Botanischer Garten Mitteilungen März 2017 / 66. Jahrgang Nr. 3 _____________________________________________________________________________________________________________________________ __________ Kalanchoe pumila – eine madagassische Gebirgspflanze Der Botanische Garten St.Gallen pflegt eine beachtliche Sammlung an Kalanchoe- und Brutblatt (Bryophyllum-) Arten. Zwei Gründe geben den Ausschlag dafür: Als ausgesprochene Kurztagpflanzen blühen sie bei uns im Winter, wenn selbst im Tropenhaus Blüten rar werden. Zudem zeigen die beiden Gattungen, die wegen den schwer zuteilbaren Übergangsformen von vielen Autoren zu einer verschmolzen werden, welch eine Vielfalt innerhalb eines relativ starren Gestaltungskorsetts möglich ist. So befinden sich unter den rund 140 Arten ein- und zweijährige Arten, Stauden, Sträucher und selbst kleine Bäume. Verbindende Elemente, womit sie sich von anderen Gattungen der Dickblattgewächse (Crassulaceae) unterscheiden, sind die sukkulenten Blätter in gegenständiger Anordnung, die acht Staubblätter in zwei Kreisen und die Vierzähligkeit der Kelch-, Kron- und Fruchtblätter. Der Verbreitungsschwerpunkt der Kalanchoe- und BryophyllumArten liegt in Madagaskar, einzelne Arten treten aber auch auf dem afrikanischen Festland, der arabischen Halbinsel und in Südostasien auf. Die abgebildete Kalanchoe pumila ist im Andringitra-Gebirge im Südosten Madagaskars in Höhen von rund 2000 Metern verbreitet. Wir haben somit eine Gebirgspflanze vor uns mit sichtbaren Anpassungen an das zeitweise raue Klima. Mit maximal 30 cm Wuchshöhe gehört Kalanchoe pumila zu den kleinsten KalanchoeArten, was sich auch im lateinischen Artnamen pumila = zwergenhaft manifestiert. Wie bei uns in den Bergen sind die Niederschlagsmengen im Andringitra-Gebirge recht hoch. Allein im Februar können dort bis 4000 mm Regen fallen. Dennoch kehrt die teppichartig wachsende Pflanze alles vor, um mit dem Wasser haushälterisch umzugehen. Mit ihren Blättern kann sie nicht nur Wasser speichern, sie kann es dank der weissen Wachsschicht, mit denen sowohl die Blätter als auch die Sprossachsen überzogen sind, auch gegen übermässige Verdunstung schützen. Diese Weissfärbung ist einzigartig unter den madagassischen Kalanchoe- und Bryophyllum-Arten. Doch damit nicht genug, als CAM-Pflanze nutzt Kalanchioe pumila noch einen weiteren, genialen Verdunstungsschutz: Sie hält ihre Spaltöffnungen in den kühlen Nachtstunden offen und bindet aufgenommenes Kohlendioxyd an Apfelsäure. Dadurch ist es der Sukkulente möglich, die Spaltöffnungen tagsüber, wenn ihnen viel Wasser entweichen kann, zu schliessen und dennoch Fotosynthese zu betreiben, indem sie das Kohlendioxyd vom Speichermedium abtrennt. Wieso diese Sparsamkeit ohne besondere Wassernot? Dadurch ist Kalanchoe pumila in der Lage, felsige Standorte zu besiedeln, wo die Böden keine Wasservorräte aufnehmen können, indem die Pflanze diese Funktion mit ihren sukkulenten Blätter gleich selber übernimmt und so vom Druck konkurrenzstärkerer Pflanzen verschont bleibt. Wo Bäume vorhanden sind, lebt Kalanchoe pumila öfters epiphytisch auf ihren Ästen, was vom Wasserhaushalt ihres Standortes her auf dasselbe herauskommt. Als Zimmerpflanzen sind die Kalanchoen recht beliebt, weil sie in der Winterzeit als blühende Pflanze auf den Markt kommen. Durch künstliche Reduktion der Tageslänge im Herbst („Verdunkelung“) kann der Zeitpunkt des Blühens ziemlich exakt bestimmt werden. Unter- bleibt die Verdunkelung, beginnt der Flor erst im Januar oder Februar, bei Kalanchoe pumila sogar erst jetzt. Für die industriemässig produzierten Zimmerpflanzen werden fast ausschliesslich rot, orange, gelb oder rosa blühende Sorten von Kalanchoe blossfeldiana („Flammendes Käthchen“) verwendet, deren kaum kultivierte Wildform ebenfalls in Madagaskar einheimisch ist, im nördlich der Insel gelegenen Tsaratanana-Gebirge. Hauptversammlung des Fördervereins Botanischer Garten St.Gallen Erstmals fand die Hauptversammlung im neuen Naturmuseum unweit des Botanischen Gartens statt. Und dies gleich mit einer Rekordbeteiligung von über 100 Personen. War der Grund dafür der Referent Roman Kaiser, der neue Ort oder steigendes Interesse am Botanischen Garten? Vielleicht von allem etwas. Den Beginn machte die neue Stadträtin Maria Pappa, die als Direktorin Bau und Planung zugleich oberste Schirmherrin des Botanischen Gartens ist. In sehr persönlichen Worten schilderte sie auf sympathische Art ihre Erlebnisse mit dem Botanischen Garten in ihrer früheren Tätigkeit als Leiterin der städtischen Tageshorte. Zugleich dankte sie dem Förderverein für die ideelle und materielle Unterstützung und versprach, ihren Teil zur Förderung des Gartens beitragen zu wollen. Wie Präsident Erich Sammet im geschäftlichen Teil erläuterte, besteht bald einmal Gelegenheit dazu. Ende Juni wird ein Vorprojekt mit Kostenvoranschlag für einen neuen Vortragsraum im Botanischen Garten vorliegen, das im Jahr 2019 verwirklicht werden soll. Für den Förderverein ist dies momentan das Hauptprojekt, dennoch will er andere Aufgaben wie etwa die Unterstützung von Ausstellungen und kleineren Projekten deswegen nicht vernachlässigen. An der nächsten Hauptversammlung dürfte es möglich sein, das Projekt und die Möglichkeiten der Finanzierung vorzustellen. Was die diesjährigen Erneuerungen im Botanischen Garten anbelangt, konzentrieren sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemäss Hanspeter Schumacher schwerpunktmässig auf das Tropenhaus. Mehrere morsch gewordene Epiphytenstämme wurden bereits ausgewechselt und bepflanzt, weitere werden folgen. Geplant sind auch Verbesserungen bei den Pflanzungen und deren Randabschlüssen. Der Höhepunkt der Hauptversammlung war zweifellos der Vortrag von Roman Kaiser zum Thema „Bedeutsame Pflanzendüfte rund um die Welt“. Damit nahm der Referent das Publikum mit auf verschiedenste Stationen rund um die Welt, wo er Pflanzen auf ihre Duftstoffe hin erforscht hat. Eine dieser Stationen war auch der Botanische Garten St.Gallen, den Roman Kaiser regelmässig besucht. Dabei stellte er die Pflanze nicht nur in Wort und Bild vor, er liess auch Duftproben verteilen, was auf besondere Begeisterung stiess. Öffentliche Vorträge im Botanischen Garten Sonntag, 2. April 2017 um 10.15 und 15.15 Uhr Hanspeter Steidle: Erstaunliche mathematische Gesetze im Pflanzenreich Die optimale Beschaffung und Nutzung der Energie ist ein Gebot der Zeit. Pflanzen zeigen wie das geht. Es erstaunt deshalb nicht, dass das Interesse vieler Wissenschaftler an der Pflanzenwelt auch dadurch begründet ist. Ob die Lebewesen mathematisch-physikalische Gesetze bewusst nutzen, ist Gegenstand von Diskussionen. Tatsache ist jedoch, dass es den Bäumen gelingt, Wasser bis in die höchsten Gipfel zu pumpen und viele Pflanzen fähig sind, ihre Blätter so zu optimieren, sodass sie sich mit geringstem Energieaufwand an unterschiedliche Umweltbedingungen anpassen können. Das geht nur, wenn sie mathematisch-physikalische Gesetze strikt befolgen. Ziel des Vortrages ist es, einige Phänomene in der Pflanzenwelt aus mathematischer Sicht näher zu beleuchten und zu interpretieren. Dazu sind alle herzlich eingeladen. Der Eintritt ist frei. Seite 2/2