UBS outlook - Handel Schweiz

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Impulse zur Unternehmensführung
UBS outlook
Grosshandel
Eine Annäherung an grundlegende
Tendenzen und Trends
137mm KLAPPE AUSSENSEITE
Die «UBS outlook»-Reihe
(Auswahl)
«UBS outlook» – Risikomanagement*
SAP 80231D · SAP 80231F · SAP 80231I
«UBS outlook» – Verwaltungsrat**
SAP 81783D · SAP 81783F
«UBS outlook» – Nachfolge**
SAP 81976D · SAP 81976F
«UBS outlook» – Unternehmenswachstum**
SAP 82525D · SAP 82525F
«UBS outlook» – Unternehmenskrisen**
SAP 82265D · SAP 82265F
«UBS outlook» – Rohstoffhandel (commodity trading)***
SAP 83193E
* in deutscher, französischer und italienischer Sprache
** in deutscher und französischer Sprache
*** in englischer Sprache
Bestelladresse
UBS AG
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Postfach, 8098 Zürich, Schweiz
[email protected] oder
www.ubs.com/outlook
© UBS 2009. Das Schlüsselsymbol und UBS gehören zu den geschützten Marken der UBS.
Alle Rechte vorbehalten. Gedruckt im Februar 2009. SAP 80711D.
Grosshandel – eine Annäherung an grundlegende Tendenzen und Trends
Inhalt
Vorwort
Die grosse Unbekannte im Welthandel
5
Resümee
Zeichen tiefgreifenden Wandels
6
Volkswirtschaft
Ein verborgenes Juwel
8
Wettbewerb
Grenzen überwinden – Horizonte erschliessen
12
Wertschöpfung
Wie die Spinne im Netz
16
Technologie
«Online» oder «offline» –
der Einfluss elektronischer Netzwerke
22
Finanzen
Finanzgeschäfte –
keine Lösungen «von der Stange»
28
Ausblick
Mut – Profil – Augenmass
34
Thesen
Unsere Thesen auf einen Blick
37
Glossar
38
Ein herzlicher Dank …
42
Impressum
43
Im Sinne der Lesefreundlichkeit werden im
folgenden Text bestimmte Begriffe ausschliesslich
in der männlichen Form verwendet.
Die mit einem «*» gekennzeichneten Fachbegriffe
werden im Glossar ab Seite 38 erläutert.
UBS outlook – Grosshandel
3
Vorwort
Die grosse Unbekannte
im Welthandel
«Der Grosshandel ist auf dem Weg
vom Vermittler zum Problemlöser,
vom Händler zum integralen Dienstleister
und vom Warenverteiler zum Logistiker.
Diese Entwicklung verlangt eine laufende
Überprüfung des Umfeldes und
der massgebenden Erfolgsfaktoren.»
«Im Grunde genommen
kann man den Grosshandel
nicht mehr definieren.»
Max Th. Herzig
Delegierter des Verwaltungsrates, Carl Spaeter AG
Das haben wir bei einer früheren Analyse festgestellt, eine Aussage, die selbst zehn Jahre später immer noch gilt. Anderes ist
hinzugekommen – zum Beispiel der enorme Konkurrenzdruck,
hervorgerufen durch die Dynamik einer enger zusammenrückenden Welt. Oder die Ausdehnung der Handelshäuser über
Landesgrenzen hinaus. Oder die Bedeutung des Internets.
Oder das Tempo, in dem ungewohnte Formen der Zusammenarbeit entstehen – das Tempo, in dem neue Rollen angenommen
und alte abgestreift werden. Noch anspruchsvoller wird die
Aufgabe, sich im Wettbewerb mit dem geeigneten Geschäftsmodell zu behaupten, es kontinuierlich anzupassen oder
zu verfeinern.
Bei allem, was sich gewandelt hat, was verändert oder modernisiert wird, eines bleibt: die Persönlichkeit des Eigentümers
oder Unternehmers. Sie wird das Profil einer Firma, ihren Marktwert, weiterhin bestimmen.
Nach zehn Jahren reifte der Entschluss, die Entwicklung des
Grosshandels erneut zu betrachten, im Wissen, dass dieser
Sektor für die Schweizer Volkswirtschaft von herausragender
Bedeutung ist, öffentlich aber kaum wahrgenommen wird.
Hinzu kam das 75-jährige Bestehen des Dachverbandes «VSIG –
Handel Schweiz», dessen Spitze die Studie mit Rat und Tat
begleitet hat. Die Redaktion dankt herzlich für die Unterstützung,
die ihr zuteil wurde.
Seit Beginn der neunziger Jahre geben wir in der «UBS outlook»Reihe Impulse zur Unternehmensführung – Denkanstösse,
die auf dem intensiven Dialog zwischen Unternehmern, Vertretern
von Hochschulen, Instituten, Branchen und Unternehmensberatern beruhen.
Mit den Schwerpunkten Wertschöpfung und Technologie,
Wettbewerb und Finanzen schärfen wir den Blick für die bedeutenden Trends und regen an, darüber zu diskutieren, wie sich
der Grosshandel in den nächsten Jahren entwickeln wird.
Die «UBS outlook»-Redaktion
Zürich, im Dezember 2008
UBS outlook – Grosshandel
5
Resümee
Zeichen tiefgreifenden
Wandels
Der Handel in der Schweiz ist eine
bedeutende volkswirtschaftliche Kraft.
Mit einer Bruttowertschöpfung (Gesamtwert der Waren und Dienstleistungen
abzüglich Vorleistungen) von rund
72 Milliarden Schweizer Franken
im Jahre 2008 übertrifft er den Maschinenbau oder die chemische Industrie.
Knapp die Hälfte davon, 47 Prozent,
steuert der Grosshandel* bei – ein Wirtschaftszweig, der öffentlich wenig
wahrgenommen wird.
Wichtig ist der Grosshandel auch als Arbeitgeber. 2005 –
aktuelle Zahlen lagen bei Redaktionsschluss im Dezember 2008
nicht vor – arbeiteten laut offiziellen Angaben des «Bundesamtes
für Statistik» (BfS) insgesamt – Vollzeit und Teilzeit – mehr als
180 000 Personen in knapp 19 000 Unternehmen. Rund 85
Prozent davon beschäftigten bis zu 5 Mitarbeiter, knapp die
Hälfte waren Einzelfirmen. 12,5 Prozent der Beschäftigten
verteilten sich auf Kleinunternehmen mit bis zu 50 Personen,
weniger als 2,5 Prozent auf mittlere Unternehmen mit bis
zu 250 Arbeitern und Angestellten. Nicht einmal ein halbes
Prozent entfiel auf Grossunternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern. Die kleingewerbliche Struktur des Grosshandels ist
nahezu identisch mit derjenigen der Gesamtwirtschaft (Abb. 1).
«Bis vor etwa zehn Jahren
war die Welt in Ordnung.
Da konnte man zwischen Grossund Einzelhandel unterscheiden.
Aber jetzt? Jetzt sind die Grenzen
absolut fliessend!»
Wenige Angestellte pro Firma – beträchtlicher Güterumschlag:
Daraus können aussergewöhnlich hohe Pro-Kopf-Umsätze
von mehr als einer Million Schweizer Franken resultieren.
Eine Bruttomarge, die von wenigen Prozentpunkten bis zu mittleren zweistelligen Werten variieren kann, ist abhängig vom
Umfang der erzielten Wertschöpfung und der übernommenen
Risiken. Der Sektor erbringt und vermittelt Dienstleistungen
für sehr unterschiedliche Wirtschaftssektoren: Industrie, Gewerbe,
Einzelhandel. Konjunkturelle Schwankungen der vor- und nachgelagerten Branchen spürt er deutlicher als andere.
Dr. Jürg D. Lindecker
Partner, Geneva Consulting & Management S.A.
Definition
Es sind im Wesentlichen zwei Gruppen von Unternehmen,
die den Grosshandel bilden: einerseits der klassische Fachgrosshandel, gekennzeichnet durch ein breites und tiefes Warensortiment, andererseits Vertriebsgesellschaften, die, meistens
Töchter von Herstellerfirmen, Funktionen des Grosshandels
übernehmen.
Abb. 1: Struktur des Grosshandels
Der Grosshandel ist strukturiert …
… nach Bindung an Lieferanten und Abnehmer
Gebunden: kapitalseitig und vertraglich
… nach Beschaffungs- und Absatzmärkten
Beschaffung: regional, national, international
Absatz: regional, national, international
… nach Abnehmern
Handel mit Industriegütern
Handel mit Konsumgütern
… nach Art des Warenflusses
Lagerhandel: vom Grosshandel zum Kunden
Streckenhandel*: direkt vom Lieferanten
zum Kunden
… nach Lebensdauer der Produkte
Langlebig: Investitionsgüter und Gebrauchsgüter
Kurzlebig: Verbrauchsgüter sowie Nahrungsund Genussmittel
Quelle: UBS outlook
6
UBS outlook – Grosshandel
Ungebunden: kapitalseitig und vertraglich
Resümee
Der Grosshandel ist ein vielschichtiger Wirtschaftszweig,
dessen einzelne Funktionen sich überlagern oder schwer
voneinander abzugrenzen sind. Unterschiede in den Branchenstrukturen und den Wertschöpfungsketten der Unternehmen
stechen hervor. Einzelne Firmen sind in verschiedenen Branchen
aktiv, andere betätigen sich in mehreren Gliedern der Wertschöpfungskette oder bieten grosshandelsfremde Dienstleistungen an, etwa indem sie Rohwaren zu Halbfabrikaten
formen, indem sie Fertigprodukte herstellen oder veredeln.
Ferner werden Absatz- und/oder Beschaffungsmärkte regional,
national, europäisch oder – in zunehmendem Masse – weltweit
durchdrungen. Andersartige Formen der Bindung zu Lieferanten
oder Abnehmern charakterisieren den Grosshandel, oder einen
Betriebsteil, ebenso wie die Art des Warenflusses – Lagerware
oder Direktlieferung – sowie die Lebensdauer und Haltbarkeit
der gehandelten Produkte (Abb. 2).
Wettbewerb
Die zunehmende Intensität des Wettbewerbs auf den internationalen Absatz- und Beschaffungsmärkten verschiebt Grenzen
oder lässt sie ganz verschwinden – Grenzen zwischen Produktion,
Vermittlung und Logistik, zwischen Grossisten und Detaillisten,
zwischen alten und neuen Handelsplätzen. Der Strukturwandel
ist immens, moderne Informations- und Kommunikationstechnologien beschleunigen ihn. Nicht zuletzt kommt es darauf an,
die Identität sich ergänzender und gegenläufiger Wirtschaftsund Gesellschaftskulturen zu gegenseitigem Vorteil miteinander
zu verbinden (Kapitel «Wettbewerb» ab Seite 12).
Wertschöpfung
Das Auf und Ab der Konjunktur, die Forderung nach hoher
Qualität bei niedrigem Preis, relativ kleine Margen und hartnäckige Konkurrenz – das sind Herausforderungen, denen sich
jedes Unternehmen stellen muss. Für den Grosshandel kommt
noch etwas anderes hinzu: Sein Beitrag in der Wertschöpfungskette wird von verschiedener Seite immer wieder in Frage
gestellt.
Abb. 2: Einflussfaktoren auf den Grosshandel
Wirtschaft
Branchen
Märkte
Konkurrenten
Technologien
Information
Transport
Hersteller
Lieferanten
Grosshandel
Abnehmer
Konsumenten
Kapitalgeber
Banken
Wettbewerb
mit neuen
Vertriebskanälen
Staat
Politik
Medien
Verbände
Einer Reihe von Grosshandelsunternehmen ist es gelungen,
sich mit einem innovativen Geschäftsmodell neu im Markt
zu etablieren. Mit ergänzenden oder zusätzlichen Strategien,
die in verschiedenen Geschäftszweigen angewandt oder kopiert
werden, streben derartige Unternehmen danach, Einfluss und
Kontrolle innerhalb der Wertschöpfungskette kontinuierlich
zu erhöhen, sie zu dominieren und zu steuern. Ein harter Kampf
um die Führungsrolle ist entbrannt.
Konzentrationsprozesse verstärken diesen Trend, der sich
in vielen Branchen und auf nahezu allen Wertschöpfungsebenen
beobachten lässt. Die traditionelle Aufgabenteilung zwischen
dem Hersteller als Produzenten, dem Grosshändler als Einund Weiterverkäufer sowie dem Einzelhändler als Verkäufer
an den Endverbraucher gibt es nicht mehr, oder sie geht
in ihrer Bedeutung sehr stark zurück (Kapitel «Wertschöpfung»
ab Seite 16).
Technologie
Gemessen an den Erwartungen vor etwa zehn Jahren fällt
die Bedeutung elektronischer Netzwerke für den Grosshandel
im Herbst 2008 zwiespältig aus. Damalige Einschätzungen
reichten von explosionsartigen Wachstumsschüben bis
hin zu einem kompletten Austausch des Grosshandels durch
Hersteller und Endverbraucher, die ihre Geschäfte direkt
miteinander abwickeln. Beide Annahmen wurden widerlegt.
Die Einbindung des Internets in Betriebsabläufe hat zwar
zugenommen, aber bei weitem nicht so stark wie seinerzeit
angenommen. Die Auswirkungen elektronischer Vernetzung
machen sich im Grosshandel eher schleichend bemerkbar –
sie könnten sich in Zukunft aber schneller vollziehen, als mancherorts erwartet wird (Kapitel «Technologie» ab Seite 22).
Finanzen
Einheitliche Abläufe, Strukturen oder Charakteristika kennt
der Grosshandel nicht, wenn es um Finanzgeschäfte geht.
Lediglich ein paar Gemeinsamkeiten sind zu beobachten, etwa
die hohe Kapitalbindung im Umlaufvermögen, die vergleichsweise niedrige Umsatzrendite oder die internationalen Verflechtungen. Das Geschäft selbst trägt die Handschrift von Unternehmern, die ihre Firma unverwechselbar im Markt verankern
und das Einmaleins des Umgangs mit Risiken beherrschen.
Die Beziehung zwischen dem Unternehmer und seinem Geldgeber kennzeichnen zwei Dinge: wirtschaftliche Verfassung
und Reputation des Unternehmens sowie Kontrolle der Risiken.
In diesem Spannungsfeld ruht die Bonität. Ein Spannungsfeld,
das am einfachsten aufzulösen ist, wenn Kapitalnehmer
und Kapitalgeber Risiken gemeinsam beurteilen. Dazu ist es
für den Geldgeber wichtig, das Geschäftsmodell zu verstehen.
Für den Unternehmer bildet Liquidität das A und O. Sie zu
beschaffen und zu erhalten, gibt es viele Wege, drei davon
sind die ertragskraftbasierte Verschuldungsfähigkeit («Debt
Capacity»*), die Verschuldungsfähigkeit aus dem Nettoumlaufvermögen und eine besondere, in der Schweiz noch wenig
bekannte Form der Absatzfinanzierung, das «Inhouse
Factoring»* (Kapitel «Finanzen» ab Seite 28).
Die Zeichen im Grosshandel deuten auf einen tiefgreifenden
Wandel hin. Ausführlich beschreiben wir die Eckpfeiler
auf den folgenden Seiten.
Die mit einem «*» gekennzeichneten Fachbegriffe werden im Glossar
ab Seite 38 erläutert.
Quelle: UBS outlook
UBS outlook – Grosshandel
7
Volkswirtschaft
Ein verborgenes Juwel
Wenn von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft die Rede ist, wird in der Schweiz
beiläufig zwischen Werk-, Denk- und
Finanzplatz unterschieden. Von einem
«Handelsplatz Schweiz» spricht kaum
jemand. Namen von Unternehmen
der Lebensmittel-, Pharma- und Maschinenindustrie sind in aller Welt ein Begriff,
ebenso diejenigen von Banken und
Versicherungen. Hochschulen für Technik
und Wirtschaft ziehen junge Leute
und gestandene Forscher, Nobelpreisträger, weit über die Landesgrenzen
hinaus an. Aber Handelshäuser? Sie sind
nur wenigen ein Begriff. Und doch gibt
es sie. Der Grosshandel blüht überwiegend
im Verborgenen.
Wer in der Wirtschaft öffentlich kaum wahrgenommen wird,
kann sich im Wettbewerb schneller als andere fortbewegen.
Glänzend verstanden hat das im Laufe der letzten zehn Jahre
vor allem der internationale Rohstoffhandel mit den Zentren
Genf (Schwerpunkte Öl und Landwirtschaft), Zug (Dienstleistungen) und Lugano (Stahl). Glencore, Xstrata oder Cargill
sind über den Kreis der Fachleute hinaus nur wenigen bekannt.
In der Rangfolge der umsatzstärksten Unternehmen der Schweiz
belegten sie 2007 die Plätze 1, 6 und 8. Angesichts der Bedeutung des Rohstoffhandels für den Weltwirtschaftskreislauf
hat «UBS outlook» diesem Sektor eine eigene Studie gewidmet,
die im Herbst 2008 in englischer Sprache erschienen ist (Abb. 3).
➞ www.ubs.com/outlook/commodities
«Der Grosshandel nimmt eine
zentrale – und allzuo unterschätzte – Scharnierfunktion
zwischen Produzenten, Konsumenten und Märkten auf unterschiedlichen Kontinenten ein.»
Dr. Daniel Kalt
Leiter volkswirtschaftliche Analysen Europa, UBS AG
Unsere These
Der Grosshandel in der Schweiz hat sehr
gute Chancen, eine starke volkswirtschaftliche Kraft zu bleiben.
Abb. 3: Die zehn umsatzstärksten Firmen der Schweiz 2007
(konsolidierte Umsatzvolumina, ohne Finanzdienstleister)
1. Glencore International
2. Nestlé
3. Roche-Gruppe
4. Novartis
5. ABB-Konzern
6. Xstrata AG
7. Holcim-Gruppe
8. Cargill International SA
9. Adecco-Gruppe
10. Migros-Konzern
Quelle: Handelszeitung, Dun & Bradstreet
8
UBS outlook – Grosshandel
UBS outlook – Grosshandel
9
Volkswirtschaft
Seit Mitte der neunziger Jahre ist der Welthandel rasant gewachsen.
Markant stieg parallel dazu die weltweite Wertschöpfung,
das sogenannte «Welt-BIP», die Summe der Produktion von
Gütern und Dienstleistungen einschliesslich des Handels mit ihnen.
Hauptursache dafür war die immer stärkere Einbindung aufstrebender Volkswirtschaften der (asiatischen) Schwellenländer
mit China und Indien an der Spitze. Sie haben die weltweite
Nachfrage nach industriellen Rohstoffen beschleunigt, Preise
in die Höhe getrieben und Handelsvolumina ausgeweitet.
Die sehr enge Bindung vieler fernöstlicher Währungen an
den US-Dollar nach der Asienkrise 1998 hat den weltweiten
Warenaustausch zusätzlich belebt (Abb. 4.1).
Gleichzeitig ist der jahrzehntelang dominierende Wachstumsmotor, die USA, überholt worden. 2007 steuerte Asien die Hälfte
zum Weltwirtschaftswachstum bei, davon China allein knapp
ein Drittel, 30,1 Prozent. Zentral- und Osteuropa kamen
auf 13,8 Prozent. Die USA erreichten 7,0 Prozent gegenüber
5,4 Prozent Westeuropas. Die Gewichte der Wachstumsdynamik
in der Weltwirtschaft haben sich verschoben (Abb. 4.2).
«Wohin gehören wir? Hauptsächlich importieren und
vertreiben wir über den Fachhandel Musikinstrumente.
Menschen, die aktiv musizieren,
stehen im Mittelpunkt unseres
Marketings. CDs und Disketten
sind nur ein Randbereich des
Geschäs, aber trotzdem werden
wir häufig mit der Hi-Fi-Branche
verwechselt …»
Michael Heuser
Delegierter des Verwaltungsrates und Geschäftsführer,
Roland (Switzerland) AG
Abb. 4.1: Welthandelsvolumen und Welt-Bruttoinlandsprodukt (BIP) 1950–2006
Einheit der Vielfalt
Wenden wir uns der Schweiz zu.
Nominal in USD Mrd. (Index 1950 = 100)
In der Branchenmatrix vergleicht UBS die einzelnen Sektoren
der Schweizer Wirtschaft hinsichtlich ihrer Marktattraktivität
(qualitativ) und internationalen Wettbewerbsfähigkeit (quantitativ). Die Werte ermittelt die Bank einmal pro Jahr durch
Umfragen in Industrie, Handel und Gewerbe, ergänzt um Daten
des Forschungsinstituts «Basel Economics» (BAK) und des
«Bundesamts für Statistik» (BfS) der Schweiz in Neuenburg.
Die aktuelle konjunkturelle Entwicklung wird in «UBS outlook –
Konjunktur» abgebildet, eine Analyse, die quartalsweise
erscheint (Abb. 5.1).
30000
25 000
20000
15 000
10000
Welt-BIP (1950=100)
2006
2002
1998
1994
1990
1986
1982
1978
1974
1970
1966
1962
1958
1954
0
1950
5 000
Welthandelsvolumen (1950=100)
Quelle: The Conference Board and Groningen Growth and Development Centre – Total Economy Database;
Internationaler Währungsfonds (IWF); Welthandelsorganisation (WTO)*; UBS Wealth Management Research
!
Abseits der Schlagzeilen belegt der Schweizer Grosshandel
in der Bruttowertschöpfung (Gesamtwert der Waren und Dienstleistungen abzüglich Vorleistungen) einen der vorderen Plätze.
Gemeinsam mit Detailhandel, Autogewerbe und Logistik schaffte
es der Handelssektor 2008 sogar an die Spitze der Schweizer
Volkswirtschaft: 14,3 Prozent! Das entspricht einer Gesamtsumme von rund 72 Milliarden Schweizer Franken, wovon beinahe
die Hälfte, 47 Prozent, auf den Grosshandel entfiel. Bei einem
Beschäftigungsanteil von 5 Prozent resultierte daraus ein Bruttowertschöpfungsanteil von knapp 7 Prozent. Führend ist
der Sektor zudem als Arbeitgeber (Abb. 5.2).
Geschätzte Werte in % (auf Basis Kaufkraftparitätswechselkurse)
Übrige 1,9%
USA 7,0%
Afrika 4,9%
Westeuropa 5,4%
Die bedeutendste Industriebranche der Schweiz, den Maschinenbau, überflügelt er in dieser Hinsicht um 70 Prozent, und
die chemische Industrie übertrifft er um fast das Dreifache.
Naher Osten 6,9%
Zentralund Osteuropa 13,8%
Welche Unternehmen bilden den Grosshandel?
Lateinamerika 10,2%
Asien (ohne Japan
und China) 19,4%
Quelle: Welthandelsorganisation (WTO), UBS Wealth Management Research
10
UBS outlook – Grosshandel
Japan 0,5%
China 30,1%
Es sind im Wesentlichen zwei Gruppen: einerseits der klassische
Fachgrosshandel, gekennzeichnet durch ein breites und tiefes
Warensortiment, andererseits Vertriebsgesellschaften, die,
meistens Töchter von Herstellerfirmen, Funktionen des Grosshandels übernehmen.
Volkswirtschaft
2005 – aktuelle Zahlen standen bei Redaktionsschluss im
Dezember 2008 nicht zur Verfügung – arbeiteten laut offiziellen
Angaben des «Bundesamtes für Statistik» insgesamt – Vollzeit
und Teilzeit – mehr als 180 000 Personen in knapp 19 000 Unternehmen. Rund 85 Prozent davon beschäftigten bis zu 5 Mitarbeiter, knapp die Hälfte waren Einzelfirmen. 12,5 Prozent
der Beschäftigten verteilten sich auf Kleinunternehmen mit bis
zu 50 Personen, weniger als 2,5 Prozent auf mittlere Unternehmen mit bis zu 250 Arbeitern und Angestellten. Nicht einmal
ein halbes Prozent entfiel auf Grossunternehmen mit mehr als
250 Mitarbeitern. Von der Statistik unberücksichtigt blieben
die erwähnten Produktionsbetriebe, die über eigene Vertriebsorganisationen selbst als Grosshändler auftreten. Die kleingewerbliche Struktur des Grosshandels ist nahezu identisch
mit derjenigen der Gesamtwirtschaft.
Wenige Angestellte pro Firma – beträchtlicher Güterumschlag:
Daraus können aussergewöhnlich hohe Pro-Kopf-Umsätze von
mehr als einer Million Schweizer Franken resultieren. Eine Bruttomarge, die gleichwohl erheblich variieren kann – von wenigen
hoch
Abb. 5.1: Branchen – Marktattraktivität und
Wettbewerbsposition 2008
Vorleistungen
Intermediäre
Endverbrauch
Uhren
Marktattraktivität
Logistik
Maschinen
Grosshandel
Detailhandel,
Food
inkl. Auto Kunststoffe
Nonfood
Tourismus
Baustoffe
Immobilien,
Kultur,
Ver+
Banken
Metalle
Sport und Architektur- und
Entsorgung
Bildung Ingenieurbüros Baugewerbe
Materialien
Medien
tief
Pharma
Telekommunikation
Elektro
Gesundheits+ Sozialwesen
Papier und Karton
Textil
Alles in allem ist der Grosshandel ein vielschichtiger Wirtschaftszweig, dessen einzelne Funktionen sich überlagern oder schwer
voneinander abzugrenzen sind. Unterschiede in den Branchenstrukturen und in den Wertschöpfungsketten der Unternehmen
stechen hervor. Einzelne Firmen sind in verschiedenen Branchen
aktiv, andere betätigen sich in mehreren Gliedern der Wertschöpfungskette oder mieten grosshandelsfremde Dienstleistungen an,
etwa indem sie Rohwaren zu Halbfabrikaten formen, indem sie
Fertigprodukte herstellen oder veredeln. Ferner werden Absatzund/oder Beschaffungsmärkte regional, national, europäisch
oder – in zunehmendem Masse – weltweit durchdrungen.
Andersartige oder wechselnde Formen der Bindung zu Lieferanten oder Abnehmern charakterisieren den Grosshandel,
oder einen Betriebsteil, ebenso wie die Art des Warenflusses –
Lagerware oder Direktlieferung – sowie die Lebensdauer
und Haltbarkeit der gehandelten Produkte.
Grosshandel – das ist neben anderem Produktionsverbindungshandel* und Sortimentsgrosshandel*, es ist Konsumgüterhandel
und Investitionsgüterhandel, es ist «Cash and Carry» und,
wie wir auf den nächsten Seiten erfahren werden, in Zukunft
noch einiges mehr.
Informatikdienste
DL für
Unternehmen
Prozentpunkten bis zu mittleren zweistelligen Werten, abhängig
vom Umfang der erzielten Wertschöpfung und der übernommenen Risiken. Als Sektor, der Dienstleistungen für sehr
unterschiedliche Wirtschaftszweige – Industrie, Gewerbe, Einzelhandel – erbringt und vermittelt, spürt der Grosshandel konjunkturelle Schwankungen der vor- und nachgelagerten Branchen
deutlicher als andere.
Chemie
Die mit einem «*» gekennzeichneten Fachbegriffe werden im Glossar
ab Seite 38 erläutert.
Versicherungen
Nominelle Bruttowertschöpfung 2008
40 Mrd. CHF
20 Mrd. CHF
10 Mrd. CHF
5 Mrd. CHF
schwach
stark
Wettbewerbsposition
Quellen: Basel Economics (BAK), Bundesamt für Statistik (BfS), UBS Wealth Management Research
Abb. 5.2: Bruttowertschöpfungsanteile
nach Handelssektoren 2008
Weiterführende Informationen
«UBS Wealth Management Research»
www.ubs.com/research
Mit 14,3% grösster Sektor der Schweizer Volkswirtschaft
Detailhandel 33%
Autogewerbe 11%
Logistik 9%
Grosshandel 47%
Quelle: Basel Economics (BAK), Bundesamt für Statistik (BfS), UBS Wealth Management Research
UBS outlook – Grosshandel
11
Wettbewerb
Grenzen überwinden –
Horizonte erschliessen
Raum und Zeit zwischen Herstellern und
Abnehmern zu überbrücken – darin liegt
das Ursprüngliche des Handels. Die zunehmende Intensität des Wettbewerbs auf
den internationalen Absatz- und Beschaffungsmärkten verschiebt Grenzen oder
lässt sie ganz verschwinden – Grenzen
zwischen Produktion, Vermittlung und
Logistik, zwischen Grossisten und Detaillisten, zwischen alten und neuen Handelsplätzen. Der Strukturwandel ist immens,
moderne Informations- und Kommunikationstechnologien beschleunigen ihn.
Im folgenden Kapitel skizzieren wir,
wie sich das Ursprüngliche in einer Welt
wandelt, in der es auch darauf ankommt,
die Identität sich ergänzender und gegenläufiger Wirtschafts- und Gesellschaftskulturen miteinander zu verbinden.
Unsere These
Im internationalen Grosshandel vermischen sich traditionelle Formen,
Waren herzustellen, sie zu verteilen und
zu finanzieren. Sie weichen neuen
Modellen der kurz- und langfristigen
Zusammenarbeit und Arbeitsteilung
mit gravierenden Veränderungen in der
weltweiten Distribution.
12
UBS outlook – Grosshandel
Die meisten der ungefähr 19 000 Grosshandelsunternehmen in
der Schweiz betreiben ihre Geschäfte im Inland. Bei rund 30 Prozent
von ihnen entfielen nach Angaben des «Bundesamtes für Statistik»
2005 mehr als zwei Drittel des Umsatzes auf Importgüter.
Zum Vergleich: Im Versandhandel waren es 19 Prozent, im Einzelhandel nur 7 Prozent. 4 Prozent der Unternehmen legen das
Schwergewicht auf den Export – über zwei Drittel ihrer Umsätze
wickeln sie mit ausländischen Firmen ab. Diese Zahlen belegen:
Auch der schweizerische Grosshandel ist mit den internationalen
Märkten der Welt eng verflochten.
Die Kunst, Märkte und Strategien miteinander
zu verbinden
Der überwiegende Teil der kleinen und Kleinstunternehmen
bedient regionale und lokale Märkte. Typische Waren sind
Getränke, Obst und Gemüse, Blumen, Unterhaltungselektronik,
Stahlerzeugnisse oder Baustoffe. Produkte ausländischen
Ursprungs beziehen diese Firmen entweder von schweizerischen
Vertriebsgesellschaften ausländischer Hersteller oder von Unternehmen, die sich auf den grenzüberschreitenden Grosshandel
spezialisiert haben. Damit erfüllen sie eine wichtige aussenwirtschaftliche Funktion: Sie verknüpfen die Binnen- mit den
Auslands- und Weltmärkten. Über ein Drittel des Aussenhandelsvolumens, schätzen Experten, bestreiten Firmen des (funktionalen) Grosshandels. Bei Konsumgütern oder in der Unterhaltungselektronik verdoppelt sich dieser Anteil.
Viele kleine und mittlere Grosshandelsbetriebe scheuen allerdings
den Schritt, Waren auf den Weltmärkten direkt zu beschaffen
oder abzusetzen. Eine zu geringe Umsatz- oder Unternehmensgrösse und unzureichende Personalressourcen hinderten sie
eigener Aussage nach daran. Zahlreiche tarifäre und nicht tarifäre
Hemmnisse*, betonen sie, hemmten noch immer den Aussenhandel der Schweiz mit EU- und sogenannten Drittstaaten.
Um so bedeutsamer ist die Rolle des grenzüberschreitenden
Import- und Exportgrosshandels einzuschätzen, der sich
über Jahrzehnte hinweg eine starke Stellung auf den wichtigen
Handelsplätzen der Weltmärkte erarbeitet hat. Nicht allein
in der Schweiz, in vielen europäischen Ländern wirkt er
als «Transmissionsriemen» für die oft inhabergeführten kleinen
und mittleren Unternehmen (KMU). Es ist ihm gelungen,
sich mit fremden Gesellschafts- und Wirtschaftskulturen
zu arrangieren und anfängliche Skepsis gegenüber ausländischen
Handelspartnern in verlässliche Geschäftsbeziehungen zu überführen. Er hat sich profundes Wissen erworben – über die
Zuverlässigkeit von Lieferanten auf der einen, über die Zahlungsmoral von Abnehmern auf der anderen Seite.
UBS outlook – Grosshandel
13
Wettbewerb
«Die zunehmende
inter nationale Arbeitsteilung
und damit der globale
Handel mit Gütern
und Dienstleistungen
sind ein Wachstumsmotor
der Weltwirtscha.»
Dr. Uwe Christian Täger
Handelsforscher, Ifo – Institut für Wirtschaftsforschung
Daraus resultiert ein Urteilsvermögen über die Reputation
von Unternehmen, das dazu beitragen kann, die oft hohen
Risiken des grenzüberschreitenden Warenumschlags und
der damit verbundenen Finanztransaktionen spürbar zu mindern.
Die Pflege dieser Geschäftskontakte bildet das Fundament
seiner Strategie auf den Weltmärkten.
Vier Wege – ein Ziel
Der Warenverkehr mit Rohstoffen und Halbfertigprodukten
kennt seit Jahren eingefahrene Absatzkanäle. Demgegenüber
sind Grosshandelsunternehmen in der Konsum- und Investitionsgüterindustrie gezwungen, ihr Profil je nach aktueller Situation auf den Weltmärkten zu überdenken und das Angebot
zu verdichten oder zu erweitern – zeitlich und räumlich,
funktional und institutionell.
Aus den vielen Möglichkeiten, nationale Produkt- mit internationalen Handelsmärkten zu verbinden, kristallisieren sich
vier Hauptgruppen von grenzüberschreitenden Grosshandelsfirmen heraus:
Traditionelle Unternehmen des Gross- und Aussenhandels
Traditionelle Unternehmen des Gross- und Aussenhandels legen
seit ihrer Gründung vor vielen Jahrzehnten das Schwergewicht
strategisch auf den Welthandel und einzelne Regionen,
etwa Afrika, Lateinamerika oder Südostasien. In den für sie wichtigsten Absatz- und Beschaffungsmärkten mit Tochtergesellschaften oder Repräsentanzen vertreten, konzentrieren sie sich
auf bestimmte Warengruppen, darunter Vor- und Rohprodukte
der Nahrungs- und Genussmittelindustrie oder Güter
der Stahlerzeugung und des Maschinenbaus. Ihr weiteres Plus
im Wettbewerb besteht darin, das Angebot um technische
und finanzielle Dienstleistungen auszuweiten, also den Bau
einer Grossanlage vom Reissbrett bis zur Inbetriebnahme
zu planen und durchzuführen sowie die Finanzierung zu sichern –
ein Angebot, das über das Ursprüngliche des Handels
weit hinausgeht. In einigen Staaten, beispielsweise in Frankreich
oder Japan, nehmen derartige Firmen zudem die wirtschaftspolitische Aufgabe wahr, die Versorgung ihres Herkunftslandes
mit strategisch lebenswichtigen Rohstoffen zu sichern.
Umsatzstarke Unternehmen des (Binnen-)Grosshandels
Die zweite Gruppe, umsatzstarke, meist grössere Unternehmen
des (Binnen-)Grosshandels, legen ihren Schwerpunkt unverändert
auf das Inland. Dort zwingt sie der steigende Konkurrenzdruck
dazu, sich aus dem Schatten aussenhandelsorientierter Firmen
des Fachgrosshandels zu lösen. Von einer bestimmten Grössenordnung an streben diese Firmen über die Grenzen hinaus,
um direkte Geschäftsbeziehungen zu wichtigen Lieferanten
auf den Weltmärkten auf- und auszubauen. Eine zentrale Rolle,
sich dem Ausland zu öffnen, spielen in Aussenhandelsgeschäften
versierte Banken, vorzugsweise die jeweilige Hausbank.
Sie verleihen den Unternehmen die notwendige Sicherheit,
Geschäfte mit zum Teil fremden Lieferanten in Osteuropa
oder dem Fernen Osten anzubahnen und durchzuführen,
Risiken zu kontrollieren und oft komplexe Finanztransaktionen
zuverlässig abzuwickeln. Derartige Kontakte zu Handelspartnern
aus fernen Kulturen lösen in den jeweiligen Handels- und
Unternehmensgruppen oft stimulierende Nebeneffekte aus.
Sie weiten den Horizont der Firmen und ihrer Mitarbeiter,
was sich oft in einem attraktiveren Warenangebot gegenüber
inländischen Konkurrenten niederschlägt und die Stellung
im Inlandsmarkt stärkt.
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(SPTTIBOEFMT
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Wie unterscheiden sie sich?
Abb. 6: Bedeutung der Handelsware im unteren
Preissegment 1996 – 2005
Herstellung von …
Kontinuierliche Steigerung der Handelsware am Umsatz (in Prozent)
1996
UBS outlook – Grosshandel
2005
Kleingeräten / Elektrogütern
20
25
32
Spielwaren
30
43
61
Nahrungsmitteln
10
15
17
Quelle: Bundesamt für Statistik (BfS), Ifo – Institut für Wirtschaftsforschung
14
2000
Wettbewerb
Kleinere Fachgrosshandelsunternehmen
Ein hoher Grad an Fachwissen und Erfahrung in überschaubaren
Segmenten zeichnet kleinere Unternehmen des Fachgrosshandels
aus, des dritten Typs. Ihre Spezialität liegt beispielsweise
im Handel mit tropischen Hölzern, exotischen Nahrungsmitteln
oder Textil- und Bekleidungsfabrikaten, deren reibungslose
Logistik und gewinnbringende Vermarktung besondere Kenntnisse voraussetzen. Sie beschränken sich auf wenige Produkte
zumeist ausländischer Herkunft, etwa Erzeugnisse des Kunstgewerbes, Spielzeug, Kunststoffe oder seltene NE-Metalle (Buntmetalle)*. Als innovative Nischenanbieter strategisch wichtiger
und absatzrelevanter Produkte haben sie in der inländischen
Warenverteilung (Verteilgrosshandel*) ihren Platz gefunden.
Grössenrelevante Nachteile mindern sie, indem sie sich häufig
zu Kooperationen zusammenschliessen. Deren Hauptaufgabe
besteht darin, günstige Konditionen für den Wareneinkauf
zu erzielen, ihre Mitglieder auf die Abnahme bestimmter
Mengen in den Stammsortimenten zu verpflichten und rechtliche
Risiken, vor allem von finanziellen Transaktionen im Zuge
grösserer Lieferverträge, zu begrenzen. Eine vollständige Übernahme der Risiken, die die fortschreitende Internationalisierung
nach sich zieht, würde die Ressourcen der Kooperationszentralen
allerdings überfordern. Lokale Handelsvermittler in wichtigen
Beschaffungsmärkten, wie China oder Indien, bieten einen
Ausweg. Im Auftrag der Abnehmer überwachen sie die Qualität
der Vor- und Betriebsstoffe bei Herstellern und Lieferanten,
prüfen die fertigen Produkte und organisieren für den kooperierenden und ungebundenen Fachgrosshandel Logistik und
Versand.
Vertriebsgesellschaften ausländischer Unternehmen
Die letzte Gruppe, Vertriebsgesellschaften ausländischer Unternehmen, setzt ausschliesslich Waren der Firma ab, zu der
sie gehört. Die Tochtergesellschaften kontrollieren den Umsatz
der Markenprodukte und nehmen direkt Einfluss auf die
Gestaltung von Sortimenten und Preisen. Klassische Beispiele
sind Konzerne der japanischen und koreanischen Unterhaltungselektronik- oder Konsumgüterindustrie. Die Grosshandelsbetriebe
dieses Typs steuern auf den jeweiligen europäischen (nationalen)
Inlandsmärkten den Absatz ihrer Produkte bis in den Einzelhandel hinein. Ein Teil von ihnen hat sich auf die Distribution
von preisgünstigen Handelsmarken spezialisiert (Abb. 6).
Grossunternehmen der Konsumgüterindustrie schlagen als
technologische Marktführer noch einen anderen Weg ein.
Neben ihrer weltweiten Autonomie in Marketing und Absatz
beanspruchen sie die distributionswirtschaftliche Wertschöpfung
ohne Abstriche für sich. In firmeneigenen Filialen des Einzelhandels vertreiben sie exklusiv hochwertige und hochpreisige
Markenerzeugnisse. Beispiele dafür sind neben Technologieund Hi-Fi-Produkten klangvolle internationale Modemarken.
Auch der Fabrikverkauf im Einzelhandel, das sogenannte
«Outlet»-Segment, hat hier seinen Ursprung.
Im folgenden Kapitel lernen wir einige der Geschäftsmodelle
kennen, die unter den beschriebenen Vorzeichen Erfolg
versprechen.
Die mit einem «*» gekennzeichneten Fachbegriffe werden im Glossar
ab Seite 38 erläutert.
«Üblicherweise sind
die Branchenumsätze
in Deutschland zehnmal
grösser als in der Schweiz –
im Handel mit Musikinstrumenten sind sie aber
nur viereinhalbmal so gross.
Ist Deutschland also weniger
musikalisch als die Schweiz?»
Prof. Dr. Joachim Zentes
Institutsleiter, Universität des Saarlandes
Weiterführende Informationen
t #FJTIFJN0UUP)STH
%JTUSJCVUJPOJN"VGCSVDIo
Bestandsaufnahme und Perspektiven, mit Beiträgen
von Erwin Conradi, Hans-Dieter Cleven, Roland Berger,
Helmut Schlesinger, Dieter Ahlert, Heribert Meffert,
Bruno Tietz, Lothar Müller-Hagedorn und anderen,
München, 1999
t .àMMFS4UFGBO(FMCSJDI,BUKB*OUFSLVMUVSFMMFT.BSLFUJOH
München, 2004
t .àMMFS)BHFEPSO-PUIBS;VS8FUUCFXFSCTGÊIJHLFJU
des Grosshandels, in: «Mitteilungen des ‹Instituts
für Handelsforschung an der Universität zu Köln›, 49. Jg.,
Nr. 12, S. 253–261», 1997
t ;FOUFT+PBDIJN4DIFFS-BNCFSU-FIOFSU.BSLVT
Internationalisierungspotenziale für Verbundgruppen,
Frankfurt am Main, 2007
t ;FOUFT+PBDIJN)STH
)BOECVDI)BOEFMo4USBUFHJFO
Perspektiven, Internationaler Wettbewerb, mit Beiträgen
von Ludwig Veltmann, Andreas Kaapke, Alexander Otto,
Joachim Siebert, Uwe C. Täger, Wolfgang Twardawa
und anderen, Wiesbaden, 2006
t ;FOUFT+PBDIJN4XPCPEB#FSOIBSE.PSTDIFUU%JSL)STH
B2B-Handel – Perspektiven des Gross- und Aussenhandels,
Frankfurt am Main, 2002
t ;FOUFT+PBDIJN4XPCPEB#FSOIBSE)STH
Globales Handelsmanagement, Voraussetzungen –
Strategien – Beispiele, Frankfurt am Main, 1998
t 74*(o)BOEFM4DIXFJ[XXXWTJHDI
t #VTJOFTT/FUXPSL4XJU[FSMBOE0TFD
XXXPTFDDI
t 'PSFJHO5SBEF"TTPDJBUJPO'5"
XXXGUBFVPSH
t "VTTFOIBOEFMTWFSFJOJHVOHEFT%FVUTDIFO&JO[FMIBOEFMT
(AVE) e.V.: www.ave-koeln.de
t *OTUJUVUGàS)BOEFMTGPSTDIVOH*G)
BOEFS6OJWFSTJUÊU,ÚMO
www.ifhkoeln.de
t *GPo*OTUJUVUGàS8JSUTDIBGUTGPSTDIVOHXXXJGPEF
UBS outlook – Grosshandel
15
Wertschöpfung
Wie die Spinne
im Netz
Etliche Grosshandelsunternehmen suchen
ihren Platz in der Wertschöpfungskette,
manche kämpfen sogar um ihre Existenz.
Für andere, sehr professionell agierende
Firmen ist diese Frage hingegen kaum
noch relevant. Im Gegenteil, sie sind selbst
zur Konkurrenz für Hersteller und Einzelhandel geworden, nicht, indem sie
den Anspruch erheben, einzelne Stufen
der Wertschöpfungskette auszuschalten,
nein, sie dominieren und steuern sie.
Das breite Know-how des Grosshandels –
Know-how über Märkte und Produkte,
über Lieferanten und Kunden, über
Marketing und Absatz – ist eine sehr gute
Voraussetzung, um in der modernen
Wertschöpfungskette eine zentrale Rolle
zu spielen. Sie drückt sich in verschiedenen
Geschäftsmodellen aus und findet ihre
vorläufige Vollendung in der Kombination
einzelner dieser Modelle.
Das Auf und Ab der Konjunktur, die Forderung nach hoher
Qualität bei niedrigem Preis, relativ kleine Margen und hartnäckige Konkurrenz – das sind Herausforderungen, denen
sich jedes Unternehmen stellen muss. Für den Grosshandel
kommt noch etwas anderes hinzu: Sein Beitrag in der Wertschöpfungskette wird von verschiedener Seite immer wieder
in Frage gestellt. Die Vorwärtsintegration der Industrie,
das Streben der Kunden nach direkter Beschaffung, das erweiterte Angebot logistischer Dienstleister – all das zwingt zu klarer
Profilierung.
Einer Reihe von Grosshandelsunternehmen ist es gelungen,
sich mit einem innovativen Geschäftsmodell neu im Markt
zu etablieren. Mit ergänzenden oder zusätzlichen Strategien,
die in verschiedenen Geschäftszweigen angewandt oder
kopiert werden, streben derartige Unternehmen danach,
Einfluss und Kontrolle innerhalb der Wertschöpfungskette
kontinuierlich zu erhöhen. Ein harter Kampf ist entbrannt
um die Rolle desjenigen, der die einzelnen Glieder der Wertschöpfungskette zuerst koordiniert und später kontrolliert.
Konzentrationsprozesse verstärken diesen Trend, der sich
in vielen Branchen und auf nahezu allen Wertschöpfungsebenen
beobachten lässt. Die traditionelle Aufgabenteilung zwischen
dem Hersteller als Produzenten, dem Grosshändler als Einund Weiterverkäufer sowie dem Einzelhändler als Verkäufer
an den Endverbraucher gibt es nicht mehr, oder sie geht
in ihrer Bedeutung sehr stark zurück.
Unsere These
Die gewohnte Rollenverteilung zwischen
Grosshandel, Hersteller und Einzelhandel verwässert sich – harter Konkurrenzkampf ist die Konsequenz.
Kunden des Grosshandels besinnen sich zudem auf ihre Kernkompetenzen. Bestimmte Arbeiten gliedern sie deshalb in vorund nachgelagerte Branchen aus, die Liefer- und Bestandsverantwortung delegieren sie («Outsourcing»). Dadurch
lösen sich herkömmliche Wertschöpfungsketten vielfach auf,
gewohnte Branchengrenzen verschieben sich. Zwei Beispiele
für eine aussichtsreiche strategische Repositionierung sind
die Bildung von Verbundgruppen (Kooperation) oder
die Öffnung zum Ausland (Internationalisierung).
Sinnvoll erscheint es vor diesem Hintergrund, Geschäftsmodelle
anhand des jeweiligen Gliedes der Wertschöpfungskette einzuteilen, das vom Grosshandel bedient wird. Darunter fallen
die Kundengruppen Gewerbe, Industrie, Gastronomie/Grossverbraucher, Einzelhandel/Apotheken sowie Lieferanten.
Darauf aufbauend und bezogen auf die einzelnen Leistungsbereiche – Beschaffung, Logistik, Marketing und Be-/Verarbeitung – lassen sich einige zukunftsträchtige Modelle ableiten.
16
UBS outlook – Grosshandel
UBS outlook – Grosshandel
17
Wertschöpfung
Ihr Zuschnitt und ihre Definition gehen auf eine breit angelegte
Studie des «Instituts für Handel und Internationales Marketing»
der Universität des Saarlandes zurück, die 2006/07 in Zusammenarbeit mit der SAP AG, dem «Bundesverband des Grossund Aussenhandels» (BGA) und dem «Zentralverband Gewerblicher Verbundgruppen» (ZGV) in Deutschland und den USA
durchgeführt wurde. Ihre Erkenntnisse lassen sich auch auf
die Schweiz übertragen. Um Missverständnissen mit der einschlägigen Fachliteratur zu begegnen, werden im Text und
in den Abbildungen die Bezeichnungen verwendet, die das
Universitätsinstitut bestimmt hat (Abb. 7).
Ausschliesslich auf den Einzelhandel konzentriert sich demgegenüber der «Service Merchandiser». Dessen Kunden
erwarten ansprechend präsentierte Ware und ein auf die Lage
des Geschäfts abgestimmtes Sortiment. Der Einzelhändler selbst
fordert darüber hinaus eine rasche und vollständige Verfügbarkeit des Angebots.
Hier setzt das Geschäftsmodell an: Das Grosshandelsunternehmen
vertreibt nicht einzelne Produkte an seine Kunden, sondern
stattet sie mit einem kompletten System aus, einschliesslich
des Materials, das für Marketing und Absatz benötigt wird.
Es muss ihm gelingen, sein Angebot jederzeit an die individuellen
Bedürfnisse des Einzelhändlers anzupassen. Sein Ziel reicht aber
Schauen wir uns die Geschäftsmodelle jetzt der Reihe nach an.
weiter, es will die Verantwortung für das Füllen der Regale
und den Absatz der Ware exklusiv übernehmen. Das setzt hohe
Versorgungskonzepte und komplette Systeme:
Kompetenz in Logistik und Versorgung voraus und sehr gute
Die Modelle «MRO Provider» und «Service Merchandiser»
Kenntnis situationsgerechter Massnahmen zur Verkaufsförderung
Dienstleistungen aus einer Hand für die Versorgung mit Teilen
für Wartung, Reparatur und Betrieb bietet der sogenannte «MRO und Flexibilität.
Provider» an. Die englische Abkürzung steht für «Maintenance,
Repair, Operation». Das Angebot richtet sich an IndustrieKooperation, Arbeitsteilung, Systemführung:
und Gewerbebetriebe, die ihre Prozesskosten deutlich senken
Das Modell «Systemkopf»
können, insbesondere wenn C-Teile* und andere Produkte
In vielen Gewerbebetrieben, vor allem in kleineren, ist es
des «MRO»-Leistungsspektrums zu beschaffen sind.
aufgrund mangelnder Ressourcen üblich, dass Chefs direkt
in der Produktion mitarbeiten. Äusseres Kennzeichen dafür
Beispiel Automobilindustrie: Nachts erhält der Grosshändler
ist die eher produktionsgetriebene Geschäftspolitik.
die Nachricht, welche Teile am nächsten Tag am Montageband
Überfordert sind derartige Betriebe oft, wenn es darum geht,
benötigt werden. Er muss in der Lage sein, die Ware rasch
ihre Produkte zu vermarkten, entsprechende Aktionen zu planen
zu verteilen und wirtschaftlich zu kommissionieren.
und umzusetzen und sich ein Profil zu geben, das auf
Vielleicht hat er auch die komplette Lagerhaltung übernommen, die Erwartungen des Endverbrauchers zielt und sich von
und möglicherweise ist die Ware, die ans Band geliefert wird,
der Konkurrenz abhebt.
sein Eigentum. Abgerechnet wird nach Verbrauch.
In diesem Fall bieten sich Kooperationen mit anderen GewerbeDer Erfolg des Geschäftsmodells beruht neben gegenseitigem
betrieben an, die über die vertikalen Stufen der WertschöpfungsVertrauen auf der zuverlässigen und pünktlichen Versorgung
kette zusammenarbeiten. Die zentrale Rolle in diesem Gefüge
der Industrie- und Gewerbebetriebe mit der vereinbarten Ware.
übernimmt das Grosshandelsunternehmen. Es bildet den Kopf
Abb. 7: Moderne Geschäftsmodelle in der Wertschöpfungskette
Einzelhandel /
Apotheken
Gastronomie/
Grossverbraucher
Industrie
Distributor
Marketing/Vertrieb
Systemkopf
Distributor/
After-Sales
Service Provider
Modul-Lieferant
Modul-Lieferant
Be- und Verarbeitung
down-stream
(kundengerichtet)
Quelle: Institut für Handel und Internationales Marketing der Universität des Saarlandes
UBS outlook – Grosshandel
Branchenspezialist
Systemkopf
Distributor/
After-Sales
Service Provider
up-stream
(lieferantengerichtet)
MRO Provider
Branchenspezialist
Branchenspezialist
Service Merchandiser
Logistik
18
Gewerbe
(Global) Sourcer
Beschaffung
MRO Provider
Leistungsbereiche
Kunden
Lieferanten
Branchenspezialist
Wertschöpfungspartner
Wertschöpfung
«In einer Verbundgruppe
ergänzen sich die individuelle
Stärke des einzelnen Unternehmens und die vereinigten
Kräe, die durch Zusammenarbeit entstehen.»
Peter Stöhr
Geschäftsleiter, Häuselmann Holding GmbH
eines Systems für die rechtlich weiterhin selbständigen Gewerbebetriebe. Seine Hauptaufgabe besteht darin, langfristige
Rahmenvereinbarungen zu treffen, die die gegenseitig
erbrachten Leistungen regeln.
Grosshandelsbetriebe, die das Geschäftsmodell «Systemkopf»
verfolgen, sind bestrebt, ihre Kunden vielfältig zu entlasten,
zum Beispiel bei der Beschaffung der Ware, der individuellen
Einteilung des Sortiments und damit möglicherweise verbundener Dienstleistungen für den Endkunden. Das erprobte Knowhow in Werbung und Verkauf fliesst in ein gemeinsames Marketingkonzept sowie in Aufbau und Pflege einer einheitlichen
Marke ein, die Eigentum des Grosshandelsunternehmens bleibt.
Ihre Leistungen erbringen die Grosshandelsfirmen nicht allein
gegenüber den angeschlossenen Gewerbebetrieben, sondern,
zumindest teilweise, im Namen der Gemeinschaft auch gegenüber dem Endverbraucher.
Brücke zwischen Inlands- und Auslandsmärkten:
Das Modell «Global Sourcer»
Die Bezeichnung des Geschäftsmodells «Global Sourcer» lässt
auf die fortschreitende Internationalisierung der Wirtschaft
schliessen, die wir im vorausgehenden Kapitel beschrieben haben
(ab Seite 12). Die Leistungen kommen in erster Linie kleineren
Unternehmen des Gewerbes zugute, aber auch der Industrie,
der Gastronomie oder des Handels – grundsätzlich Betrieben,
die regional oder lokal etabliert sind. Wegen ihrer geringen
Grösse, oft knapper Ressourcen oder fehlenden Know-hows
sind sie aber auf den Grosshandel angewiesen, um an das
attraktive Warenangebot nationaler und internationaler Märkte
heranzukommen.
Güterquellen zu erschliessen, das ist das geeignete Geschäftsmodell für Grosshandelsunternehmen, die die Basisfunktion
der Beschaffung zur Vollendung führen. Sie agieren als Pioniere
auf den Weltmärkten mit dem Ziel, unbekannte Produkte für den
inländischen Bedarf zu entdecken. Sie greifen internationale
Trends auf, machen sie ihren Kunden auf den Heimmärkten
zugänglich, sie stellen die gewünschten Sortimente zusammen
und halten sie instand.
Übergeordnet verfolgen sie das Ziel, Sortimente fortwährend
zu erneuern und zu verbessern. Sie erzeugen Mehrwert –
zum Beispiel durch innovative Produkte und bis dato unbeachtete Lieferanten. Durch die regionale Aufteilung ihrer Beschaffungsquellen vermeiden oder verringern sie Lieferengpässe,
sie gleichen saisonale Schwankungen in Wert und Menge aus,
steigern die Qualität, erzielen günstigere Preise und erreichen
bessere Konditionen für den Einkauf.
Markterschliessung, Akquisition, Kundenpflege:
Das Modell «Distributor»
Das Geschäftsmodell «Distributor» knüpft im Zeitalter der Internationalisierung an die klassische Grosshandelsfunktion
des Maklers oder Mittlers zwischen Hersteller und Abnehmer an.
Den Detaillisten oder Industrie- und Handelsunternehmen
versorgt der Grosshandelsbetrieb mit Erzeugnissen aus dem
von ihm gebildeten Sortiment. Gleichzeitig profiliert er sich
gegenüber Lieferanten nicht allein als zuverlässiger Warenverteiler, sondern als jemand, der die Markterschliessung strategisch betreibt, Kunden systematisch akquiriert und pflegt.
Genau darin, in der Akquisition, liegt der Kern des Modells.
Vermag sich das Grosshandelsunternehmen diesbezüglich nicht
zu bewähren, droht ihm die Gefahr, seine Aufgaben an
die Konkurrenz, an reine Logistiker oder an den Hersteller selbst
zu verlieren. Umgekehrt resultiert im Erfolgsfall häufig eine
langfristige Zusammenarbeit insbesondere mit ausländischen
Herstellern, die Vermarktungsrechte für bestimmte Gebiete
über einen langen Zeitraum exklusiv vergeben. Eine lohnende
Aufgabe, deren Erfüllung allerdings auch erhebliche Investitionen
voraussetzt – in Sachkapital sowie in die kontinuierliche Ausund Weiterbildung der Beschäftigten.
Eine Sonderform dieses Geschäftsmodells wird als «After-Sales
Service Provider» bezeichnet. Für in- und ausländische Herstellerfirmen übernimmt der Grosshandelsbetrieb Aufgaben der Marktbearbeitung, spezialisiert sich mit seinen Dienstleistungen aber
auf den Zeitpunkt nach dem Kauf («after sales»). Er übernimmt
Wartung, Inspektion und Reparatur an den gehandelten Erzeugnissen, hält ihre Funktionstüchtigkeit aufrecht, stellt Ersatzteile
bereit und regelt Garantieansprüche. Kunden verlangen hauptsächlich Tempo beim Ersatzteilservice und Sorgfalt bei Reparaturen. Eine hohe Distributionsdichte und die damit verbundenen
logistischen Vorteile erleichtern es, die Aufgabe zu erfüllen.
Kerngeschäft Logistik:
Das Modell «Branchenspezialist»
Mit dem «Branchenspezialisten» begegnen wir einem weiteren
Geschäftsmodell, in dem sich eine originäre Funktion des Grosshandels widerspiegelt, der Logistik. Als zentrales Kennzeichen
kommt das Angebot eines vollständigen Sortiments hinzu.
Wirtschaftliche Disposition, rasche Verfügbarkeit der Ware,
UBS outlook – Grosshandel
19
Wertschöpfung
hohes Tempo bei der Lieferung und unbedingte Termintreue
zeichnen das Grosshandelsunternehmen aus, das sich für dieses
Modell entscheidet. Vornehmlich bedient es Kunden aus Handel
und Gewerbe, deren Warenbedarf stark schwankt und über
automatisierte Abläufe, beispielsweise Kanbansysteme*, kaum
abgewickelt werden kann.
Im Gegensatz zu den übrigen Geschäftsmodellen konzentriert
sich der «Branchenspezialist» nicht auf bestimmte Kompetenzen
oder Tätigkeiten. Er profiliert sich, indem er branchenrelevante
Leistungen erbringt und Lösungen professionell herbeiführt.
Bezogen auf die Fülle denkbarer Funktionen des Grosshandels
zeigt sich der «Branchenspezialist» als Multispezialist.
Brennpunkt Netzwerksteuerung und -verwaltung:
Das integrierte Modell «Value Net Integrator»
Ob Angebot oder Nachfrage, ob Eigenleistung oder Fremdleistung, ob vertikal oder horizontal, ob Grosshandel oder Einzelhandel, ob Dienstleister oder Hersteller: Von Zeit zu Zeit müssen
Rollen überdacht und Funktionen überprüft werden – in anderen
Zusammenhängen, auf anderen Ebenen.
Kurier- oder Paketdienste, wie UPS oder DHL, treten, indem sie
eine Dienstleistung erbringen, einerseits als Hersteller auf,
andererseits als Direktverkäufer, denn sie beliefern Endkunden.
Richten sie über Konzessionen Annahme- und Abholstellen
ein, öffnen sie zusätzlich einen Absatzkanal.
Ähnliches gilt für Verbundgruppen. Ein Beispiel aus der Schweiz:
Zunächst vier, später fünf kleinere mittelständische Betriebe
des Metall- und Stahlhandels haben sich in der «metal4you AG»
zusammengeschlossen – alle landesweit tätige Familienbetriebe
vergleichbarer Grösse und Kultur, aber mit unterschiedlichem
Warenangebot. Die Partner verfolgen gemeinsame Interessen
in Logistik und Verkauf sowie im Austausch von Know-how.
Sie sind aber selbständig geblieben und wickeln nur einen Teil
ihres Umsatzes über die Verbundgruppe ab, die von einem
Das Geschäftsmodell «Modul-Lieferant» unterscheidet zwei
Geschäftsführer mit zwei Assistenten gesteuert wird und mehr
Varianten – entweder wird die Leistung «autonom» erbracht,
als zwanzigtausend Artikel verfügbar hält. Die für den Kunden
ausgerichtet auf die zu erwartenden Bedürfnisse eines anowichtige technische Beratung verbleibt in den Partnerunternymen Marktes, oder sie erfolgt «individuell», exakt nach den
Wünschen eines bestimmten Kunden. Vor allem in dieser zweiten nehmen.
Variante wird die Kundenbindung gestärkt und das eigene Profil
Ausgangspunkt des Zusammengehens war, Geld zu sparen –
gegenüber der Konkurrenz geschärft.
nicht durch Personalabbau, sondern durch frische Ideen.
Wegen zu geringer Volumina lassen sich im Metall- und StahlNicht zwangsläufig führt das Grosshandelsunternehmen
handel in der Schweiz über die Menge keine Kostenvorteile
die Leistungen selbst durch, die es anbietet. Es prüft, was es
erzielen. Blieb, das Angebot an Dienstleistungen zu verbessern
aufgrund der vorhandenen Kompetenz selbst zu leisten
und Betriebsabläufe zu straffen. Die damit verbundenen Invesvermag oder was es anderswo erwerben muss.
titionen in Infrastruktur und Informationstechnologie hätten
jeden einzelnen Partner allerdings überfordert. Die ursprüngliche
Das grösste Plus dieses Modells liegt für den «Modul-LiefeIdee der Gründer begann sich auszuzahlen: Einzeln sind wir
ranten» darin, die gesamte Wertschöpfungskette aktiv
stark, gemeinsam sind wir stärker, lautete das Motto – ein Modell,
zu beeinflussen, die Leistungen der Be- und Verarbeitung
das sowohl national als auch kontinental oder weltweit
unter sämtlichen Partnern abzustimmen und unter ihnen
funktionieren kann.
letztlich den Ton anzugeben.
Verarbeitung und Veredelung:
Das Modell «Modul-Lieferant»
Durch die (Rück-)Besinnung der Kunden des Grosshandels
auf ihre Kernkompetenzen ergeben sich Wachstumschancen
für Grosshandelsbetriebe. Beispielsweise übernehmen sie
von Zulieferern oder Kunden die Aufgabe, Produkte zu bearbeiten oder zu veredeln.
Abb. 8: Geschäftsaufbau eines «Herstellers ohne Produktion»
(schematische Darstellung)
Auftragsproduzenten
Unsere These
Wertschöpfungsketten werden künftig
als flexible Netzwerke von mächtigen
Unternehmen gesteuert – mit Vorteilen
für den Grosshandel, der, historisch
gesehen, bereits eine Netzwerkfunktion
innehat.
«Markenhersteller»
selbständiger
Fachhandel
Fachgeschäfte
mit Produkten
mehrerer
Marken
gebundener Fachhandel
Fachgeschäfte
mit Produkten
einer einzelnen
Marke
Fabrikverkauf
Elektronischer
Handel
Factory Outlet
Quelle: Institut für Handel und Internationales Marketing der Universität des Saarlandes
20
UBS outlook – Grosshandel
Internet
Wertschöpfung
Noch einen Schritt weiter weist die Entwicklung von Firmen,
die als Hersteller wahrgenommen werden, es aber gar nicht
mehr sind. Führende Sportartikelmarken, etwa Nike oder Adidas,
zählen zu dieser Kategorie. Ihre ursprüngliche Funktion des
Herstellers haben sie an Vorlieferanten abgegeben – die Fachsprache bezeichnet sie als «Hersteller ohne Produktion».
Ihre Kompetenzen haben sie auf andere Glieder der Wertschöpfungskette verlagert, hauptsächlich auf Forschung und Entwicklung, Markenführung und Absatz, wo vier Kanäle benutzt
werden: der herkömmliche Fachhandel, eigene Verkaufspunkte,
der Werkverkauf und das Internet, dessen Einfluss auf den Grosshandel im nächsten Kapitel (ab Seite 22) diskutiert wird.
Derartige Konzerne zählen zu den ersten, die sich etabliert haben
und dem Modell letztlich auch den Namen gaben (Abb. 8).
Als Grosshändler, nicht als Hersteller, haben sie den Kampf
um die Dominanz in der Wertschöpfungskette früh aufgenommen. Indem Unternehmen auf der Angebotsseite eine
derartige Steuerungs- und Kontrollfunktion ausüben und sie
mit einer ähnlich einflussreichen Position auf der Nachfrageseite
verbinden, übernehmen sie die Rolle eines «Netzwerk-Managers». Im Brennpunkt des Geschehens koordiniert er sämtliche
Schritte der Wertschöpfungskette. Von der Produktion bis zum
Verkauf an den Endverbraucher steuert und führt er ein Netz
aus Herstellern, Zulieferern und Einzelhändlern. Wohlgemerkt:
Er steuert und führt sie, aber er übernimmt bei weitem nicht
alle Schritte der Wertschöpfung selbst. Vielmehr knüpft er neue
Verbindungen, pflegt bestehende oder baut sie aus. Er bewegt
sich wie die Spinne im Netz (Abb. 9).
In der Praxis ist folgende Konstellation denkbar: Ein Handelsund Dienstleistungsunternehmen mit Sitz in der Schweiz
ist europaweit tätig. Ursprünglich im klassischen Grosshandel
zuhause, etabliert es sich auf verschiedenen Wertschöpfungsebenen. In mehreren Ländern führt es Einzelhandelsketten,
es erreicht den Endkunden zudem über den Versandhandel
eines Internetportals und verfügt im Rahmen eines «Franchise»Systems* über einen weiteren Absatzkanal.
Abb. 9: Funktionen eines «Netzwerk-Managers»
(schematische Darstellung)
Einzel- Endverbraucher
Endverbraucher
handel
Logistikdienstleistungen
Einzelhandel
Assembler
Service-Merchandiser
Modul-Lieferant
Einzelhandel
Endverbraucher
Grosshandel
Hersteller
Store Operator
Finanzdienstleistungen
(Global) Sourcer
MRO Provider
Hersteller
Hersteller
Hersteller Fernost
IT-Hosting
Industriekunde
Quelle: Institut für Handel und Internationales Marketing der Universität des Saarlandes
Handwerker
Auf die Angebotsseite der Wertschöpfungskette nimmt das
Unternehmen mit einem Steuerungs- und Informationssystem
für Lieferanten Einfluss. In seinem Heimmarkt ist es zudem
mit einer Eigenmarke vertreten. Über gesonderte Geschäftsbereiche bietet es zahlreiche Dienstleistungen für Hersteller an,
darunter Transportlogistik und Lagerverwaltung oder
die Entwicklung von Vertriebs- und Marketinglösungen.
Fassen wir die vier hauptsächlichen Merkmale dieses integrierten
Geschäftsmodells zusammen: Das Unternehmen steuert ein
GMFYJCMFT/FU[XFSLFYUFSOFS1BSUOFSBOHFCPUTXJFOBDIGSBHF
seitig übt es weitgehende Kontrolle über die WertschöpfungsLFUUFBVTFTCFUSFJCUQBSBMMFMWFSTDIJFEFOF(FTDIÊGUTNPEFMMF
gegenüber Lieferanten und Abnehmern, und, unabhängig
vom Warengeschäft, offeriert es Dienstleistungen.
Die mit einem «*» gekennzeichneten Fachbegriffe werden im Glossar
ab Seite 38 erläutert.
Weiterführende Informationen
t )àGGFS(VJEP%JFOTUMFJTUVOHTPSJFOUJFSVOHVOE%JFOTU
leistungstypen im Grosshandel – eine empirische Analyse
am Beispiel des Produktionsverbindungshandels*,
Hamburg, 2007
t 5JFU[#SVOP(SFJQM&SJDI%BT-FJTUVOHTQSPåMEFT(SPTTIBOdels in Bayern – eine Struktur- und Funktionsanalyse unter
besonderer Berücksichtigung der Dienstleistungsbereiche,
München, 1994
t ;FOUFT+PBDIJN)àGGFS(VJEP1PDTBZ4BOESB$IBWJF3JDL
Innovative Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse
im Grosshandel, Frankfurt am Main, 2007
t ;FOUFT+PBDIJN)STH
'BT[JOBUJPO)BOEFMo+BISF
Saarbrücker Handelsforschung, mit Beiträgen von Christine
Arend-Fuchs, Anton Felder, Gerd Grünenwald, Joachim
Körber, Henning Kreke, Thomas Middelhoff und anderen,
Frankfurt am Main, 2007
t ;FOUFT+PBDIJN.PSTDIFUU%JSL%JTJOUFSNFEJBUJPO
in Wertschöpfungsketten – eine transaktionskostentheoretische Analyse der Ausschaltungsgefahr für den GrossIBOEFMJOj4DIVDLFM.BSDVT5PQPSPXTLJ8BMEFNBS)STH
‹Theoretische Fundierung und praktische Relevanz der
Handelsforschung – Festschrift für Prof. Dr. Lothar MüllerHagedorn, S. 507–528›», Wiesbaden, 2007
t *OTUJUVUGàS)BOEFMVOE*OUFSOBUJPOBMFT.BSLFUJOH)*.B
www.hima.uni-saarland.de
t #VOEFTWFSCBOEEFT%FVUTDIFO(SPTTVOE"VTTFOIBOEFMT
(BGA) e.V.: www.bga.de
t &VSPDPNNFSDFo5IF3FUBJM8IPMFTBMFBOE*OUFSOBUJPOBM
Trade Representation to the EU: www.eurocommerce.be
UBS outlook – Grosshandel
21
Technologie
«Online» oder «offline» –
der Einfluss elektronischer
Netzwerke
Gemessen an den Erwartungen vor etwa
zehn Jahren fällt die Bedeutung elektronischer Netzwerke für den Grosshandel
im Herbst 2008 zwiespältig aus. Damalige
Einschätzungen reichten von explosionsartigen Wachstumsszenarien bis hin zu
einem kompletten Austausch des Grosshandels durch Hersteller und Endverbraucher, die ihre Geschäfte direkt miteinander
abwickeln. Beide Annahmen wurden
widerlegt. Die Einbindung des Internets
in Betriebsabläufe hat zwar zugenommen,
aber bei weitem nicht so stark wie seinerzeit angenommen. Und: Noch immer
schätzen etliche Grosshandelsfirmen
die Bedeutung des Faxgeräts etwa doppelt
so hoch ein wie diejenige des Internets …
Eher schleichend machen sich die Auswirkungen elektronischer
Vernetzung im Grosshandel bemerkbar. Einen höheren Einfluss
prognostizieren in Deutschland aber immerhin 78 Prozent
der Grosshändler. Jedoch empfinden sie diese Entwicklung eher
als bedrohlich, denn als gewinnbringend. Je nach Branche
befürchten bis zu 80 Prozent der Befragten steigenden Konkurrenzdruck. Knapp die Hälfte erwartet, der persönliche Kontakt
zum Kunden – einer ihrer Wettbewerbsvorteile – gehe durch
das Internet verloren, und jeder Sechste bangt sogar um seine
Existenz. Insgesamt bewertet der Grosshandel Konkurrenz
infolge des Internets als grösste Herausforderung der Zukunft.
Das ergab eine Umfrage des «Instituts für Handel und Internationales Marketing», Saarbrücken. Selbst wenn sich
die Erhebung auf Deutschland beschränkt, treffen die Ergebnisse
nach Angaben des Instituts zumindest in der Tendenz auch
auf die Schweiz zu.
Was könnten Gründe für die Zurückhaltung von Grosshändlern
sein, elektronische Netzwerke stärker in Geschäftsabläufe
einzubeziehen?
Vielfach wird das Internet als anonymer Marktplatz betrachtet,
in dem persönliche Kundenbeziehungen leiden – ein gewichtiges
(Gegen-)Argument gerade für kleinere, regional tätige Grosshändler. Kein Zweifel, durch das Internet lassen sich Angebote
besser vergleichen, selbst über geografische Grenzen hinweg.
Die Transparenz nimmt zu, offerieren nun auch Hersteller Waren
und Dienstleistungen zu teilweise günstigeren Konditionen und
Preisen, und Preise sind einfach zu vergleichen.
Unsere These
Das Internet kommt: Wenn Grosshändler
nicht selbst aktiv werden, tun es andere
für sie.
22
UBS outlook – Grosshandel
Aber es besteht eine viel grössere Gefahr – nämlich diejenige,
sich heraufziehenden Entwicklungen zu verschliessen
und von der Konkurrenz tatsächlich abgehängt zu werden.
UBS outlook – Grosshandel
23
Technologie
Produkte über das Internet: Gefahr oder …
Immer weniger präsentiert sich der Grosshandel als Stufe
in einem festen Distributionssystem. In einem losen virtuellen
Netzwerk erarbeitet er mit Lieferanten, Kunden, Dienstleistern
und Logistikern übergreifende Lösungen. Ziel ist es, über
mehrere Ebenen der Wertschöpfungskette hinweg Leistungen
zu erbringen, die sich stärker als gewohnt an den Bedürfnissen
des Endverbrauchers orientieren. Leistungen, die über die Warenverteilung hinausgehen und sich zunehmend auf die Vor- und
Nachkaufphase erstrecken. Mit Hilfe elektronischer Netzwerke
verbessert sich das Kosten-Nutzen-Verhältnis spürbar.
Gewinnen kann das Internet immer dann, wenn es seine Stärken
ausspielt: zu jeder Tageszeit an beinahe jedem Ort der Welt
zu erreichen, interaktiv, individuell einzurichten («my …»)
und schnell. Nehmen wir ein Beispiel aus dem Gewerbe,
typische Kunden des Grosshandels, wo sich führende europäische Hersteller der Elektroinstallationstechnik auf
einer gemeinsamen Plattform zusammengefunden haben.
Die Elektrotechniker haben einen Rat von Fachleuten gebildet,
die Elektroinstallateuren zeitnah Fragen beantworten,
zum Beispiel zu Einbau- und Montageproblemen. Sie verweisen
auf Quellen, wo der Handwerker die Lösung des Problems
präzise beschrieben findet. Auch «Online»-Schulungen und
Vorführungen neuer Produkte werden angeboten. Zudem informiert ein Katalog detailliert über die Produkte der Hersteller,
auf deren Internetangebot von der Plattform aus zugegriffen
werden kann. Es besteht die Möglichkeit, Offerten einzuholen
und Teile des Sortiments aus dem Verkaufskatalog zu bestellen.
Selbst wenn über die Plattform nicht direkt verkauft wird, ist
doch der erste Schritt getan, auf Zwischenstufen zu verzichten.
Laut der eingangs erwähnten Umfrage des «Instituts für Handel
und Internationales Marketing» befürchten über 20 Prozent der
Betriebe im Elektrogrosshandel und in der Haustechnik, von
Lieferanten ausgeschaltet zu werden – allein durch den Einsatz
der Informationstechnologie, eine Einschätzung, die von der
Mehrzahl der Grosshandelsunternehmen aller Branchen geteilt
wird. Ein Trend, den 42 Prozent der Befragten auf Kundenseite
ebenfalls beobachten, Tendenz steigend.
… ein Schritt nach vorn?
Gegenläufige Entwicklungen existieren ebenfalls. Und nicht
zu knapp, wie eine Studie des «E-Commerce*-Center Handel»
der Universität Köln belegt. Danach verkaufte bereits 2005
rund ein Viertel der Grosshandelsbetriebe Produkte oder Dienstleistungen über das Internet. 35 Prozent von ihnen erwirtschafteten zwischen 5 Prozent und 25 Prozent ihres Umsatzes
«online». Bei 14 Prozent der Befragten betrug der «Online»Anteil am Gesamtumsatz sogar über 25 Prozent. Das zeigt,
der elektronische Absatzkanal hat sich für bestimmte Unternehmen und Branchen zu einem wichtigen Standbein
ihres Geschäfts entwickelt. Die Schätzung für 2006 verzeichnete
einen spürbaren Wachstumstrend bei denjenigen Grosshandelsfirmen, die das Internet konsequent in ihr Betriebskonzept
integriert haben. Sie erzielen substantielle Erlöse.
24
UBS outlook – Grosshandel
Technologie
Für welche Branchen ist das Internet besonders interessant?
Den stärksten Umsatzanteil bei Endverbrauchern verbuchen
Produkte, die «online» unmittelbar verfügbar sind: Flugtickets
und Eintrittskarten, Bankdienstleistungen und Informationen
jeder Art. Lebensmittel werden dagegen am wenigsten nachgefragt, wobei Ausnahmen die Regel bestätigen. Stimmt das
Konzept, lässt sich Nachfrage erzeugen und Gewinn erzielen.
Beispiel: «Le Shop», an dem die Migros beteiligt ist, oder
«coop@home». Selbst Schmuck, bei Endkunden nach Lebensmitteln am schwächsten gefragt, lässt sich im Internet erfolgreich
verkaufen (Abb. 10).
Ein Schmuckhändler liefert den Beweis. Er verfolgte den umgekehrten Weg. Zuerst betrieb das Unternehmen erfolgreich zwei
Internetportale: eines für Grosshandelskunden, eines für Endverbraucher. Erst danach eröffnete es ein Ladengeschäft unter
derselben Marke, dem weitere folgten. Sortiment und Informationsangebot, Image und Marketingkompetenz beider Vertriebswege ergänzen sich jetzt.
«Das Internet ist nicht nur eine
Verkabelung von Informationen
oder Güterströmen oder datenbasierten Fakten – es ist auch
ein Mittel, um schwer erreichbare Zielgruppen anzusprechen.»
Oliver Emrich
Leiter Kompetenzzentrum E-Commerce,
Universität St. Gallen
Abb. 10: Konsumenten nutzen unterschiedliche Verkaufskanäle
Ich kaufe die folgenden Produkte am liebsten …
Lebensmittel
Schmuck
Körperpflege
Parfüm, Kosmetika
Blumen
Bekleidung
Geschenkartikel
Elektrogeräte
Bahnbillette
Second-Hand-Produkte (von Privat)
Technische Geräte (Hardware)
Bücher
Videos/DVDs
Musiktitel/CDs
Software
Ferienreisen
Bankdienstleistungen
Informationen
Eintrittsbillette
Flugtickets
0%
(N = 1054)
(N = 1017)
(N = 1042)
(N = 1039)
(N = 1034)
(N = 1058)
(N = 1047)
(N = 1044)
(N = 1035)
(N = 898)
(N = 980)
(N = 1055)
(N = 1024)
(N = 1048)
(N = 981)
(N = 1022)
(N = 1035)
(N = 984)
(N = 1038)
(N = 1026)
… in einer Verkaufsstelle (fester Standort)
25%
50%
75%
92,5%
92,5%
92,4%
91,6%
86,1%
81,4%
76,6%
75,6%
69,6%
69,4%
63,3%
62,5%
61,2%
55,9%
55,6%
48,0%
46,3%
39,2%
38,6%
36,0%
… über das Internet
… mal im Geschäft, mal im Internet (situativ)
100%
1,6%
1,4%
1,4%
1,2%
3,4%
2,4%
2,2%
5,6%
13,5%
15,5%
18,0%
12,6%
15,9%
20,9%
22,5%
25,6%
35,1%
34,0%
29,2%
40,8%
5,8%
5,5%
5,4%
6,8%
10,1%
11,6%
20,2%
18,4%
15,8%
14,7%
18,3%
23,2%
21,7%
22,1%
21,7%
23,3%
18,6%
25,4%
31,7%
21,8%
0,1%
0,6%
0,8%
0,4%
0,5%
4,6%
1,0%
0,5%
1,1%
0,4%
0,5%
1,7%
1,2%
1,0%
0,2%
2,9%
0,1%
1,3%
0,5%
1,4%
… über den Versandkatalog (telefonisch)
Quelle: Gottlieb-Duttweiler-Lehrstuhl für Internationales Handelsmanagement, St. Gallen
UBS outlook – Grosshandel
25
Technologie
Das Netz der unbegrenzten Möglichkeiten –
mit ein paar weiten Maschen
Kreative Grosshandelsunternehmen finden in weltumspannenden elektronischen Netzen tatsächlich ein grenzenloses Spielfeld vor. Und allmählich beginnen etliche von ihnen, es nach
ihren Bedürfnissen zu gestalten. Wachsamkeit ist dennoch
stets ein kluger Ratgeber.
Eigene Informationsangebote besitzt schon die Hälfte der Firmen,
rund ein Viertel kombiniert sie mit dem Verkauf im eigenen
«Online-Shop» und der Betreuung des Kunden nach dem Kauf.
Arbeitsabläufe können auf diese Weise gestrafft und, wichtiger,
die Kundenbindung kann gestärkt werden. Häufiger ergeben
sich darüber hinaus bislang unbekannte, teils überraschende
Formen zur Kooperation oder in der Werbung. Praktiziert
wird beispielsweise das sogenannte Suchmaschinen-Marketing –
eigene «Websites» werden daraufhin optimiert, bei Suchanfragen von Internetnutzern zu einem Geschäftsfeld möglichst
weit oben in der Trefferliste zu landen.
Offene Marktplätze für Geschäftskunden sind eine weitere
Variante, sich im Netz bemerkbar zu machen. Dem «E-Commerce-Center Handel» der Universität Köln zufolge wird
der Anteil der Kunden von 13 Prozent, die auf diese Angebote
zurückgreifen, kontinuierlich wachsen. Unter Grosshandelsunternehmen nutzen 8 Prozent die Möglichkeit, neue Zielgruppen, wie Endverbraucher, kostengünstig für sich
zu gewinnen – neben dem Tagesgeschäft, das unverändert
weiterläuft.
«In einer serviceorientierten
Architektur reduziert sich
der Programmieraufwand
erheblich. Spezielle Werkzeuge
ermöglichen es dem Analytiker,
den Grossteil des Programmcodes selbst zu erzeugen.
Konsequenz: Die Entwicklung
der Soware wird stärker
automatisiert.»
Udo Hannemann
Vice President, SAP AG
Abb. 11: «Online»-Nutzungsmöglichkeiten für den Grosshandel
Online-Kanäle
Beschaffung
bei Lieferanten
Eigene
Informationsplattform
Eigener
Online-Shop
B2BMarktplatz
B2CMarktplatz
Teilnahme
an Kundenplattform
Verbreitung
59%
45%
27%
13%
8%
ca. 6%
Vorteile / Nachteile
+ Prozesskostensenkung
+ Erweiterung
des Lieferantenkreises
– Umstellungskosten
+ Unterstützung des Kaufprozesses
+ erweiterte Service- und Dienstleistungen
+ Kundenbindung
+ Kooperations- und Werbemöglichkeiten
im Internet
– hohe Kosten
Quelle: Gottlieb-Duttweiler-Lehrstuhl für Internationales Handelsmanagement, St. Gallen
26
UBS outlook – Grosshandel
+ Zusatzumsatz
– sehr hohe Kosten
+ Neukundengewinnung
+ neue Märkte/Internationalisierung
+ relativ niedrige Kosten
– Abhängigkeiten von Drittanbietern
– Wettbewerbsintensität
– geringe Kundenbindung
+ im Wettbewerb bleiben
+ Neukundengewinnung
+ Prozesskostensenkung
– Substitutionsgefahr
– hohe Einführungskosten
Technologie
Immer mehr Kunden initiieren elektronische Beschaffungswege
und laden Lieferanten dazu ein, sich daran zu beteiligen.
So können Mitarbeiter direkt von ihrem Arbeitsplatz Ware
bestellen, woraus sich erhebliche Einsparungen ergeben.
Allerdings könnte die Zusammenarbeit schnell einseitig geraten,
wenn der Kunde Effizienzgewinne verbuchen kann, der Lieferant
seine Systeme aber dem technologischen Fortschritt laufend
anpassen muss. Für den Grosshandel entsteht darüber hinaus
die Gefahr, verdrängt zu werden, sollte ein grosser Abnehmer
mehreren Anbietern gegenüberstehen, darunter vor allem
Herstellern (Abb. 11).
«Eine neue EDV-Lösung ist
für jeden KMU-Betrieb
eine bedeutende Investition,
aber sie ist notwendig,
um konkurrenzfähig zu bleiben.
Beleg- und Warenflüsse rationell
umzusetzen und Marktbedürfnisse exakt zu bedienen, setzt
Technologie ‹state-of-the-art›
voraus.»
Ein Schweizer Elektrogrosshändler zeigt, wie es gelingen kann,
sich im Internet selbst in einem Wettbewerbsumfeld mit weitgehend homogenen Produkten zu differenzieren. Sämtliche
Elektrogrosshändler in der Schweiz führen ihre Bestellkataloge
mit einheitlichen Nummern. Blitzschnell – das ist aus Kundensicht
das erfreuliche Resultat – sind Besucher in der Lage, über die
Eingabe der Bestellnummer Preise auf den unterschiedlichen
Vertriebswegen der einzelnen Unternehmen miteinander
Peter J. Grossniklaus
zu vergleichen. Dennoch schafft es der Grosshändler, durch kom- Geschäftsleiter, Bienna Interfloor Sonceboz AG
promisslose Orientierung an Kundenbedürfnissen seine Marktposition im Internet zu behaupten, ohne – anders als einige
Konkurrenten – zu starken Preisnachlässen gezwungen zu sein.
Entscheidend für den Erfolg eines elektronischen Vertriebskanals
ist immer die Geschwindigkeit. Sämtliche Bestellungen über
den «Online-Shop», die den Elektrogrosshändler bis 18.00 Uhr
erreichen, werden über Nacht ausgeliefert. Kommissionierung,
Verpackung, Lieferung – alles papierlos. Mitarbeiter erhalten
Arbeitsaufträge ab Bestelleingang auf ihr mobiles Empfangsgerät. 60 Prozent der Kunden machen von diesem Angebot
Gebrauch. Sie erhalten ihre Ware deutlich schneller als früher.
Vor dem Hintergrund der geschilderten Erfahrungen könnte
das Internet seinen Rückstand gegenüber dem Faxgerät
aufholen – viel früher als mancherorts angenommen.
Die mit einem «*» gekennzeichneten Fachbegriffe werden im Glossar
ab Seite 38 erläutert.
Weiterführende Informationen
t 3VEPMQI5IPNBT&NSJDI0MJWFS,MFJOF,VOEFOHSVQQFO
richtig ansprechen, in: «io new management»,
Heft 6, Juni 2008
t 3VEPMQI5IPNBT.FJTF/JLMBT&NSJDI0MJWFS
Der Schweizer Online-Handel – Internetnutzung Schweiz
2007, St. Gallen: «Thexis», 2007
t *OGPSNBUJPOTQPSUBMEFTj&$PNNFSDF$FOUFS)BOEFMx
der Universität Köln: www.ecc-handel.de
t *OGPSNBUJPOTQPSUBMEFS'BDIIPDITDIVMF/PSEXFTUTDIXFJ[
http://de.experience-online.ch
t (PUUMJFC%VUUXFJMFS-FISTUVIMGàS*OUFSOBUJPOBMFT
Handelsmanagement an der Universität St. Gallen:
http://gd-lehrstuhl.imh.unisg.ch
UBS outlook – Grosshandel
27
Finanzen
Finanzgeschäe – keine
Lösungen «von der Stange»
Wie wir gesehen haben, ist der Grosshandel ein sehr heterogener Wirtschaftszweig. Einheitliche Abläufe, Strukturen
oder Charakteristika gibt es nicht,
lediglich ein paar Gemeinsamkeiten,
etwa die hohe Kapitalbindung im Umlaufvermögen, die vergleichsweise niedrige
Umsatzrendite oder die internationalen
Verflechtungen. Das Geschäft selbst trägt
die Handschrift von Unternehmern,
die ihre Firma unverwechselbar im Markt
verankern und das Einmaleins
des Umgangs mit Risiken beherrschen.
Grosshandelsunternehmen unterscheiden sich durch ihre
Stellung in der Wertschöpfungskette, die Art der Waren,
mit denen sie Handel treiben, und die Regionen der Welt,
wo sie diese Waren einkaufen oder absetzen. Verschieden ist
zudem der Kern des Geschäfts: hier der Logistiker, dort der
Warenspezialist – hier der Financier, dort der Dienstleister.
Die Erwartungen dieser Firmen an eine Bank, um ihre Geschäfte
zu finanzieren und abzusichern, könnten unterschiedlicher
nicht sein.
Funktionsbedingt geht der Grosshandel mit einer Fülle von
Risiken um, die sich anhand einer einfachen Bilanz und Erfolgsrechnung übersichtlich darstellen lassen. Vorausgesetzt,
die Risiken sind erkannt, ihr Ausmass ist bestimmt und,
im Idealfall, mit einem Preis versehen, öffnen sich für die Firmen
in der Regel Gelegenheiten zur Ausweitung des Geschäfts.
Hinzu kommen unternehmerische Risiken, die sich nicht direkt
einer Bilanzposition zuordnen lassen (Abb. 12).
Risiken fest im Blick
Ein Unternehmer, der umsichtig handelt, hat sich bewusst
entschieden, wie er Risiken ermittelt, sie verteilt, wer sie überwacht, in welchen Abständen die regelmässige Überprüfung
erfolgt und in welchem Rhythmus er zeitlich und inhaltlich
über die Ergebnisse informiert wird. Vorausgegangen sind gründliche Überlegungen zu seiner persönlichen Eignung, Risiken
zu erkennen, ihr Ausmass zu bestimmen, sie zu bewerten und
einzuschätzen. Vor diesem Hintergrund entwickelt der Eigentümer sein Geschäftsmodell und ermittelt den Finanzierungsbedarf für seine Gesellschaft. Er hat erkannt: Seine Fähigkeit
und die Bereitschaft, Risiken kalkuliert einzugehen, können
seinem Geschäft Impulse verleihen.
Unsere These
Der Wert einer Firma, gerade im Handel,
bemisst sich oft nach der Persönlichkeit
des Eigentümers oder Unternehmers
und dem Geschäftsmodell, mit dem er
sich dem Wettbewerb stellt.
28
UBS outlook – Grosshandel
Finanzen
UBS outlook – Grosshandel
29
Finanzen
Neben strategischen bestehen weitere Risiken, die sich in der
Bilanz niederschlagen können. Dazu zählen Vertragsrisiken
(Wahl der Vertragspartner sowie Inhalt der Verträge),
«Performance»-Risiken beim Lieferanten oder Konzentrationsrisiken bei Einkauf und Absatz. Andere Risiken – beispielsweise
den Preis – kann er auf Handelspartner übertragen, weitere
auf Dritte, etwa Versicherungen oder eine Bank, darunter
Währungs-, Transaktions-, Debitoren- und Sachversicherungsrisiken sowie Lieferverpflichtungen. Die Massnahmen verfolgen
hauptsächlich das Ziel, die Liquidität zu sichern. Sie ist der
Erfolgsfaktor schlechthin, um in einem Geschäft zu bestehen,
das in den nächsten Jahren einen strukturellen und technologischen Wandel beachtlichen Ausmasses durchlaufen wird.
Ein Wandel, der bereits in vollem Gange ist, in einem Geschäft –
«Business-to-Business» –, das konjunkturell zyklisch verläuft,
schnelllebig ist und sich zunehmend internationaler präsentiert.
Hohe Umsätze, tiefe Margen und enormer Konkurrenzdruck
prägen es.
Die «UBS outlook»-Studie «Risikomanagement» geht vertieft
auf diese Aufgabe ein.
➞ www.ubs.com/outlook/risikomanagement
Das Geschäftsmodell zählt
Es sind zwei Dinge, die die Beziehung zwischen Grosshändler
und Geldgeber kennzeichnen: die Verfassung und das Ansehen
des Unternehmens sowie die Kontrolle der Risiken. In diesem
Spannungsfeld ruht die Bonität. Ein Spannungsfeld, das am
einfachsten aufzulösen ist, wenn Kapitalnehmer und Kapitalgeber Risiken gemeinsam beurteilen. Dazu ist es für den Geldgeber wichtig, das Geschäftsmodell zu verstehen.
Kredite, Fremdkapital, werden aus zukünftigen Erträgen zurückbezahlt, und das mündet für den Unternehmer zuerst in Fragen
rund um das Geschäftsmodell: Mit welcher Strategie will ich
mich am Markt behaupten? Wo liegen Eintrittshürden?
Wo Schutzmechanismen? Wie beurteile ich die künftige Marktentwicklung? Welche Variablen gibt es? Will ich mit wenigen
Dienstleistungen oder Produkten eine Nische ausfüllen?
Oder schlage ich die Konkurrenz mit einem breitgefächerten
Angebot aus dem Feld? Wirke ich als Lieferant? Oder erzeuge
ich Mehrwert durch die Veredelung von Produkten? Wo liegen
die Stärken meines Unternehmens? Wo die Schwächen?
Wo erkenne ich Chancen? Wo lauern Gefahren? Wie will ich
der Entwicklung in meinem Handelszweig begegnen? Kann ich
sie beeinflussen? Wie sorge ich personell für Kontinuität
in meiner Gesellschaft? Wie regele ich meine Nachfolge?
Was treibt mich an?
Schlüssig beantwortet, ergibt sich aus diesen Überlegungen
ein Geschäftsmodell, das jeder kritischen Überprüfung standhält.
Die dazu passende Organisationsstruktur verleiht dem Modell
die Transparenz, die ausschlaggebend ist, um Risiken nachvollziehbar zu beurteilen und souverän mit ihnen umzugehen (Abb. 13).
Viele Wege führen zu Liquidität
Kredite aus erwirtschafteten Erträgen – Barmittel oder «Cash» –
und aus der Bewirtschaftung der Kapitalbindung zu tilgen,
gilt als Maxime. Wenden wir uns deshalb den Quellen zu,
aus denen Liquidität gespeist werden kann.
Abb. 12: Die Risiken des Grosshandels
Bilanzposition
Risikokategorie
Debitoren
Zahlungsausfall der Abnehmer
Klumpenrisiken auf der Absatzseite
Finanzierung des eigenen Umlaufvermögens
Indirekte Finanzierung der Abnehmer durch grosszügig gewährte Zahlungsziele
Warenlager
Preisrisiko
Absatzrisiko
Verdorbene Frischwaren
Lagerung, Transport, Qualität, Diebstahl
Anlagevermögen («Fixed Assets»)
Fixkostensockel
Technologierisiken
Kreditoren
Verkürzung der Zahlungsziele durch Lieferanten, zum Beispiel aufgrund der Lieferantenmacht
Klumpenrisiken auf der Beschaffungsseite
Fremdfinanzierung
Kündigung nicht übertragener Kreditlimiten
Zinsrisiko
Eigenkapital
Gefährdung der Existenz wegen zu niedriger Eigenkapitalbasis
Ungenügende Rendite im Verhältnis zum Eignerrisiko («Performance»-Risiko)
Wareneinkauf
Währungsrisiken
Erfüllungsrisiken aus Lieferverträgen
Qualitätssicherung, Qualitätszertifizierungen
Warenertrag
Währungsrisiken
Länderrisiken
Vertragserfüllungsrisiken auf der Abnehmerseite
Quelle: UBS outlook
30
UBS outlook – Grosshandel
Finanzen
«Kredite müssen aus zukünftigen Erträgen zurückbezahlt
werden, liquide Mittel sind
matchentscheidend.»
Ronald Huwyler
Leiter Firmenkunden Zentralschweiz, UBS AG
Naheliegend sind die internen Quellen. Dazu zählen Zahlungsziele von Debitoren und Kreditoren, die Minimierung
der Lagerhaltung und der Verzicht auf Konsignationslager*.
Weiter die Devestition nicht betriebsnotwendiger Immobilien
und ein Verfahren, das in der Schweiz noch eher selten
angewendet wird: der Rückmietverkauf, das «Sale-and-leaseback»* – eine Sonderform des Leasings, bei der ein Gegenstand,
etwa eine Maschine, oder eine Immobilie beispielsweise
einer Leasinggesellschaft verkauft und zur weiteren Nutzung
sofort wieder gemietet wird.
Angewandt bei Investitionen in Infrastruktur und Logistik –
darunter Neubauten, Umzonungen oder Umnutzungen
von Industrieareal –, kann das Modell für beide Seiten attraktiv
sein: für den Eigentümer auch dank möglicher Steuervorteile,
für den Mieter, weil er die hohen Investitionen nicht selbst tragen
muss. Durch den Kaufpreis wird Kapital freigesetzt, die Liquidität
des Unternehmens steigt kurzfristig, es kann das Objekt weiterhin nutzen, die Kennzahlen verbessern und unter Umständen
die Bonität erhöhen.
Bei externen Finanzierungen konzentrieren wir uns auf drei
Quellen: das Verschuldungspotenzial, das sich aus der operativen
Ertragskraft ergibt («Debt Capacity»*), das Nettoumlaufvermögen und eine besondere Form der Absatzfinanzierung,
das «Factoring»*, das in verschiedenen Varianten weltweit
immer höhere Bedeutung erlangt. Diese drei Quellen schliessen
sich in der Praxis gegenseitig aus.
Abb. 13: Die Bedeutung des Geschäftsmodells
für die Kreditsprechung
Unternehmensziel
Strategie und Geschäftsmodell?
Marktanalyse
Kernkompetenzen?
t8BSFO2VBMJUÊUTTQF[JBMJTU
t-PHJTUJLFS
t-BHFSIBMUFS t'JOBODJFS
t%JFOTUMFJTUFS t%JFOTUMFJTUFS&$PNNFSDF
Konkurrenzanalyse
Positionierung
tJN8FUUCFXFSC
tJOEFS8FSUTDIÚQGVOHTLFUUF
tJOEFS,POTPMJEJFSVOH
SWOT-Analyse
Stärken/Schwächen
Chancen/Gefahren
Beurteilung
Quelle: UBS outlook
UBS outlook – Grosshandel
31
Finanzen
Zur Ertragskraft: Getilgt werden Schulden grundsätzlich nicht aus
dem Gewinn, sondern aus dem freien Kapitalfluss einer Firma,
jenen Mitteln, die nach Zahlung von Steuern und notwendigen
Dividenden zur Verfügung stehen. Normalerweise sollten Kredite
innerhalb von fünf bis sieben Jahren zurückgezahlt werden
können, je nach Geschäftsmodell oder Handelszweig sind allerdings auch andere (kürzere) Laufzeiten denkbar. Unabhängig
von der Laufzeit wird die Verschuldungsfähigkeit nicht mehr
an der Substanz einer Gesellschaft gemessen, ihren Aktiva oder
dem Eigenkapital, sondern an der Ertragskraft. Abbildung 14.1
zeigt eine praxisnahe Modellrechnung. Danach wird der Barwert
des freien Kapitalflusses mit einem kalkulatorischen Zinssatz
(nach Steuern) und der Rückzahlungsperiode berechnet.
Daraus ergibt sich die individuelle «Debt Capacity». Das betriebliche Verschuldungspotenzial kann durch werthaltige Ertragsquellen ergänzt werden, zum Beispiel mit Barmittelflüssen
aus nicht betriebsnotwendigen Liegenschaften, die Rendite
abwerfen (Abb. 14.1).
Besonders für Handelsgesellschaften mit einer schmalen Marge
bietet sich an, Liquidität aus der Belehnung des leicht zu verwertenden Nettoumlaufvermögens («Net Working Capital»)
zu beschaffen. Bei dieser Methode werden einzelne Bilanzpositionen mit individuellen Abschlägen belehnt und zusammengezählt. Daraus ergibt sich eine Summe, die für Kredite
in Anspruch genommen werden kann, der sogenannte Bevorschussungsbetrag – eine dynamische Grösse, die regelmässig
an die Entwicklung der Bilanzpositionen angepasst wird
(Abb. 14.2).
Die dritte Möglichkeit ist das «Factoring». Es kann verschiedene
Wertschöpfungsebenen abdecken: nur Finanzierung («Inhouse
Factoring») oder Finanzierung einschliesslich Übernahme von
Risiken und Bewirtschaftung von Forderungen («Full Factoring»
oder «Full Service Factoring»*).
Das «Inhouse Factoring» (oder «Bulk Factoring») ist in der
Schweiz noch eher wenig bekannt, die Bedeutung nimmt aber
kontinuierlich zu.
Hauptsächlich sind es zwei:
Der Unternehmer bezieht von seinem Kapitalgeber lediglich
die Liquidität – für die Kreditversicherung, das Inkasso und
die Debitorenbuchhaltung sorgt er selbst. Bei der stillen Form
des «Inhouse Factoring» weiss der Debitor deshalb nichts
vom Factoring. Die Debitorenrisikoabsicherung kann über
die Factoring-Gesellschaft («Factor») oder direkt bei einer Kreditversicherungsgesellschaft abgeschlossen werden.
Die Kreditlimite hängt vom Debitorenbestand ab – floriert
ein Unternehmen, wächst der Debitorenbestand, und die
Kreditlimite wächst automatisch mit. Gerade bei schwankenden
Rohstoffpreisen ist diese Flexibilität sehr vorteilhaft.
Grosshandelsunternehmen mit beträchtlichen Volumina
vernetzen ihre EDV zudem mit derjenigen des «Factors»,
was Zahlungsabläufe und Geldflüsse noch einmal vereinfacht
(Abb. 14.3).
Auf Finanzierungsmodelle für den Rohstoffhandel, «Commodity
Trading», wird in der gleichnamigen «UBS outlook»-Studie
eingegangen, die im Herbst 2008 in englischer Sprache
erschienen ist. ➞ www.ubs.com/outlook/commodities
Verschiedene Facetten des Risikos
Wie können Risiken ihrer Bedeutung entsprechend abgesichert
werden?
Unterschieden wird zwischen dem passiven und dem aktiven
«Hedging» und der Möglichkeit, gar nichts zu tun, was nicht
damit zu verwechseln ist, Risiken seien nicht bekannt oder
würden ignoriert. Es handelt sich um eine Methode, Dinge sich
ohne Absicherung entwickeln zu lassen, sie aber trotzdem
im Auge zu behalten. Sie wurzelt in der Persönlichkeit des Unternehmers, der sie in genauer Kenntnis seines Geschäfts spontan
ausübt – spontan, aber kontrolliert.
Als «passives Hedging» wird die systematische Absicherung
von Risiken auf Termin oder mit Optionen bezeichnet. Fachleute
Wodurch unterscheidet sich diese Form der Absatzfinanzierung
bewerten die Risiken und sichern sie auf einen bestimmten
von derjenigen des herkömmlichen «Full Factoring»?
Termin ab – eine gute Methode, um den Gefahren von unvorWelche Vorteile ergeben sich für den Unternehmer, den Kunden? teilhaften Marktschwankungen zu begegnen.
Abb. 14.2: Verschuldungsfähigkeit aus dem Nettoumlaufvermögen
Bilanzposition
Abb. 14.1: Ertragskraftbasierte Verschuldungsfähigkeit
(«Debt Capacity»)
Nachhaltiger Free Cashflow (in CHF Mio.)
Rückzahlungsperiode
Kalkulatorischer Steuersatz
2,8
7 Jahre
25,00%
Cash
100%
+ Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
+ 80%
+ Vorräte
+ 80%
+ Vorauszahlungen an Lieferanten
+ 95%
– Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen
– 100%
Zinssatz (kalkulatorische Fremdkapitalkosten)
6,00%
– Vorauszahlungen von Kunden
– 100%
Zinssatz (nach Steuern)
4,50%
– Steuern und Verbindlichkeiten von Kunden
– 100%
Betriebliche Verschuldungsfähigkeit (in CHF Mio.)
Quelle: UBS outlook
32
UBS outlook – Grosshandel
16,5
= Bevorschussungsbetrag
Quelle: UBS outlook
Finanzen
Wer das «aktive Hedging» bevorzugt, hat den anspruchsvollen
Weg gewählt. Er macht sich die Portfoliosicht zu eigen und kennt
die vielfältigen Absicherungsinstrumente genau. Kern dieser
Methode ist es, den Geschäftsgang in Zyklen aufzuteilen,
etwa in Quartale. Über die ganze Periode ergibt sich eine differenzierte Absicherungsstruktur. Ziel ist es, Risiken zu begrenzen und
das operative Ergebnis entweder um Finanzerträge zu steigern
oder ungenügende Ertragskraft auszugleichen.
Die beschriebenen Methoden, Risiken abzusichern, sind
in Abbildung 15 zusammengefasst.
Für Unternehmen, die ihre Leistungen nicht ausschliesslich
in Schweizer Franken fakturieren, spielt die Absicherung
von Währungsrisiken eine wichtige Rolle. Derartige Risiken
können sowohl in den Devisenbeständen (Bilanz) entstehen
als auch aus dem Handel in fremder Währung («Cashflow»).
Firmen mit Im- und Exportgeschäft können die Geldströme
miteinander verrechnen und mit Lieferanten vereinbaren,
in welcher Währung abgerechnet werden soll. Um einen
guten Überblick über alle Risikopositionen zu erhalten,
ist eine regelmässige «Cashflow»-Analyse empfehlenswert.
Die Weichen stellen
Beschliessen wir dieses Kapitel mit der Rolle des Eigentümers.
In dem Dreiklang Kunde – Branche – Kapital gibt der Unternehmer den Ton an und den Takt vor. Besonders im Handel
bemisst sich der Wert einer Firma über die Persönlichkeit,
die den Betrieb lenkt, über die Beziehungen, die sie über
die Jahre aufgebaut hat und pflegt. Wer sein Geschäft mit Leib
und Seele vorangetrieben hat, wer tagaus, tagein gefordert
wurde, wer viel Geld investiert und gute Ideen kreiert hat,
könnte womöglich übersehen, rechtzeitig für seine Nachfolge
zu sorgen: Herzblut und Loslassen vertragen einander schlecht.
Abb. 14.3: Absatzfinanzierung («Inhouse Factoring»)
Klassisches Factoring
Inhouse Factoring
Finanzierung
vom Factor
Finanzierung
vom Factor
Flexible Finanzierung
Debitorenrisikogarantie
durch Factor
Debitorenrisikogarantie
durch Factor
Debitorenrisikoabsicherung bei
Kreditversicherung
Inkasso und
Debitorenbuchhaltung
durch Factor
Inkasso und
Debitorenbuchhaltung
durch Factor
Kunde erledigt
Inkasso und Debitorenbuchhaltung selbst
Um so mehr lohnt es sich, auf den Tag X vorbereitet zu sein
und die Weichen für die Zukunft auch in diese Richtung
frühzeitig zu stellen. Die «UBS outlook»-Studie zur Nachfolge
vermittelt wertvolle Impulse, wie ein Unternehmen der nächsten
Generation übertragen oder vertrauensvoll in andere Hände
gelegt werden kann.
➞ www.ubs.com/outlook/nachfolge
Wie alle anderen Veröffentlichungen ist die Studie eingebunden
in den integrierten Beratungsprozess der UBS. Er dient dem
Berater als Leitfaden, auf die Anliegen und Erwartungen
des Kunden individuell einzugehen. Im Internet gibt das «KMUPortal» einen umfassenden Überblick über das Leistungsspektrum der Bank für Unternehmen. Ein Link verweist dort zudem
auf das Dienstleistungsangebot für Firmen, die im Aussenhandel
aktiv sind. Publikationen dazu können «online» angefordert
werden.
Die mit einem «*» gekennzeichneten Fachbegriffe werden im Glossar
ab Seite 38 erläutert.
Quelle: UBS outlook
Abb. 15: Methoden der Risikoabsicherung
Kein Hedging
Passives Hedging
Aktives Hedging
Abschluss des Kassageschäftes bei Eingang
respektive Ausgang
Systematische
Absicherung auf Termin
oder mit Optionen
Selektive Absicherung
(0% – 100%) auf
Termin und /oder
mit Optionen
Minimaler Einsatz
von Personal
und Technologien
Einsatz von Personal
und Technologien
Notwendigkeit
von gut ausgebildetem
Personal und geeigneten Systemen
Unternehmung
trägt die gesamten
Schwankungen
des Währungsmarktes
Marktschwankungen
werden vollständig
ausgeschlossen
Möglichkeit, durch
Absicherung zusätzliche Werte für
die Unternehmung
zu erzeugen
Weiterführende Informationen
t ,.61PSUBMXXXVCTDPNLNV
t ,.63BUHFCFSXXXVCTDPNLNVSBUHFCFS
Quelle: UBS outlook
UBS outlook – Grosshandel
33
Ausblick
Mut – Profil – Augenmass
Welche Variante einer Rezession erleben wir gerade?
Eine «V»-Rezession (Rückgang – kurzes Tief – rasche Erholung)?
Eine «U»-Rezession (Rückgang – ausgedehntes Tief – Erholung)?
Oder eine «L»-Rezession (Rückgang – sehr langes Tief –
zögerliche Erholung)? Werden sich die Rezessionen häufen –
wie zuletzt vor einhundert bis einhundertfünfzig Jahren
in den USA? Wir sind gespannt, wie rasch die Krise überwunden
und wie dauerhaft die Erholung sein wird (Abb. 16.1 und 16.2).
«Die Bedeutung des Grosshandels
wird nach unserer Meinung
in den nächsten Jahren steigen
und nicht rückläufig sein.»
Prof. Dr. Joachim Zentes
Institutsleiter, Universität des Saarlandes
Abb. 16.1: Die Arten einer Rezession
V
0
4
12
16
20
24 y
U
–8
–4
Abb. 16.2: Rezessions- und Expansionsphasen in den USA
1857–2008
0
4
8
12
16
20
24 y
0
4
8
12
16
20
24 y
Schattierte Bereiche = Rezessionsphasen
Quelle: Thomson Reuters Financial, UBS Wealth Management Research
UBS outlook – Grosshandel
Quelle: UBS Wealth Management Research, National Bureau of Economic Research (NBER)
2005
1995
1985
1975
1965
1955
1945
1935
1925
1915
1905
–4
1895
–8
1885
L
x = Veränderungen des Wachstums in Prozent
y = Zeitlicher Abstand in Monaten ab Rezessionsbeginn
34
8
1875
UK und USA 90er Jahre
x
8
6
4
2
0
–2
–24 –20 –16 –12
–4
1865
Schweden/Finnland 90er Jahre
x
7,5
5,0
2,5
0
–2,5
–5,0
–24 –20 –16 –12
–8
1855
UK und USA 90er Jahre
x
6
4
2
0
–24 –20 –16 –12
UBS outlook – Grosshandel
35
Ausblick
Wohin steuert der Grosshandel in solchen Zeiten? Es gibt einige
Parameter, an die wir uns halten können.
Ein konkurrenzfähiges, scharf konturiertes Leistungsprofil dient
als Mittel zum Zweck. Wie könnte es aussehen?
Die Intensität des Wettbewerbs auf den relevanten Beschaffungsund Absatzmärkten der Welt wird zu einer verfeinerten Arbeitsteilung in den Distributionssystemen führen. Stärker als bisher
binden aussenhandelsorientierte Unternehmen Spezialisten ein,
um Abläufe in Lieferung und Logistik zu straffen, Kosten
zu senken und Sicherheit zu gewinnen. Firmen sowohl aus den
Produktions- als auch aus den Absatzländern streben langfristige
Geschäftsbeziehungen an, um die hohen Risiken des Welthandels mit bestimmten Gütern unter Kontrolle zu halten.
Ein unverwechselbares Leistungsprofil gilt wahrscheinlich
als erreicht, wenn es einem Unternehmen gelungen ist,
die Erwartungen des überwiegenden Teils seiner Kunden
zu erfüllen. Daraus ergeben sich stabile Geschäftsbeziehungen
über Jahre hinweg.
Osteuropäische und ostasiatische Länder werden auf Produkte
mit hohen Lohnstückkosten setzen – demgegenüber konzentrieren sich westeuropäische, amerikanische und japanische
Unternehmen darauf, forschungsintensive Güter und Dienstleistungen anzubieten und mit ihren eingespielten Absatz- und
Marketingorganisationen die Oberhand zu behalten.
Mehr und mehr wird den etablierten Staaten Konkurrenz aus
den aufstrebenden Volkswirtschaften erwachsen, mit den
sogenannten «BRIC»-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China)
an der Spitze. Länder, die bestrebt sind, in den Absatzmärkten
Europas und der USA eigene Vertriebs- oder Grosshandelsgesellschaften zu etablieren. Aufstrebende Nationen, die beabsichtigen, sich von ihren westlichen Partnern zu lösen und
ihren Anteil an Umsatz und Gewinn deutlich zu steigern.
Ein Anspruch, der zu Lasten vieler kleinerer westeuropäischer
Gross- und Aussenhandelsbetriebe gehen dürfte, sofern es ihnen
nicht gelingt, die Leistungsprofile veränderten Bedingungen
anzupassen.
Voraussetzung dafür bildet eine Strategie, die sich im Wettbewerb bewährt hat und regelmässig überprüft werden muss.
Kennzeichen sind markante Kompetenzfelder, die das Unternehmen für sich bestimmt hat – zum Beispiel die Breite und
Tiefe des Sortiments, die Internationalität des Warenangebots,
die technologische Vorreiterrolle oder die durchdachte Preispolitik. Vielfach beruhen derartige Kompetenzen auf innovativen oder unkonventionellen Ideen des Firmeninhabers und
einem Geschäftsmodell, das zu diesen Ideen passt. Einige davon
haben wir auf den zurückliegenden Seiten beschrieben.
Etwas Entscheidendes kommt hinzu: Es ist der Stamm an langjährigen und engagierten Mitarbeitern – in Grosshandelsunternehmen eine bestimmte Spezies von Menschen, die es versteht,
sehr schnell, umfassend und entschlossen aktuelle Marktentwicklungen vorausschauend zu erkennen und in Geschäfte
umzumünzen. Menschen mit einem hochentwickelten
Verständnis für unterschiedliche Kulturen und ausgeprägten
Kenntnissen in- und ausländischer Beschaffungs- und Absatzmärkte.
Was ist möglich? Was vernünftig? Was wünschenswert?
Unternehmen, denen es gelingt, diese Fragen ehrlich und
gewissenhaft zu beantworten, haben gute Aussichten,
Kurz gesagt: Die Internationalisierung des Grosshandels setzt sich weiterhin zu prosperieren.
fort, der Wettstreit um Märkte und Marktanteile wird härter.
Wer sich unter den beschriebenen Vorzeichen im Wettbewerb
behaupten will, benötigt Eigeninitiative, Mut und die Fähigkeit,
seinen Aktionsradius erheblich auszudehnen: hellwach und
risikobewusst, willensstark und geschmeidig und mit erheblich
mehr Tempo als früher.
36
UBS outlook – Grosshandel
Thesen
Unsere Thesen auf
einen Blick
Zehn Jahre nach der ersten «UBS outlook»Studie zum Grosshandel und anlässlich
des 75-jährigen Bestehens des Dachverbandes «VSIG – Handel Schweiz»
haben wir uns einigen Tendenzen und
Trends genähert, die die Entwicklung
des Wirtschaftszweiges in den nächsten
Jahren voraussichtlich bestimmen.
Entdeckt haben wir Zeichen eines bevorstehenden tiefgreifenden Wandels.
Ein Wandel, in dem traditionelle Formen,
Handel zu treiben, ersetzt werden durch
Modelle und Abläufe, die manchen
wesensfremd, anderen wiederum nur als
natürliche Folge von Veränderungen
erscheinen. Unsere Erkenntnisse haben wir
in sechs Thesen zusammengefasst.
These 1: Volkswirtschaft
Der Grosshandel in der Schweiz hat sehr gute Chancen,
eine starke volkswirtschaftliche Kraft zu bleiben (ab Seite 8).
These 2: Wettbewerb
Im internationalen Grosshandel vermischen sich traditionelle
Formen, Waren herzustellen, sie zu verteilen und zu finanzieren.
Sie weichen neuen Modellen der kurz- und langfristigen Zusammenarbeit und Arbeitsteilung mit gravierenden Veränderungen
in der weltweiten Distribution (ab Seite 12).
These 3: Wertschöpfung
Die gewohnte Rollenverteilung zwischen Grosshandel, Hersteller
und Einzelhandel verwässert sich – harter Konkurrenzkampf
ist die Konsequenz (ab Seite 16).
These 4: Wertschöpfung
Wertschöpfungsketten werden künftig als flexible Netzwerke
von mächtigen Unternehmen gesteuert – mit Vorteilen für den
Grosshandel, der, historisch gesehen, bereits eine Netzwerkfunktion innehat (ab Seite 16).
These 5: Technologie
Das Internet kommt: Wenn Grosshändler nicht selbst aktiv
werden, tun es andere für sie (ab Seite 22).
These 6: Finanzen
Der Wert einer Firma, gerade im Handel, bemisst sich oft
nach der Persönlichkeit des Eigentümers oder Unternehmers und
dem Geschäftsmodell, mit dem er sich dem Wettbewerb stellt
(ab Seite 28).
UBS outlook – Grosshandel
37
Glossar
Glossar
Einige für den Grosshandel wichtige
Begriffe und Abkürzungen werden
im Folgenden kurz erläutert. Sie stützen
sich auf verschiedene Quellen innerhalb
und ausserhalb der Bank, darunter der
«Katalog E» – ein allgemein anerkanntes
Kompendium, das der «Ausschuss für
Definitionen zu Handel und Distribution»
herausgibt und regelmässig aktualisiert.
Akkreditiv
Verpflichtung einer Bank, dem Verkäufer einer Ware oder
Dienstleistung einen bestimmten Betrag auszuzahlen, sobald
der Verkäufer die juristisch relevanten Dokumente einreicht,
die den Versand der Ware oder die erfolgte Dienstleistung
dokumentieren. Das Akkreditiv dient im internationalen Handel
als Kreditinstrument und als Mittel zur Zahlungsabwicklung
und -absicherung.
Bankgarantie
Unwiderrufliche Verpflichtung einer Bank, eine Zahlung vorzunehmen, falls ein Dritter eine bestimmte Leistung nicht erbringt.
Wichtigste Arten der Bankgarantie sind die Offert-, Erfüllungs-,
Anzahlungs-, Zahlungs- und Kreditsicherungsgarantie.
Cash against Documents (Dokumentarinkasso)
Unter Dokumentarinkasso wird der Einzug eines vom Käufer
geschuldeten Betrages durch eine Bank gegen Aushändigung
bestimmter Dokumente verstanden. Der Exporteur erteilt seiner
Bank den Auftrag, die entsprechende Forderung zu kassieren
beziehungsweise über eine Korrespondenzbank kassieren
zu lassen. Die Inkassobank liefert die Inkassodokumente erst aus,
nachdem der Käufer die vorgeschriebene Leistung erbracht hat.
Category Management (CM) (Warengruppenmanagement)
Der Begriff Category Management betont die Grundsätze
der endverbraucherorientierten Sortimentsgliederung,
der systematischen Führung einzelner Kategorien («categories»)
und der Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Händlern.
Die Kategorien als Warengruppen werden nach dauerhaften
verbraucherrelevanten Kriterien definiert und schlagen sich
insbesondere in Regalstrukturen und anderen Platzierungsentscheidungen nieder.
C-Teile
C-Teile sind Produkte geringen Werts, die für einen geregelten
Geschäftsablauf aber erforderlich sind. Typische C-Teile sind
Kleinteile, DIN- und Normteile, Verbrauchsmaterialien, Werkzeuge, Werkstattchemie, Bohrer oder Schleifmittel.
Debt Capacity (Verschuldungsfähigkeit)
Berechnungsmethode, um die Höhe der vertretbaren
Verschuldung eines Unternehmens zu ermitteln. Die Verzinsung
(Schuldrückführung) erfolgt durch den freien Kapitalfluss
(«free cash flow»).
38
UBS outlook – Grosshandel
Glossar
Elektronischer Handel (E-Commerce)
Unter E-Commerce werden diejenigen elektronischen Transaktionen auf einem Markt verstanden, durch die der Austausch
von wirtschaftlichen Gütern gegen Entgelt begründet wird,
zum Beispiel Kauf, Miete oder Pacht. Nicht nur das Angebot
erfolgt elektronisch, sondern auch die Bestellung und
Inanspruchnahme – unter Verwendung eines computergestützten Netzwerks, insbesondere des Internets.
Electronic Data Interchange (EDI)
Rationeller elektronischer Austausch von Geschäftsdokumenten
(Bestellungen, Auftragsbestätigungen, Offerten, Lieferscheine,
Zollerklärungen etc.) unter Verwendung strukturierter,
standardisierter Formate.
Extranet
In sich geschlossenes und mit Zutrittsschranken gesichertes
Teilnetz im Internet. Externe Geschäftspartner werden in interne
Geschäftsprozesse eingebunden, was Leistungssteigerung
und Kostensenkung ermöglicht. Registrierte Kunden (Lieferanten
und Abnehmer) können sich zudem selbst über die aktuellen
Liefermöglichkeiten informieren.
Factoring
Finanzierungsform, mittels der sich Unternehmen Liquidität
beschaffen können. Beim Factoring werden kurzfristige
Forderungen (meist mit einer Laufzeit von 30 Tagen) aus Lieferungen und Leistungen durch eine Factoringgesellschaft (Factor)
angekauft. Die Gutschrift erfolgt unter Abzug einer Factoringgebühr für die vom Factor übernommenen Dienstleistungen.
Finanzierungskosten je nach der Beanspruchung des Kredits
kommen hinzu.
Factoring – Export- und Import-Factoring
Nehmen inländische Unternehmen die Leistungen eines Factors
in der Schweiz für grenzüberschreitende Geschäfte in Anspruch,
handelt es sich um Export-Factoring. Beanspruchen ausländische
Unternehmen für Importgeschäfte die Leistungen eines Factors
in der Schweiz, wird von Import-Factoring gesprochen.
Factoring – Full Service Factoring
Das Verfahren – auch «Standard Factoring» – umfasst neben
der umsatzkongruenten Finanzierung eine Risikoabsicherung
gegen Debitorenverluste und eine Entlastung beim Debitorenmanagement.
Factoring – Inhouse Factoring
Der Factoringkunde nutzt die Finanzierung und Risikoabsicherung durch den Factor, verzichtet aber auf weitergehende
Dienstleistungen. Er führt die Debitorenbuchhaltung treuhänderisch für den Factor selbst durch. «Bulk Factoring»
oder «Eigen-Service-Factoring» sind weitere gebräuchliche
Begriffe für diese Form des Factorings.
Factoring – offenes und stilles Factoring
Beim offenen Factoring wird der Debitor über den Forderungsverkauf informiert und mit einem Hinweis auf der Rechnung
aufgefordert, direkt an den Factor zu zahlen. Beim stillen
Factoring wird die Abtretung der Forderung dem Debitor
gegenüber nicht offengelegt.
General Agreement on Trade in Services (GATS)
Siehe Welthandelsorganisation (WTO).
General Agreement on Tariffs and Trade (GATT)
Siehe Welthandelsorganisation (WTO).
Grosshandel (funktional)
Grosshandel im funktionalen Sinn liegt vor, wenn Marktteilnehmer Güter absetzen, die sie in der Regel von einem Hersteller
oder anderen Lieferanten beschaffen und nicht selbst beoder verarbeiten (Handelswaren). Abnehmer sind Wiederverkäufer, weiterverarbeitende Betriebe oder Institutionen,
darunter Behörden oder Bildungseinrichtungen sowie Kantinen
oder Vereine. Mengengerüste, Gebindegrössen oder
der Warenwert sind kein Unterscheidungskriterium zwischen
Gross- und Einzelhandel – ausschlaggebend ist allein
die ausschliessliche Ausrichtung auf den gewerblichen Bedarf.
Grosshandel (institutionell)
Grosshandel im institutionellen Sinn umfasst Unternehmen
oder Betriebe, deren wirtschaftliche Tätigkeit ausschliesslich
oder überwiegend dem Grosshandel im funktionalen Sinn
zuzurechnen sind. In der amtlichen Statistik wird ein Unternehmen oder Betrieb dem Grosshandel zugeordnet, wenn aus
der Grosshandelstätigkeit eine grössere Wertschöpfung resultiert
als aus einer zweiten oder mehreren anderen Tätigkeiten.
UBS outlook – Grosshandel
39
Glossar
International Commercial Terms (Incoterms)
Incoterms ist das offizielle Regelwerk der «International Chamber
of Commerce» (ICC), Paris, zur Auslegung von Handelsklauseln.
Es soll den internationalen Handel erleichtern und mehr Rechtssicherheit schaffen. Zu den gebräuchlichsten Incoterms zählen
die Begriffe «ab Werk», «ex work», «frei benannter Bestimmungsort», «Free on Board» (FoB) (benannter Verschiffungshafen)
und «Cost Insurance Freight» (CIF) (benannter Bestimmungshafen). Zusätzlich zu den Incoterms der ICC wurden länderspezifische Handelsklauseln entwickelt, die signifikant von den
Incoterms abweichen und von der ICC nicht anerkannt wurden.
Die 1936 ins Leben gerufenen Incoterms werden regelmässig
überarbeitet, zuletzt 2000.
Intranet
Geschlossenes Firmennetz für die unternehmensinterne Kommunikation, basierend auf der Internettechnologie. Zum Intranet
haben nur Mitarbeiter Zugang. Das Intranet kann zum Extranet
erweitert werden, so dass sich auch autorisierte Lieferanten
und Abnehmer einwählen können.
Kanbansystem
Instrument zur Steuerung des Materialflusses mit dem Ziel,
die Gesamtkosten durch das Prinzip «Produktion auf Abruf»
zu minimieren, indem Zuliefer- und Produktionstermine genau
aufeinander abgestimmt werden.
Kommissionshandel
Kommissionshandel ist der Kauf oder Verkauf von Waren
oder Wertpapieren in eigenem Namen auf Rechnung
eines anderen, des Kommittenten. Unterschieden werden
Einkaufs- und Verkaufskommission. Die übertragenen Güter
werden als Kommissionswaren bezeichnet, das Geschäft
des Kommissionärs mit einem Dritten als Ausführungsgeschäft.
Es wird durch das sogenannte Abwicklungsgeschäft auf
den Kommittenten übertragen. Bei der Einkaufskommission
bleibt der Kommissionär Eigentümer der erworbenen Waren,
bis er sie dem Kommittenten übereignet. Bei der Verkaufskommission bleibt die Kommissionsware Eigentum des Kommittenten, bis der Kommissionär die Waren dem Käufer überträgt.
40
UBS outlook – Grosshandel
Konsignationslager
Warenlager eines Lieferanten oder Dienstleisters, das sich
im Unternehmen des Kunden (Abnehmers) befindet. Die Ware
bleibt solange Eigentum des Lieferanten, bis der Kunde sie
dem Lager entnimmt. Erst zu diesem Zeitpunkt findet
die Lieferung als Grundlage der Rechnungsstellung statt.
Nicht tarifäre Handelshemmnisse
Handelsbeschränkende Massnahmen und Zustände, die nicht
über die Erhebung von Zöllen oder anderweitige Abgaben
wirken und von den WTO*-Regeln nicht berührt werden.
Dazu gehören beispielsweise Mengenkontingente, freiwillige
Exportbeschränkungen, Exportsubventionen sowie technische
und rechtliche Produktnormen. Der englische Ausdruck lautet
«Technical Barriers to Trade» (TBT).
NE-Metalle (Nicht-Eisen-Metalle)
NE-Metalle, auch Bunt- und Weissmetalle, sind, erstens,
chemische Elemente, die kein Eisen enthalten. Oder, zweitens,
Legierungen, in denen Eisen nicht der hauptsächliche Bestandteil
ist, darunter Aluminium, Zink, Kupfer, Bronze oder Messing.
Die Teilung dient der Abgrenzung des für die technische
Entwicklung bedeutsamen Eisens zu den übrigen Metallen.
Produktionsverbindungshandel
Produktionsverbindungshandel umfasst diejenigen Zweige
des Grosshandels (im institutionellen Sinn), die sich (überwiegend) mit der Belieferung von Produktionsbetrieben
(Industrie und Gewerbe), mit Investitionsgütern, Roh-, Hilfs- und
Betriebsstoffen befassen.
Sale-and-lease-back
Eine Sonderform des Leasings, bei der ein Gegenstand,
zum Beispiel ein Auto, oder eine Immobilie an eine Leasinggesellschaft verkauft und zur weiteren Nutzung sofort wieder
gemietet wird. Durch den Kaufpreis wird Kapital freigesetzt,
das Unternehmen erhöht kurzfristig seine Liquidität und kann
das Objekt weiterhin nutzen.
Sortiments(gross)handel
Grosshandel mit in eigener Regie zusammengestellten Warengruppen für bestimmte Bedürfnisse (Anwendungen, Zielgruppen). Die Grosshandelsbetriebe (im institutionellen Sinn)
verfügen tendenziell über ein breites und flaches Sortiment.
Glossar
Streckenhandel
Unter Streckenhandel wird der Grosshandel (im funktionalen
Sinn) verstanden, bei dem die Handelsware vom Vorlieferanten
zum Abnehmer befördert wird, ohne von dem dazwischengeschalteten, fakturierenden Handelsunternehmen (im institutionellen Sinn) eingelagert worden zu sein. Zolllager sowie Lager
im Freihafen und im Ausland gelten in diesem Zusammenhang
nicht als Lager. Streckengrosshandel im institutionellen Sinn
liegt vor, wenn mehr als die Hälfte der Grosshandelsumsätze
auf Streckengeschäfte entfällt. Risiken wie Verderb oder
unsachgemässe Behandlung trägt der Grosshändler als Eigentümer der Ware (Eigengeschäft).
Tarifäre Handelshemmnisse
Zollauflagen (Import-, Export- und Transitzölle, AntidumpingZölle). Tarifäre Handelshemmnisse werden im Zuge der Liberalisierung immer weiter abgebaut.
Welthandelsorganisation (WTO)
Die 1995 als Nachfolgeorganisation des «General Agreement
on Tariffs and Trade» (GATT) gegründete Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) mit Sitz in Genf ist
die international wichtigste Institution, die sich mit multilateralen
Handelsfragen beschäftigt. Die WTO strebt eine weitere
Liberalisierung der weltweiten Handelsbeziehungen an.
Sie ist zuständig für Streitigkeiten, die den Aussenhandel
zwischen einzelnen Ländern betreffen, und umfasst drei grosse
Abkommen, die je einen wichtigen Bereich des Welthandels
regeln. Das GATT regelt den Waren-, das GATS den Dienstleistungsverkehr und das TRIPS (Agreement on Trade-Related
Aspects of Intellectual Property Rights) den Schutz der Rechte
des geistigen Eigentums. Die Schweiz gehört zu den Gründerländern. Im Herbst 2008 zählte die WTO 150 Mitgliedstaaten.
Terms of Trade
Reale Austauschverhältnisse zwischen Import- und Exportpreisen.
Meist ausgedrückt als Exportpreisindex/Importpreisindex.
Die «Terms of Trade» eines Landes verbessern sich, wenn die
Zunahme der Exportpreise höher ist als die entsprechende
Änderung der Importpreise (oder die Abnahme der Exportpreise
geringer als diejenige der Importpreise). Vor allem bei Rohstoffen
(substitutive Güter) können steigende «Terms of Trade»
auch zu einer Verschlechterung der Tauschsituation führen,
da die Nachfrage nach den teureren Exportgütern sinkt.
Verteilgrosshandel
Grosshandel, der Produkte neu verpackt, portioniert und an eine
Vielzahl von Abnehmern weitervertreibt. Der Verteilgrosshandel
liefert meist an den spezialisierten Einzelhandel, die Gastronomie
oder das Gewerbe. Er beliefert aber auch Endverbraucher
(Internet, Fachmärkte) und wird dann selbst zum Einzelhändler.
Weiterführende Informationen
t "VTTDIVTTGàS%FGJOJUJPOFO[V)BOEFM
und Distribution (Hrsg.): Katalog E –
Definitionen zu Handel und Distribution, 5. Ausgabe, Köln, 2006
t *OGPSNBUJPOTQMBUUGPSNGàS8JSUTDIBGU
Recht und Steuern:
www.unternehmerinfo.de (Lexikon)
UBS outlook – Grosshandel
41
Ein herzlicher Dank …
Die nachstehend aufgeführten Personen
haben den Verfassern dieser Studie
wertvolle Einblicke in ihre Arbeit gewährt,
Gedanken und Einschätzungen zur
Zukunft des Grosshandels mit ihnen
geteilt, Rat gegeben oder an einem Expertengespräch teilgenommen. Jeder von
ihnen hat die Studie, deren Inhalt in
einzelnen Punkten von der persönlichen
Meinung abweichen kann, auf seine
Weise bereichert.
Die Verfasser danken allen Beteiligten
herzlich für die Beiträge, die sie geleistet,
und die Zeit, die sie der Sache gewidmet
haben.
42
UBS outlook – Grosshandel
Urs Baumann, Bienna Interfloor Sonceboz AG,
Sonceboz-Sombeval
Dr. Ralph Brinkmann, Elektron AG, Au ZH
Dr. Matthys Dolder, Dolder AG, Basel
Oliver Emrich, Universität St. Gallen, St. Gallen
Kaspar Engeli, VSIG – Handel Schweiz, Basel
Peter J. Grossniklaus, Bienna Interfloor Sonceboz AG,
Sonceboz-Sombeval
Udo Hannemann, SAP AG, Walldorf
Dr. Stephan Herting, Abegglen Management Consultants AG,
Zürich
Max Th. Herzig, Carl Spaeter AG, Basel
Michael Heuser, Roland (Switzerland) AG, Itingen
Bruno Hug, Sertronics AG, Spreitenbach
Dr. Jürg D. Lindecker, Geneva Consulting & Management S.A.,
Nänikon
Prof. Dr. Dirk Morschett, Universität Fribourg, Fribourg
Peter E. Naegeli, Abegglen Management Consultants AG, Zürich
Sandra Pocsay, Universität des Saarlandes, Saarbrücken
Prof. Dr. Thomas Rudolph, Universität St. Gallen, St. Gallen
Dr. Max J. Scheidegger, GHA Glashandel Alpnach AG, Alpnach
Peter Stöhr, Häuselmann Holding GmbH, Dietlikon
Dr. Uwe Christian Täger, Ifo – Institut für Wirtschaftsforschung,
München
Dieter Tschan, Kiener + Wittlin AG, Zollikofen
Urs Wernli, metal4you AG, Dietikon
Prof. Dr. Joachim Zentes, Universität des Saarlandes, Saarbrücken
Herausgeberin
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