Stückvorschläge Januar 2011 1) Heinrich von Kleist „Der zerbrochene Krug“ (Lustspiel) [Uraufführung: 1973] Ort: Das Gerichtsgebäude, das auch das Wohngebäude des Richters ist. Zeit: 19. Jahrhundert Personen: 1. Walter, Gerichtsrat 2. Adam, Dorfrichter 3. Licht, Schreiber 4. Frau Marthe Rull, Witwe, Eigentümerin des Kruges 5. Eve Rull, ihre Tochter 6. Veit Tümpel, ein Bauer 7. Ruprecht Tümpel, sein Sohn, Eves Verlobter 8. Frau Brigitte, eine Zeugin, Nachbarin von Frau Marthe und Tante von Ruprecht Problem: Text muss modernisiert werden. 2) Friedrich Dürrenmatt „Romulus der Große“ (unhistorische Komödie) [Uraufführung 1949] Ort: heruntergekommene Villa des Kaisers Romulus Zeit: Vom Morgen des 15. bis zum Morgen 16. März 476 nach Christi Geburt Personen: (z.T. Doppelbesetzung / Geschlechtertausch möglich; Hosenrollen) 1. Romulus Augustus, Kaiser von Westrom 2. Julia, seine Frau 3. Rea, seine Tochter 4. Zeno der Isaurier, Kaiser von Ostrom 5. Ämilian, römischer Patrizier 6. Mares, Kriegsminister 7. Tullius Rotundus, Innenminister 8. Spurius Titus Mamma, Reiterpräfekt 9. Achilles, Kammerdiener 10. Pyramus, Kammerdiener 11. Apollyon, Kunsthändler 12. Cäsar Rupf, Industrieller 13. Phylax, Schauspieler 14. Odoaker, Fürst der Germanen 15. Theoderich, sein Neffe 16. Phosphoridos, Kämmerer 17. Sulphurides, Kämmerer 18. Ein Koch, Dienstmänner, Germanen Problem: große Besetzung (einige Doppelrollen etc.) 3) Ephraim Kishon „Es war die Lerche“ (heiteres Trauerspiel) Ort/Zeit: Verona im Jahre 1623 Personen: 1. Romes Montague, Ballettlehrer (49) 2. Pater Lorenzo, ein Franziskaner (98) vom gleichen Schauspieler gespielt 3. Julia Montague- Capulet (43) 4. Lucretia, ihre und Romeos Tochter (14) 5. Ehemalige Amme von Julia (85) von der gleichen Schauspielerin dargestellt 6. William Shakespeare, verstorbener Dichter (52) Problem: sehr kleine Besetzung 4) Ephraim Kishon „Der Schutzengel“ (Komödie) [Uraufführung 1955) Ort: Wasserwirtschaftsamt, 3 Büros; Parkbank; Wohnung der Pragers Zeit: 20. Jahrhundert Personen: (bei den Inhaltsangaben andere Namen) 1. Dr. Itzhak Monroe, der Chef (50) 2. Dov Steiner, sein Assistent (35) 3. Leiser, ein Teeverkäufer (65) 4. Zvi Prager, der Held (30) 5. Jaakov Prager, Zvis Onkel (55) 6. Hanna Prager, Zvis Tante (50) 7. Schaffler, deren Untermieter (60) 8. Schulamit, die Sekräterin (25) Problem: Bühnenaufbau relativ kompliziert (3 höhengestaffelte Büros etc.) „Es war die Lerche“ »Romeo und Julia«: das größte Liebespaar aller Zeiten. ?Willst du schon gehn? Der Tag ist ja noch fern...? ? wer kennt nicht diese liebenden Worte. Doch ihre Liebe konnte nur durch den dramatischen Tod der beiden ihren mystischen Charakter erhalten und zur Vollkommenheit gelangen. Einfach perfekt! Doch was wäre geschehen, wenn Julia rechtzeitig erwacht wäre und die beiden 29 Jahre später noch in Verona lebten? Genau diese Geschichte erzählt Kishon in seiner Satire ?Es war die Lerche?. Selbst das bekannteste Liebespaar der Weltgeschichte bleibt nicht von den täglichen Streitereien des Ehealltags verschont. Der Ballettlehrer Romeo und die Hausfrau Julia sind zudem mit ihrer 14jährigen pubertierenden Tochter geschlagen. Diese hat nur Verachtung für ihre Eltern übrig: ?Aber was das Leben wirklich lebenswert mach, davon habt ihr keine Ahnung! Romeo und Julia! Was wisst den ihr zwei von Liebe!? Herr Montague hat nur noch Augen für seine Wärmflasche Lisa. Und Frau Montague-Capulet ist mit ihren 43 Jahren auch nicht mehr die veroneser Schönheit. Doch ?Rettung? naht. Der nicht mehr ganz taufrische William Shakespeare erscheint als Geist um seine Werk zu vollenden: Er will die beiden abermals in den Selbstmord treiben. Tochter Lucretia verliebt sich in den unabläßlich dichtenden ?Willie? und die beiden wollen in die Welt hinaus ziehen um zu erfahren, was Liebe ist. Womit Romeo aber gar nicht einverstanden ist. ?Kommt nicht in Frage. Vergiss nicht, dass der Kerl deine Mutter und mich beinahe umgebracht hat.? Weitere Personen der Handlung sind Pater Lorenzo und die alte Amme von Julia. Das Stück wird durch zahlreiche Zitate aus Shakespeare-Originalen bereichert (nicht nur aus Romeo und Julia). Deren kunstvolle Einarbeitung die umfassende Textkenntnis Ephraim Kishons zeigt. „Der Schutzengel“ Der Schutzengel ist eine Persiflage auf die Vetternwirtschaft. Die europäische Version ist in der Ämterpatronage der österreichischungarischen Monarchie angesiedelt. Der mittellose Tom sucht dringend Arbeit und bittet, gerade aus dem Ausland zurückgekehrt, bei Onkel Francis und Tante Gulietta um Hilfe. Diese sind nicht erfreut, ihn durchfüttern zu müssen und wollen ihn so schnell wie möglich los werden. Sie bitten deshalb ihren Mieter, den verarmten Privatgelehrten Ernst Magnus Schaffler, Tom irgendwie im Außenministerium unterzubringen. Weil Beziehungen unerlässlich sind, wird einfach ein Protektor erfunden. Um jemanden in Amt und würden zu bringen, hilft zuweilen schon ein einfaches Empfehlungsschreiben. Und Schaffler, seine Mietschulden im Kopf, macht sich daran, das geforderte Schreiben möglichst überzeugend zu formulieren. Dazu erfindet er einen große nahezu mystische Persönlichkeit, eine graue Eminenz, die im Ministerium Eindruck machen soll. Im Ministerium fällt niemand der Schwindel auf - viel zu groß ist der Respekt vor dem unbekannten Protektor Schaffler. Sofort wird der ahnungslose Tom Abteilungsleiter und einmal in Furcht gesetzt, schiebt die Bürokratie den braven Tom schließlich bis auf einen Direktorposten. Was können da Protektor und Protegierter anderes tun als versuchen, den Schwindel, der ihnen ganz gegen das Gewissen geht, bis zum Ende durchzuhalten? „Romulus der Große“ kreist um den Untergang des Römischen Reiches im 5. Jahrhundert nach Christus – mit Unterstützung des letzten weströmischen Kaisers Romulus, der die eigene Kultur für ihre grausame Vergangenheit verachtet und den finalen Einmarsch der Germanen durch deren Heerführer Odoaker herbeisehnt, da dieser das Ende des römischen Imperiums bedeuten würde. Er lebt auf seinem Landsitz, züchtet zufrieden Hühner und trinkt Spargelwein, während seine Frau Julia, der Kaiser von Ostrom, Zeno, und sein designierter Schwiegersohn und Soldat Ämilian, aber auch die letzten verbliebenen Minister ihn anflehen, dem Einmarsch der Germanen Einhalt zu gebieten. Julia, als eine geborene Adlige, will aus Ehrgeiz ihre Position nicht aufgeben, die ihr nur durch das Bestehen des Imperiums gesichert werden kann. Ämilian, ein wahrer, gebildeter römischer Patriot, ist, grausam geschändet, aus germanischer Gefangenschaft zurückgekehrt und hat nur noch das Fortbestehen des Imperiums, an dessen Ideal er sich klammert, und die Vernichtung der verhassten Barbaren im Sinn. Zeno der Isaurier ist trotz seiner Würde ein ängstlicher Schwächling, der von seinen Kammerherren dominiert wird, und versteckt seine Schwäche unter einem Mantel hochtrabender Phrasen. Mares und Tullius Rotundus, die Minister, wollen ihre Position behalten. Doch all ihre Versuche, Romulus umzustimmen, scheitern, und selbst eine als Attentat begonnene Revolte gegen den untätigen Kaiser schlägt fehl: sie fliehen, als die Germanen kommen, und sterben sämtlich während einer Floßfahrt nach Sizilien, von wo sie eigentlich den Widerstand fortführen wollten. Aber als die Germanen schließlich auf Romulus´ Landsitz ankommen, muss dieser einsehen, dass er falsch gelegen hat - sein Gegenüber Odoaker ist ein kriegsmüder Herrscher wie er, der nur von seinem gewalttätigen Volk und seinem blutdürstigen Neffen Theoderich zum Eroberungszug gezwungen wurde und sich eigentlich nach den (vermeintlichen) Segnungen der römischen Zivilisation sehnt. Romulus' Plan zur Vernichtung des Imperiums scheitert, er wird in Pension geschickt. „Der zerbrochene Krug“ Ausgangspunkt der Handlung ist ein zerbrochener, wertvoller Krug aus dem Besitz der Witwe Marthe Rull. Die Scherben liegen im Zimmer ihrer Tochter Eve, wo Marthe am Vorabend den Bauernsohn Ruprecht Tümpel ertappt hat. Ruprecht wiederum beobachtete einen Fremden, der durch das Fenster aus Eves Zimmer floh und dabei den Krug vom Kaminsims warf. Weder Marthe noch Ruprecht ahnen, dass es sich bei diesem Fremden um Dorfrichter Adam handelt. Der Krug selbst ist für Marthe Rull zwar sehr wertvoll, aber ihr vorgeordnetes Ziel ist es, Eves Ruf vor Gericht zu retten. Sollte sich herausstellen, dass nicht nur Ruprecht sie am gestrigen Abend in ihrem Zimmer aufgesucht hat, würde Eve als Dirne („Metze“) gelten. Im Lauf des Stückes versucht Adam, die Aufklärung des Falles möglichst unauffällig zu verhindern, zumal an diesem Tag der Gerichtsrat Walter aus Utrecht anwesend ist. Aber Adam ist als Richter gezwungen, die Zeugin Brigitte vorladen zu lassen. Diese schildert, dass sie eine Spur von Marthes Haus bis zur Hintertür des Gerichtshauses verfolgt und sogar die vermisste Perücke des Dorfrichters gefunden habe. Angesichts solch eindeutiger Indizien bleibt Adam nur noch die Flucht. Eve, die als einzige Anwesende außer Adam die Wahrheit kennt, erklärt zum Abschluss ihr Verhalten: Richter Adam habe, falls Eve ihm gefügig sei, dafür sorgen wollen, dass Ruprechts angeblich drohender Militäreinsatz in der Kolonie Niederländisch-Indien verhindert werde. Weitere Stückvorschläge, die von mir noch nicht vollständig oder gar nicht gelesen wurden, die aber geeignet sein könnten, wenn wir uns nicht auf ein Stück einigen können. Ritter Hadubrand´s Schwur Autor: Silvestri Helmut Coautor: Christine Evelyne Scheier Tragikomisches Ritterstück in drei Akten 4D/ 7H/ 2Dek Ritter Hadubrands Tochter Irmeline, junge hübsche 20 Jahre und noch Jungfrau - so die Überzeugung des alternden Haudegens soll verheiratet werden. Zwei Jahrzehnte hat der stolze Vater seinem Schwur gemäß die Jungfernschaft gehütet, und diese soll nun ihren Preis haben. Doch es kommt ja immer alles anders als die Eltern erwarten ... Zuerst aber erwarten die ritterlichen Eltern auf ihrer Burg die ersten Anwärter für einen etwaigen Zusammenschluss der Familien. Der benachbarte Ritter von Pleitenfels samt Anhang gibt sich die Ehre, auch wenn sein Name hält, was er verspricht. Sohn Arnulf wird auf Freiersfüße geschickt, auch wenn sein Interesse eher dem männlichen Geschlecht und in diesem besonderen Fall dem etwas dümmlichen Sohn der Hadubrands, Ottokar, gilt. Das Fest(fr)essen wird ein Fiasko: Der volltrunkene Hadubrand möchte sich im Rausch an Frau von Pleitenfels gütlig tun, die sich jedoch verweigert, von Pleitenfels entdeckt sie in flagranti und fordert zum männlichen Zweikampf. Frau von Pleitenfels sinnt auf Rache und vergiftet den Wein. Doch Bodo, der junge Rossknecht und der heimliche Liebhaber der jungfräulichen Tochter, warnt seinen Herrn. Herr und Frau von Pleitenfels wandern in das Burgverlies und sollen dem Henker überantwortet werden. Es folgen Ottokar und die ehrgeizige Magd Agathe, die jenen zum Vatermord anstiften wollte, sowie Bodo und Irmeline als deren unzücht'ges Verhältnis ruchbar wird. Doch einigen gelingt die Flucht und einiges wendet sich zum Guten. Die Hochzeit von Bodo und Irmeline kommt letztendlich zustande, und alles nähme ein glückliches Ende, täte nicht Ritter Hadubrand seinen letzten, verbindlichen Schwur ... Ein in schreiend komischen Reimen dahingedichtetes Stück über Rittertugenden und -sitten, ein wildes Spektakel am Vorabend der Kreuzzüge und eine gelungene "Tragikomödie" für Freilicht- und Kunstlicht-Theater. Die Toscana-Therapie Robert Gernhard 2 D - 6 H - 1 Dek Eine witzige Konversationskomödie des berühmten Satirikers: Ein Paar wird von seinem Psychotherapeuten in die Toscana geschickt. Er, Akademischer Rat, und sie, Graphikerin, -beide verstehen sich als alternativ und progressiv- sollen unter der italienischen Sonne lernen, endlich zu sagen, was sie eigentlich wollen. Die Therapie besteht aus einem kaputten Boiler, Traktorenlärm und reizend aufdringlichen Besuchern. Kritik: In Robert Gernhardts Theaterstück "Die Toscana-Therapie" geht es um Widersprüchlichkeiten, Selbstlügen und die uneingestandenen Machtattitüden der intellektuellen Klasse der Spät-68er. Das 1987 daraus entstandene Hörspiel liegt nun als Hörbuch vor.Offen gestanden, um jetzt überhaupt weiter sprechen zu können, wissen Sie, muss ich, wirklich, weil sonst fühle ich mich nicht: Also ich müsste Sie - für die nächsten vier, fünf Minuten - jetzt wirklich duzen: Also Du, weißt Du, wie soll denn das sonst so voll authentisch rüberkommen. Das von damals. Florian: Hallo, ich bin der Florian. Und das ist die Sylvia. Gerhard: Hallo! Sylvia: Bist du der Gerhard. Ich bin die Sylvia. Und du bist die Karin. Karin: Hallo! Gerhard: Sie sind Freunde von Dieter? Ja, sind sie. - Und ich bin "der" Hartwig. Und "der" Gerhard und "die" Karin verbringen ihren Urlaub im toscanischen Domizil von Dieter, "dem" Dieter, du, weißt du. Alles ist ziemlich linksliberal, intellektuell und - verhalten - der Natur zugeneigt. Verhalten, weil natürlich die Toscana eine unglaubliche Landschaft ist, künstlerisch wertvoll et cetera. Aber so manches Naturvieh kann doch die Idylle torpedieren. Gerhardt: Was machst du denn da? Karin: Hör dir das an? Was? Das! Was das? Das da! Das klingt, als werfe jemand einen Stein an einen Baum. Du kannst bei diesem Lärm schlafen?! Nein, sonst wär ich ja nicht wach. Aber vielleicht könntest du diesen Lärm einstellen? Seit wann bin ich eine Zikade und sitze auf einer Zypresse und lärme, lärme, lärme? Nächtens. Und tagsüber nervt die heimische Landbevölkerung mit der Arbeit im Olivenhain. Es ist Urlaub! Karin: Pflügt der schon wieder? Gerhardt: Sieht nicht so aus. Sondern? Ich weiß nicht, was er tut. Wieso, da ist eindeutig ein Traktor im Gelände. Und ein Traktor heißt, dass Daniello pflügt. Jedenfalls macht er Krach. Er könnte doch einmal in der Woche keinen Krach machen. Denn wo - bitte schön, Du, weißt Du - bleibt das bürgerliche Ruhebedürfnis der Metropolenflüchtigen. Also, lassen wir das mit dem "Du". Es passt nicht mehr in die kühlen Jahre dieses neuen Jahrhunderts - es verweist sprachlich wie milieutypisch einfach weit, weit zurück. Robert Gernhardts DIE TOSCANA-THERAPIE ist zeitlich präzise zu lokalisieren - in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts nämlich. Und Robert Gernhardt, Mitbegründer der TITANIC, einer von der NEUEN FRANKFURTER SCHULE, der Schriftsteller, der Sprachvirtuose und Satiriker, er analysiert sehr genau die Widersprüchlichkeiten, Selbstlügen und die uneingestandenen Machtattitüden dieser intellektuellen Klasse der Spät-68er, die sich irgendwo zwischen links, linksliberal und grün situiert hatten, und deren Lieblingsreiseziel eben diese wunderschöne Toskana war. Die 80er Jahre, das war die Zeit in der alten BRD, als das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL die Sommerloch-Interviews mit den Vertretern der "Toscana-Fraktion", mit Fischer oder Schröder oder Schily oder Lafontaine - als der noch in der SPD war - immer mit diesen signifikanten Fotos bebilderte, auf denen der Gesprächspartner mit kurzen Hosen vor dem Hintergrund der wunderschönen Toskana-Landschaft zu sehen war und die Welt erklärte. Man war - mit anderen Worten - klug, gebildet, hatte eine aufgeklärte bis revolutionäre Vergangenheit hinter sich, und vor allem das mit dem herrschaftsfreien Diskurs - in Klammern: Jürgen Habermas - hatte man echt verstanden. Und das mit dem Feminismus sowieso. Theoretisch! Vom Anspruch her! Gerhard: Ich halte das Foto für ein ungemein gefährliches Medium. Sylvia: Das fand ich jetzt nicht richtig, dass du den ganzen Abwasch gemacht hast. Gerhard: Mit Fotos kann man mittlerweile besser lügen als mit Worten. Karin: Ich hab' aber Lust gehabt, den Abwasch zu machen. Ich hasse es, wenn man nächsten Morgen alles dreckig rumsteht. Gerhard: Es vermittelt den Eindruck des direkten, nicht vermittelten Realitätstransfers. Karin: Du hättest ihn natürlich auch machen können, ich hätte dich nicht gehindert. Konkurrenz, Machtgehabe, sprachliche Luftblasen, die wiederum nur dem anderen eines auswischen wollen: Alle Lügen, Lebenslügen, jedes Betroffenheitsgelaber und intellektuelles Gehabe entlarvt Robert Gernhardt in DIE TOSCANA-THERAPIE mit Vergnügen, Häme und präziser Satire. Die sich hier zwischen intellektuellem Lebensanspruch und banaler Realität hin und her winden, hatten einst den "Muff von 1000 Jahren" unter den Talaren der Macht entlarvt. Aber nun, knapp 20 Jahre später, muffelt es bei ihnen selbst ganz geheuer. Genau wie bei den Konservativen. Autoritäten gab es natürlich schon lange wieder. Dieter, das Gespenst, Hausbesitzer, mein Gott, wenn er entdeckt, dass der Durchlauferhitzer kaputt ist und dass Florian und Sylvia und der versoffene Möchtegernliterat Viktor sich eingenistet haben. Gerhard: Dieter. Dieter, wie hatten dich gar nicht so früh erwartet. Dieter: Nicht bin ich hier zu zweifeln, nicht zu richten. Im Gegenteil, ich will die Wogen glätten, und was zu retten ist zu retten. Übrigens: Otto Schily, wahrscheinlich Noch-Innenminister, der einst als Anführer der "Toscana-Fraktion" galt, hat gewarnt: Toscana, "Toscana-Fraktion" und dies alles, das sei kein Synonym für Luxus. Es gehe ums einfache Leben. Das sagte er, bevor nach der Kohl-Ära - dieses politisch-kulturelle Milieu die Berliner Republik zu prägen begann. Keine Ahnung, ob nach dem wahrscheinlichen Wahlausgang bei der wahrscheinlichen Bundestagswahl im Herbst für viele wieder mehr Zeit in der Toscana fürs einfache Leben zur Verfügung steht. 1987 schrieb Robert Gernhardt sein Theaterstück DIE TOSCANA-THERAPIE; Gut anderthalb Jahrzehnte danach - mit dem nahenden Ende des Rot-Grünen Modells - kann der Gernhardtsche Text unter seiner ironisch-satirischen Oberfläche als historische Diagnose gelesen werden - oder auch: als Abgesang auf einen sozialpsychologisch und machtpolitisch erschöpften Zeitgeist.