurz nach der Befreiung durch die britische Armee am 15. April 1945. Das KZ Dachau bei
München. Nach der Befreiung am 29. April 1945 fanden US-Soldaten auch hier Leichenberge
vor und Häftlinge, die vom Tod gezeichnet waren. Angesichts solcher Eindrücke konnten einige
US-Soldaten ihre Rachegefühle nicht beherrschen. Sie übten Selbstjustiz und erschossen 39
SS-Wachleute. Sie handelten gegen das Völkerrecht. Eine Untersuchungskommission der USArmee kam zu dem Schluss, fünf Beschuldigte müssten wegen Mordes angeklagt werden.
Doch die Armeeführung folgte dieser Empfehlung nicht. Die Konzentrationslager wurden für die
Bevölkerung geöffnet. Die Menschen mussten sich nun mit den Gräueltaten beschäftigen, die in
ihrem, im Namen des deutschen Volkes begangen worden waren. Nicht wenige waren in den
NS-Völkermord mittelbar oder unmittelbar verstrickt. Die, die nicht direkt beteiligt waren,
konnten sich vor 1945 unwissend geben. Doch neuere Forschung bestätigt: „Die meisten
Deutschen wussten genug, um sich darüber im klaren zu sein, dass sie nicht mehr wissen wollten.“ So
ein Fazit des Zeithistorikers Bernward Dörner in seinem Buch „Die Deutschen und der
Holocaust“ von 2007.
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Clip 25: Deutsche und Juden nach 1945
Die Tatsache, dass – mit Ausnahme der wenigen Widerstandskämpfer – die Mehrheit der
Menschen in Deutschland in den Nationalsozialismus verstrickt waren, wollen die meisten
Deutschen nicht wahrhaben. Nur wenige wie diese Kirchenvertreter bekennen sich noch 1945
zu ihrer Mitschuld. Am 18. und 19. Oktober 1945 treffen sie sich im vom Krieg gezeichneten
Stuttgart. Sie ziehen Bilanz über die Verstrickungen der Kirche in den Nationalsozialismus. Am
19. Oktober verabschieden sie das sogenannte Stuttgarter Schuldbekenntnis, in dem es u.a.
heißt:
O-Ton Schuldbekenntnis
Im eigenen Land löst die Erklärung der Kirchen zunächst eine heftige Debatte aus. Weltweit
wird die Schulderklärung positiv aufgenommen. Sie trägt in Deutschland wie international dazu
bei, in den Kirchen christliche Judenfeindlichkeit aufzuarbeiten und abzubauen. In Deutschland
siedeln sich wieder jüdische Gemeinden an wie hier in Berlin in den Fünfziger Jahren. Deutsche
Juden bauen ihre Synagogen wieder auf wie hier in den Sechziger Jahren in Essen. Ein neuer
christlich-jüdischer Dialog entsteht, der bis heute andauert. Auf der politischen Ebene gestaltet
sich eine Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden ungleich noch schwieriger. 1949 waren
unter der Regie der mittlerweile verfeindeten Siegermächte des 2. Weltkrieges zwei Teilstaaten
auf deutschem Boden entstanden. Im Mai bildete sich aus den Zonen der westlichen Alliierten
die Bundesrepublik Deutschland. Konrad Adenauer wurde ihr erster Bundeskanzler. Im Oktober
1949 wurde aus der sowjetisch besetzten Zone die Deutsche Demokratische Republik. Wilhelm
Pieck wurde ihr erster Staatspräsident. Die DDR erhob sogleich den moralischen Anspruch, das
bessere Deutschland zu sein. Sie sah sich als antifaschistischer Staat. Jede Rechtsnachfolge
des Deutschen Reiches wurde abgelehnt und propagandistisch dem westdeutschen „AdenauerStaat“ zugeschoben. Konrad Adenauer, ein katholischer und konservativer Politiker, war
während der Nazizeit in die sogenannte „Innere Emigration“ gegangen. Das heißt, er hatte sich
nicht in das NS-System verstrickt, hielt Kontakt zu christlichen Widerstandsgruppen, wurde
sogar mehrfach verhaftet, war aber gegen den NS-Staat nicht politisch aktiv geworden. Als
langjähriger Vorsitzender einer Partei, in der viele alte Nazis Unterschlupf finden und mit deren
Hilfe sie in der Bundesrepublik Karriere machen können, gerät aber auch Konrad Adenauer ins
Zwielicht. Nach zähen Verhandlungen verabschieden im März 1953 die Parlamente der
Bundesrepublik und des Staates Israel ein Wiedergutmachungsabkommen der Deutschen an
die Juden. Nur eine Minderheit der Bevölkerung hält zu jener Zeit in Deutschland diese
Wiedergutmachung für gerechtfertigt; die Mehrheit ist dagegen. Die westdeutsche Politik folgt
dieser Stimmung. Erst 1960 kommt es zu einem ersten Treffen zwischen Adenauer und David
Ben Gurion, dem israelischen Ministerpräsidenten. Die DDR-Führung orientiert sich dagegen
ganz an der Linie der Sowjetunion, sieht Israel als „Instrument des amerikanischen
Imperialismus im Mittleren Osten“ und baut – wie hier der sowjetische Staatsund Parteichef
Chruschtschow beim ägyptischen Präsidenten Gamal Abdal Nasser die Beziehungen zu den
arabischen Staaten aus. In Westdeutschland beginnen führende Politiker erst in den 60er
Jahren, 15 Jahre nach Kriegsende, ernsthafter in der Öffentlichkeit dem Holocaust zu gedenken
– wie hier Bundeskanzler Adenauer im Jahr 1960 bei einer Kranzniederlegung für die Opfer im
ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen in Niedersachsen. Zehn Jahre später wird Willy
Brandts stummer Kniefall am Ghettodenkmal in Warschau legendär. Schon zuvor hatten immer
häufiger nun Kinder in Westdeutschland von ihren Eltern Rechenschaft darüber gefordert, was
in der Nazizeit wirklich los war. Der Wunsch nach Aufklärung über den Nationalsozialismus und
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die NS-Verbrechen wird immer dringlicher. Ab 1967/68 wird er zu einer der kräftig sprudelnden
Quellen, aus denen sich der Protest der jungen Generation gegen die Gesellschaft der Eltern in
der Bundesrepublik speist. Die sogenannte 68er-Bewegung führt auch dazu, dass seit den
Siebziger Jahren in der Bundesrepublik die Zeit des Nationalsozialismus und die Geschichte
des Holocaust verstärkt aufgearbeitet wird.
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Clip 26: Nürnberger Prozesse: Hauptkriegsverbrecherprozess
Deutschland im Jahre 1945. Die Nationalsozialisten haben das Land erst in den totalen Krieg,
schließlich in die totale Niederlage geführt. Die Mehrheit der Deutschen folgt ihrer politischen
Führung bis in den Untergang. Manche handeln unter Druck, viele folgen „ihrem Führer“
allerdings aus tiefer Überzeugung. Selbst nachdem Adolf Hitler sich gemeinsam mit Eva Braun
am 30. April 1945 im Führerbunker umgebracht hat und am 1. Mai auch sein
Propagandaminister Joseph Goebbels zusammen mit seiner Familie Selbstmord begeht, gehen
die Kämpfe wie hier in Berlin unerbittlich weiter. Erst am 8. Mai 1945 erfolgt die bedingungslose
Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Hunderttausende deutsche Soldaten gehen in die
Gefangenschaft oder sind auf der Flucht. Sie mischen sich mit einem Millionenheer von
Flüchtlingen überall im zerstörten Deutschland. In den Menschenströmen versuchen einige
Hauptkriegsverbrecher unterzutauchen. SS-Chef Heinrich Himmler flieht unter falschem
Namen. Bei Lüneburg gerät er zunächst unerkannt in britische Gefangenschaft. Als seine
Tarnung auffliegt, schluckt er am 23. Mai 1945 eine Giftpille. Anderen Kriegsverbrechern wie
SS-Mann Adolf Eichmann, dem logistischen Planer der Judendeportationen, gelingt dagegen
zunächst die Flucht. Manche bleiben unentdeckt wie SS-Arzt Josef Mengele oder
verschwunden wie HitlerStellvertreter Martin Bormann. Die Alliierten in Ost und West hatten
diese Situation kommen sehen. Schon 1943 verabredeten sie in Moskau, später auf der
Konferenz von Teheran, Kriegsverbrecher zu fangen und in den Ländern verurteilen zu lassen,
in denen sie ihre Verbrechen begangen hatten. So fanden schon während des Krieges
Kriegsverbrecherprozesse wie hier in der Sowjetunion nach dem geltendem Recht des
jeweiligen Landes statt. Die Alliierten waren sich aber einig, die Hauptkriegsverbrecher in einem
gemeinsamen Verfahren bestrafen zu wollen. Auf Grundlage des Londoner
Viermächteabkommens vom 8. August 1945 wurden die deutschen Kriegsverbrecher gejagt und
– soweit möglich – gefangen genommen wie hier Generalfeldmarschall Hermann Göring. Er
wurde zusammen mit 23 weiteren hochrangigen NS-Funktionären und Militärs einem
Internationalen Gerichtshof überstellt. Neben Göring saßen u.a. Hitler-Vertrauter Rudolf Heß
und Ex-Außenminister Joachim von Ribbentrop auf der Anklagebank in Nürnberg. Nürnberg war
gewählt worden, weil Gefängnisanlagen wie Gerichtsgebäude dort vom Krieg verschont
geblieben waren. Die Wahl des Ortes für die „Nürnberger Prozesse“ hatte aber auch
symbolische Bedeutung. Die Stadt Nürnberg war Ort der Reichsparteitage der NSDAP; der
Name „Nürnberg“ war mit Bekanntgabe der antijüdischen „Nürnberger Gesetze“ 1935
verbunden.
O-Ton: Göring 1935
Am Internationalen Gerichtshof in Nürnberg waren Ankläger aller Siegermächte beteiligt. Die
sowjetische Seite hatte sich einen Schauprozess gewünscht. Doch US-Chefankläger Robert
Jackson konnte Präsident Truman davon überzeugen, in Nürnberg einen internationalen
Strafprozess auf Grundlage rechtsstaatlicher Prinzipien führen zu wollen. Nur so könne der
Demokratisierung eines „neuen Deutschlands“ Vorschub geleistet werden. Stalin akzeptierte.
O-Ton Jackson
Zu Prozeßbeginn am 20. November 1945 hatte der US-Chefankläger Jackson die vier
Anklagepunkte gegen die Hauptkriegsverbrecher in einem grandiosen Eröffnungsplädoyer
vorgetragen:
- Verschwörung gegen den Weltfrieden,
- Planung und Entfesselung und Durchführung eines Angriffskrieges,
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- Verbrechen und Verstöße gegen das Kriegsrecht,
- Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Das gesamte Prozess-Geschehen wurde durch Simultanübersetzung allen Beteiligten sofort
übermittelt; den Angeklagten standen Psychologen zur Seite. In der Beweisaufnahme wurden
die Verbrechen des NS-Systems, besonders die Verbrechen gegen die europäischen Juden, in
Filmen, Dokumenten und Zeugenaussagen systematisch dargelegt und für die Nachwelt
dokumentiert. Der Prozess wurde zum ersten großen Medienereignis nach dem 2. Weltkrieg.
Reporter und Kameraleute hielten das Prozessgeschehen in Wort und Bild für ihre Leser und
Zuschauer in aller Welt fest. O-Ton: Taten der Einsatzgruppe A Dieter von Wisliceny, Mitarbeiter von Adolf Eichmann, bestätigt die Deportationen und den
Massenmord an den europäischen Juden. Zeugenaussage im ON Eine französische Zeugin spricht über die Deportation in das Konzentrationslager Auschwitz,
schildert Ankunft und Procedere in Auschwitz, Tätowierung und Scheren des Kopfes, spricht
über medizinische Versuche: Zeugenaussage im ON Im Prozess wurden die Angeklagten von Anwälten vertreten, die eine „echte“ Verteidigung
aufbauten, um die Vorwürfe gegen ihre Mandanten zu entkräftigen. O-Töne Den Angeklagten wurde Gelegenheit gegeben, sich persönlich zur Anklage zu äußern.
Im Kreuzverhör mit der sowjetischen Anklage schiebt Göring alle Schuld auf Adolf Hitler. O-Ton Göring Göring verweigert jede Verantwortung aus seinen Ämtern für die Millionen Opfer. O-Ton Göring Auch andere, wie Ex-Wehrminister Albert Speer, sehen im toten „Führer“ den Hauptschuldigen O-Ton Speer
Wenige wie General Wilhelm Keitel bekennen sich zu ihrer persönlichen Schuld.
O-Ton Keitel
Doch am Ende des Prozesses bekennt auch er sich wie alle Hauptkriegsverbrecher für „Nicht
schuldig“ im Sinne der Anklage:
O-Ton Keitel u.a.
Nach über 250 Prozesstagen fällte der Internationale Gerichtshof von Nürnberg am 1. Oktober
1946 zwölf Todesurteile, u.a. gegen Ex-Außenminister Joachim von Ribbentrop, SSAnführer
Ernst Kaltenbrunner und die Generäle Alfred Jodl und Wilhelm Keitel. Auch Hermann Göring
wurde zum Tod durch den Strang verurteilt, beging aber am Vorabend der Hinrichtung
Selbstmord. Sieben Angeklagte wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, darunter der
HitlerVertraute Rudolf Heß. Er erhielt lebenslänglich. Ex-Reichsjugendführer Baldur von
Schirach und Ex-Wehrminister Albert Speer wurden zu je 20 Jahren Haft verurteilt. Franz von
Papen und zwei weitere Angeklagte wurden freigesprochen, mussten sich aber wenig später in
Entnazifizierungsverfahren verantworten. Dabei wurde Franz von Papen zu acht Jahren
Arbeitslager verurteilt. Die Urteile von Nürnberg bestätigten die Absicht der Siegermächte, an
den mutmaßlichen NS-Kriegsverbrechern keine Rache zu üben, sondern ihre Taten in einem
rechtsstaatlichen Verfahren zu bewerten und zu beurteilen. Kritik am Verfahren, die
„Siegerjustiz“ unterstellt, wie sie später besonders in den Kreisen konservativer deutscher
Politiker geäußert wurde, ist daher gänzlich unhaltbar. Vielmehr setzten die „Nürnberger
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Prozesse“, der Hauptkriegsverbrecherprozess wie seine zwölf weiteren Nachfolgeprozesse,
Maßstäbe für die Verfolgung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Prozesse von
Nürnberg bestimmten die Gründung des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag mit. Er
ahndet bis heute international Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
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Clip 27: Nürnberger Prozesse: Nachfolgeprozesse / Ärzteprozess
Noch während in Nürnberg gegen die Hauptkriegsverbrecher verhandelt wurde, begannen die
Vorbereitungen für insgesamt zwölf Nachfolgeprozesse. In ihnen mussten sich 185 Personen,
Ärzte, Juristen, Militärs und führende Regierungsbeamte, wie hier im Prozess Nr. 11 der
ehemalige Staatssekretär Ernst von Weizsäcker vor Gericht verantworten. Sie waren angeklagt,
einen Angriffskrieg geplant und durchgeführt, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit begangen zu haben. Auch Industrielle standen in den Nachfolgeprozessen vor
Gericht. So wurde etwa Alfred Krupp von Bohlen und Halbach im Prozess Nr. 10 zu zwölf
Jahren Gefängnis verurteilt. In der Urteilsbegründung wurde dem Inhaber des damals größten
deutschen Industriekonzerns die „systematische Ausplünderung ausländischen Eigentums“ und
die „menschenunwürdige Behandlung“ von Zwangsarbeitern zur Last gelegt. 1944 beschäftigte
Hitlers wichtigster Rüstungslieferant ca. 100.000 Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge.
Chefankläger in den Nachfolgeprozessen war Telford Taylor.
O-Ton Taylor
Am 9. Dezember 1946 beginnt vor dem Ersten Amerikanischen Militärgerichtshof in Nürnberg
der erste Nachfolgeprozess: 20 Ärzten und drei Nicht-Ärzten wird die Organisation und
Durchführung von Medizinverbrechen während der Nazi-Zeit zur Last gelegt. Es geht um
Menschenversuche, in denen z.B. durch Röntgenbestrahlung Juden massenhaft unfruchtbar
gemacht werden sollten. Den Ärzten wird weiterhin zur Last gelegt, in Konzentrationslagern
etwa in Ravensbrück, Buchenwald oder in Dachau Unterkühlungsund Unterdruck-Experimente
an Häftlingen durchgeführt zu haben. Die zumeist tödlichen Menschenversuche dienten
militärischen Zwecken. Karl Brandt, hier links in SS-Uniform privat mit Eva Braun, war einer der
Privatärzte Hitlers. Zusammen mit Hitlers Leibarzt Karl Gebhardt steht er nun als
Hauptbeschuldigter vor dem Militärtribunal. Beide beteuern ihre Unschuld.
O-Töne Brandt, Gebhardt
Brandt und Gebhardt geben an, wie die anderen Angeklagten auch stets nach medizinischer
Notwendigkeit gehandelt zu haben.
O-Ton Oberhäuser
Überlebende von Gasbrand-Versuchen im KZ Ravensbrück treten auf. Die Zeugen identifizieren
Angeklagte, die an den Versuchen beteiligt waren. Die Versuche wurden auf direkte Anweisung
Gebhardts durchgeführt.
O-Ton Gebhardt
Der Ärzteprozess widerlegt die These, die Medizinverbrechen seien alleinige Taten der SS
gewesen. Vielmehr hatten Wehrmacht, Pharmaproduzenten und Universitäten gleichermaßen
Interesse daran, ohne jede ethische Hemmung Menschenstatt Tierversuche zu machen. Der
Ärzteprozess endet im August 1947 mit acht Todesurteilen; darunter für Karl Gebhardt und Karl
Brandt.
O-Ton Gericht
In seinem Fall sah es das Gericht zudem als erwiesen an, dass er als Reichskommissar für das
Sanitärund Gesundheitswesen die Durchführung der NS-Euthanasie-Programme verantwortet
hatte. Sieben Angeklagte werden zu lebenslanger Haft verurteilt, sechs zu mehrjährigen
Haftstrafen. Herta Oberhäuser erhält eine Haftstrafe von 20 Jahren.
O-Ton Gericht
Zwei Angeklagte werden freigesprochen.
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Clip 28: Nürnberger Prozesse: Juristenprozess
In der Zeit vom 17. Februar bis 4. Dezember 1947 standen im 3. Nachfolgeprozess von
Nürnberg 16 Richter, Staatsanwälte und Ministerialbeamte der NS-Justiz vor Gericht.
Der ranghöchste Angeklagte war Franz Schlegelberger, während der Nazi-Zeit Staatssekretär
im Reichsministerium der Justiz. Ihm und den restlichen 14 Juristen warf die Anklage
„Justizmord und andere Gräueltaten vor, die sie dadurch begingen, dass sie Recht und
Gerechtigkeit in Deutschland zerstörten und dann die leeren Hüllen von Rechtsformen zur
Verfolgung, Versklavung und Ausrottung von Menschen in einem Riesenausmaß benützten.
„Der Dolch des Mörders war unter der Robe des Juristen verborgen.“ So formulierte es Telford
Taylor, der US-Chefankläger, in seiner Anklageschrift. Sie richtete sich konkret zum Beispiel
auch gegen Ernst Lautz. Er war in der Schlussphase des „Dritten Reiches“ Oberreichsanwalt
am Volksgerichtshof. In dieser Funktion führte Lautz die Anklagen gegen zahlreiche
vermeintliche „Volksverräter“. Roland Freisler, der Präsident des Volksgerichtshofes, versuchte
die Angeklagten im Verfahren schon verbal zu vernichten, bevor er mehr als 50% von ihnen
zum Tode verurteilte.
O-Ton Freisler
Auch bei den vier regimekritischen Lübecker Geistlichen, dem evangelische Pastor Karl
Friedrich Stellbrink und den katholischen Kaplänen Hermann Lange, Eduard Müller und
Johannes Prassek, unterschrieb Ernst Lautz die Anklageschriften. Das spätere Gnadengesuch
lehnt Lautz ab. Ernst Lautz wurde zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt, während ExStaatssekretär Franz Schlegelberger lebenslänglich bekam. Ebenfalls zu lebenslangem
Zuchthaus wurde Oswald Rothaug verurteilt. Rothaug galt während der NS-Zeit als der
„Scharfrichter von Nürnberg“. Er pflegte engen Kontakt zum Gauleiter Julius Streicher, einem
eingefleischten Antisemiten. Im Sinne Streichers wurde Rothaug Experte für sogenannte
„Rassenschande“-Verfahren. 1935 hatte die NSJustiz mit den „Nürnberger Gesetzen“ sexuelle
Beziehungen zwischen Juden und Nicht-Juden in Deutschland unter Strafe gestellt. Genau
dieser Tatbestand der „Rassenschande“ wurde nun 1941 dem Juden Leo Katzenberger,
Kaufmann und angesehener Bürger der Stadt Nürnberg, „angedichtet“. Er wurde denunziert,
eine Affäre mit der Fotografin Irene Scheffler zu haben. Die Anschuldigungen erwiesen sich als
haltlos. Der Strafrichter wollte das Verfahren gegen den 68-Jährigen einstellen. Da zog
Landgerichtsdirektor Oswald Rothaug den Fall an sich. Er legte keine weiteren Beweise vor,
verurteilte Katzenberger dennoch als sogenannten „Volksschädling“ am 14. März 1942 zum
Tode. Trotz solch nachgewiesener Fälle von „Terror-Justiz“ bekannten sich die angeklagten
Juristen durchweg für „Nicht schuldig!“ Sie beriefen sich im Chor mit ihren Anwälten auf das
sogenannte „Rückwirkungsverbot“. Sie hätten sich ja nach geltendem Recht des „Dritten
Reiches“ verhalten und könnten dafür nun nicht bestraft werden.
O-Ton Peschel-Gutzeit
Die verurteilten Juristen wurden durchweg nach fünf bis sechs Jahren begnadigt – wie Ernst
Lautz. Er kam 1951 frei. Selbst Oswald Rothaugs lebenslängliche Zuchthausstrafe wurde zuerst
auf 20 Jahre reduziert. Schließlich kam auch er 1956 frei.
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Clip 29: Nürnberger Prozesse: Einsatzgruppenprozess
Beobachter nannten ihn den „größten Mordprozess der Geschichte“. Vom 15. September 1947
bis zum 10. April 1948 fand der 9. Nachfolgeprozess in Nürnberg statt. Es war der
Einsatzgruppenprozess. Schon im Hauptkriegsverbrecherprozess 1945/46 hatten die alliierten
Richter und Anwälte den Massenmord der „Einsatzgruppen“ an den Juden in Osteuropa,
hauptsächlich in Polen und in der Sowjetunion während des 2. Weltkrieges, aufzuhellen
versucht. Einer der Zeugen war Otto Ohlendorf, der Chef der Einsatzgruppe D. Nun stand er im
Prozess Nr. 9 als Angeklagter selbst vor Gericht. Auch seine 22 Mitangeklagten waren
Befehlshaber und Offiziere dieses Todeskommandos gewesen. Allesamt hochgebildete Männer.
Sie befehligten an die 3000 Angehörige von Sicherheitsdienst, SS und Polizei. USChefankläger Farencz bilanziert in seiner Anklageschrift die Taten der Einsatzgruppen. Sie
betrieben ihr Mordhandwerk hinter den Linien der deutschen Wehrmacht. Sie töteten nach
Schätzungen von Historikern durch Einzelwie Massenerschießungen etwa 560.000 Menschen,
zuerst überwiegend männliche Juden und kommunistische Aktivisten, später ganze jüdische
Gemeinden, Frauen, Kinder und alte Menschen. Im Prozess beriefen sich die Angeklagten auf
Führerbefehle, wiesen jede Verantwortung von sich und bekannten sich alle für „Nicht schuldig“
– wie hier Paul Blobel. Als Chef eines Sonderkommandos in der Einsatzgruppe C war er
maßgeblich am Massaker von Babi Jar beteiligt. Im Prozess äußerte er mehr Mitleid für seine
Männer als für deren Opfer. Seine Männer seien angeblich durch die Erschießungen mehr
nervlich runter gewesen als die Opfer, die sich oft still in ihr Schicksal ergeben hätten. Der
Vorsitzende Richter Michael Musmanno entgegnete den Angeklagten: „Ein Soldat ist ein
denkendes Wesen, er reagiert nicht wie eine Maschine.“ Wer dennoch „verbrecherische Befehle“ und
die sogar „mit eigener böser Absicht“ ausführt, könne mit Milde nicht rechnen. Der
Amerikanische Militärgerichtshof verhängte so viele Todesurteile wie in keinem anderen
Nachfolgeprozess: 14. Zwei weitere Angeklagte erhielten lebenslänglich, fünf Freiheitsstrafen
zwischen 10 und 20 Jahren. 1951 wurden Blobel und Ohlendorf hingerichtet. Alle anderen
Kriegsverbrecher wurden begnadigt und bis 1958 freigelassen. Im restaurativen Klima der
Adenauer-Ära war in der Bundesrepublik eine Stimmung entstanden, in der ihre Freilassung
möglich wurde.
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Clip 30: Holocaust vor Gericht (1944-1963)
Mit der Verfolgung und Ahndung von Holocaust-Verbrechen begannen die alliierten
Siegermächte gleich nach der Befreiung der ersten Konzentrationslager, also lange bevor die
Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg vor Gericht gestellt werden konnten. So gelang es der
sowjetischen Armee nach der Befreiung des KZ Majdanek in Polen im Juli 1944 sechs KZAufseher zu fassen. Sie standen Ende 1944 vor einem polnischen Militärtribunal. Ein
Angeklagter berichtet von den Gräueltaten des Kommandanten:
O-Ton
Die Angeklagten wurden zum Tode verurteilt. Nach der Befreiung des Konzentrationslagers
Bergen-Belsen im April 1945 durch die britische Armee wurde die KZ-Mannschaft im September
in Lüneburg vor Gericht gestellt. Der Prozess endete mit elf Todesurteilen und 14 Freisprüchen.
Zwischen September 1945 und Dezember 1949 standen allein in der Britischen
Besatzungszone 900 Angeklagte in 250 Kriegsverbrecherprozessen vor Militärgerichten, hier
Bilder vom Prozess gegen 16 Angeklagte im KZ Ravensbrück. Auch in der Sowjetunion fanden
direkt nach dem Krieg große Kriegsverbrecherprozesse statt u.a. 1946 in Minsk und in Kiew. In
Kiew standen 15 Angeklagte vor Gericht, die unmittelbar an der Ermordung von mehr als
30.000 Juden in der Schlucht von Babi Jar im Jahre 1942 beteiligt gewesen sein sollen. Ohne
Zweifel hatten die stalinistischen Militärtribunale den Charakter von Schauprozessen. Die
Urteile für die Angeklagten standen in den meisten Fällen schon am Beginn des Verfahrens
fest. Dennoch bleiben die Selbstaussagen von Zeugen und Angeklagten im Babi-JarProzeß
erschütternde Dokumente des Holocaust:
O-Ton
Trotz der Verfolgung durch Militärgerichte in Ost und West konnten viele NS-Verbrecher
untertauchen und sogar unerkannt neue Karrieren in Deutschland und überall in der Welt
beginnen – wie Adolf Eichmann. Der ehemalige SS-Obersturmbannführer war im
Reichssicherheitshauptamt, der Zentrale des Nazi-Terrors, für die Deportation der europäischen
Juden zuständig gewesen. In den 1950er Jahren lebte er in Argentinien. Unentdeckt. Denn:
Argentinien war während der Herrschaft von Juan und Evita Peron ein wichtiger Fluchtpunkt für
Nazi-Verbrecher in Lateinamerika, pflegten die Perons doch freundschaftlichen Umgang mit
dem spanischen Diktator Franco. Doch am 11. Mai 1960 wird Eichmann von israelischen
Agenten aufgespürt und nach Israel entführt. Wenige Tage später verkündet der israelische
Ministerpräsident David Ben Gurion vor der jubelnden Knesset, einer der größten
Naziverbrecher sei gefasst worden. Die Umstände seiner Entführung aus Argentinien lösen
schwerwiegende diplomatische Verwicklungen zwischen Israel und Argentinien aus. Der Streit
zwischen beiden Ländern kann schließlich nur durch die UN geschlichtet werden. Adolf
Eichmann wird in Israel vor Gericht gestellt und am 15. Dezember 1961 zum Tode verurteilt. Der
Eichmann-Prozess löst auch in der Bundesrepublik eine neue Debatte um die Aufarbeitung der
Holocaust-Verbrechen aus. Der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer. Er gab den Israelis
einen entscheidenden Tipp zum Aufenthaltsort von Adolf Eichmann. Nun treibt er die
Durchführung des ersten Auschwitz-Prozesses in Frankfurt voran. Der beginnt am 20.
Dezember 1963. 22 Angeklagte stehen wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit im KZ Auschwitz vor Gericht. Nach einer Prozessdauer von 20 Monaten erhalten
sechs Angeklagte lebenslänglich, für alle anderen fallen die Strafen milde aus. Opferund
Opferverbände protestieren heftig.
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Clip 31: Administration des Terrors: Die SA
Deutschland 1918/19: Unter den heimkehrenden Frontsoldaten herrscht große politische
Orientierungslosigkeit. Der Kaiser hat abgedankt; linke Arbeiter und Soldaten rebellieren.
Konservativ bis rechtsradikal gesinnte Soldaten schließen sich den paramilitärischen Freicorps
an. Sie bekämpfen die revolutionären Arbeiterund Soldatenräte. Hier das Freicorps Werdenfels
nach der Zerschlagung der Münchener Räterepublik 1919. Auch an dem rechtsgerichteten
Lüttwitz-Kapp-Putsch gegen die Reichsregierung im Jahre 1920 sind Freicorps-Verbände stark
beteiligt. Nach dem gescheiterten Staatsstreich werden die Freicorps weitgehend aufgelöst.
Viele Mitglieder finden in der jungen NSDAP und dort in der paramilitärischen Kampftruppe der
Partei ein neues Sammelbecken. Zunächst als Turnund Sporttruppe getarnt, erhält die
Kampftruppe 1921 den Namen „Sturmabteilung“, kurz: SA. Die SA hat auch Zulauf von vielen
Arbeitslosen und sozial Schwachen in der von Krisen geschüttelten jungen Weimarer Republik.
Die SA verspricht Gemeinschaftsgefühl, die Teilhabe an Musikund Sportveranstaltungen. Sie
gibt den gesellschaftlich Deklassierten das Gefühl, doch dazu zu gehören. Geschickt nutzt die
NSDAP die politischen und sozialen Frustrationen der breiten Masse, um sie für ihre Partei zu
interessieren und sie dort besonders in der SA mit antisemitischem und völkisch-rassistischem
Gedankengut vertraut zu machen. Die von Hass geprägte Atmosphäre der SA zeigt schnell
Wirkung; unzählige gewalttätige Angriffe auf Juden und politisch Andersdenkende zeichnet das
Tun der SA aus. Im Hitler-Putsch 1923 in München findet diese paramilitärische Strategie ihren
Höhepunkt. Nach dessen Scheitern werden NSDAP und mit ihr die SA verboten. Doch nach der
Neugründung der Partei 1925 wird die SA erst recht zu einer aggressiven paramilitärischen
Schlägertruppe ausgebaut. Die SA-Leute, jetzt in braunem Tuch, einheitlich uniformiert und mit
Hakenkreuz-Armbinde kenntlich gemacht, treten geschlossen auf. Sie beherrschen die „Gewalt
der Straße“, liefern sich besonders in der Spätphase der Republik ab 1929 blutige
Straßenschlachten mit ihren politischen Gegnern. Die SA überzieht das ganze Land mit
Bombenund Mordanschlägen, treibt die taumelnde Republik an den Rand des Bürgerkriegs.
Hitlers Kurs, parallel zum blutigen SA-Terror legal an die Macht zu gelangen, wird von der
Mehrheit der SA-Leute kritisch gesehen. Sie wollen den gewaltsamen Umsturz. Die NSMachtergreifung im Januar 1933 entschärft kurzzeitig diesen Konflikt. Und für den nun
beginnenden, gewaltsamen Aufbau der Diktatur werden die Schlägertrupps der SA ja auch noch
gebraucht:
O-Ton Göring
Schnell macht Hermann Göring als preußischer Innenminister ernst mit seinen Ankündigungen.
In Preußen wird die SA zur „Hilfspolizei“ eingesetzt. Der „Reichstagsbrand“ am 28. Februar gibt
den Nazi-Schlägertrupps den Vorwand, im Vorfeld der Reichstagswahl am 5. März 1933
systematisch Jagd auf Kommunisten und Sozialdemokraten machen zu können. Diese werden
in frühe KZs, sogenannte SchutzhaftLager, gesperrt. Die SA stellt einen Großteil des
Wachpersonals, wie hier im KZ Lichtenburg bei Halle, foltert und tötet politische Gefangene.
Dem Sozialdemokraten Gerhart Seger gelingt 1933 die Flucht aus dem KZ Oranienburg. 1934
schreibt er im Karlsbader Exil seine KZ-Erfahrungen nieder. Darin heißt es: „Wie viele SA-Leute
haben überhaupt erst durch die Berührung mit uns politischen Gefangenen einen blassen Schimmer
davon bekommen, dass es außer Gewehr [...], Gummiknüppel, Skatkarten, Bier und Geschlechtsverkehr
noch andere Welten gibt“. Der Nazi-Mob war durchweg dumm und gewalttätig. Der braune
Bodensatz der Gesellschaft war ideale Staffage für die Massenkundgebungen der Partei. Und
prädestiniert dafür, im Mai 1933 die anti-intellektuelle Kampagne der Bücherverbrennungen
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zusammen mit NS-begeisterten Studenten in vielen Universitätsstädten zu organisieren und
durchzuführen. Auch die erste zentral koordinierte antisemitische Maßnahme der NSRegierung, der sogenannte „Judenboykott“ am 1. April 1933, wurde maßgeblich von SA-Leuten
umgesetzt. Dafür bedankte sich Hitler 1934 bei seinen gewalttätigen „Männern“ im Berliner
Sportpalast
O-Ton Hitler
Ein bigottes Bekenntnis, denn die Zerschlagung der SA unter Hitlers Befehl stand kurz bevor.
Zählte die SA am Beginn 1933 noch 400.000 Mann, so war sie nach der Machtergreifung bis
1934 zu einer vier Millionen Mitglieder umfassenden Privatarmee angewachsen. Für die
Naziführung selbst war die SA zu einem unkalkulierbaren Machtfaktor geworden. SA-Chef
Röhm wollte sie zu einer Volksmiliz mit eigenem Waffenmonopol umbauen. Eine Konkurrenz
zur Reichswehr, die Hitler nicht zulassen konnte. Er brauchte die Militärs für seine kriegerischen
Expansionspläne. Im Juni 1934 spitzte sich der innerparteiliche Konflikt zu. In Folge des
sogenannten „RöhmPutsches“ ließ Hitler die führenden SA-Leute liquidieren. Im Schatten der
SS, der Partei-Elitetruppe Sturm-Staffel, fristete die SA fortan ein Nischendasein in politischer
Bedeutungslosigkeit.
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Clip 32: Administration des Terrors: Gestapo und Schutzpolizei
O-Ton Göring, Nürnberger Prozesse 1945
Die Aussage des Hauptangeklagten Hermann Göring im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess
1945 macht deutlich, wie stark und schnell sich der NS-Staat ab 1933 den deutschen
Polizeiapparat einverleibt und für den gewaltsamen Aufbau der Diktatur und die Beseitigung
missliebiger, auch innerparteilicher Gegner benutzt hatte. Gleich nach der Machtergreifung
marschierten die deutschen Polizisten unter der Hakenkreuzflagge, hier in Bayern, dort in
Berlin. Hermann Göring war als preußischer Innenminister für die Polizei zuständig.
Gemeinsam mit der SA stellten nun Schutzpolizisten das Wachpersonal der frühen
Konzentrationslager; waren bei der Hatz auf Andersdenkende mit dabei. 1936 übernahm SSChef Heinrich Himmler die Leitung der deutschen Polizei. Die Gleichschaltung des
Polizeiapparates im NS-Staat wurde endgültig vollzogen. Während der Gewalttaten gegen
Juden in der „Reichspogromnacht“ 1938 schauten deutsche Polizisten bloß zu, verhielten sich
passiv, ließen den Mob gewähren. Auch die Pflicht zum Tragen des Judensterns im Deutschen
Reich ab September 1941 ging auf eine Polizeiverordnung zurück. Und in den besetzten
Ländern waren es gleichfalls auch deutsche Polizeieinheiten, hier Bilder aus einem Lehrfilm
über eine Polizeikontrolle auf einem osteuropäischen Markt, die bei der Jagd auf Juden und
Feinde des NS-Regimes in den Kriegsjahren eingesetzt wurden. Da hatten es offensichtlich
viele Polizisten nach Kriegsende schwer, sich in ihren zivilen Aufgaben als „Freund und Helfer“
wieder zurecht zu finden, wie dieser Verkehrspolizist nach Kriegsende in Berlin. In jenen Tagen
arbeiteten sich US-Soldaten in einer anderen deutschen Stadt, in Düsseldorf, im dortigen
Polizeipräsidium durch alte Gestapo-Akten. Sie lernten exemplarisch die „Geheime
Staatspolizei“ als zentrales Herrschaftsinstrument der Nazi-Diktatur kennen. Hermann Göring
gründete die Gestapo im April 1933 in Berlin. 1934 kam die NSGeheimpolizei unter den Einfluss
Himmlers und der SS. Reinhard Heydrich, Himmlers rechte Hand, legte die Gestapo ab 1936
mit der Kriminalpolizei und dem parteiinternen SSSicherheitsdienst, dem SD, zu einer
„Sicherheitspolizei“ zusammen. Als SD-Chef hatte Heydrich bereits einen parteiinternen
Spitzelapparat mit mehr als 30.000 so genannten „Vertrauensleuten“ im ganzen Reich
aufgebaut. Dieses System aus Überwachung und Denunziation stellte er nun der Gestapo für
die Jagd auf Regimegegner zur Verfügung. Beim Aufspüren von Widerstandskämpfern, der
Diskreditierung von Juden und während des Krieges auch bei der Jagd auf sogenannte
„Wehrkraftzersetzer“ ging die Gestapo grausam und verbrecherisch vor. Ihre Beamten
erpressten Geständnisse mit Nötigung und Folter. Auch vor der Tötung ihrer Gefangenen
schreckten sie nicht zurück.
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Clip 33: Administration des Terrors: Die SS
Nach der Machtergreifung 1933 marschieren überall in Deutschland die paramilitärischen
Hilfstruppen der NSDAP auf. Hier beim sogenannten „Gautag“ in Leipzig. Noch stehen die
Führer von SA und SS Seite an Seite nah bei Hitler. Doch die SS sollte schon bald zur
entscheidenden Parteitruppe werden. Nach ihrer Gründung 1925 war die sogenannte “SchutzStaffel” (SS) als „Stabswache“ Hitlers noch der SA, der „Sturmabteilung“, unterstellt. Nach dem
sogenannten „Röhm-Putsch“ im Jahre 1934 wurde die SA zerschlagen. Nun begann der
Aufstieg der SS als „Elitetruppe“ des NS-Staates. Rassenwahn, Ariertum und Rassenmystik
bestimmten die Gedankenwelten der SS-Kader. Reichsführer SS Heinrich Himmler führte die
„Schutz-Staffel“ kompromisslos als eine Art nationalsozialistischer „Orden“. Die „reinrassigen“
Mitglieder dieses „Ordens“ sollten ohne Wenn und Aber die Vernichtung des jüdischen Volkes in
Europa durchführen. Die Männer der SS waren es, die die berüchtigten „Einsatzgruppen“
befehligten. In den besetzten osteuropäischen Ländern begingen sie unvorstellbare Gräueltaten
an der Zivilbevölkerung. Die Wachmannschaften in den Konzentrationsund Vernichtungslagern
waren mehrheitlich Mitglieder der SS. Diejenigen, die an der Rampe von Auschwitz die
ankommenden Menschen danach auswählten, ob sie sofort in der Gaskammer umkommen
sollten oder erst Schwerstarbeit leisten mussten, um anschließend ermordet zu werden,
entstammten der SS. Gleichfalls die sadistischen Aufseher und Aufseherinnen in den KZs wie
Irma Grese, berühmt-berüchtigt als „Hyäne von Auschwitz“. Die Frau mit dem Engelsgesicht soll
sadistischen Spaß beim Quälen der Häftlinge empfunden haben. Aber die SS tötete und quälte
nicht nur, sie war auch für die wirtschaftliche Ausbeutung der Lagerhäftlinge verantwortlich. Die
KZ-Häftlinge mussten in Wirtschaftsbetrieben schwerste, todbringende Zwangsarbeit verrichten,
wie hier in den Buna-Werken in der Nähe von Auschwitz. Ab 1942 waren solche Betriebe direkt
dem Wirtschaftsund Verwaltungsamt der SS unterstellt. Ein Teil der SS, die sogenannte
„Waffen-SS“, gehörte der kämpfenden Truppe an. Sie ging aus den 1934 gegründeten „SSVerfügungstruppen“ hervor. Ihre Soldaten und Generäle erwiesen sich im Untergang des Dritten
Reiches als besonders fanatisch. So wollte WaffenSS-General Reinfahrt im Januar 1945 die
historische Festungsstadt Küstrin um jeden Preis halten. Die Rote Armee zerstörte daraufhin
die Oderstadt völlig.
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Clip 34: Administration des Terrors: Das Reichssicherheitshauptamt
SS-Chef Heinrich Himmler wollte die deutschen Polizeibehörden und parteiinterne
NSOrganisationen mehr und mehr verschmelzen. Diese Bemühungen gipfelten am 27.
September 1939 in der Gründung des sogenannten „Reichssicherheitshauptamtes“. Kurz nach
Kriegsbeginn war die Entstehung dieser Superbehörde zentraler Bestandteil der nun
beginnenden europaweiten NS-Verfolgungsund Vernichtungspolitik gegen rassische und
politische Regimegegner. Ein weitverzweigtes Netz von “Einsatzgruppen” in den besetzten
Ländern führte die Befehle aus Berlin vor Ort aus.
O-Ton Ohlendorf
„Der Einsatz eigener sicherheitspolizeilicher Verbände im Operationsraum“ was Otto Ohlendorf
im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess in nüchternem Amtsdeutsch umschreibt, meint
die Ermordung von mehr als einer halben Million Menschen in Polen und in der Sowjetunion.
Vor allem Juden, Sinti und Roma, aber auch politische Gegner, kommunistische Funktionäre
und oppositionelle Priester wurden von den Einsatzgruppen durch planmäßige Massaker und
Massenerschießungen systematisch liquidiert. Die Aktionen der NS-Todeskommandos wurden
im Berliner Reichssicherheitshauptamt zentral koordiniert. SS-Führer wie Reinhard Heydrich
und dessen Nachfolger Ernst Kaltenbrunner, hier als Angeklagter vor dem Nürnberger
Kriegsverbrechertribunal, sowie Adolf Eichmann koordinierten von hier aus auch die
Deportation von Millionen europäischer Juden in die NSTodeslager, wie etwa vom
niederländischen Bahnhof Westerbork aus. Das Reichssicherheitshauptamt war die zentrale
Schaltstelle eines perfiden Systems von Schreibtischtätern und Befehlsempfängern vor Ort.
Massenmord wurde zum Verwaltungsakt heruntergespielt. Zum Beispiel auch durch den zentral
erteilten Befehl an alle Einsatzgruppen, die Verhafteten per Genickschuss zu töten.
O-Ton Ohlendorf
Dadurch glaubten viele Täter, trotz verbrecherischer Taten, jede Schuld und Verantwortung von
sich weisen zu können.
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Clip 35: Die „Aktion Reinhardt“
Im Juni 1942 wird der hohe SS-Führer Reinhard Heydrich in Prag von Widerstandskämpfern
ermordet. Die SS reagiert unmittelbar mit dem „Massaker von Lidice“.SS-Männer machen das
kleine tschechische Dorf dem Erdboden gleich, töten alle männlichen Bewohner, verschleppen
alle Frauen und Kinder in Konzentrationslager. In Polen, von den Nazis „Generalgouvernement“
genannt, leben mittlerweile fast alle Juden in Ghettos wie hier in Warschau. Im Juli 1942 gibt
SS-Reichsführer Heinrich Himmler den Befehl, alle Juden in den polnischen Distrikten
Warschau, Lublin, Radom, Krakau und Lemberg systematisch ermorden zu lassen. Himmler
nennt die Aktion „Reinhardt“. Er bezieht sich auf einen Finanzstaatssekretär dieses Namens.
Die SS-Leute sehen die Aktion aber als Vergeltung für Reinhard Heydrich. Sie gehen brutal und
gnadenlos vor. Planmäßig werden die Juden aus den Ghettos in die Vernichtungslager Belzec,
Sobibor und Treblinka abtransportiert. Die Vernichtungslager liegen an Bahnlinien und doch
abgeschieden genug, um Augenzeugen für das dortige Geschehen zu vermeiden. Tag für Tag
werden nun allein in Treblinka 1.200 bis 4.000 Menschen ermordet. Zur Jahreswende 1942/43
leben nur noch 30.000 Menschen als Zwangsarbeiter in den Ghettos. So fielen der
sogenannten „Aktion Reinhardt“ von Sommer 1942 bis Herbst 1943 mehr als 2 Millionen Juden
und ca. 50.000 Sinti und Roma zum Opfer. Ein Drittel aller Opfer des Holocaust wurde von
deutschen SS-Leuten in weniger als einem Jahr ermordet.
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Clip 36: Der Terror beginnt Aufbau der NS-Konzentrationslager 1933/34
Die Konzentrationslager waren wesentliche Bestandteile des Terrorsystems, das die
Nationalsozialisten in ihrer Diktatur errichteten.
O-Ton Hitler
Gleich nach der Ergreifung der politischen Macht 1933 nutzten die Nazis diese, um sich legale
Grundlagen für die Verfolgung und Inhaftierung aller missliebigen Gegner zu verschaffen. In der
„Reichstagsbrandverordnung“ vom 28. Februar 1933 wurde u.a. die Polizei ermächtigt,
Personen in sogenannte „Schutzhaft“ nehmen zu dürfen. Sofort wurden Juden und exponierte
Mitglieder der Arbeiterbewegung ohne triftigen juristischen Grund inhaftiert und in
„Schutzhaftlager“ oder „Sammellager“ gesperrt. Schon in den frühen KZs, die die Nazis
bezeichnenderweise selbst „Erziehungsoder Umerziehungslager“ nannten, wurde das
grausame Prinzip der autoritären „schwarzen Pädagogik“ radikalisiert, den Widerstand von
sogenannten „Schwererziehbaren“ durch harte Strafen und schwere Arbeit brechen zu wollen.
In den Konzentrationslagern wurde hieraus „Vernichtung durch Arbeit“. Die Häftlinge wurden in
mörderischen Arbeitsdiensten geschunden bis zum Tod. Jeder Individualität beraubt,
kahlgeschoren, etikettiert und nummeriert waren sie der Willkür sadistischer Aufseher
gnadenlos ausgeliefert. Sie wurden verprügelt und gefoltert, schließlich zu Tode gequält. Die
ersten Konzentrationslager entstanden um die deutschen Großstädte herum, besonders in und
um Berlin. Das Columbia-Haus in Berlin-Tempelhof zählte ebenso wie das Gefängnis in
Oranienburg zu den ersten Sammelund Internierungslagern von SS und Gestapo. Auch das
ehemalige Zuchthaus Lichtenburg bei Halle wurde bereits ab April 1933 als Sammellager
genutzt. Diese Propagandabilder zeigen nicht, wie mies die Bausubstanz in Lichtenburg war,
dass es für die Häftlinge kaum sanitäre Anlagen und Heizung gab. Und dass dieses frühe KZ
schon bis September 1933 mit knapp 1.700 Gefangenen völlig überbelegt wurde. Sie zeigen
nicht die wahren Verhältnisse: Menschen durch unmenschliche Lebensbedingungen zu
vernichten, das war das Prinzip der Konzentrationslager.
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Clip 37: Das Konzentrationslager Dachau
Heinrich Himmler, 1933 noch Leiter der politischen Polizei in Bayern und Polizeipräsident von
München, ordnete im März 1933 an, in der Nähe der Stadt Dachau ein Konzentrationslager für
männliche Insassen zu errichten. Hier ließ der Nazi-Führer politische Gegner inhaftieren,
vornehmlich Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter. Sie wurden zuvor aus ihren
Büros, Parteihäusern und Redaktionen vertrieben, wie hier bei der linken Zeitung Münchener
Post. Ihr Verlagsgebäude wurde in ein S.A.-Heim umgewandelt. Besonders nach der
Reichspogromnacht 1938 kamen viele jüdische Gefangene hinzu. Sie wurden auf Befehl
Himmlers ab dem 5. Oktober 1942 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Während der
Kriegsjahre wurde das KZ Dachau wegen der Erschießung von tausenden sowjetischen
Kriegsgefangenen im Oktober 1941 sowie für bestialische Menschenversuche seiner
Lagerärzte berüchtigt. Die unmenschlichen Höhenflug-, Unterdruck- und
Unterkühlungsexperimente sowie die Erprobung von Medikamenten an Häftlingen begannen im
Winter 1942. Gleichfalls ab 1942 wurden die Häftlinge zudem verstärkt in der
Rüstungsproduktion eingesetzt. Insgesamt waren von 1933 bis 1945 200.000 Menschen im KZ
Dachau inhaftiert. Historiker schätzen, dass mindestens 30.000 Gefangene ums Leben kamen.
Nach der Befreiung durch die US-Armee musste sich die Zivilbevölkerung mit den Gräueltaten
im Lager vor ihrer Haustür konfrontieren. Hieraus erwuchs die Frage nach der Schuld für das,
was im einstigen „Modell- und Musterlager“ der Nazis zwölf Jahre lang in der Nähe von Dachau
bei München geschehen war – eine Frage, die seither und bis heute noch immer diskutiert wird.
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Clip 38: Das Konzentrationslager Buchenwald
Während der Nürnberger Prozesse gegen die deutschen Hauptkriegsverbrecher im Jahre
1945/46 präsentierte die Anklage auch Filmaufnahmen, die nach der Befreiung des
Konzentrationslagers Buchenwald von US-Kameraleuten aufgenommen wurden. Erstmals
klärten diese Aufnahmen die Welt öffentlich über die unmenschlichen Bedingungen der
Lagerhaft auf. Die ausgemergelten Überlebenden legten beredtes Zeugnis ab über den Terror,
den sie im Konzentrationslager durchlitten hatten. Wenig später wurden die Beweisfilme über
Konzentrationslager wie Buchenwald auch in regulären deutschen Kinos gezeigt, um die
Menschen im Rahmen sogenannter „ReEducation“-Programme mit den Verbrechen der NSMachthaber zu konfrontieren. Nun sahen sie die Gräuel im KZ Buchenwald, die die SSWachmannschaften hinterlassen hatten, mussten sich mit dem größten Verbrechen, das je an
der Menschheit begangen wurde, auseinandersetzen. Das KZ Buchenwald war 1937 auf dem
Ettersberg bei Weimar entstanden. Es wurde errichtet von Häftlingen aus dem KZ
Sachsenhausen und aus dem KZ Lichtenburg bei Halle, das nach Eröffnung von Buchenwald
von der SS aufgegeben wurde. Das KZ Buchenwald gehörte zu einer neuen Generation von
Lagern. Im Unterschied zu den frühen KZ’s, die in erster Linie der Internierung politischer
Gegner diente, war Buchenwald wie Sachsenhausen oder Flossenbürg bereits Bestandteil der
Kriegsvorbereitung und der Pläne der Nazis zur Vernichtung aller derjenigen in Europa, die
anders dachten als die Nazis oder die von ihnen als „rassisch minderwertig“ eingestuft wurden.
Während der Naziherrschaft waren mehr als 200.000 Menschen im KZ Buchenwald inhaftiert.
Mehr als 50.000 Häftlinge starben in der Lagerhaft. KPD-Chef Ernst Thälmann wurde hier von
den Nazis in Isolierhaft gefangen gehalten und 1944 ermordet. Auch der Sozialdemokrat Rudolf
Breitscheid wurde im KZ Buchenwald getötet. Ab 1941 wurden Häftlinge für medizinische
Versuche missbraucht, speziell für Versuche mit Fleckfieber-Infektionen, wie diese Dokumente
belegen. Mit den deutschen Kriegsniederlagen wuchs ab 1942 die wirtschaftliche Ausnutzung
der KZHäftlinge. Im KZ Buchenwald wurden sie nun nicht nur im Steinbruch und im Lagerbau
eingesetzt sondern mussten im nahegelegenen Mittelbau-Dora unter mörderischen
Bedingungen Zwangsarbeit leisten für die Kriegsproduktion, besonders für das Raketenund
Flugzeugprogramm der Nazis. Wie wichtig der SS und der Wehrmacht diese Produktion unter
Tage war, belegt die Tatsache, dass im April 1944 Juden und Sinti und Roma aus dem
Vernichtungslager Auschwitz zurück nach Buchenwald verlegt wurden, um sich in
MittelbauDora zu Tode zu schuften. Am Morgen des 11. April 1945 standen die US-Truppen nur
noch 20 km vom KZ Buchenwald entfernt. Die SS-Wachmannschaften flohen in Panik.
Widerstandsgruppen der Häftlinge befreiten das Lager selbst kurz vor dem Eintreffen der USArmee. Nach 1945 wurde das KZ Buchenwald wie diese Dokumente zeigen vom sowjetischen
Geheimdienst als Internierungslager für ehemalige NS-Funktionäre und Soldaten, aber auch für
Opfer erster politischer Säuberungsaktionen in der sowjetisch besetzten Zone genutzt. Von den
etwa 28.000 Inhaftierten starben mehr als 7.000 Menschen an den Folgen der Lagerhaft. In
Buchenwald entstand 1958 die erste „Nationale Mahnund Gedenkstätte“ der DDR zum
Andenken an die Opfer des Nationalsozialismus durch Vernichtung und Krieg.
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Clip 39: Das Konzentrationslager Bergen-Belsen
Im September 1945 beginnt in Lüneburg der Bergen-Belsen-Prozess. 45 Personen, darunter 21
Frauen, stehen vor Gericht. Sie gehören zum Lagerpersonal des KZ Bergen-Belsen. Die
britische Armee hatte sie festgenommen. Ein knappes halbes Jahr zuvor. Damals befreite die
Armee das Konzentrationslager. Die Briten fanden ausgemergelte Häftlinge und Berge von
Leichen. Das KZ-Gelände bot ein Bild des Grauens. Lagerkommandant Kramer und die KZAufseherinnen und Aufseher mussten sich wegen tausendfachen Mords, der Anstiftung zum
Mord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor dem britischen Militärgericht in Lüneburg
verantworten. Das KZ-Personal hatte unvorstellbare Grausamkeiten an den ohnehin
geschwächten Häftlingen begangen. Seit Anfang 1944 war das KZ auf dem Gelände eines
früheren Truppenübungsplatzes nordöstlich von Hannover von der SS vollständig überbelegt
worden. Aufgrund der vorrückenden Roten Armee wurden im August 1944 zehntausende
Frauen aus den Lagern im Osten nach Bergen-Belsen evakuiert. Doch schon durch die
Strapazen des unmenschlichen Transports starben viele. Im KZ BergenBelsen angekommen,
blieben die Häftlinge ohne ärztliche Hilfe, ohne hinreichende Nahrung und Unterkunft. Ca.
50.000 Häftlinge, darunter viele polnische Juden, und etwa 20.000 sowjetische
Kriegsgefangene, starben im KZ Bergen-Belsen. Und selbst von den Überlebenden starben
Mitte 1945 nochmals 14.000 Häftlinge an den Folgen der bestialischen Behandlung im
Konzentrationslager Bergen-Belsen.
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Clip 40: Das Konzentrationslager Ravensbrück
Das KZ Ravensbrück war ein Konzentrationslager für Frauen. Es wurde von Häftlingen aus
dem KZ Sachsenhausen errichtet und am 15. Mai 1939 eröffnet. Die ersten weiblichen
Gefangenen, etwa 1000, waren Zeugen Jehovas, Roma und Sinti. Nach Kriegsbeginn 1939
wurden zunächst Gefangene aus Polen eingeliefert. Nach dem deutschen Überfall auf die
Sowjetunion brachte die SS ab 1941 auch Kriegsgefangene der Roten Armee hinzu. Die Frauen
mussten in bis zu 70 Außenlagern des KZs schwere Zwangsarbeit leisten, u.a. im Gartenbau
und für den Elektrokonzern Siemens & Halske sowie die Rüstungsfirma Heinkel. Ab 1942
führten SS-Ärzte wie Herta Oberhäuser, hier als Angeklagte 1946/47 während des Nürnberger
Ärzteprozesses, medizinische Versuche an Menschen durch. Häftlinge, wie diese Zeugin des
Ärzteprozesses, wurden an Gliedmaßen operiert, mit Bakterien infiziert, zwangsterilisiert.
Unerprobte Heilmethoden wurden an ihnen ausprobiert. 1946 begann im Hamburger CurioHaus auch der britische Militärprozess gegen einen Teil des Wachpersonals von Ravensbrück.
Von 1939 bis 1945 waren etwa 132.000 Frauen und Kinder im Hauptlager inhaftiert. Ca. 20.000
Männer kamen ab 1941 in einem kleineren, abgetrennten Männerlager hinzu. 1.000 weibliche
Jugendliche waren ab 1942 im sogenannten „Jugendschutzlager Uckermark“ inhaftiert. 20.000
bis 30.000 Häftlinge aus über 20 Nationen überlebten das KZ Ravensbrück nicht. Die
Angeklagten im ersten Ravensbrück-Prozess hatten sich für die Ermordung und bestialische
Behandlung der Gefangenen zu verantworten.
O-Ton Urteilsverkündung
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Clip 41: Das Ghetto-KZ Theresienstadt
Theresienstadt, eine alte Festungsanlage in Nordböhmen, wurde von der SS ab November
1941 als ein ghettoähnliches Konzentrationslager genetzt. Die Stadt wurde bis Juli 1943 mit
knapp 74.000 Juden, vornehmlich aus der besetzten Tschechoslowakei, komplett überbelegt.
Vielen Juden, die hierher transportiert wurden, hatten die Nazis suggeriert, sie kämen in ein
„Vorzeigelager“, ein ruhiges Altersdomizil, ja einen Freizeit-Ort. Doch diese Filmbilder zeigen ein
Theresienstadt, das es unter der Naziherrschaft in Wirklichkeit nicht gab. Es sind
Propagandabilder aus dem Film „Theresienstadt – Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen
Siedlungsgebiet“. Die SS selbst hatte diesen Film in Auftrag gegeben. Die jüdischen Häftlinge,
die mitspielen mussten, haben ihm wohl selbst den ironischen Titel: „Der Führer schenkt den
Juden eine Stadt“ gegeben. Hitler hätte den Juden niemals eine Stadt geschenkt. Und das
wahre Gesicht von Theresienstadt sah dann auch ganz anders aus, als diese Bilder es
behaupten: überfüllte Massenunterkünfte, Kälte, Enge, minimale Ausstattung, Mangel an
Nahrung. Mehr als 33.000 Menschen starben in diesem KZ. Für mehr als 75.000 Häftlinge –
vieler dieser Häftlinge, die man hier sieht – war das vermeintliche „Ruhedomizil“ schließlich
nicht mehr als eine Durchgangsstation in das KZ und die Gaskammern von AuschwitzBirkenau. Auch für Kurt Gerron. Der Berliner Schauspieler und Regisseur drehte diese Bilder für
die SS mit einem Kamerateam der Prager Wochenschaufirma Aktualita. Gerron wusste genau,
dass die Bilder dieses Films reine Propaganda waren. Sie hatten mit einer Dokumentation rein
gar nichts zu tun. Die Nazis wollten damit dem Ausland, besonders humanitären
Organisationen, zeigen, dass ihre tatsächlichen Gräueltaten angeblich bloß Gräuelmärchen
wären. Gerron spielte mit, hoffte durch die Erfüllung des SS-Auftrags sein Leben retten zu
können. Vor dem offenen Waggon eines Auschwitz-Transports wurde er im Herbst 1944 in
Theresienstadt zuletzt gesehen. Die Komplettkopie des Films ist verschollen. Nur Fragmente
wie diese sind erhalten geblieben; bewegte Bilder von den wirklichen Zuständen in
Theresienstadt sind nicht überliefert.
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Clip 42: Das Konzentrationsund Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau
1940 ordnet Heinrich Himmler, der Reichsführer SS, die Errichtung des KZ Auschwitz in
Oberschlesien an. Anfangs werden dort noch überwiegend politische Gefangene aus Polen
festgehalten. 1941 weist Reichsmarshall Hermann Göring, hier mit Heinrich Himmler, vorn im
Bild, bei einer Lagebesprechung mit Adolf Hitler, die SS an, KZ-Häftlinge aus Auschwitz an die
Industrie, den Chemiekonzern IG. Farben, zu überstellen. Sie sollen nahe Auschwitz die BunaWerke im KZ-Außenlager Monowitz errichten und dort harte Zwangsarbeit leisten. Kurz darauf
besucht Himmler das KZ Auschwitz. Er ordnet die Überstellung von 10.000 Häftlingen an die IG
Farben und den Ausbau des Lagers an. Nach Aussage von Lagerkommandant Rudolf Höß, hier
nach Kriegsende während des Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses, habe er im Juli 1941
von Himmler den Befehl zum Aufbau von Vernichtungsanlagen in Auschwitz erhalten. Höß lässt
daraufhin im Januar und im Juni 1942 die Räume von zwei Bauernhäusern in Birkenau zu
insgesamt sechs Gaskammern umbauen. Das ist der Beginn des Vernichtungslagers
Auschwitz-Birkenau. Bis 1945 werden ca. 1,3 Millionen Juden aus ganz Europa in Güterzügen
allein in dieses Vernichtungslager deportiert. Ungefähr 900.000 werden direkt an der „Rampe“
vom Wachpersonal „selektiert“ und in die Gaskammern geführt. Dort werden sie mit dem
Giftgas Zyklon B ermordet. Die Leichen werden anschließend in den nahegelegenen
Krematorien verbrannt. Mehr als 200.000 Gefangene, darunter auch viele sowjetische
Kriegsgefangene, sterben im KZ Auschwitz-Birkenau an den Folgen der Zwangsarbeit – infolge
von Unterernährung und wegen der katastrophalen Hygienezustände an Krankheiten, durch
grausame Misshandlungen oder bei unmenschlichen medizinischen Experimenten. Im Januar
1945 kann die Rote Armee nur noch 7.500 Häftlinge im KZ Auschwitz-Birkenau und seinen
Nebenlagern lebend befreien.
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Clip 43: Protagonisten des NS-Terrors: Adolf Hitler
Adolf Hitler mit seiner Schäferhündin Blondie. Der „Führer“ als „netter Onkel“. Bilder vom
Landsitz Berghof bei Berchtesgarden. Als tierund kinderlieb präsentierte die Propaganda den
Diktator und als einsamen „Führer“, der sich aufopfert für Volk und Vaterland. Lebensgefährtin
Eva Braun passte da nicht so recht ins Bild. Eva Braun – nah bei Hitler: Diese Aufnahmen
blieben privat. Offizielle Auftritte absolvierte Hitler stets allein, ließ sich vom Volk umjubeln und
von seinen Anhängerinnen und Anhängern anhimmeln. Eva Braun, die gerne Filmemacherin
geworden wäre, durfte allenfalls die Triumphe „ihres“ Führers mit der Kamera festhalten wie hier
Hitlers Rückkehr nach Berlin nach dem Sieg über Frankreich 1940. Die Propaganda vom netten
volksnahen Führer des deutschen Volkes wollte verwischen, dass der Rassist und Antisemit
Adolf Hitler der Initiator des größten Verbrechens gegen die Menschlichkeit war, das die
Geschichte je gesehen hat: Die Verfolgung und Ermordung aller Juden und aller Menschen, die
Hitler für „minderwertig“ hielt, wie alle Sinti und Roma oder die slawischen Völker in Osteuropa.
Seinem Rassenwahn fielen in der Zeit von 1933 bis 1945 fast sechs Millionen Juden zum Opfer.
Am Tag des Kriegsbeginns, am 1. September 1939, gab Hitler persönlich den sogenannten
„Gnadentoderlass“ heraus, ein Freibrief zur Euthanasie, zur Tötung aller psychisch kranker und
behinderter Menschen, die im Nazireich als „unheilbar“ galten. Und die – wie Hitler sich
ausdrückte – „Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa“ hatte der Rassenwahnsinnige nicht
nur schon in seiner Kampfschrift „Mein Kampf“ zum politischen Programm erhoben sondern
auch kurz vor Kriegsbeginn nochmals eindeutig als sein Kriegsziel benannt:
O-Ton Hitler
In einem Atemzug verbindet Hitler hier das Judentum mit dem Finanzkapitalismus und zugleich
mit dem Gegenteil: dem sowjetischen System des Bolschewismus – eine Verbindung, die in
sich völlig konfus und unlogisch ist wie die gesamte Ideologie des Nationalsozialismus, eine
Mischung verschiedenster antisemitischer und antidemokratischer Gesellschaftstheorien, die
die Weltanschauungen des jungen Adolf Hitler vor dem ersten Weltkrieg in Wien prägten und
seinen Rassenwahn begründeten. Hitler kam nach Wien, um Maler werden, hier Bilder von ihm,
die die Rote Armee 1945 im Führerbunker fand. Für die Aufnahme an der Wiener
Kunstakademie reichte sein Talent nicht. Doch nicht seinem künstlerischen Unvermögen,
sondern allen Liberalen, Marxisten und allen Juden gab er die Schuld für seinen sozialen
Absturz, der ihn als Gelegenheitsarbeiter schließlich im Wiener Obdachlosenlager landen ließ.
Dem Wehrdienst in der Armee Kaiser Josephs entzog sich Hitler und entfloh nach München.
Hier allerdings meldete er sich nach Ausbruch des Krieges freiwillig zur Armee. Kurz vor dem
Kriegsende 1918 überlebte er einen Gasangriff nur schwer verletzt und war zeitweilig erblindet.
Hitler entschloss sich, nach dem Krieg „Politiker“ zu werden. Er erwies sich als talentierter
„Propagandaredner“; schon 1919 benannte er die „Entfernung der Juden überhaupt“ als sein
politisches Ziel. Noch 1919 trat Hitler der rechtsextremen „Deutschen Arbeiterpartei“ bei. Er war
deren 5. Mitglied. 1921 wurde Hitler zum Vorsitzenden der NSDAP. Sie war aus der DAP
hervorgegangen und stattete Hitler nun mit diktatorischen Vollmachten aus. Diese übte er nach
der Machtübernahme der NSDAP ab 1933 als sogenannter „Führer“ nicht nur über die Partei,
sondern über das gesamte deutsche Volk aus. Den gesamten Staatsapparat schaltete er im
Sinne seiner Gewaltherrschaft gleich. Seine politischen Gegner ließ er mit deutscher
Gründlichkeit verfolgen, ermorden, außer Landes treiben. Rigoros setzte er mit seinen
Hilfstruppen SA und SS seine antijüdische Politik in Deutschland durch. Die Bevölkerung sah
tatenlos zu, beugte sich dem Terror und ließ sich mit sozialpolitischen Maßnahmen beruhigen.
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Nach dem Tode Hindenburgs übernahm Hitler auch das Amt des Reichspräsidenten. Damit
wurde er Oberbefehlshaber der Armee. Alle Soldaten schworen einen persönlichen Eid auf ihn,
auf den Führer. Ganz Deutschland wurde nun auf Adolf Hitler ausgerichtet.
O-Ton Heß
Gigantische Rüstungsund Infrastrukturprogramme ließ Hitler auf Pump finanzieren. Sie
brachten viele Menschen kurzzeitig wieder in Lohn und Brot. Die Mehrheit der Volksdeutschen
dankte es ihrem Führer und seinen Helfershelfern durch bedingungslosen Gehorsam bis in den
Krieg. Für Hitler war der 2. Weltkrieg logische Konsequenz seiner vom Wahnsinn geprägten
Rassentheorie, ein „Vernichtungskrieg“ besonders gegen die Völker in Osteuropa und gegen
alle Juden. Schließlich trieb er selbst das eigene Volk, das ihm willfährig folgte oder sich dem
Terrorsystem beugte, in den Untergang. Am 25. September 1944 ordnete er persönlich den
„Volkssturm“ an. Alle „wehrfähigen“ Kinder und alten Männer wurden bewaffnet, um gegen die
hochgerüsteten Armeen der Alliierten zu kämpfen. In seinem Fanatismus phantasierte Hitler
sogar im Januar 1945 noch von einem „Endsieg“ und gab im März einen Befehl heraus, ganz
Deutschland vor dem Rückzug gänzlich zu verwüsten, um dem Feind nur „verbrannte Erde“ zu
hinterlassen. Am 30. April 1945 starb Adolf Hitler im Berliner Führerbunker. Er beging
Selbstmord gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Eva Braun, die er am Tag zuvor geheiratet
hatte. Die Bilanz seiner Schreckensherrschaft: Bei Kriegsende 1945 hatte Deutschland als
politische Einheit aufgehört zu existieren. Das Land war verwüstet und wurde von den alliierten
Siegermächten regiert und neu geordnet. Deutschland nach Hitler brauchte mehr als 40 Jahre,
um wieder eins zu werden.
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Clip 44: Protagonisten des NS-Terrors: Joseph Goebbels
Am Beginn der 1920er Jahre versucht der promovierte Germanist Joseph Goebbels vergeblich,
eine Anstellung als Journalist und Dramaturg zu finden. Ab 1924 hat er Kontakt zu
nationalsozialistischen Kreisen, gehört aber zunächst dem linken, antikapitalistischen Flügel an.
Ab 1926 wird Goebbels zum bedingungslosen Parteigänger und Unterstützer des
Parteivorsitzenden Adolf Hitler. Der ernennt ihn noch 1926 zum Gauleiter von Berlin und
Brandenburg. Dort hatte die NSDAP zu dieser Zeit gerade einmal 500 Mitglieder. Goebbels
macht sich als antijüdischer Demagoge in Reden und Schriften schon früh einen Namen. 1930
nimmt er das Begräbnis des 23-jährigen SA-Führers Horst Wessel zum Anlass, in einer
pathetischen Rede den Verstorbenen zum Märtyrer der NS-Bewegung hoch zu stilisieren. Hitler
macht Goebbels daraufhin zum Reichspropagandaleiter. Goebbels organisiert nun die überaus
aggressiven Wahlkämpfe der NSDAP wie hier 1930. 1933 organisiert Goebbels den
sogenannten „Tag von Potsdam“. Eine Propagandashow. Der Schulterschluss zwischen dem
neuen Reichskanzler Hitler und dem greisen Reichspräsidenten Hindenburg soll die
Versöhnung der Vertreter der alten Ordnung mit den Nationalsozialisten zeigen. Schon direkt
nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten war Dr. Goebbels Reichspropagandaminister
geworden. Im Zuge der sogenannten „Gleichschaltung“ kontrolliert sein Ministerium für
„Volksaufklärung und Propaganda“ nun bald alle Massenmedien. Besonders den Rundfunk
nutzt Goebbels zur Beeinflussung der Massen im Sinne des NS-Gedankenguts. Bald wird jeder
Haushalt mit einem preisgünstigen „Volksempfänger“ ausgestattet sein. Er übermittelt nur
Nachrichten und Informationen, die vom Propagandaministerium kontrolliert wurden. Im
Volksmund heißt der „Volksempfänger“ deshalb nur „Goebbels-Schnauze“. Die Entwicklung des
Fernsehens und des Films als Propagandamittel treibt Goebbels gleichfalls voran. Er fördert die
Propagandafilme von Leni Riefenstahl wie „Sieg des Glaubens“ oder kontrolliert die „Deutsche
Wochenschau“, deren Beiträge als Vorprogramm in den Kinos bis auf eine Stunde ausgedehnt
werden. Goebbels Ministerium zeichnet verantwortlich für antijüdische Hetzfilme wie „Der ewige
Jude“ oder „Jud Süß“. Auch in der Realpolitik zeigt Goebbels sich als klarer Antisemit. Vom 1.
bis 4. April 1933 organisiert er den Boykott jüdischer Geschäfte, die erste zentral koordinierte
antijüdische Großaktion des NS-Staates. Wenig später, am 10. Mai, erklärt er anlässlich
deutschlandweiter Bücherverbrennungen:
O-Ton Goebbels
Seine Rede macht klar, was die Machthaber nun von der jungen Generation erwarten. Sie
sollen Kämpfernaturen werden in zukünftigen Kriegen, in denen nur Ehre oder Tod zählen. In
der Kulturpolitik geht Goebbels ebenfalls strikt antisemitisch vor. Alle jüdischen Mitarbeiter im
Rundfunk und bei Zeitungen lässt er entlassen. Aus der Reichskulturkammer werden auf seinen
Befehl hin sogar jene Personen ausgeschlossen, deren einer Elternoder Großelternteil als
jüdisch eingestuft wird. Damit geht Goebbels sogar noch über die Bestimmungen der
Nürnberger Rassegesetze von 1935 hinaus. Die von den Nazis so genannte „Entartete Kunst“,
Meisterwerke u.a. von George Grosz, Max Ernst, Paul Klee oder Ernst Barlach, werden auf
Initiative Goebbels hin in einer groß angekündigten Ausstellung in München 1937 noch einmal
gezeigt. Direkt danach beginnen die „Säuberungen“. Mehr als 16.000 Werke lässt der
Reichspropagandaminister beschlagnahmen, zerstören oder ins Ausland verkaufen. Parallel zur
Ausstellung „Entartete Kunst“ lässt Goebbels in München die neue „Deutsche Kunst“ zeigen:
Propagandagemälde, die dem Führerkult und dem Mythos der NS-Bewegung pathetisch
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huldigen. Im Vorfeld des Kriegsbeginns 1939 verschleiert Goebbels die wahren Absichten der
NSFührung:
O-Ton Goebbels plädiert für Frieden in Europa, 1939
Während des Krieges ist Goebbels als Gauleiter von Berlin ab August 1940 mit dem sich
ständig verstärkenden Luftkrieg der Alliierten gegen deutsche Städte konfrontiert. Er reagiert mit
verstärkter Propaganda, einer strikten Kontrolle aller Kriegsnachrichten und mit
Durchhalteparolen. Im Juni 1941 proklamiert Goebbels Hitlers Kriegserklärung an die
Sowjetunion. Geschickt choreographiert die Filmpropaganda seinen Auftritt im Rundfunk. Als
Berliner Gauleiter zeichnet Goebbels ab Herbst 1941 auch für den Beginn der Deportation von
noch rund 60.000 Berliner Juden in die Vernichtungslager verantwortlich. Nach der Niederlage
der deutschen Truppen gegen die Rote Armee in der Schlacht von Stalingrad verkündet
Goebbels am 18. Februar 1943 in einer filmisch wiederum perfekt choreographierten
Propagandaveranstaltung den „Totalen Krieg“.
Goebbels’ Propaganda wirkt. Die Mehrzahl der Deutschen folgt der NS-Führung bis in den
Untergang. Viele schließen sich dem „Volkssturm“ an. Goebbels reist durchs Land, hält
Durchhaltereden wie hier in der Westfalenhalle in Dortmund 1944 oder wie hier in Köln noch
Anfang 1945. Am 22. April 1945 begibt sich Goebbels in den Berliner Führerbunker, zusammen
mit Frau Magda und seinen sechs Kindern. Hier Bilder mit Generalfeldmarschall Erwin Rommel
bei der Goebbels-Familie Anfang der 1940er Jahre. Nach dem 8. Mai 1945 finden sowjetische
Soldaten die tote Familie Goebbels. Magda Goebbels hatte am 1. Mai veranlasst, ihre sechs
Kinder durch einen SS-Arzt töten zu lassen. Anschließend beging sie mit Joseph Goebbels
gemeinschaftlichen Selbstmord.
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Clip 45: Protagonisten des NS-Terrors: Hermann Göring
Hermann Göring war – wie die Mehrzahl der NS-Führer – durch das militärische Milieu geprägt.
Eigentlich Leutnant der Infanterie, hatte sich Göring 1914 freiwillig zur Fliegertruppe gemeldet.
Er liebt es, in den Lüften zu schweben, herausgehoben aus der anonymen Masse an
Infanteristen, wie etwa auch Adolf Hitler, unter ihm in den Schützengräben eines schmutzigen
Krieges. Göring will zur Elite gehören, er ist exaltiert, will ein Kriegsheld werden, zu den
Popstars des Kaiserreichs gehören wie der „Rote Baron“, Görings legendärer KampffliegerKollege Manfred von Richthofen. Nach Richthofens Tod übernimmt Göring 1918 tatsächlich
dessen Geschwader. 1933 beschreibt er in seinem Vorwort zu Richthofens Buch „Der rote
Kampfflieger“ den Krieg in der Luft als „ritterlichen Kampf“, zu dem die Flieger-Asse „aufstiegen
aus ihren Lagern zum Gefecht Mann gegen Mann, er oder ich“. Göring selbst – nach einem
Abschuss 1915/16 ein Jahr außer Gefecht gesetzt – heroisiert den mörderischen Kampf,
verschweigt die blutige Brutalität der Luftkämpfe, die fiebrige Suche nach der besten
Schussposition, um den gegnerischen Piloten direkt in den Kopf zu treffen und dessen
Flugzeug auf die Schussfahrt gen Erde zu schicken. Die Frustration über den verlorenen Krieg
und die harten Bedingungen des Versailler Vertrags bringen Göring schnell in Kontakt mit
rechtsradikalen Kreisen um Adolf Hitler. Göring, der Mann des Kampfes, ist 1923 beim HitlerPutsch, hier neben Heinrich Himmler, mit dabei. Bei der Niederschlagung des Hitler-Aufstandes
durch Regierungstruppen schwer verletzt, flieht Göring nach Österreich, dann nach Italien. Er
findet Trost im Morphium, die Sucht wird ihn nun zeitlebens begleiten. Nach Deutschland
zurückgekehrt, nutzt Göring seine guten Beziehungen zur Industrie, um Ende der 1920er Jahre
Spendengelder für die neugegründete Nazi-Partei einzuwerben. Hitler dankt es Göring nach der
Machtergreifung: Im Kabinett 1933 wie später im NS-Staat wird Göring zum zweiten Mann
hinter dem „Führer“. Göring wiederum ist Hitler bis kurz vor Kriegsende treu ergeben. Er führt
willfährig aus, was Hitler will. Als Chef der preußischen Polizei geht er rücksichtslos gegen
Oppositionelle vor. Er etabliert Terror und Denunziantentum mit der Gründung der „Geheimen
Staatspolizei“, der Gestapo. 1935 schließlich verkündet er die so genannten „Nürnberger
Gesetze“ und verleiht damit der NS-Rassenlehre juristische Kraft im Deutschen Reich. Später,
1941, wird er den SD-Chef Reinhard Heydrich mit der Ausarbeitung von Plänen zur „Endlösung
der Judenfrage“ beauftragen. Göring, hier bei einer Geburtstagsfeier, gilt als ebenso jovial und
tatkräftig wie brutal und rücksichtslos. Klaus Mann hat in seinem Roman „Mephisto“ Görings
zwiespältigen Charakter präzise beschrieben. Einerseits gibt er den egomanen Barockfürsten,
andererseits lässt er 1937 als Chef der Luftwaffe die „Legion Condor“ ohne Gnade Frauen,
Kinder und Alte während des Spanischen Bürgerkriegs in der Stadt Guernica bombardieren.
Nach der verlorenen Luftschlacht um England 1940/41 sinkt Görings Ansehen als
Reichsfeldmarschall. Er bleibt zwar Hitlers Mann für Industrie und Wirtschaftsplanung, zieht sich
aber mehr und mehr auf sein gigantomanisches Jagdschloss „Carinhall“ zurück. Im April 1945
kommt es zum Bruch zwischen Hitler und Göring. Göring hatte Hitlers Führungsanspruch
angezweifelt. Im Mai 1945 stöbert die US-Armee Hermann Göring in einem Schloss am Zeller
See auf. Als führender Nationalsozialist steht er wenig später vor dem Nürnberger
Kriegsverbrechertribunal. Der Vollstreckung seines Todesurteils entzieht sich Göring durch
Selbstmord im Nürnberger Gefängnis.
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Clip 46: Protagonisten des NS-Terrors: Heinrich Himmler
Heinrich Himmler, der Reichsführer der SS, hier bei einer Lagebesprechung nah bei Hitler, ist
einer der Hauptverantwortlichen für die Umsetzung der NS-Vernichtungspläne gegen die
europäischen Juden während des 2. Weltkrieges. Ursprünglich als Leibgarde Hitlers konzipiert,
baute Himmler die SS schon seit 1929 zu einer Art nationalsozialistischem Führungsorden aus.
Okkulte Theorien, rassistische „Herrenmenschen“-Ideologie, „biologische Auslese“ – das sind
die Stichworte, auf denen Himmler sein eigenes und das Weltbild der SS aufbaut. Auf diesem
ideologischen Fundament werden die SS-Leute ausgebildet. Sie begehen während des 2.
Weltkrieges als Elite der NSDAP unvorstellbare Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung in den
besetzten Gebieten. 1942 verabschiedet Himmler den „Generalplan Ost“. Er sieht die
Vertreibung von Millionen von Menschen in Polen, Weißrussland und anderen Ländern nach
Sibirien vor. In Himmlers Vorstellung sollen diese sogenannten „Untermenschen“ dem NS-Staat
zukünftig als Arbeitssklaven dienen. Auch für den Bau des Vernichtungslagers AuschwitzBirkenau gibt Himmler den Befehl und ist damit verantwortlich für die fabrikmäßige Ermordung
von über einer Million Menschen allein in diesem „Todeslager“. Angesichts der Massenmorde,
die die SS begeht, beschwört Himmler, hier bei einem Besuch eigener Truppen sowie eines
Lagers mit sowjetischen Kriegsgefangenen in der Nähe von Minsk, in Reden vor den eigenen
Leuten die „Anständigkeit“ der SS-Männer und befeuert dadurch deren Sendungsbewusstsein
und deren Elitedenken:
O-Ton Himmler
Im Mai 1945 gerät Himmler bei Lüneburg in britische Kriegsgefangenschaft. Er wird entdeckt
und begeht daraufhin Selbstmord mit einer versteckten Giftpille.
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Clip 47: Protagonisten des NS-Terrors: Reinhard Heydrich
SS-Gruppenführer Reinhard Heydrich, Chef der Sicherheitspolizei und des SD, dem politischen
Nachrichtendienst der NSDAP, hier mit Heinrich Himmler auf Hitlers Berghof, ist einer der
wesentlichen Organisatoren des Holocaust, 1939 werden Geheime Staatspolizei,
Kriminalpolizei und der Sicherheitsdienst (SD) im sogenannten Reichssicherheitshauptamt
zusammengelegt. Heydrich wird Leiter dieser SuperÜberwachungsbehörde. Nach Beginn des
2. Weltkrieges koordiniert er von hier aus die Aktionen der sogenannten „Einsatzgruppen“. Auch
für die Verschleppung der jüdischen polnischen Bevölkerung in Ghettos zeichnet Heydrich
verantwortlich. Am 31. Juli 1941 beauftragt ihn Hermann Göring mit der Ausarbeitung eines
Plans zur „Endlösung der Judenfrage“. Der überzeugte Rassist und Antisemit macht sich an die
Ausarbeitung der Pläne zur Vernichtung der europäischen Juden. In dieser Villa am Wannsee
ruft Heydrich am 20. Januar 1942 hohe NS-Funktionäre zusammen. Auf dieser sogenannten
„Wannsee-Konferenz“ beschließen sie, die Pläne zur „Endlösung der Judenfrage“ durch
Deportation und systematische Ermordung aller Juden in den Vernichtungslagern in Osteuropa
in die Tat umzusetzen. Wenige Monate später, im Mai 1942 fällt Heydrich, seit 1941 auch
stellvertretender Statthalter für das „Protektorat Böhmen und Mähren“, in Prag einem Attentat
der tschechischen Widerstandsbewegung zum Opfer. Als Vergeltung für Heydrichs Ermordung
macht die SS am 10. Juni 1942 ein kleines tschechisches Dorf dem Erdboden gleicht. Alle
erwachsenen männlichen Einwohner werden von den SS-Männern getötet, alle Frauen und
Kinder ins KZ verschleppt. Das grausame Geschehen geht als „Massaker von Lidice“ in die
Geschichte des 2. Weltkrieges ein.
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Clip 48: Protagonisten des NS-Terrors: Adolf Eichmann
Auf der Wannseekonferenz protokolliert der SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann die
Beschlüsse der NS-Führer zur „Endlösung der Judenfrage“. Eichmann sollte für deren
Umsetzung zur maßgeblichen Figur werden. Schon seit Dezember 1939 leitet Eichmann die
Abteilung „Auswanderung und Räumung“ im Reichssicherheitshauptamt. Vom Schreibtisch aus
koordiniert der Bürokrat die Deportation von Millionen Juden in die Ghettos und in die
Konzentrationsund Vernichtungslager. 1944 leitet er selbst als Führer eines Sonderkommandos
in Budapest die Deportation ungarischer Juden nach Auschwitz. Nach Kriegsende gelingt
Eichmann die Flucht nach Argentinien, unter der Herrschaft von Juan und Evita Peron
Zufluchtsort vieler Nazi-Verbrecher. 1960 spürt der israelische Geheimdienst Eichmann auf und
verhaftet ihn. Argentinien und Israel sind sich uneins über die Bedingungen von Eichmanns
Auslieferung. David Ben Gurion, Israels Ministerpräsident, lässt Eichmann daraufhin entführen.
In Jerusalem steht Eichmann 1961 vor Gericht. Die Philosophin Hanna Arendt beobachtet das
Prozessgeschehen. In dem Durchschnittsbeamten Eichmann, der sich auf Befehle von
Vorgesetzten beruft, erkennt sie die „Banalität des Bösen“. Diese These und ihre kritischen
Anmerkungen zu den „Judenräten“ lösen besonders in der jüdisch-zionistischen Community
eine heftige Debatte aus. Die Judenräte waren wie hier im Warschauer Ghetto – von den Nazis
als jüdische Zwangskörperschaften eingesetzt worden. Adolf Eichmann wird zum Tode verurteilt
und 1962 hingerichtet.
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Clip 49: Attentate auf Adolf Hitler
„Ein Volk, ein Reich, ein Führer“. So stellten die Nationalsozialisten das „Dritte Reich“ dar. Als
eine Einheit des Volkes mit dem Führer Adolf Hitler. Doch nicht alle waren Nazis in den Zeiten
der Diktatur 1933 bis 1945. Es gab einige, wenngleich zu wenige, die sich vom Terror der NaziPartei gegen alle Juden und politisch Andersdenkenden nicht einschüchtern ließen; es waren
Menschen, die trotz Verfolgung und Verrat den Widerstand in Deutschland planten und
durchführten. Ihr Hauptziel: Adolf Hitler selbst. Ihre Überlegung: Die Nazi-Diktatur war nach dem
Führerprinzip organisiert. Alle Beamte und Soldaten leisteten ihren Eid auf Adolf Hitler
persönlich. Also galt es den Tyrannen zu ermorden, dann würde die Diktatur
zusammenbrechen. Historiker schätzen, dass von 1921 bis zum 20. Juli 1944 ca. 40 Anschläge
auf Hitlers Leben durchgeführt wurden. Bereits im November 1921 Hitlers Nazi-Partei steckte
noch in den Anfängen – gab es den ersten Attentatversuch auf Hitler. Während einer seiner
Hetzreden kam es zu einer Saalschlacht. Aus dem Tumult heraus fielen Schüsse auf Hitler. Er
blieb unverletzt; die Täter konnten unerkannt entkommen. Kurz nach der Machtergreifung 1933
beschossen Attentäter den Dienstwagen Hitlers auf dem Weg zu dessen Feriendomizil auf dem
Obersalzberg. Die Täter blieben unerkannt; Hitler wieder unverletzt. Wenig später schlich sich
eine fremde Person mit geladener Waffe in Hitlers Berghof ein. Die Person trug eine SAUniform. Sie wurde verhaftet. Wer sie war und was aus ihr wurde, ist nicht bekannt. Im März
1933 organisierte NS-Propagandaminister Joseph Goebbels den „Tag von Potsdam“. Die
Begegnung zwischen dem greisen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg und dem Führer
Adolf Hitler sollte die Aussöhnung zwischen dem alten und dem neuen Deutschland
symbolisieren. Attentäter wollten Hindenburg und Hitler in der Potsdamer Garnisonskirche in die
Luft jagen. Zu diesem Zweck hatten sie einen Tunnel unter die Kirche gegraben. Doch der
Tunnel wurde vorher entdeckt; die Attentäter bliesen ihr Vorhaben ab. Nicht dagegen Johann
Georg Elser. Er sah seit 1938 den Krieg kommen und entschloss sich, Hitler im Alleingang zu
beseitigen: Einen Monat lang versteckte er sich im Herbst 1939 jede Nacht im Münchener
Bürgerbräukeller. Er präparierte eine Säule mit Sprengstoff. Doch am 8. November 1939 verließ
Hitler nach seiner alljährlichen Rede die Veranstaltung im Bräukeller zum Gedenken an den
Hitlerputsch von 1923 schneller als erwartet. Als Elsers Bombe explodierte, war Hitler schon
weg. Die NS-Propaganda sprach von der „Vorsehung“. Sie habe den Führer gerettet. So kurz
nach Kriegsbeginn, behauptete die Propaganda weiter, könne nur der britische Geheimdienst
hinter dem Anschlag stecken. Widerstandskreise vermuteten, die Nazis hätten den Anschlag
selbst inszeniert, um die Unantastbarkeit Hitlers vorzuführen. Elsers Alleintäterschaft wurde
bestritten. Beim Grenzübertritt in die Schweiz wurde Elser noch am Tag des Attentats in
Konstanz verhaftet. Nachdem er von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) in Berlin gefoltert
wurde, kam er zunächst ins KZ Sachsenhausen, später ins KZ Dachau, wo er am 9. April 1945
ermordet wurde. Nach dem Kriegsbeginn 1939 kamen Zivilisten kaum noch an Adolf Hitler
heran. Erfolgversprechende Attentatspläne konnten also nur noch in den Kreisen des
militärischen Widerstands entwickelt werden. Ab Herbst 1943 formierte sich um Claus Schenk
Graf von Stauffenberg eine Gruppe von Offizieren neu, die Hitler durch ein Attentat beseitigen
wollten. Zahlreiche Anschläge, die die Gruppe um Ludwig Beck, den ehemaligen
Generalstabschefs des Heeres, geplant hatte, waren fehlgeschlagen. Nun deponierte
Stauffenberg am 20. Juli 1944 eine Bombe bei der Lagebesprechung mit Hitler im
„Führerhauptquartier Wolfsschanze“. Doch auch dieses Attentat schlug fehl. Hitler erteilte Major
Remer, dem Kommandeur des Berliner Wachbataillons, Vollmacht, den Aufstand innerhalb der
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Wehrmacht niederzuschlagen. Stauffenberg und einige seiner Mitstreiter wurden verhaftet und
noch in der Nacht im Berliner Bendlerblock hingerichtet. Auch General Beck wurde
erschossen.Remer unterdes hielt flammende Reden mit Durchhalteparolen an die Soldaten:
O-Ton Remer
Wenige Monate später war der 2. Weltkrieg beendet – um den Preis noch unzähliger sinnloser
Opfer im „Totalen Krieg“ der Nationalsozialisten. Adolf Hitler hatte sich zusammen mit Eva
Braun am 30. April 1945 im Berliner Führerbunker selbst getötet. Das NS-Regime hinterließ ein
gänzlich zerstörtes Deutschland. Hunderttausende Soldaten gingen in die
Kriegsgefangenschaft.
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Clip 50: Widerstandsgruppen: Kommunisten und Sozialdemokraten
Adolf Hitler war ein Alleinherrscher, ein Diktator, der keine andere Meinung gelten ließ. Seine
Vertrauten und er bauten nach der Machtergreifung im Jahre 1933 eine Gewaltherrschaft auf. In
Deutschland waren es zunächst besonders Kommunisten und Sozialdemokraten, die ein
Widerstandsnetz gegen die NS-Diktatur aufzubauen versuchten. Sie druckten und verbreiteten
Flugblätter, schrieben Wandparolen. Doch die Gestapo, die Geheime Staatspolizei, war
allgegenwärtig, ihre Spitzel verrieten viele Widerstandskämpfer. Die deutsche Justiz folgte dem
Hakenkreuz, Gerechtigkeit gab es in der Diktatur nicht. Die Widerstandskämpfer wurden in KZs
verschleppt oder direkt hingerichtet. So auch die Journalistin Ilse Stöbe. Sie war 1942
zusammen mit dem Diplomaten Rudolf von Scheliha verhaftet worden. Beide wurden wegen
angeblicher Spionage für die Sowjetunion hingerichtet. Ilse Stöbe gehörte zur
Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“. Seit 1933 hatten Harro Schulze-Boysen und Arvid Harnack
eine Gruppe von Ministerialbeamten, Wehrmachtsangehörigen, Künstlern und Arbeitern um sich
versammeln können. Sie klebten Plakate gegen das Regime. Sie forderten in Flugblättern ein
schnelles Ende des Krieges und eine Verständigung mit der Sowjetunion. Deutschland sollte als
unabhängiger Nationalstaat erhalten bleiben als Mittler zwischen Ost und West. Ein
Funkkontakt mit der Sowjetunion brachte die Gestapo 1942 auf die Spur der
Widerstandsgruppe. Im Winter 1942/43 gewann die Rote Armee die Schlacht um Stalingrad.
Sie drängte mit ihren Panzerverbänden nun ihrerseits die Truppen Hitlers zurück, machte
Hunderttausende deutsche Kriegsgefangene. Als die Niederlage von Hitlers Deutschland näher
rückte, wurden auch in Moskau einige der in der Sowjetunion gebliebenen deutschen
Kommunisten wieder politisch aktiv. Auf Geheiß Stalins gründeten sie unter Führung des
Schriftstellers Erich Weinert und des KPD-Vorsitzenden im Exil, Wilhelm Pieck, das sogenannte
„Nationalkomitee Freies Deutschland“. Im Heer der deutschen Kriegsgefangenen – hier zu
Propagandazwecken in Moskau vorgeführt – sahen die Kommunisten ein Reservoir. Sie
suchten Parteigänger für ihr neues, kommunistisches Deutschland. Nach dem Kriegsende 1945
betrieben die aus Moskau zurückgekehrten Kommunisten um Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck
eine Vereinigung von SPD und KPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Die
West-SPD unter Führung ihres späteren Vorsitzenden Kurt Schumacher warnte vor einer
„Zwangsvereinigung“ mit der KPD und unterstützte den Aufbau einer parlamentarischen
Demokratie. Unter dem Druck der Sowjets gründete sich die SED bei einem so genannten
„Vereinigungsparteitag“ in Berlin 1946 daher nur für den Ostteil Deutschlands, für die sowjetisch
besetzte Zone.
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Clip 51: Widerstandsgruppen: Christen und Konservative
Im September 1933 gründen einige mutige Pastoren den „Pfarrernotbund“. Ihm schließen sich
bis Anfang 1934 7.000 Pfarrer an. Sie verstehen sich als die „bekennende Kirche“. Sie
verweigert sich der NS-Reichskirche, prangert den Terror der Geheimen Staatspolizei ein, wehrt
sich gegen den völkischen Rassismus des NS-Staates. Die „Bekennende Kirche“ sieht sich als
die wahre Hüterin des evangelischen Glaubens. Sie versteht sich nicht als politische
Opposition. Dennoch werden wichtige ihrer Mitglieder wie Martin Niemöller, Theophil Wurm,
Dietrich Bonhoeffer oder Otto Delius verfolgt, in Haft genommen, schließlich ermordet.
Bonhoeffer, der nach Kriegsbeginn enge Kontakte auch zum militärischen Widerstand um
Abwehrchef Wilhelm Canaris unterhält, wird – ebenso wie Canaris – kurz vor Kriegsende am 9.
April 1945 im KZ Flossenbürg hingerichtet. In der Katholischen Kirche ist es u.a. besonders
Clemens August Graf von Galen, der Widerstand gegen den NS-Staat leistet. 1941 verurteilte
der Bischof von Münster öffentlich in seinen Predigten die sogenannte „Euthanasie“, die
Ermordung von mindestens 70.000 Insassen von Heilund Pflegeanstalten in Deutschland durch
die Nazis. Offiziell stellen sie die Euthanasie-Programme ein. Und auch vor einer Verhaftung
des populären Bischofs, dessen Reden auch im Ausland bekannt waren, schrecken die
Machthaber zurück. Ganz anders ergeht es Bernhard Lichtenberg. Der Berliner Dompropst
bezahlt seine öffentliche Kritik an den NS-Judenverfolgungen mit dem Leben. Auch im
konservativen Lager formiert sich nach 1933 schnell Widerstand gegen die NSDiktatur. 1937
tritt Carl Friedrich Goerdeler von seinem Amt als Leipziger Oberbürgermeister zurück. Der
nationalkonservative Goerdeler, von Hitler als Finanzexperte geschätzt, protestiert mit diesem
Schritt gegen den Antisemitismus in Deutschland. Um Goerdeler bildet sich ein
Widerstandskreis, der von der Rückkehr zur Monarchie träumt. Generaloberst Ludwig Beck, der
selbst 1938 wegen Hitlers Kriegsplänen als Chef des Heeres zurücktrat, hält den Kontakt
zwischen dem Goerdeler-Kreis und militärischen Widerstandsgruppen. Ab 1940 formiert sich
der zivile Widerstand um Helmuth James Graf von Moltke neu. In seinem Gut Kreisau in
Niederschlesien findet er einen abgeschiedenen Ort, an dem in regelmäßigen
Zusammenkünften die führenden Köpfe der Gruppe wie Peter Yorck Graf von Wartenburg,
Adam von Trott zu Solz oder der Sozialdemokrat Julius Leber eine politische Neuordnung
Deutschlands diskutieren. Als Moltke im Januar 1944 verhaftet wird und der „Kreisauer Kreis“
zerfällt, schließen sich manche seiner Mitstreiter dem Widerstand um Claus Schenk Graf von
Stauffenberg an. Nach dem gescheiterten Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 werden Trott,
Goerdeler u.a. in einem Schauprozess vor dem Volksgerichtshof zum Tode verurteilt.
O-Ton: Freisler
Carl Friedrich Goerdeler und andere Widerstandskämpfer werden im Berliner Gefängnis
Plötzensee hingerichtet.
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Clip 52: Widerstandsgruppen: Militärischer Widerstand
1938 trat Generaloberst Ludwig Beck wegen der Kriegspläne Hitlers als Chef des Heeres
zurück. Zusammen mit Admiral Wilhelm Canaris, dem Chef des Abwehrdienstes, wurde Beck
einer der führenden Köpfe des militärischen Widerstands gegen Hitler im Dritten Reich. 1938
plante Canaris’ Stabschef Hans Oster zusammen mit Beck und Hans von Dohnanyi, einem
Mitarbeiter im Justizministerium, einen Militärputsch gegen Hitler. Der Grund für die Rebellion
der Offiziere: Hitlers Expansionspolitik in Europa hatte sich spürbar zugespitzt und lief auf Krieg
zu. Nach dem Einmarsch in Österreich provozierte Hitler nun die Tschechoslowakei mit seiner
Forderung nach einer Autonomie für die 3 Millionen Sudetendeutschen. Hitler drohte, ins
Sudetenland einzumarschieren. Für diesen Fall rechneten die Militärs um Beck und Canaris mit
einer Kriegserklärung der westlichen Alliierten. Dann hätten sie eine Legitimation für den
Umsturz. Doch es kam anders. Hitler und Benito Mussolini, Italiens Faschisten-Führer, einigten
sich am 29. September 1938 mit dem französischen und dem britischen Premierminister auf
das „Münchner Abkommen“. Es bewahrte Europa nochmals kurzzeitig vor dem drohenden
Krieg. Der Preis: Das Sudetenland. Freudig begrüßten die Sudetendeutschen die
Wehrmachtstruppen beim Einmarsch am 1. Oktober 1938. Hitler stand als „Friedensstifter“ da.
Gegen ihn zu putschen, hätte in diesem Augenblick einen Bürgerkrieg ausgelöst. Das wussten
auch die rebellischen Militärs in Hitlers Nähe, wie General von Witzleben, hier 1938. Sie
begruben ihre Umsturzpläne, vorerst. Ein Jahr später plante Hans Oster erneut den Umsturz.
Erich Kordt, ein Mitarbeiter von Außenminister Ribbentrop, sollte sich zusammen mit Hitler in
die Luft sprengen. Das Attentat kam nicht zustande. Wenige Tage vorher, am 8. November
1939, hatte Georg Elser den Münchener Bürgerbräukeller während einer NS-Veranstaltung in
die Luft gesprengt, Adolf Hitler aber verfehlt. Nach der Katastrophe von Stalingrad, schließlich
nach der Niederlage des legendären „Afrikakorps“ von General Erwin Rommel sahen viele
Mitglieder des militärischen Widerstands im Tyrannenmord eine letzte Chance, die totale
Niederlage Deutschlands zu verhindern. In enger Abstimmung mit General Olbricht plante eine
Gruppe von jüngeren Offizieren um Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Albrecht Ritter Mertz
von Quirnheim und Henning von Treskow den Anschlag. Doch auch das Attentat auf Adolf Hitler
am 20. Juli 1944 verfehlte sein Ziel. Hitler überlebte den Bombenanschlag während einer
Lagebesprechung im Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ nur leicht verletzt.
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Clip 53: Widerstandsgruppen: Jugendopposition
Die Nazibewegung nahm während des Dritten Reiches Kinder und Jugendliche schon früh bei
der Hand. Die Jungs wurden in der „Hitler-Jugend“, die Mädchen im „Bund Deutscher Mädel“ in
Uniformen gesteckt. Sie sollten willfährige Anhänger des Regimes werden. Die Jungs wurden
früh auf Krieg gedrillt. Doch es gab auch Jugendliche, die sich Freiräume für die Entfaltung
einer eigenen Persönlichkeit bewahren und erkämpfen wollten. Diese Jugendopposition im
Dritten Reich ist weniger bekannt und kann auch hier – wie viele andere Widerstandsgruppen –
nur in Fotos dokumentiert werden. Zur Jugendopposition zählten die sogenannten
„Edelweisspiraten“, Jugendgruppen im Rheinland, Ruhrgebiet und Sachsen. Sie nannten sich
„Fahrtenjungs“ in Düsseldorf, „Navajos“ in Köln oder „Meuten“ in Leipzig. Ihr
Erkennungszeichen war ein EdelweissSticker. Sie knüpften an die Traditionen der „Bündischen
Jugend“ und linken „Wandervogelbewegung“ an. Sie war 1933 von den Nazis verboten worden.
Durch Wanderungen auf Wochenendausflügen unternahmen die „Edelweisspiraten“, meist
Kinder der Arbeiterklasse, ab 1939 kleine Fluchten aus dem Kriegsalltag; sie suchten
unbeobachtete Momente, sich ohne Bespitzelung, Drill und Propaganda auszutauschen oder
auch das andere Geschlecht näher kennen zu lernen. Im Unterschied zur
Geschlechtertrennung bei „Hitler-Jugend“ und „Bund Deutscher Mädel“ gingen Mädchen und
Jungen bei den „Edelweisspiraten“ gemeinsam auf Freizeitfahrt und ins Zeltlager. Freiräume
verschaffen – das wollten sich auch die Cliquen von jungen Leuten aus dem Bürgertum in
Hamburg und Berlin. Sie hörten heimlich amerikanische Swingmusik, tanzten in Clubs und
Cafés und pflegten einen weltoffenen Lebensstil. Doch: Swingmusik und eine weltoffene
Gesellschaft waren im Nazi-Reich verboten. Brutal ging die Geheime Staatspolizei gegen die
Jugendlichen vor, die sie verächtlich „Swingjugend“ nannte. Im Grunde unpolitisch, löste die
massive staatliche Verfolgung bei den „Edelweisspiraten“ wie bei der „Swingjugend“
Protesthaltungen aus, die letztlich, etwa bei der „Ehrenfelder Gruppe“ in Köln, zu
Widerstandsaktionen gegen die Gewaltherrschaft führten. Widerstandskämpfer Bartholomäus
Schink und die anderen versteckten geflohene Zwangsarbeiter und lieferten sich Schießereien
mit der Gestapo und der Polizei. Demgegenüber waren es bei den jungen Studenten um die
Geschwister Scholl von Beginn an christlich-humanitäre und politische Motive gewesen, die sie
veranlasst hatten, die Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“ zu gründen. Neben Hans und
Sophie Scholl gehörten der Gruppe im Umkreis der Münchner Universität weitere Studenten,
Lehrer und Professoren an. Sie unternahmen Flugblattaktionen, schrieben Parolen wie „Nieder
mit Hitler“ an Häuserfassaden. Bei einer Flugblattaktion in der Universität am 18. Februar 1943
wurde die Gruppe beobachtet und verraten. Schon wenige Tage später wurden die Geschwister
Scholl vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und hingerichtet.
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Clip 54: Jüdischer Widerstand: Ghettoaufstände und Partisanenkämpfe
Die Bilder haben sich tief in das kollektive Gedächtnis der Menschheit eingebrannt: Mitglieder
der Nazi-Todeskommandos, der sogenannten „Einsatzgruppen“, töten wie am Fließband die
jüdische Zivilbevölkerung in Osteuropa, hier Aufnahmen aus Lettland während des 2.
Weltkriegs. Die Opfer der NS-Judenvernichtung erscheinen willfährig und wehrlos. Später
werden die angeklagten Täter vor Gericht berichten, die Opfer hätten sich „wie Schlachtvieh“
zur Hinrichtung führen lassen. Auch um sich zu entlasten und ihre grausamen Verbrechen
gegen die Menschlichkeit vor sich selbst und der Welt zu rechtfertigen, verbreiteten die
angeklagten Nationalsozialisten den Eindruck, es habe keinen jüdischen Widerstand gegeben.
Richtig ist – wie es Antisemitismusforscher Wolfgang Benz formuliert – dass „die Mehrheit der
Juden keine Chance (hatte), sich gegen den Holocaust aufzulehnen. Das war nicht die Schuld der Juden.
Gewalt, Arglist, Täuschung und Terror waren stärker, und Solidarität mit den Opfern gab es kaum. Ohne
Solidarität, d. h. Rückhalt aus der Bevölkerung war erfolgreicher Widerstand nicht möglich“, so Benz.
Ohne die massenhafte Zivilcourage der Bevölkerung hatten die Nazis und ihre Kollaborateure in
Deutschland und Europa leichtes Spiel, alle Juden zu verfolgen und sechs Millionen von ihnen
zu ermorden. Dennoch verstellt das weitverbreitete Vorurteil, die Juden hätten sich „wie
Lämmer zur Schlachtbank“ führen lassen, den Blick auf die historische Wirklichkeit. Stets
bekannt war der jüdische Aufstand im Warschauer Ghetto im Frühjahr 1943. Unter dem Motto
„Wenigstens wählen, wie wir sterben“ setzten sich ab dem 19. April um die 1.000 Kämpfer und
Kämpferinnen, darunter viele Jugendliche, gegen die deutschen Truppen zur Wehr. Diese
sollten im Auftrag von SS-Chef Heinrich Himmler das Ghetto endgültig räumen und ihre
Bewohner in die Vernichtungslager deportieren. Himmler wollte am 20. April, dem Geburtstag
Hitlers, dem Führer die polnische Hauptstadt als „judenrein“ melden. Doch daraus wurde nichts.
10 Wochen lang schlugen sich die schlecht ausgerüsteten und im Kampf kaum erfahrenen
Kampverbände der jüdischen Untergrundorganisation ZOB tapfer mit den deutschen Truppen,
die in den zähen Straßenkämpfen hohe Verluste hatten. Erst am 16. Mai konnten SS und
Wehrmacht den jüdischen Widerstand brechen und das Warschauer Ghetto dem Erdboden
gleich machen. Der Warschauer Widerstandskampf der ZOB machte schnell Schule. In mehr
als 100 Ghettos in Polen, Litauen, Weißrussland und in der Ukraine bildeten sich jüdische
Kampfgruppen. Es kam zu Revolten zum Beispiel in Wilna und Bialystok. Im August 1943
überwältigten KZ-Häftlinge in Treblinka einen Teil des Wachpersonals, steckten Gaskammern
und Baracken in Brand. Am 14. Oktober 1943 erhoben sich jüdisch-russische
Kriegsgefangenen im Vernichtungslager Sobibor gegen ihre Häscher. Der Aufruhr wurde zum
Massenaufstand. Die Juden von Sobibor stürmten die Lagertore. 320 jüdischen KZ-Insassen
gelang die Flucht. Im KZ Auschwitz-Birkenau versuchten 250 Gefangene ein Jahr später
gleichfalls eine Massenflucht. Zuvor am 7. Oktober 1944 war ein Aufstand des Personals der
Krematorien von Auschwitz losgebrochen. Die KZ-Häftlinge, die zum fabrikmäßigen Verbrennen
der Leichen aus den Gaskammern abkommandiert waren, zündeten eingeschmuggelten
Sprengstoff. Ein Krematorium wurde teilweise zerstört. Der Aufstand wurde von den
SSWachmannschaften brutal niedergeschlagen; die flüchtigen KZ-Insassen wurden gefasst und
ermordet. Viele Juden in Osteuropa, die dem Ghetto und dem Vernichtungslager durch Flucht
entkommen konnten, schlossen sich den Partisanen an. Allein in Weißrussland zählte die
Partisanenbewegung 1944 ca. 400.000 Menschen. Sie organisierten Anschläge gegen die
deutschen Besatzer und Sabotageaktionen gegen Militärtransporte der Wehrmacht im
sogenannten „Schienenkrieg“. In Osteuropa kämpften rund 40.000 Juden in Partisanengruppen
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mit. Die bekannteste Gruppe waren die „Bielski-Partisanen“ der Brüder Tuvia, Zusja, Asael und
Aron Bielski. Sie befehligten bis zu 1.200 Kämpfer, die sich teilweise mit ihren Familien, Älteren
und Kindern in den Wäldern versteckten. Während der Kriegsjahre lieferten sie sich ab 1942
Gefechte mit den deutschen Truppen und retteten bis Kriegsende unzähligen Juden das Leben.
Jüdische Kämpfer waren ab dem 1. August 1944 auch am Aufstand der polnischen
Heimatarmee in Warschau beteiligt. Die Exilregierung wollte die polnische Hauptstadt noch vor
der anrückenden Roten Armee befreien. Dies misslang. Der Aufstand brach am 2. Oktober
1944 zusammen. Die Rote Armee half nicht; die deutschen Truppen machten Warschau dem
Erdboden gleich. Auch in Westeuropa kämpften viele Juden in Untergrundbewegungen gegen
die Nazis mit, wie hier, in der französischen Résistance bei der Befreiung von Paris 1944.
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Clip 55: Jüdischer Widerstand: Jüdische Soldaten in den Armeen der Alliierten
Bislang ist kaum bekannt, dass jüdische Soldaten und Offiziere am militärischen Sieg der
Alliierten über Hitler-Deutschland und seine Verbündeten während des 2. Weltkriegs einen
wesentlichen Anteil hatten. Die Begegnung zwischen den jüdischen Soldaten und KZHäftlingen, die den Holocaust überlebten, wie hier nach der Befreiung des Konzentrationslagers
Dachau 1945, gehört zu den bewegensten Momenten der neueren jüdischen Geschichte.
Während des II. Weltkriegs dienten in der US-Armee mit 550.000 jüdischen Soldaten, davon
36.000 Offiziere, die meisten Juden. 11.000 fielen – wie Stanley Caplan, Leutnant zur See, der
beim Überraschungsangriff der Japaner auf Pearl Harbor 1941 umkam. Es war der jüdische
US-General Maurice Rose, der als Befehlshaber der 3. Panzerdivision an den alliierten Erfolgen
gegen das deutsche Afrika-Korps beteiligt war und die bedingungslose Kapitulation der
Wehrmacht in Tunesien entgegen nehmen konnte. Auch bei der alliierten Landung auf Sizilien
am 10. Juli 1943 erwarb sich Roses Division einen legendären Ruf. Sie war es schließlich, die
als erste US-Einheit im Winter 1944 den Westwall überwinden konnte. Als erster US-General
betrat Maurice Rose am 12. Dezember 1944 deutschen Boden, bevor er wenig später von
einem Heckenschützen erschossen wurde. Die britische Armee zählte 1939 62.000 jüdische
Soldaten. Als sich die deutschen Panzerverbände von General Erwin Rommel 1942 bedrohlich
nah auf Palästina zubewegten, gab das Oberkommando der britischen Armee seine Vorbehalte
gegen jüdische Freiwillige aus Palästina auf. Rund 30.000 Juden aus dem „Gelobten Land“,
darunter etwa 4.500 Frauen, überwiegend Flüchtlinge aus Europa, traten den britischen
Truppen bei. Viele von ihnen wurden Pioniere der Kommandoeinheiten, u.a. auch der
sogenannten „Deutschen Einheit“. Das war eine Spezialeinheit der „Special Air Services“. Ihre
Mitglieder sprachen Deutsch und hatten deutsche Papiere. Sie mischten sich in deutschen
Uniformen unter die Truppen der Wehrmacht, verübten Anschläge und Sabotageaktionen,
erledigten Spionageund Geheimaufträge. Sie waren maßgeblich am Sieg der Alliierten in
Nordafrika beteiligt. Als der Genozid an den europäischen Juden immer offensichtlicher wurde,
stimmte das britische Verteidigungsministerium im September 1944 der Aufstellung der
„Jüdischen Brigade“ zu. Sie kam als Teil der 8. Britischen Armee ab November 1944 in Italien
zum Einsatz. Unter dem Banner der Trikolore kämpften ab 1940 46.000 Juden, darunter viele
Emigranten aus Deutschland, Österreich und Osteuropa. Sie waren Soldaten der „Free French“
– Einheiten unter General de Gaulle, kämpften in der Fremdenlegion sowie als Kampfpiloten in
der Einheit „Normandie“ unter dem Kommando der „Roten Armee“. Die zählte 500.000 jüdische
Soldaten in ihren Reihen; mehr als 150.000 von ihnen erhielten sowjetische
Tapferkeitsauszeichnungen. Die jüdischen Rotarmisten waren an allen Schlachten des 2.
Weltkriegs bis hin zur Eroberung Berlins im Mai 1945 beteiligt. Insgesamt standen während des
2. Weltkriegs fast 1,5 Millionen Juden unter Waffen und kämpften in den Armeen der Alliierten
besonders einsatzfreudig für die Befreiung Europas vom Joch des Nazismus.
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Clip 56: Jugend in der NS-Diktatur
Während der Weimarer Republik unterhielten die Kirchen wie hier die Katholiken ebenso wie
Sozialdemokraten und Kommunisten eigene Jugendorganisationen. Hinzu kamen Gruppen wie
die Wandervogeloder Naturfreundejugend. Auch die NSDAP begründete früh eine eigene
Jugendbewegung,. Doch nur „Deutsche und Arier“ wurden in den „Jugendbund der
Nationalsozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands“ aufgenommen; Juden und Ausländer
blieben ausgeschlossen. Hier Bilder aus den Anfängen der rassistischen Jugendorganisation.
1926 wurde hieraus die „Hitlerjugend“, begründet auf dem Reichsparteitag der
Nationalsozialisten. Auch wenn diese Bilder Stärke vermitteln, die HJ war in der Weimarer
Republik eine ganz unbedeutsame Jugendorganisation.
Statement Prof. Klönne: Antidemokratisches Denken, NS-Jugendbewegung O-Ton Hitler
„Sie sollen nie wieder frei sein ...“ Ganz im Sinne Hitlers nahm der diktatorische NS-Staat nun
also „seine“ Kinder vom Babybis zum Erwachsenenalter an die Hand, beeinflusste und formte
sie erzieherisch einzig und allein im Sinne des nationalsozialistischen Gedankenguts. Nach
1933 wurden von den neuen Machthabern zunächst alle konkurrierenden
Jugendorganisationen ausoder – wie hier die Evangelische Jugend – gleichgeschaltet und in
die Hitlerjugend integriert. Durch das „Gesetz über die Hitlerjugend“ vom 1. Dezember 1936
wurde die NSJugendorganisation zur gleichrangigen Erziehungsinstanz neben Schule und
Elternhaus. Die Erziehungsrechte der Eltern wurden zugunsten des NS-Staates
zurückgedrängt. Durch die Einführung der Jugenddienstpflicht am 25. März 1939 wurden
faktisch nunmehr alle Jugendlichen Mitglieder der HJ. Alle 14-18-jährigen Jungen und Mädchen
mussten in der HJ und im Bund Deutscher Mädel sein. Der BDM war im Juni 1930 als
Unterorganisation der Hitlerjugend gegründet worden. Wer die Jugend hat, hat die Zukunft. Das
wusste auch Adolf Hitler.
O-Ton Hitler
Doch wie sieht die Zukunft dieser Jugendlichen aus? Die Zukunft der Nazis war der Krieg. Das
war Hitlers Plan. Und so wurden alle Mitglieder der HJ, Mädchen wie Jungen, in Uniformen
gesteckt, nach militärischen Regeln und Ritualen organisiert und im Sinne der
nationalsozialistischen Rollenbilder systematisch zu „Kriegern“ die Jungen und zu „Müttern und
Hausfrauen“ die Mädchen erzogen. Die Jugend Hitlers wurde anlässlich des „FührerGeburtstages“ alljährlich am 20. April sowie auf NSDAP-Parteitagen in feierlichen
Verpflichtungen direkt auf den „Führer“ eingeschworen. Sie sollten „ihren Führer“ anhimmeln,
seine getreuesten Getreuen werden, ihm bedingungslos folgen. Die HJ’ler wurden zu Wesen in
der Masse gedrillt. Zugunsten des Führerprinzips sollten sie ihre eigene Individualität aufgeben,
sich aufopfern für die „Volksgemeinschaft“. Körperertüchtigung und Wehrbereitschaft waren den
Nazis wichtigere Erziehungsideale als die intellektuelle Ausbildung des Geistes. Letztere wurde
in der Schulausbildung zurückgedrängt, die Sportstunden im Unterricht der Schulen dagegen
erhöht. Fächer wie Deutsch und Geschichte galten als „gesinnungsbildend“ und dienten dazu,
deutsches Heldenpathos und „vaterländische Größe“ zu vermitteln. In Geschichte und Biologie
wurden die Kinder und Jugendlichen auf die Rassenlehre der Nazis getrimmt; der Unterricht
verbreitete offen antisemitische Feindbilder. Dennoch trauten die Nazis der traditionellen
Institution Schule mit ihren Berufsbeamten nicht so recht über den Weg. Hier Hitler beim
Besuch seiner alten Schule nach dem sogenannten „Anschluss Österreichs“ 1938. Die Nazis
bauten lieber ein System eigener Erziehungseinrichtungen auf. Zu diesen „NSEliteschulen“
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gehörten die „Adolf-Hitler-Schulen“, die sogenannten „Ordensburgen“ und die
„Nationalpolitischen Erziehungsanstalten“ (Napola).
Statement Napola
Wurden die Jungen in den Eliteschulen im Sinne der kriegerischen Ideologie zu
hundertfünfzigprozentigen Parteigängern der Nazis erzogen, so erfüllte das BDM-Werk „Glaube
und Schönheit“ die Funktion, die 1721-jährigen Frauen nach Verlassen des BDM auf ihre Rolle
in der Welt der NS-Diktatur vorzubereiten: Sie sollten als körperlich vollkommene „deutsche
Mutter arischer Kinder“ der „Volksgemeinschaft“ dienen. Während des Krieges kamen viele
dieser jungen Frauen zu Einsätzen beim Roten Kreuz, in Lazaretten und bei der Ernte. Einige
gingen sogar zur SS und zählten später zum Wachpersonal der Konzentrationsund
Vernichtungslager.
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Clip 57: „Jungvolk“ und „Spielschar“
Bereits im Alter von zehn Jahren wurden die Jungen in das Deutsche Jungvolk (DJ), die
Mädchen in den Jungmädelbund (JM) eingegliedert. Das waren Unterorganisationen der HitlerJugend, die die Jugendlichen ab 14 Jahren übernahmen und einer weiteren und vertiefenden
Erziehung im Sinne der NS-Weltanschauung unterzogen. Der bekannte Schauspieler Joachim
Fuchsberger erinnert sich an seine Jugend unterm Hakenkreuz und bekannte 2011 auf „Spiegel
Online“: „Hitler hat mir die Kindheit gestohlen“. „Beim Jungvolk sollten wir lernen, unseren
Vorgesetzten zu gehorchen und uns der Partei unterzuordnen. Wir wurden regelrecht dressiert. Jeden
Mittwoch und Samstag mussten wir in Uniform antreten. Wir wurden gezwungen, in Sechserreihen im
Gleichschritt durch die Stadt zu marschieren und bescheuerte Lieder wie „Schwarzbraun ist die
Haselnuss“ zu singen. Es wurde auch viel Sport gemacht, vor allem Leichtathletik, laufen, springen,
werfen. Oft gab es politische Schulungsabende, an denen uns die Lehren der Nationalsozialisten
eingebläut wurden: dass unser Führer Adolf Hitler alle Feinde vernichten und mit unserer Hilfe das
Deutsche Reich errichten würde. So ein Blödsinn.“
Schon Kinderbücher und Kinderspielzeug förderten die Erziehung zum Antisemitismus,
verbreiteten offen antijüdische Feindbilder und Vorurteile. Auch andere Zeitzeugen berichten
vom militärischen Drill im Deutschen Jungvolk, von der Einübung von Befehl und Gehorsam als
Grundregeln des NS-Führerstaats. Für die „Pimpfe“ so wurden die jüngsten HJ’ler genannt
allerdings geschickt verpackt als großes kindliches „Abenteuer“: Fahrradausflüge,
Wanderungen, Zeltlager, Spiele, Sport und Lagerfeuer. Auch für die Einübung zukünftiger NSFrauenrollen hielt der „Jungmädelbund“ bereits attraktive Freizeitangebote parat. Sie reichten
von einschlägigen Bastelstunden für die Jüngeren über breit angelegte Sportkurse bis hin zu
den „Spielscharen“. Sie waren Sonderformationen der HJ, in der das musische Interesse und
Talent von Mädchen und Jungen angesprochen wurden. In Chören, Fanfarenzügen und
Orchestern wurden völkische Lieder gesungen, traditionelles Brauchtum in Tänzen und Ritualen
gepflegt und wiedererweckt. Die „Spielscharen“ sollten gemeinschaftsbildende Funktionen
erfüllen. Sie sollten die Kinder über Gesang und Instrument gefühlsmäßig und nicht intellektuell
an den Nationalsozialismus und seine völkisch-rassistischen Ideen binden.
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Clip 58: Die Erziehung zum Kriege – Die Verführungstricks der Hitlerjugend
Autorität und autoritäres Verhalten waren die Kinder und Jugendlichen aus der Schule und dem
Elternhaus gewohnt. Deutschland im Kaiserreich, wie auch später in der Weimarer Republik
war eine autoritär geprägte Gesellschaft, beherrscht von Disziplin und Gehorsam. Kein Wunder
also, dass vielen Kindern und Jugendlichen die Hierarchie, das Strammstehen, das
Marschieren im „Deutschen Jungvolk“ und später in der HJ gut gefiel, zumal die Autorität nicht –
wie sonst in der Gesellschaft – von Erwachsenen ausging, sondern hier Kinder und Jugendliche
Gleichaltrige befehligten. Aus dem Prinzip der Hitlerjugend: „Jugend wird von Jugend geführt“,
erwuchs – wie Zeitzeuge Werner Mork im „Forum Kollektives Gedächtnis“ berichtet –, das
Gefühl einer Befreiung von Bevormundung. „Aus diesem Geist heraus“, schreibt Mork, „fühlten
wir uns auch frei, trotz des Gehorsamsprinzips, das wir aber nicht als belastend oder als
Unterdrückung ansahen.“ Jugendforscher Prof. Arno Klönne hat die Attraktivität der Hitlerjugend
eingehend untersucht:
Statement Klönne, Teil I
Hinzu kam, dass die HJ den Jugendlichen half, „große Gefühle“ in Massenveranstaltungen,
feierlichen Umzügen und Paraden, geselligem Lagerleben und Propagandamärschen
auszuleben. Trotz Drill und Disziplinierung: Manchen war die HJ Befreiung aus bürgerlicher
Enge, versprach Abenteuer und bediente damit auch die Sehnsucht von Jugendlichen, eine
Antihaltung zur Welt der Erwachsenen zu entwickeln.
Statement Klönne, Teil II
Wie die anderen Parteiformationen, SA und SS, nutzte auch die HJ perfekt inszenierte
Ritualfeiern, um ihre Mitglieder gefühlsmäßig an die völkischen Ideale der Nationalsozialisten zu
binden. Jugendliche Sinnsuche fand Erfüllung in der Begegnung mit der mythischen Welt der
Germanen. Abenteuerlust wurde in Geländespielen ausgetobt, der Wissensdurst in
militärischtechnischen Kursen. Nur – die jugendliche Sehnsucht nach Gemeinschaft und
Identität wurde von den Nazis brutal ausgenutzt, um die ihnen zum Schutz befohlenen Kinder
und Jugendlichen für den Krieg zu erziehen – für eine Welt, in der Pflichterfüllung und
Willensstärke, Kameradschaft und Gefolgschaftstreue, körperliche Leistungsfähigkeit und
militärtechnisches Wissen über Leben und Tod entscheiden sollten – Tugenden, die die
Heranwachsenden tatsächlich schon sehr bald brauchen. Denn schnell machten die Nazis aus
Spiel Ernst, und die Hitlerjungen von gestern wurden zu den jungen Soldaten von 1939, die
Hitlers Angriffskrieg in ganz Europa zu führen hatten. Ihrem „Führer“ bedingungslos folgend,
taten sie dies überwiegend begeistert.
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Clip 59: Von Kriegern und Müttern – Rollenbilder in der HJ und im BDM
O-Ton Propagandafilm
Ganz nebenbei wird in diesem Propagandastreifen aus der Reise junger HJ’ler nach
Ostpreußen ein Truppenbesuch. Eingliederung in eine militärische Hierarchie, das Akzeptieren
und Befolgen von Befehl und Gehorsam, der Erwerb militärisch-technischer Kenntnisse – das
waren die eigentlichen Ziele der „Hitler-Jugend“. Sport, Spiel, vormilitärische Übungen und
militärische Ausbildung begannen sich in der HJ ab1936 systematisch zu vermischen und zu
verbinden. Ab diesem Jahr war die Parteiorganisation durch das „Gesetz über die Hitlerjugend“
Elternhaus und Schule gleichgestellt worden. Die Militarisierung der Jugend konnte vollzogen
werden. Dass die NS-Führung keinen Hehl daraus machte, dass aus Spiel nun sehr bald Ernst
würde, zeigen diese Ausschnitte aus einem Propagandafilm, der offen für die Erziehung zum
Kriege wirbt. In den für Jugendliche durchaus attraktiven Freizeitangeboten der Untereinheiten
der HitlerJugend, wie beispielsweise der Marineoder der Flieger-HJ, üben die Jungs – das
zeigen die Bilder deutlich – militärische Techniken ein. Solche Filme wurden den Jugendlichen
in der HJ in den sogenannten „Jugendfilmstunden“ präsentiert. Diese Propaganda verfehlte ihre
Wirkung nicht. Bilder von 1938. Sie zeigen, wie es den Machthabern in Deutschland in wenigen
Jahren gelang, durch Zwang, aber auch durch eine geschickte Jugendpolitik, eine männliche
„Staatsjugend“ zu formieren. Sie war nun bereit, für „Führer, Volk und Vaterland“ alles zu geben.
Und schon ein Jahr später würden diese Jungen als junge Landser und Offiziere geradewegs in
den II. Weltkrieg hineinmarschieren. Begleitet wurden die jungen Krieger von Mädchen und
Frauen, denen die Nazis gleichfalls klare Rollen in Staat und Gesellschaft zugewiesen hatten.
Der Körperkult im Sinne des nationalsozialistischen Sozialdarwinismus zielte auch bei den
Mädchen und jungen Frauen auf das Heranzüchten kerngesunder Körper ab. Damit sie ihre von
staatswegen vorgegebenen Aufgaben für die „Volksgemeinschaft“ erfüllen, sahen sich junge
Frauen im NS-Reich mit einem regelrechten „Mutter-Kult“ konfrontiert. Im öffentlichen Leben, in
Kunstausstellungen und Filmen wurden die biologischen Funktionen der Frau verehrt und sie
auf die Rolle als Mutter reduziert und besonders dann in den Kriegsjahren – als Kameradin für
den Mann angesehen, der an der Front kämpft. Während des Krieges kamen daher weitere
Rollen für die Frauen hinzu: BDM’ler wurden als Schwesternhelferinnen und
Krankenschwestern bei der Verpflegung von Verwundeten während des Luftkrieges eingesetzt,
mussten Fabrikarbeit leisten oder waren als Funkerin im militärischen Einsatz. So übernahmen
Frauen zunehmend Tätigkeiten, die zuvor den Männern vorbehalten waren. Doch subjektives
Empfinden, eigene Gedanken, Wünsche und Gefühle waren bei Frauen wie bei Männern in der
NS-Kriegsgesellschaft nicht gefragt. In der deutschen „Volksgemeinschaft“ ließ der Staat nur die
heterosexuelle Partnerschaft „arischer“ Deutscher zu. Als „sittlich“ galt, wer in seiner Ehe so
viele Kinder wie möglich zeugte. Bei Eheschließung gewährte der Staat einen finanziellen
Anreiz von 1.000 Reichsmark, umgerechnet heute ca. 4.000 €. Für jedes Kind gab es 25
Prozent Rabatt, nach vier Kindern war der Staatskredit „zurückgezeugt“, doch die Kinder sollten
auch fortan dem Staat „gehören“. Wenn Jugendliche dagegen opponierten, und sei es nur
durch einen individuellen Kleidungsstil, gar durch freiere Formen der Sexualität oder durch
einen eigenen Musikgeschmack, wie etwa die „Swing-Jugend“, so wurden sie von der
Geheimen Staatspolizei gnadenlos verfolgt.
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Clip 60: Die Faszination der „Blitzsiege“ – Soldaten als Kriegshelden
Im Dritten Reich sahen die Helden so aus.
Da die Ausbildung der „Staatsjugend“ im Dritten Reich auf eine Erziehung zum Kriege abzielte,
war es für die Nazis durchaus folgerichtig, nach Beginn des deutschen Angriffskrieges ab dem
1. September 1939 besonders Soldaten und Offiziere der Wehrmacht zu Kriegshelden für die
jungen Leute aufzubauen. Die schnellen Anfangserfolge der deutschen Armee am Beginn des
Zweiten Weltkriegs – Polen wurde in 37 Tagen, Frankreich 1940 in 42 Tagen besetzt – nährte
den, unter Historikern mittlerweile höchst umstrittenen Mythos von den „Blitzsiegen“ der
Deutschen. Die Wehrmacht hatte durch den Sieg über Frankreich den „Versailler Vertrag“ und
damit das seit 1918 schwelende nationale Trauma vieler Deutscher revidiert. Geschickt nutzte
Hitler, der während des Westfeldzugs zauderte, die Euphorie des Sieges für die eigene Person
und ließ sich nach seiner Rückkehr aus dem besetzen Paris im Juni 1940 in Berlin von
Hunderttausenden als „Größten Feldherrn aller Zeiten“ feiern. Nach siebeneinhalb Jahren
Gewaltherrschaft und wenigen Monaten Weltkrieg war der Diktator auf dem Höhepunkt seiner
Popularität in Deutschland angekommen. Die euphorische Kriegsstimmung verfehlte auch ihre
Wirkung auf Jugendliche in Deutschland nicht. Besonders Soldaten und Offiziere der Luftwaffe
wie der schnellen Panzerverbände wurden ihnen nun von den Machthabern als Heldenfiguren
präsentiert. Kommandeur Erwin Rommel schaffte mit seiner 7. Panzerdivision während des
Westfeldzugs bis zu 120 Kilometer an einem Tag: militärischer Weltrekord. Dadurch wurde der
spätere „Wüstenfuchs“ kurzzeitig zu Hitlers Lieblingsgeneral. Adolf Galland, jüngster
Wehrmachtsgeneral und berühmter Jagdflieger, gehörte gleichfalls zu Hitlers Kriegs-Ikonen. Er
war schon 1937 beim verbrecherischen Luftangriff auf die Stadt Guernica während des
Spanischen Bürgerkriegs auf Seiten der deutschen „Legion Condor“dabei. Später schoss er in
mehr als 100 Luftkämpfen die gegnerischen Piloten Aug’ in Aug’ ab. Galland wurde von nicht
wenigen jungen Leute in jenen Tagen bewundert, wie heute PopStars gefeiert und bewundert
werden. Von den Hitlerjungen und BDM’lern begeistert aufgenommen, wird in diesen
Propagandaaufnahmen auch die Flugkapitänin Hanna Reitsch. Sie kämpfte als einzige
weibliche Testpilotin an der Front und wurde dafür von Adolf Hitler mit dem „Eisernen Kreuz“
dekoriert. In diesen Propagandabildern befragt Großadmiral Dönitz bei einem Besuch der
Marine-HJ, was die Hitlerjungen denn später werden wollen.
O-Ton Propagandafilm
Die NS-Propaganda wollte, dass alle Jungen es ihren Idolen gleichtun sollten. In der Tat
begeisterten sich viele für den Kriegseinsatz und meldeten sich freiwillig z.B. zur Waffen-SS.
O-Ton Klönne
Und als schließlich der selbst angezettelte Krieg gegen Deutschland zurückzuschlagen begann,
schreckte die NS-Propaganda nicht davor zurück, sogar Kinder als Helden des Kampfes
vorzuführen, um selbst die Jüngsten noch für den mörderischen „Endsieg“ zu begeistern.
O-Ton Propaganda
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Clip 61: Heldenmythos und Kriegsrealität
1940 in Deutschland: Es herrschte allgemein „Heldenverehrung“. Hitler wurde von der Mehrheit
der Bevölkerung nach den schnellen Siegen zu Beginn des 2. Weltkriegs als Kriegsheld
gefeiert. Viele Jugendliche begeisterten sich für Kriegsidole, für U-Boot-Fahrer und
Kampfflieger. Die Stimmung begann zu kippen, als sich der Versuch der Wehrmacht,
Großbritannien aus der Luft zu besiegen, ab Sommer 1940 hinzog und die Luftwaffe schließlich
im Frühjahr 1941 die Luftschlacht um England verloren geben musste. Die deutschen
Kampfflieger, noch vor wenigen Monaten Kriegshelden, waren entzaubert, der Krieg begann
nun auch für die Deutschen sein grausames Gesicht zu zeigen. Nach dem Überfall der
deutschen Armee auf die Sowjetunion im Sommer 1941 sahen sich immer mehr junge Soldaten
mit der brutalen Kriegsrealität konfrontiert. Sie hatte nichts gemein mit den propagandistischen
Heldenmythen, mit denen die jungen Soldaten im Nazireich aufgewachsen waren. „Es war
grauenhaft, und so bleibt es“, beschreibt der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker
in einem SPIEGEL-Gespräch 2009 seine Erlebnisse als junger Soldat an der Ostfront. Seine
Einheit kämpfte im Winter 1941 vor Moskau und gehörte später zu den deutschen
Belagerungstruppen vor Leningrad. Im November 1942 wurde ein weiterer Kriegsheld der
Nazipropaganda seiner Aura beraubt: Erwin Rommel, mittlerweile Befehlshaber des Afrikakorps
und von Hitler wegen seiner Anfangserfolge in Nordafrika zum Generalfeldmarschall ernannt,
konnte mit seinen Panzerverbänden den Durchbruch der Alliierten bei El Alamein nicht
verhindern. Im Mai 1943 kapitulierte das Afrikakorps. 130.000 deutsche Soldaten wanderten in
die Kriegsgefangenschaft. Allein auf deutscher Seite hatten 18.400 Soldaten während der
Schlacht im Wüstensand El Alameins ihr Leben gelassen. Allmählich wurde den jungen
Soldaten und Offizieren an den Fronten des Krieges klar, was die eigentliche Botschaft der NSHeldenverehrung war: der Tod.
Statement Scheunemann
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Clip 62: Die jungen Toten von Stalingrad
Am 2. Februar 1943 kapitulierten die deutschen Truppen im Nordkessel Stalingrads. Zwei Tage
zuvor war Generalfeldmarschall Friedrich Paulus im Südkessel verhaftet worden und hatte die
Schlacht mit seinen Truppen für verloren erklärt. Das war der 31. Januar 1943, 10 Jahre nach
Hitlers Machtergreifung. Die Schlacht um die Wolgastadt, die Stalins Namen trug, und die für
beide Gewaltherrscher, in Berlin wie in Moskau, kriegsentscheidend werden sollte, markierte
einen tragischen Höhepunkt jener Erziehung zum Kriege, die die jungen Soldaten in Hitlers
Deutschland 10 Jahre lang erfahren hatten. Sie sollten im Sommer 1942 einfach nur
durchmarschieren bis zu den kriegswichtigen Ölfeldern im Kaukasus. Auf dem Weg dorthin
wollte Paulus’ 6. Armee in acht Tagen ganz nebenbei Stalingrad erobern, damals die wichtigste
Metropole der russischen Rüstungsindustrie. Ab 23. August 1943 begannen die Deutschen mit
Flächenbombardements. Sie forderten 40.000 Tote unter der Zivilbevölkerung in nur einer
Woche. Doch den sowjetischen Widerstand konnten die Deutschen nicht brechen. Stalin wollte
die Stadt nicht preisgeben. Schließlich stimmte er den Evakuierungsplänen seines zuständigen
Politkommissars Nikita Chruschtschow doch noch zu. Die deutschen Truppen besetzten eine
zerstörte, fast menschenleere Stadt und – saßen in der Falle. Die sowjetischen Truppen
begannen einen zermürbenden Häuserkampf und spielten auf Zeit. Stalin ahnte, Hitler würde
schon aus Prestigegründen auf die Eroberung der Stadt bestehen, die den Namen seines
„Erzfeindes“ trug. Hitlers Starrsinn wurde den überwiegend jungen deutschen Soldaten in
Stalingrad zum Verhängnis. Ende November 1942 schloss die Rote Armee ihren
Belagerungsring um die Stadt. Die deutschen Soldaten der 6. Armee waren eingekesselt.
Nachschub aus der Luft kam trotz vollmundiger Ankündigungen des Naziführers Hermann
Göring kaum durch. Obwohl Hitler die 6. Armee im russischen Winter 1942/43 gegenüber
seinem Vertrauten Joseph Goebbels schon für verloren erklärte, befahl er dennoch, Stalingrad
bis zum letzten Mann zu halten. Bis auf wenige Ausnahmen gehorchten die Offiziere und
Mannschaften dem Führerbefehl: Wer sich der Roten Armee zu ergeben versucht, würde
erschossen, hieß die Parole. Und auch auf russischer Seite standen Erschießungskommandos
hinter der kämpfenden Truppe. Sie hatten Befehl, jeden zu erschießen, der von der Front zu
desertieren versuchte. Die sowjetische Militärführung hatte sich erklärtermaßen an der
deutschen ein Beispiel genommen. So begann der massenhafte Soldatentod in der
Schneewüste von Stalingrad. Rund 150.000 deutsche Soldaten wurden in den Häuserkämpfen
getötet, erfroren vor Kälte oder erlagen Hunger und Krankheiten. Historiker schätzen die Zahl
der Toten auf sowjetischer Seite sogar auf mehr als 300.000. Nach der Kapitulation in
Stalingrad gingen 91.000 deutsche Soldaten in eine mörderische Kriegsgefangenschaft der
Sowjets. Nur ca. 6.000 überlebten; 85.000 Soldaten bezahlten den Glauben an den Führer
selbst nach dem Krieg mit ihrem Leben.
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Clip 63: Kinder und Jugendliche an der „Heimatfront“
Deutschland 1943: Nach der verlorenen Schlacht um Stalingrad war die Stimmung unter der
Bevölkerung schlecht. Die Propaganda redete die Niederlage schön, doch viele ahnten: der
Krieg wird verloren gehen. Dennoch folgte die Mehrheit weiterhin den Befehlen der
NaziFührung. Propagandaminister Joseph Goebbels beschwor in einer inszenierten
Veranstaltung im Berliner Sportpalast vor handverlesenem Publikum im Februar 1943 den
Kampfgeist und den Siegeswillen der Deutschen. Doch die Alliierten ließen sich von solchen
Propagandashows der Nazis nicht beeindrucken. An allen Fronten rückten sie vor und schlugen
die Deutschen zurück wie hier bei der Landung von Briten und Amerikanern im Juli 1943 auf
Sizilien. Nacht für Nacht bombardierte die Royal Air Force deutsche Städte. Am Beginn des
Krieges hatten deutsche Stukas und Heinkel-Bomber Großstädte in Polen, den BeneluxStaaten, Frankreich, schließlich in England in Schutt und Asche gelegt, wie hier die britische
Stadt Coventry 1940. Der deutsche Luftkrieg forderte nach Schätzungen von Historikern allein
in Großbritannien mehr als 60.000 Todesopfer unter der Zivilbevölkerung. Die Männer, die diese
Luftangriffe ins Werk setzten, die Piloten der deutschen Luftwaffe, wurden von nicht wenigen
jungen Leuten in Deutschland als Kriegshelden verehrt. Doch nun war der Bombenkrieg
umgeschlagen, nun schlugen die alliierten Luftstreitkräfte gegen die deutsche Zivilbevölkerung
zurück, konnten aber deren Kampfmoral nicht brechen. Auch in anderer Hinsicht spielte der
gnadenlose alliierte Luftkrieg, dem bis 1945 mehr als 600.000 Zivilisten in Deutschland zum
Opfer fielen, den Nazis eher in die Hände: Vor dem Hintergrund wachsender Luftangriffe und
größer werdender Versorgungsprobleme in den Städten ließ die Naziführung vornehmlich durch
HJ und BDM die sogenannte „Kinderlandverschickung“ organisieren. Bis zum Ende des Krieges
wurden ca. 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche zumeist mit dem Zug aus den Städten in
ländliche Gebiete evakuiert. Der Staat trennte sie von den Eltern. Die Kinder und Jugendlichen
lebten monatelang, manchmal mehr als ein Jahr in ehemaligen Schullandheimen, Zeltlagern
oder Jugendherbergen. Iinsgesamt gab es ca. 9.000 Lager. Hier konnten die Nazis den
Nachwuchs – ungestört von jedem elterlichen Einfluss – ganz in ihrem Sinne erziehen. Den
Kindern wurde die „Kinderlandverschickung“ von der NS-Propaganda wieder einmal als „großes
Abenteuer“ angepriesen und ihren Eltern als „gesundheitsfördernde Maßnahme für Stadtkinder“
präsentiert. Doch viele Kinder überkam schnell Heimweh und Sehnsucht nach den Eltern. Sie
litten unter der langen Zeit der Trennung, ja, wussten in den gefährlichen Zeiten des Krieges
nicht einmal, ob sie Mutter und Vater überhaupt je wiedersehen würden. Die Jungen und
Mädchen der HJ und des BDM, die an der sogenannten „Heimatfront“ blieben, wurden derweil
immer stärker in den Krieg hineingezogen. Erst halfen die Hitlerjungen, die Trümmer der
Luftangriffe zu beseitigen, waren als AushilfsFeuerwehrleute an der Brandbekämpfung beteiligt
oder waren zur Arbeit in Rüstungsbetrieben dienstverpflichtet. Ab 1944 wurden die Hitlerjungen
schließlich auch im Abwehrkampf als Flakhelfer gegen die anfliegenden alliierten Bomberflotten
eingesetzt. Die BDM’lerinnen halfen an der „Heimatfront“ als Kindergärtnerinnen oder
Schwesternhelferinnen aus. Ab 1944 wurden sie auch als „Wehrmachtshelferinnen“ eingesetzt.
Die gemeinsamen Aktivitäten von Mädchen und Jungen in den HJ-„Spielscharen“ wurden bis
zum Kriegsende aufrechterhalten. Das Singen und Musizieren sollte die Jugendlichen ablenken
und ihnen Normalität vorgaukeln jenseits des bedrohlichen Kriegsalltags. Gemeinsam wurden
Jungen und Mädchen der „Staatsjugend“ schließlich auch in der Landarbeit eingesetzt, was die
Filmpropaganda in idyllischen Farbbildern auszuschlachten wusste. Nicht weit entfernt von den
saftigen Almen fiel Deutschland derweil Stück für Stück in Trümmer.
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Clip 64: Kinder-Soldaten im „Volkssturm“
Nach Einführung der Pflichtmitgliedschaft in der HJ 1939 forcierte die Nazi-Elitetruppe SS unter
Leitung Heinrich Himmlers die militärische Ausbildung der Hitlerjungen. Noch vor und dann
während des Krieges wurden die Jungen in sogenannten „Wehrertüchtigungslagern“ auf ihre
zukünftigen Aufgaben in der SS und Waffen-SS vorbereitet. Schnell ging die Saat der
militärischen und ideologischen Beeinflussung seitens der NaziMachthaber während des
Krieges auf. Viele Jungen traten freiwillig den „Sturm-Staffeln“ bei. Sie waren es, die
federführend Kriegsund Holocaust-Verbrechen in den besetzten Gebieten wie auch in
Deutschland selbst begingen. Die jüngsten Soldaten zu Kriegsbeginn 1939 waren noch 19
Jahre alt, 1941/42 nur noch 18, ab 1943 stellte die HJ schon Freiwilligen-Divisionen mit 17Jährigen auf, am Ende des Krieges wurden von der Naziführung sogar 12und 13-Jährige ins
Feuer des Krieges geschickt. Die Indoktrination hatte gewirkt, die Propaganda gegriffen. Die
Jungen und Jüngsten liebten „ihren Führer“, schrieben wie dieser Pimpf zu Führers Geburtstag
1944 begeistert Grüsse an den „lieben Onkel Hitler“. Sie hoben Schützengräben aus, bauten
Barrikaden und Panzersperren. Sie glaubten an den von Hitler beschworenen „Endsieg“. Sie
waren bereit, hierfür bis zum letzten Atemzug zu kämpfen. „Wir sind geboren, um für
Deutschland zu sterben“, lautete ein Wandspruch in einem HJ-Heim. Es war das letzte
Aufgebot, das im sogenannten „Volkssturm“ im September 1944 von der Naziführung in ganz
Deutschland zusammengezogen wurde. Vornehmlich alte Männer und Hitlerjungen, alle
zwischen 16 und 60 wurden von den Nazis zwangsrekrutiert. Schlecht ausgebildet und nur mit
Karabinern, Maschinengewehren und Panzerfäusten bewaffnet, sollten sie den hochgerüsteten
und kampferprobten Armeen der Alliierten auf deutschem Boden Paroli bieten – ein
hoffnungsloses, oft tödliches Unterfangen für die „Volksstürmer“ und eine verbrecherische Tat
all derjenigen, die sich diesen absurden „Volkssturm“ ausgedacht hatten. Den zivilen Kampf bis
zur letzten Patrone und bis zum totalen Untergang flankierten die Nazis, indem sie selbst
Anfang 1945 noch, hier HJ-Führer Arthur Axmann mit Adolf Hitler, Kinder-Soldaten
propagandistisch als Kriegshelden präsentierten und den Glauben an frische Heerestruppen
und vermeintliche Wunderwaffen in der Bevölkerung nährten. Doch die Kriegsrealität in
Deutschland hatte nichts Heroisches, war zum blanken Horror auch für Kinder und Jugendliche
geworden, wie der im Jahre 2011 verstorbene Fernsehjournalist Reinhard Appel in diesem
Interview aus den 1980er Jahren zu berichten weiß.
O-Ton Appel
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Clip 65: Kindheit in Trümmern 1945
Sommer 1945 in Berlin. Kinder spielten auf zerstörten Geschützen und ausgebrannten
Panzern. Vor wenigen Wochen noch tödliche Waffen waren die Kriegsgeräte nun zu pittoresk
anmutenden Spielplätzen für eine Kindheit in Trümmern geworden. Was heute wie ein riesiger
Abenteuerspielplatz anmuten mag, war bei Kriegsende eine grausame und harte Realität für
Kinder und Jugendliche in ganz Deutschland. Schon das Spielen in den Trümmern war nicht
ungefährlich. Überall lag scharfe Munition herum. Es kam zu Verletzungen und tödlichen
Unfällen. Der mörderische Krieg, den die Deutschen begonnen hatten, hatte ihnen nun ein
gänzlich zerstörtes Land beschert. Amerikaner, Russen, Briten und Franzosen hatten die NaziDiktatur besiegt und das Land besetzt. Deutschland als souveräner Staat war aufgelöst.
Hunderttausende Soldaten waren in Kriegsgefangenschaft ebenso wie die alten Männer und
Hitlerjungen, die den „Volkssturm“ überlebt hatten. Dafür kamen endlich wieder diejenigen frei,
die die Nazis lange Jahre in den Konzentrationslagern eingesperrt und gequält hatten. Diese
Kinder hatten die Tortur im KZ Bergen-Belsen überlebt. Sie wurden von der britischen Armee
befreit. Nun waren mehr als sechs Millionen Deutsche auf der Flucht oder wurden aus den
Ostgebieten vertrieben. Darunter waren fast eine Million Kinder. Viele hatten ihre Eltern und
Familienangehörigen auf der Flucht verloren. Das Deutsche Rote Kreuz und andere humanitäre
Organisationen richteten Suchdienste ein, damit die Kinder ihre Eltern oder wenigstens einen
Angehörigen wieder finden konnten. In Deutschland herrschte bittere Armut, Hunger,
Verelendung. Besonders die Kinder waren betroffen. Kinder marodierten hungernd durch die
Straßen, immer auf der Suche nach Essbarem, nach Brennholz, dem Lebensnotwendigen. Die
hygienischen Verhältnisse in den ausgebombten Wohnquartieren waren katastrophal;
Hautausschläge, Krätze und Läuse waren die Folge. Immer wieder mussten selbst Kleinkinder
die Prozedur der Desinfektion über sich ergehen lassen. Schlechte Kleidung, fehlendes und
kaputtes Schuhwerk führte bei vielen Kindern zu Erkältungen und Rheumatismus, ließ sie an
Blase und Nieren erkranken; nur wer Schwarzmarktware hatte, konnte seinen Kindern auch
neues Schuhwerk besorgen. Auch die Schulen waren weitgehend zerstört, ohne Fenster, mit
nur noch wenig brauchbarem Mobilar. Bis Herbst 1945 wurden aber zum Beispiel in 290
Berliner Schulen ca. 3.000 Schulräume von den ursprünglich 13.000 Klassenräumen soweit
wieder hergestellt, dass das Schuljahr am 1. Oktober beginnen konnte. Die Einführung der
Schulspeisung, in Berlin ab November 1945, half erste Not lindern. Vereinzelt öffneten wieder
Kindergärten – wie hier in Köln; Erzieherinnen halfen, durch Spiel und Tanz den Kindern über
die harten Alltagsprobleme hinweg zu kommen. Die Embleme der Naziherrschaft waren schnell
beseitigt, die HJ wie alle anderen NaziOrganisationen sofort verboten. Doch in den Köpfen
manch fanatisierter Jugendlicher spukte der Traum vom „Endsieg“ noch immer herum.
Ehemalige Hitler-Jungen begannen nach der Waffenruhe als so genannte „Wehrwölfe“ eine Art
Guerillakampf besonders gegen die US-Armee. Die sah sich daraufhin veranlasst, die
standrechtliche Erschießung solch eines „Werwolfs“ in Wochenschauen im Kino zu zeigen zur
Abschreckung für das vornehmlich jugendliche Publikum. Andere Jugendliche, nicht minder
orientierungslos, arm und verwahrlost, wurden vom illegalen Handel auf dem Schwarzmarkt
magisch angezogen. Sie begannen kriminelle Karrieren, wurden von den Behörden verfolgt,
hatten große Schwierigkeiten, sich in einer Welt ohne Krieg und Gewalt zurechtzufinden und
sich in der beginnenden neuen Zivilgesellschaft auf deutschem Boden zu orientieren. Doch es
gab auch solche Szenen im ersten Nachkriegssommer in Deutschland. Momente des Friedens,
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Augenblicke, auch für Kinder und Jugendliche, die ihnen Hoffnung gaben auf eine bessere
Zukunft.
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Clip 66: Anne Frank (1929 – 1945)
Anne Frank wird 1929 als jüdische Kaufmannstochter in Frankfurt am Main geboren. Nach der
Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 emigriert die Familie nach Amsterdam. Im
Mai 1940 marschieren die deutschen Truppen in die Niederlande ein. Unter der deutschen
Besatzung dürfen Juden nun nicht mehr ausreisen. Auch Anne Frank und ihre Familie haben
unter den antijüdischen Gesetzen wie etwa der Einführung des „Judensterns“ zu leiden. Am 14.
Juni 1942 beginnt Anne Frank ihre Erlebnisse in einem Tagebuch festzuhalten. Wenig später,
am 6. Juli, beginnen die Deportationen der mehr als 100.000 Juden in den Niederlanden. Sie
werden verhaftet und im Konzentrationslager Westerbork interniert. Von dort transportieren sie
die Deutschen in Eisenbahnwaggons in die Vernichtungslager in Osteuropa, vornehmlich nach
Auschwitz-Birkenau. Dort werden die Juden massenweise ermordet. Anne Frank, ihre Familie
und vier weitere Personen verstecken sich im Hinterhaus der Prinsengracht 263, dem Geschäft
des Vaters. Angestellte versorgen die Versteckten. Anne Frank beschreibt die Konflikte und
Krisen, die sie und die anderen sieben Menschen auf engstem Raum in ihrem Versteck
durchleben müssen. Am 4. August 1944 werden Anne Frank und die anderen Versteckten
verhaftet. Ihr Versteck wurde verraten. Anne Franks Tagebuch finden die Sicherheitspolizisten
nicht. Im März 1945 stirbt Anne Frank im KZ Bergen-Belsen an Typhus. 1947 gibt ihr Vater Anne
Franks Tagebuch heraus. Otto Frank hat als einziger in der Familie den Holocaust überlebt. Das
Buch wird in 55 Sprachen übersetzt und gilt bis heute als wichtiges Zeitdokument. Es ist zum
Symbol und zur Anklage gegen den Rassenwahn der Nationalsozialisten geworden.
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Clip 67: Janusz Korczak (1878 – 1942)
Der polnische Arzt Janusz Korczak gründete 1911 ein Waisenhaus für jüdische und katholische
Kinder. Aus dem praktischen Umgang mit den Kindern heraus entwickelte er eine
Erziehungstheorie, die die Achtung des Kindes betont und sich aus demokratischen
Grundüberzeugungen speist. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Polen 1939 sind
Korczak und sein Waisenhaus in Gefahr. Doch der Arzt und Pädagoge bleibt in Warschau. Sein
Waisenhaus wird von den Nazis ins Warschauer Ghetto verlegt. Dort müssen die Kinder unter
schwierigsten Bedingungen ums Überleben kämpfen. Doch Korczak bleibt an ihrer Seite. Auch
dann noch als am 22. Juli 1942 die Deportationen der Juden aus dem Ghetto in die
Vernichtungslager beginnen. Wieder hat der Arzt die Möglichkeit, dem Tod zu entrinnen. Doch
Korzcak begleitet seine Kinder nach Treblinka. Dort wurde er wahrscheinlich am 5. August 1942
zusammen mit den Kindern ermordet.
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Clip 68: Leo Baeck (1878 – 1956)
Im ersten Weltkrieg wirkten an den Kriegsfronten nicht nur Feldpfarrer der christlichen Kirchen,
wie hier der russisch-orthodoxen Kirche auf Seiten der zaristischen Armee an der Ostfront. Es
gab auch Feldrabbiner. Einer von ihnen war Leo Baeck. Nach dem Krieg kehrte Baeck nach
Berlin zurück. Als führender Vertreter eines jüdischen Liberalismus bemühte sich Baeck von der
Jüdischen Gemeinde Berlin aus um eine Verständigung zwischen Juden und Christen. Auch
nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verließ der Rabbiner seine Heimat nicht. Als
sich die jüdischen Verbände und Gemeinden 1934 in der „Reichsvertretung der Deutschen
Juden“ zusammenschlossen, wurde Leo Baeck ihr Präsident. Gemeinsam mit dem Philosophen
Martin Buber kämpfte Baeck um eine aufrechte selbstbewusste Haltung der deutschen Juden
gegenüber dem Antisemitismus der neuen Machthaber. Baeck und Buber organisierten unter
dem Dach des „Jüdischen Kulturbundes“ Vorträge und kulturelle Veranstaltungen, die dem
Zusammenhalt der deutschen Juden dienten, identitätsstiftend und -stärkend waren. Unter dem
Schutz Leo Baecks gründete der Theatermacher Kurt Singer ein Jüdisches Theater in Berlin.
Während der Novemberpogrome am 9. und 10. November 1938 zerstörten die Sturmtruppen
der Nationalsozialisten auch Leo Baecks Wirkungsstätte, die Synagoge in der Fasanenstraße.
Kurz zuvor, am 1. November, war Martin Buber aus Deutschland emigriert. Baeck organisierte
zwar die Emigration von Juden, er selbst blieb aber mit seiner Familie in Deutschland. Noch bis
1941 konnte der Theologe trotz aller Schikanen den „Jüdischen Kulturbund“ mit zahlreichen
Veranstaltungen aufrechterhalten. 1943 wurde Baeck mit seiner Familie in das Ghetto
Theresienstadt gebracht. Dort überlebte er schwerverletzt. Nach der Befreiung 1945 ging der
Rabbiner nach London. Von hier aus unternahm er bis zu seinem Tode im Jahre 1956 neue
Bemühungen um die Verständigung zwischen den Glaubensrichtungen in Deutschland. Das
„Stuttgarter Schuldbekenntnis“, in dem sich im Oktober 1945 Vertreter der christlichen Kirchen
in Deutschland zu einer Mitschuld an den NS-Verbrechen bekannt hatten, kam hierbei Baecks
Initiativen zum Dialog und zur Begegnung zwischen Juden und Christen entgegen.
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Clip 69: Erich Fried (1921 – 1988)
Mit 17 wird der junge Erich Fried mit der NS-Judenverfolgung konfrontiert. Fried lebt mit seinen
Eltern in Wien, als nach der Besetzung Österreichs durch die Deutschen Adolf Hitler im März
1938 triumphal in der österreichischen Metropole empfangen wird. Hitler kehrte zurück in die
Stadt, in der er vor dem 1. Weltkrieg zum Antisemiten wurde. Nun ließ er seinen Hass auch an
allen österreichischen Juden aus. Im April werden Erich Frieds Eltern verhaftet, die Gestapo
foltert seinen Vater zu Tode. Erich Fried flieht quer über den Kontinent nach Großbritannien. In
London arbeitet er bei einer jüdischen Fluchthilfe-Organisation mit. Es gelingt ihm, seiner Mutter
Nellie und weiteren 70 Personen zur Flucht zu verhelfen. Fried gründet die „Emigrantenjugend“,
beginnt mit der schriftstellerischen Arbeit. 1943 stirbt Frieds Großmutter Malvine im KZ
Auschwitz. Er widmet ihr das folgende Gedicht:
Großmutter
Beim ersten und zweiten Mal
wenn du niesen musstest
sagtest du „Helf Gott!“ zu dir
beim dritten Mal nur noch „Zerspring!“
Unsinn sagtest du
wenn du deine Hoffnung meintest und Tanz statt Liebe
und elende Laune statt Trauer
Wie du
deinen Tod genannt hast im Lager
das weiß ich nicht
Nach 1945 bleibt Erich Fried in London, kehrt aber immer wieder in die Bundesrepublik zurück
und wird zu einem kritischen Mahner ihrer Geschichte. 1968 steht er auf Seiten der
rebellierenden Studenten. Fried nimmt im Februar am „VietnamKongress“ des SDS in Berlin teil
und ist einer der Hauptredner bei der Kundgebung gegen die Notstandsgesetze in Bonn im Mai
1968. Mit Rudi Dutschke ist Fried befreundet. Als der Studentenführer bei einem Attentat 1968
schwer verletzt wird und sich in der Bundesrepublik nicht mehr sicher fühlt, gelingt es Fried,
Dutschke und seiner Familie eine Einreisegenehmigung nach Großbritannien zu besorgen.
Obwohl kein Anhänger terroristischer Gewalt, verteidigt Fried Mitte der 1970er Jahre die
Beweggründe der Anführer der „Baader-Meinhof-Gruppe“. Ulrike Meinhof bezeichnet er sogar
„als größte deutsche Frau seit Rosa Luxemburg“. Auch an der Friedensbewegung gegen die
Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Deutschland ist Fried in den 1980er Jahren aktiv
beteiligt. 1988 muss Erich Fried die Dreharbeiten für eine ARD-Fernsehdokumentation über die
November-Pogrome 1938 abbrechen. Er wird operiert und erliegt am 22. November 1988 in
Baden-Baden den Folgen einer langjährigen Krebserkrankung.
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Clip 70: Max Liebermann (1847 – 1935)
O-Ton Liebermann
1920 wird der Maler und Graphiker Max Liebermann, der hier von seiner Kindheit in Berlin
berichtete, zum Präsidenten der Preußischen Akademie der Künste berufen. Zu jener Zeit hatte
sich Liebermann durch sein Werk bereits den Ruf erworben, einer der Hauptvertreter des
Impressionismus in Deutschland zu sein. Seine frühen Arbeiten wie die „Gänserupferinnen“, die
1871 entstanden, waren stark inspiriert durch die holländische Malerei des 17. Jahrhunderts
und die französische Kunst des 19. Jahrhunderts, etwa durch die realistischen
Milieudarstellungen Gustave Courbets wie hier in dem Bild „Steinklopfer“ von 1849. Auch
Liebermanns Bilder zeichnen sich durch einen zügigen Pinselstrich und dramatischbewegende
Motive aus. Nach 1895 wandte sich Liebermann stärker dem Impressionismus zu, die Themen
der Bilder rückten in den Hintergrund. Klare Konturen verschwammen zugunsten von Fläche
und Atmosphäre. In den 1920er Jahren ließen sich viele Größen aus Wirtschaft, Kultur, Politik
und Wissenschaft von dem Berliner Künstler porträtieren, darunter auch Reichspräsident Paul
von Hindenburg. Laut Protokoll sollte Liebermann von Hindenburg beim ersten Treffen mit den
folgenden Worten ansprechen: „Eure Exzellenz, es ist für mich eine Ehre, Eure Exzellenz malen
zu dürfen“. Doch Hindenburg kam dem Maler zuvor. Er begrüßte Liebermann mit den Worten:
„Eure Exzellenz, es ist für mich eine Ehre, von Eurer Exzellenz gemalt zu werden.“ 1933
erteilten die nunmehr diktatorisch regierenden Nationalsozialisten dem berühmten Maler und
Graphiker Arbeitsverbot. Grund: Liebermann ist Jude, entstammt einer alteingesessenen
jüdischen Familie in Berlin. Als die Preußische Akademie der Künste wenig später zudem
beschloss, keine Werke jüdischer Künstler mehr auszustellen, erklärte Liebermann seinen
Austritt aus der Akademie. Nach Jahren der Präsidentschaft war er seit 1932 ihr
Ehrenpräsident. Liebermanns Traum, als assimilierter Jude in Deutschland unbehelligt leben zu
können, war zerstoben. Die beginnende Judenverfolgung der Nazis kommentierte Liebermann
mit beißendem Sarkasmus: „Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen könnte!“
Liebermanns Ausspruch machte Furore. Von den Nazis aus allen öffentlichen Ämtern gedrängt
und in die „innere Emigration“ getrieben, starb Max Liebermann 1935 in Berlin. Das Bild eines
Freundes, des berühmten Arztes Ferdinand Sauerbruch, wurde Liebermanns letzte
Porträtarbeit. Auch hierzu gibt es eine Anekdote: Während Sauerbruch Liebermann Modell saß,
fragte er den Maler: „Können Sie sich nicht ein bisschen beeilen? Bei Ihrer Arbeit kommt es
doch nicht so drauf an!“ Liebermann entgegnete trocken:
O-Ton Liebermann: „Wissen Sie ...“
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Clip 71: Albert Einstein (1879 – 1955)
1921 wird in Potsdam der „Einsteinturm“ eingeweiht. Das Observatorium wurde von dem
Architekten Erich Mendelssohn konzipiert. Der Turm trug den Namen Einstein, weil sich im
Zentrum des Turms ein starkes Teleskop befand. Mit seiner Hilfe wollten die Wissenschaftler die
Relativitätstheorie von Albert Einstein nun empirisch erforschen. Für seine revolutionären
Forschungen im Bereich der theoretischen Physik erhält Einstein gleichfalls 1921 den
Nobelpreis. Doch Einstein, seit 1914 an die Preußische Akademie der Wissenschaften berufen,
fühlt sich in Berlin nicht mehr sicher. 1922 fällt Außenminister Walther Rathenau dem
antisemitischen Anschlag einer rechtsradikalen Terrorgruppe zum Opfer; 1923 putscht der
Rechtsextremist Adolf Hitler mit einigen Anhängern in München. Der Putsch wird zwar
niedergeschlagen, doch Albert Einstein wird in Deutschland wegen seiner jüdischen Herkunft
immer stärker angefeindet. Er verlässt häufig Berlin und kehrt 1933 nach Hitlers
Machtergreifung von einem Aufenthalt in Pasadena (USA) nicht nach Deutschland zurück.
Einstein legt alle Ämter nieder und emigriert in die USA, wo er im „Institute for Advanced
Studies“ an der Princeton University eine neue Wirkungsstätte findet. Von hier aus engagiert
sich Einstein gegen die Diktatur in Deutschland. Ende der Dreißiger Jahre haben die Nazis die
Entwicklung der Raketentechnik soweit vorantreiben, dass die Gefahr besteht, Hitler könnte in
den Besitz der Atombombe gelangen. Einstein unterstützt daraufhin eine Petition an USPräsident Roosevelt, den Bau einer USAtombombe zu forcieren. Als Roosevelts Nachfolger
Harry S. Truman 1945 tatsächlich den Abwurf von Atombomben auf die japanischen Städte
Hiroshima und Nagasaki befahl, um den Krieg der USA gegen Japan zu beenden, ist Einstein
über das Ausmaß an Toten und Verwüstungen durch die Atombomben-Explosionen sehr
erschüttert. Er engagiert sich fortan für eine ausschließlich friedliche Nutzung der Atomenergie.
Albert Einstein stirbt am 18. April 1955 in Princeton.
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Clip 72: Carl von Ossietzky (1889 – 1938)
In der Schlacht von Verdun lernt er das Grauen des 1. Weltkriegs kennen: Carl von Ossietzky.
Nach Kriegsende kämpft er zunächst während der Novemberrevolution auf Seiten des
Arbeiterund Soldatenrates in Hamburg für Frieden und Demokratie. Als Journalist und ab 1927
als Chefredakteur der politischen Zeitschrift „Weltbühne“ schreibt er flammende Artikel gegen
Wiederaufrüstung und die Zerstörung der Republik durch antidemokratische Kräfte. Damit zieht
er den Zorn rechtsradikaler Kreise besonders der Nationalsozialisten auf sich. Sie sehen in ihm
eine Art „Staatsfeind Nr. 1“ und lassen ihn nach der Machtergreifung noch in der Nacht des
Reichstagsbrandes am 28. Februar 1933 verhaften und foltern. 1936 liegt Carl von Ossietzky
als Folge der KZ-Haft mit schwerer Tuberkulose in einem Berliner Krankenhaus. Da wird ihm
überraschend der Friedensnobelpreis zuerkannt. Doch auch die internationale Würdigung
seiner Arbeit schützt ihn nicht vor der brutalen Willkür der Machthaber – im Gegenteil, Hitler
verbietet jedem Deutschen jemals wieder einen Nobelpreis anzunehmen. Nach einem
mehrjährigen Martyrium in verschiedenen Folterund Konzentrationslagern stirbt Carl von
Ossietzky 1938 an den Folgen der grausamen Haft.
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Clip 73: Ernst Thälmann (1886 – 1944)
Ernst Thälmann zählte zu den prominentesten Kommunisten der Weimarer Republik.
1920 schloss sich der Hamburger Arbeiter, damals Mitglied der linken USPD, mit Teilen seiner
Partei der KPD, der Kommunistischen Partei Deutschlands an.
Als es gleichfalls 1920 zum Lüttwitz-Kapp-Putsch rechtsgerichteter Militärs und Beamten
kommt, unterstützt Thälmann die Forderung nach einem Generalstreik, deren tatsächliche
Durchführung dann den Putsch maßgeblich zum Scheitern bringt. Ab 1924
Reichstagsabgeordneter, wurde Ernst Thälmann 1925 KPD-Vorsitzender. In der Schlussphase
der Weimarer Republik bekämpfte die KPD unter Thälmanns Führung die sozialdemokratischen
Konkurrenten fast stärker als die rechtsradikale NSDAP. Thälmann, der nach einer
parteiinternen Affäre 1928 bereits aller Ämter enthoben war, wurde wenig später auf Weisung
Stalins als Parteivorsitzender wieder eingesetzt. Nun handelte er noch stärker auf Stalins
Anweisung. Die Sozialdemokraten verunglimpfte er als „Sozialfaschisten“ und nahm damit
direkt ein Wort von Stalin auf. Diese Haltung der KPD führte zur Spaltung der Arbeiterbewegung
am Ende der Weimarer Republik. Im Wahlkampf um das Amt des Reichspräsidenten 1932
standen sich der Sozialdemokrat Otto Braun und der Kommunist Ernst Thälmann gegenüber.
Am Ende gewann wieder der konservative und mittlerweile greise Paul von Hindenburg. Die
Spaltung der Arbeiterschaft war schließlich ein nicht unwesentlicher Faktor für die
Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933. Als in der Nacht vom 27. auf den
28. Februar 1933 der Reichstag in Flammen aufging, behaupteten die neuen Machthaber, der
Reichstagsbrand sei das Signal zum kommunistischen Aufstand. Wenige Tage später, am 3.
März 1933, wurde Ernst Thälmann verhaftet. Man klagte ihn des Hochverrats an. Doch der
Prozess zog sich hin. Auf Weisung Hitlers wurde der Thälmann-Prozess 1935 eingestellt. Der
prominente Kommunist wurde in Schutzhaft genommen, wodurch bezüglich der Behandlung
des Gefangenen jede Willkür möglich war.
O-Ton Göring
Als Deutschland und die Sowjetunion 1939 einen Nichtangriffspakt abschlossen, bat Thälmanns
Ehefrau Rosa den großen Führer in Moskau um Fürsprache für ihren Mann. Doch Stalin half
nicht. 1944 ordnete Hitler die Ermordung Thälmanns an. In der Nacht des 18. August wurde
Ernst Thälmann im Konzentrationslager Buchenwald erschossen und sofort verbrannt. In der
Deutschen Demokratischen Republik wurde Ernst Thälmann als Martyrer des Widerstands und
Volksheld im Widerstand gegen Hitler gefeiert. 1952 wurde die kommunistische
Kinderorganisation „Junge Pioniere“ in „Pionierorganisation Ernst Thälmann“ umbenannt.
Thälmanns politische Fehleinschätzungen wurden in der offiziellen DDRGeschichtsschreibung
nicht aufgearbeitet.
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Clip 74: Kurt Schumacher (1895 1952)
Die Nationalsozialisten sind nur wenige Tage an der Macht, da hält der SPD-Abgeordnete Kurt
Schumacher im Februar 1933 im Reichstag eine aufwühlende Rede:
O-Ton Kurt Schumacher
Sozialdemokrat Schumacher bringt das wahre Wesen der Nazis hier wortgewandt auf den
Punkt und zieht damit ihren Hass auf sich. Nach dem Verbot der SPD am 23. Juni 1933 wird
Kurt Schumacher am 6. Juli inhaftiert. In verschiedenen Konzentrationslagern, u.a. in Dachau
und in Flossenbürg, erleidet er zehn Jahre lang schwerste Grausamkeiten, Folter, Dunkelhaft
und Zwangsarbeit. Durch einen Hungerstreik gelingt es dem Kriegsinvaliden Schumacher, dem
im 1. Weltkrieg nach einem Fronteinsatz 1914 ein Arm amputiert werden musste, der weiteren
mörderischen Schufterei im Steinbruch zu entgehen. Schwerkrank wird Schumacher 1943 aus
dem KZ entlassen. Die Machthaber vermuten, dass Schumacher bald sterben würde. Doch
Schumacher überlebt den Krieg sowie auch eine neuerliche kurze KZ-Haft, die ihm nach dem
Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 angetan wird. Von Krieg und Verfolgung gezeichnet, baut
Schumacher nach 1945 die SPD maßgeblich wieder mit auf. Lautstark kämpft er gegen die
Zwangsvereinigung von SPD und KPD in der sowjetisch besetzten Zone:
O-Ton Schumacher
1946 macht die SPD Schumacher zu ihrem ersten Nachkriegsvorsitzenden; 1949 übernimmt er
die Rolle des Oppositionsführers im ersten frei gewählten Deutschen Bundestag nach dem
Wahlsieg der CDU und ihres Spitzenkandidaten Konrad Adenauer, der erster Bundeskanzler
der Bundesrepublik Deutschland wird. Schumacher kämpft erbittert gegen Adenauers Politik der
Westintegration. Er sieht die Bundesrepublik in der Verantwortung für Gesamtdeutschland:
O-Ton Schumacher
So wird er auch bis zu seinem Tode im Jahre 1952 nicht müde, die undemokratischen
Verhältnisse im anderen Teil Deutschlands zu kritisieren. Er sieht die DDR als Vasallenstaat der
Sowjetunion.
O-Ton Schumacher
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Clip 75: Martin Niemöller (1892 1984)
Der evangelische Pfarrer Martin Niemöller in den 1930er Jahren. Gegen die
nationalsozialistischen „Deutschen Christen“ hat er 1933 den „Pfarrernotbund“ gegründet. Aus
ihm geht 1934 mit maßgeblicher Unterstützung Niemöllers die „Bekennende Kirche“ hervor.
Niemöller kämpft in der „Bekennenden Kirche“ gegen die Gleichschaltung der Kirchen durch die
NS-Machthaber und gegen den sogenannten Arierparagraphen, der auch Christen jüdischer
Herkunft aus dem kirchlichen Leben ausgrenzt.
Erklärung „Deutsche Christen“ (stumm)
Niemöller setzt sich für ein Miteinander der Religionen ein. 1937 wird der regimekritische Pfarrer
verhaftet und bis 1945 ins Konzentrationslager gesperrt. Und das, obwohl Niemöller anfänglich
1931 als er Pfarrer in Berlin-Dahlem wurde die NSDAP noch unterstützt hatte. Das kam daher,
weil Martin Niemöller in einer soldatischen Tradition stand. Von 1910 bis 1919 diente er in der
Kaiserlichen Marine, war 1918 U-Boot-Kommandant. 1919 verließ er unter Protest die Armee,
weil er sich weigerte, U-Boote als Reparationszahlung an Großbritannien zu überführen. 1920,
schon während seines Theologiestudiums in Münster, kommandierte Niemöller eine FreicorpsEinheit, die gegen aufständische Arbeiter im Ruhrgebiet kämpfte. Angesichts der brutalen
Gewaltherrschaft, die die Nationalsozialisten nach der Machtergreifung als Basis ihrer Diktatur
in Deutschland etablierten, wandte sich Niemöller gegen die Nazis. 1945 wird Martin Niemöller
von US-Truppen nach achtjähriger KZ-Haft aus dem Konzentrationslager Dachau befreit. Noch
im Oktober 1945 beteiligt sich Niemöller an der Ausformulierung des sogenannten „Stuttgarter
Schuldbekenntnisses“, in der die evangelische Kirche eine Mitschuld am Nationalsozialismus
auf sich nimmt. 1947 wird Martin Niemöller Präsident der evangelischen Landeskirche HessenNassau, hier 1956 auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Frankfurt am Main.
Niemöller bleibt streitbar und kritisch. Er kämpft gegen die Wiederbewaffnung der
Bundesrepublik in den 1950er Jahren. Auch bei der Friedensbewegung der frühen 1980er
Jahre ist er noch mit dabei. Als Mitunterzeichner des „Krefelder Appells“ wendet er sich 1980
gegen den NATODoppelbeschluss und die Stationierung von US-Atomraketen in Europa. Er
setzt sich bis zu seinem Tode 1984 für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit ein.
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