Schriftenreihe Logistik der Technischen Universität Berlin. Sonderband 7 Frank Straube (Hrsg.) Zukunftstrends der Lebensmittellogistik Herausforderungen und Lösungsimpulse Benjamin Nitsche Anna Figiel Benjamin Nitsche | Anna Figiel Zukunftstrends der Lebensmittellogistik–Herausforderungen und Lösungsimpulse Die Schriftenreihe Logistik der Technischen Universität Berlin. Sonderband / Scientific series logistics at the Berlin Institute of Technology. Special edition wird herausgegeben von Prof. Dr.-Ing. Frank Straube Schriftenreihe Logistik der Technischen Universität Berlin. Sonderband Scientific series logistics at the Berlin Institute of Technology. Special edition 7 Benjamin Nitsche . Anna Figiel Zukunftstrends der Lebensmittellogistik– Herausforderungen und Lösungsimpulse Frank Straube (Hrsg.) Universitätsverlag der TU Berlin Impressum Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Universitätsverlag der TU Berlin, 2016 http://verlag.tu-berlin.de Fasanenstr. 88, 10623 Berlin Tel.: +49 (0)30 314 76131 / Fax: -76133 E-Mail: [email protected] Alle Texte dieser Veröffentlichung - ausgenommen Zitate und Titelfoto - sind unter der CC-Lizenz CC BY 4.0 lizenziert. Lizenzvertrag: Creative Commons Namensnennung https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Druck: docupoint GmbH, Barleben Satz/Layout: Shen Hanzhong ISBN 978-3-7983-2832-7(print) ISBN 978-3-7983-2833-4 (online) ISSN 1868-0062 (print) ISSN 2197-0572 (online) Zugleich online veröffentlicht auf dem institutionellen Repositorium der Technischen Universität Berlin: DOI 10.14279/depositonce-5122 http://dx.doi.org/10.14279/depositonce-5122 Team Herausgeber Prof. Dr.-Ing. Frank Straube Leiter Fachgebiet Logistik Technische Universität Berlin Autoren Benjamin Nitsche Dr. Anna Figiel Wissenschaftlicher Mitarbeiter Wissenschaftliche Mitarbeiterin Technische Universität Berlin Technische Universität Berlin Fachgebiet Logistik Fachgebiet Logistik Studentische Mitarbeiter Hanzhong Shen Katharina Bernhard Teresa Cook Martin Bornemann I Vorwort Mit einem Umsatzvolumen von über 180 Mrd. € ist der Lebensmittelmarkt einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige Deutschlands. Allein die lebensmittelproduzierende Industrie beschäftigt in Deutschland über eine halbe Million Menschen. In diesem von extrem hohen Kostendruck und geringen Margen geprägtem Umfeld kommt der Logistik als Wettbewerbsfaktor eine hohe Bedeutung zu. Ein volatiles Nachfrageverhalten, zunehmende Lieferfrequenzen, eine steigende Sortimentsbreite, knappe Logistik- und Verkaufsflächen sowie die Verderblichkeit der Waren sind Herausforderungen, die die Lebensmittellogistik um den Bedarf an Lebensmittellieferungen kosteneffizient zu decken. Besonders die Belieferung der letzten Meile verursacht nach wie vor immense Kosten, die durch Liefergebühren nur selten kompensiert werden können. Aber auch die physische und informatorische Verzahnung der neu entstehenden Vertriebskanäle stellt Unternehmen vor Herausforderungen, sodass die Umsetzung einer effizienten Omni-Channel-Logistik eine der Kernherausforderungen der Zukunft bleibt. seit Jahren beschäftigen. Im Zuge der Digitalisierung und sich wandelnder Kundenbedürfnisse entstehen in rasanter Geschwindigkeit neue Marktteilnehmer und Geschäftsmodelle, die etablierte Akteure angreifen und somit den Lebensmittelmarkt verändern. der Logistik von Lebensmittelherstellern, Händlern sowie Logistikdienstleistern gegeben. Hervorzuheben ist, dass sich durch die neuen Konsumententrends besonders für Logistikdienstleister eine Vielzahl an Chancen ergeben. Um deren Potenzial voll auszuschöpfen, muss jedoch rechtzeitig auf die Trends reagiert werden, um nicht von der spezialisierten Konkurrenz überholt zu werden. Diese Veränderungen führen zu einer Vielzahl von Herausforderungen für die Logistik, die heute zu einem großen Teil noch nicht gelöst sind. Die vorliegende Studie leistet einen Beitrag dazu, Zukunftstrends der Lebensmittellogistik zu strukturieren und Handlungsempfehlungen abzuleiten. Aufbauend auf aktuellen Konsumententrends (u.a. e-Commerce/ Home-Delivery, Transparenz über die Lieferkette, regionale Lebensmittel, Convenience-Food etc.) analysiert die Studie zukünftige Herausforderungen und formuliert potenzielle Lösungsansätze zur Ausrichtung der Lebensmittellogistik. Grundlage der Studie bilden eine Online-Umfrage mit 100 Teilnehmern sowie 15 Interviews mit Experten aus unterschiedlichen Bereichen der Lebensmittelwertschöpfungskette. Die Studie macht u.a. deutlich, dass die Bedeutung des e-Commerce von Lebensmitteln zwar zunimmt, jedoch aus heutiger Sicht noch nicht abzusehen ist, wie innerstädtische Logistikstrukturen gestaltet werden müssen, II Auf Basis der identifizierten Herausforderungen werden Handlungsempfehlungen für die zukünftige Ausrichtung Ein besonderer Dank gilt vor allem den Teilnehmern der Onlinebefragung und der Interviews, die durch ihr Engagement diese Studie maßgeblich geprägt haben. Außerdem möchten wir Herrn Wolfpeter Hocke und Herrn Dieter Bock herzlich danken, die uns durch ihr inhaltliches Feedback bei der Konzeption und Erstellung der Studie unterstützt haben. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre und viel Erfolg bei der zukünftigen Ausrichtung Ihrer Logistik. Prof. Dr.-Ing. Frank Straube Herausgeber INHALTSVERZEICHNIS MANAGEMENT-ZUSAMMENFASSUNG IV 1 Zielstellung, Methodik und Aufbau der Studie 1 2 Einführung in den Lebensmittel­markt und seine Trends 5 2.1 2.2 Status Quo des Lebensmittelmarkts und der Logistik....................................................5 Traditionelle Logistikstrukturen und neue Geschäftsmodelle..........................................6 3 Konsumententrends und ihr Einfluss auf die Lebensmittellogistik 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 10 Konsumententrends im Vergleich.................................................................................10 e-Commerce/Home-Delivery.......................................................................................12 Transparenz ................................................................................................................14 Saisonale und regionale Lebensmittel.......................................................................... 17 Convenience-Food......................................................................................................19 Food Waste Awareness...............................................................................................21 Convenience-Stores....................................................................................................24 Bio- und Fair-Trade-Siegel...........................................................................................25 4 Herausforderungen und Lösung­simpulse für die Lebensmittel­logistik der Zukunft27 4.1 4.2 4.3 4.4 Unternehmensstrategie................................................................................................27 Netzwerk und Prozesse...............................................................................................31 Technologien ..............................................................................................................35 Mitarbeiter...................................................................................................................42 5 Zusammenfassung und Ausblick 5.1 5.2 5.3 45 Erkennbare Veränderungen von Logistikstrukturen......................................................45 Zusammenfassende Handlungsempfehlungen............................................................48 Ausblick: Lebensmittellogistik-Lösungen für die Stadt von morgen..............................52 LITERATURVERZEICHNIS 58 ABBILDUNGSVERZEICHNIS61 III Management-Zusammenfassung Die Dynamik der Lebensmittellogistik nimmt zu. Tra- Konsumententrends wie e-Commerce und Home- ditionelle Einflussfaktoren wie u.a. eine wachsende Delivery gewinnen stetig an Bedeutung. Auch wenn der Sortimentsbreite, volatiles Nachfrageverhalten, knappe stationäre Lebensmitteleinzelhandel nach wie vor den Logistik- und Verkaufsflächen sowie ein zunehmender größten Marktanteil hat, entstehen in rasanter Geschwin- Urbanisierungsgrad beeinflussen die Lebensmittello- digkeit neue Geschäftsmodelle, die mit innovativen gistik seit Jahren. Zusätzlich zu den bestehenden tra- Angeboten und Belieferungskonzepten mit dem Handel ditionellen Einflussparametern ist eine Veränderung im konkurrieren. Das führt wiederum dazu, dass auch der Konsumverhalten der Kunden zu beobachten und neue Lebensmitteleinzelhandel zunehmend gezwungen ist, Trends entstehen, die einen maßgeblichen Einfluss auf neuartige und innovative Lieferservices anzubieten und die Logistik von Unternehmen entlang der Wertschöp- sein Kerngeschäft zu erweitern. fungskette haben. Das Ziel der vorliegenden Studie ist es, ausge- Die zunehmende Digitalisierung des Angebots hend von den wichtigsten Konsumententrends des und der Logistikkette verändert den Markt und Lebensmittelmarktes die Herausforderungen für die Abbildung 1: Aufbau und methodisches Vorgehen der Studie IV Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse Lebensmittellogistik zu identifizieren und Lösungsstrate- und saisonalen Lebensmittel stellen aus Sicht der befrag- gien zu entwickeln. In diesem Zusammenhang werden ten Unternehmen die wichtigsten Trends dar. Ebenso vor allem Handlungsempfehlungen für Hersteller, gewinnt besonders der Trend e-Commerce/Home- Händler sowie Logistikdienstleister abgeleitet. Delivery zukünftig enorm an Bedeutung. Diese steigende Basis der Studie bildet dabei eine Literaturanalyse und eine Befragung von 100 Unternehmen aus der lebensmittelproduzierenden Industrie, allen relevanten Handelstypen sowie logistischen Dienstleistungsunternehmen. Außerdem wurden Vertiefungsinterviews mit 15 Experten aus unterschiedlichen Bereichen der Lebensmittelwertschöpfungskette geführt. Bedeutung deckt sich mit der aktuellen Marktentwicklung, da besonders diesen Trend betreffend regelmäßig neue Geschäftsmodelle entstehen. Insbesondere die logistischen Herausforderungen des Transparenz-Trends werden von der Praxis als am höchsten eingestuft, da hiervon die komplette Wertschöpfungskette betroffen ist und netzwerkweite Standards und Monitoring-Systeme implementiert werden müssen. Auf Grundlage der Literaturanalyse werden zum einen der Status Quo der Lebensmittellogistik sowie die sieben Konsumententrends identifiziert, die einen zusätzlichen Einfluss auf die zukünftige Lebensmittellogistik haben können. Entsprechend der sieben Trends werden verschiedene Logistikstrategien abgeleitet und vorgestellt. Aus heutiger Sicht sind viele der zukünftigen Herausforderungen der Lebensmittellogistik noch nicht hinreichend gelöst. Zwar steigt der Bedarf an Lebensmittelbelieferung in der Stadt, jedoch stoßen die momentanen innerstädtischen Logistikstrukturen an ihre Grenzen und Unternehmen stehen vor der Herausforderung, knappe Der Kundenwunsch nach mehr Transparenz über die Lie- Flächen effizient zu nutzen und die kostenintensive letzte ferkette sowie die steigende Nachfrage nach regionalen Meile wirtschaftlich abzuwickeln. Hinzu kommt, dass Städte oft nicht bereit sind, innerstädtische Flächen für Abbildung 2: Konsumententrends und Strategien der Lebensmittellogistik Nachhaltigkeit Urbanisierung e-Commerce/Home-Delivery in Städten und Flächengebieten Transparenz über die Lieferkette Unternehmensstrategie Volatiles Nachfrageverhalten Strategien Knappe Logistikflächen Preiskampf Überallverfügbarkeit von Lebensmitteln Convenience-Food Same-Day-Delivery Entwicklung neuer Geschäftsmodelle Kooperationen in der Logistik Entwicklung neuer Bündelungs- und Distributionsstrategien Aufbau von städtischen Verkaufs- und Logistikflächen Konzepte zur Minderung des Flächenbedarfs Entwicklung von Versorgungskonzepten für die Stadt Aufbau von Logistikstrukturen zur Lebensmittelrückführung Digitalisierung der Logistikkette Food Waste Awareness Convenience-Stores Trend zu MultiChannel Steigende Sortimentsbreite Netzwerk/ Prozess Zunehmende Lieferfrequenz Bevorzugung saisonaler und regionaler Lebensmittel Technologien Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel Angebot von e-Commerce/Home-Delivery/Cross/Omni-Channel Erzielung von Synergien im Fulfillment der Vertriebskanäle: Sortimentsallokation, Kommissionierung, Transport Demografischer Wandel IT als Erfolgsfaktor für Omni-Channel-Logistik Transparenz/Tracking-and-Tracing über IT-Plattformen und Apps Cold Chain Management auf der letzten Meile Verpackungsänderungen Bio- und Fair-Trade-Siegel Mitarbeiter Traditionelle Einflussfaktoren von Lebensmitteln auf die Logistik Konsumententrends Sensibler Umgang mit der Herausforderung des „gläsernen Mitarbeiters“ Aus- und Weiterbildungskonzepte, um Fachkräftemangel entgegenzuwirken V Logistikprojekte freizugeben, was zukünftige Konzepte Für Hersteller sind die Veränderungen die sich aus den wie die Same-Hour-Belieferung von Lebensmitteln durch untersuchten Trends ergeben, vergleichsweise gering. Vor den Handel sichtlich erschwert. Aber auch der Einklang allem sollten sie die Schaffung von Transparenz entlang von nachhaltigen Produkten und nachhaltiger Logistik der Logistikkette als Wettbewerbsfaktor verstehen und ist aus heutiger Sicht nicht zufriedenstellend umgesetzt. die Informationen dementsprechend leicht zugänglich Die größte Herausforderung auf Technologie- und Logis- (z.B. App-basiert) zur Verfügung stellen. Außerdem tiknetzwerk-Ebene stellt die Umsetzung einer effizienten können Hersteller versuchen, in bestimmten Bereichen Omni-Channel-Logistik dar. Aktuell werden Online-Kun- eine Abkehr von internationalen Logistikketten herbeizu- den und stationäre Kunden oft aus zwei verschiedenen führen und eher regionale Inhaltsstoffe zu verwenden, um Logistiksystemen bedient. Wie hier Synergien erzielt der steigenden Bedeutung dieses Konsumententrends werden können ist noch nicht zufriedenstellend gelöst Rechnung zu tragen. Experten gehen davon aus, dass und erfordert Innovationen. Auf technologischer Ebene sich mit der steigenden Bedeutung des e-Commerce stellt sich zudem die Herausforderung einer effizienten auch die Verpackungen von Lebensmiteln drastisch Abwicklung der letzten Meile. Innovative Konzepte für ändern müssen, da diese aktuell nur den Logistikan- flexible Mehrkammerfahrzeuge für die letzte Meile exis- forderungen des Handels entsprechen (z.B. für den tieren kaum, könnten jedoch die Distribution der letzten Palettenversand optimiert und displayfähig). Hier können Meile effizienter gestalten. Hersteller und Händler frühzeitig gemeinsam Lösungen Zur zukünftigen Ausrichtung der Lebensmittellogistik werden in der Studie Handlungsempfehlungen für Her- erarbeiten, um die positive Entwicklung des e-Commerce zu unterstützen. steller, Händler und Logistikdienstleister gegeben, wie Für den Handel führen die Konsumententrends zu umfas- sie auf die neuen Konsumententrends reagieren können. senden Veränderungen. Es ist es nach wie vor ratsam, Abbildung 3: Bisher unzureichend gelöste Herausforderungen in der Lebensmittellogistik Omni-ChannelLogistik Herausforderungen des Logistiknetzwerks ⟩ ⟩ ⟩ ⟩ ⟩ VI Innerstädtische Logistikstrukturen für Same-Hour Lebensmittelbelieferung Entwicklung geeigneter Bündelungsstrategien in der Beschaffung (u.a. für regionale und saisonale Lebensmittel) Bündelungsstrategien für die Bewältigung der letzten Meile zum Endkunden, z.B. durch kooperative Auslieferungsmodelle mehrerer Händler Lebensmittelrückführung (Prozesse, Kosteneffizienz, Geschäftsmodelle etc.) Bio-Produkte und ökologische Nachhaltigkeit in Einklang bringen ⟩ ⟩ ⟩ Physische und informatorische Verzahnung von Vertriebskanälen Bedienung der Kanäle aus einem flexiblen Logistiksystem Synergiebildung Technologische Herausforderungen ⟩ ⟩ ⟩ Akteursübegreifende Transparenz von Logistikketten durch Technologieeinsatz und Standardisierung Mehrkammer-Transportfahrzeuge für die kosteneffiziente Abwicklung der letzte Meile Nutzung von alternativen Antriebstechnologien für die Distribution von Lebensmitteln Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse das e-Commerce & Home-Delivery-Angebot auszubauen neue Geschäftsfelder und -modelle, für die rechtzeitig und das gesamte Sortiment online zur Verfügung zu Strategien und Konzepte erarbeitet werden müssen, stellen. Als Alternative für die kostenintensive Belieferung um wettbewerbsfähig zu bleiben. Wer sich den Trends der letzten Meile können Click-and-Collect-Konzepte des Marktes verschließt, kann langfristig auf Probleme dienen, die in anderen Ländern schon erfolgreich umge- stoßen. Im Rahmen der Studie konnten verschiedene setzt wurden. Insgesamt erfordert das Bedienen ver- Bereiche identifiziert werden, deren Abwicklung durch schiedener Vertriebskanäle ein flexibles Logistiksystem, intelligente Dienstleistungskonzepte Effizienzvorteile welches verschiedene Kunden und Nachfragestrukturen versprechen. Beispielsweise sind mit steigendem Bedarf bedienen kann, ohne IT-Systemlandschaften aufzubauen. an saisonalen und regionalen Lebensmittel neue Bünde- Um eine erfolgreiche Omni-Channel-Logistik durchzufüh- lungsstrategien erforderlich, um die kleinteilig-verteilten ren, gilt ein integriertes IT-System als kritischer Erfolgs- Sendungen aus dem Umland in die Stadt bzw. zum faktor. Daher sind die verschiedenen Anforderungen der Handel zu transportieren. Darüber hinaus ist es denkbar, Vertriebskanäle an das IT-System bereits bei dessen dass Logistikdienstleister zukünftig die Rückführung von Konzeptionierung frühzeitig zu berücksichtigen, um auch Lebensmitteln in soziale Einrichtungen oder beispiels- Cross-Channel-Retouren zu ermöglichen. Erfolgreiche weise zu Biogas-Anlagen übernehmen können. Aber Handelsunternehmen bündeln außerdem die Verant- auch die Convenience-Food-Belieferung der Endkunden wortung über die Abwicklung der Vertriebskanäle in der durch einen Logistikdienstleister bietet enorme Vorteile Logistik, da sich hier hohe Synergien erzielen lassen. gegenüber den unzähligen von Gastronomiebetrieben Für Logistikdienstleister bieten die Veränderungen in der Lebensmittellogistik auf strategischer Ebene diverse autark und nicht aufeinander abgestimmt betriebenen Lieferdiensten. Zudem ist anzumerken, dass aktuell nur sehr wenige Dienstleister dazu in der Lage sind, Abbildung 4: Handlungsempfehlung für die zukünftige Ausrichtung der Lebensmittellogistik LDL Hersteller Handel ⟩ Transparenz herstellen und als Wettbewerbsfaktor verstehen ⟩ Schaffung von Verpackungen für die Logistikanforderungen des e-Commerce ⟩ Wenn möglich, regionale Produkte und Inhaltsstoffe einführen Ø teilweise Abkehr von internationalen Logistikketten möglich ⟩ Integration von Transport und Logistik ⟩ Auf- bzw. Ausbau des HomeDelivery-Angebots ⟩ Click-and-Collect Konzepte als Alternative zur letzten Meile ⟩ Bedienung mehrerer Vertriebskanäle aus einem flexiblen Logistiksystem Ø Abkehr von Subsystemen ⟩ IT als Erfolgsfaktor guter OmniChannel-Logistik ⟩ Flexibilisierung der Anlieferzeitfenster ⟩ Integration Logistikdienstleister ⟩ Frühzeitiges Vordenken neuer Geschäftsfelder und –modelle Ø u.a. Convenience-Food-LDL zur Entlastung der Stadt Ø Bündelungsstrategien für regionale Lebensmittel Ø Rückführung von Lebensmitteln Ø Letzte Meile Food-LDL ⟩ Investition in MehrkammerFahrzeuge Gemeinsame Handlungsfelder Food Waste Awareness schaffen und gemeinsame Initiativen starten Nutzung zentraler IT-Plattform zur Schaffung von Transparenz Forschung an Logistiktechnologien Logistikkooperationen z.B. zur Nutzung begrenzter Flächenressourcen Entwicklung von Versorgungskonzepten für die Stadt von morgen VII eine effiziente Logistik auf der letzten Meile über alle rücken immer mehr in den Fokus der Betrachtung, da Temperaturbereiche durchzuführen, obwohl der Markt unter anderem mit schwindenden Logistikflächen in für Lebensmittellieferdienste stark wächst. Daher sollten urbanen Ballungsgebieten und steigendem Kosten- Logistikdienstleister bereits heute Strategien entwickeln, druck die effiziente Nutzung dieser Ressourcen immer wie sie sich in dem wachsenden Markt positionieren notwendiger wird. wollen. Mit einer stetig wachsenden Weltbevölkerung und einer Zusätzlich zu den akteursspezifischen Handlungsemp- zunehmenden Urbanisierung wird auch die Lebensmit- fehlungen konnten gemeinsame Handlungsfelder iden- telversorgung von Städten immer komplexer. Auf Basis tifiziert werden, deren erfolgreiche Ausgestaltung eine der Erkenntnisse der Studie und aktuellen Entwicklun- Zusammenarbeit aller Akteure erfordert. Eines dieser gen wird zum Abschluss ein Ausblick gegeben, welche Felder ist die gemeinsame Reduzierung von Verschwen- Logistiklösungen in der Stadt der Zukunft denkbar sind. dung entlang der Logistikkette von Lebensmitteln. Aktuell Innovative Kooperations- und Integrationsmodelle sind werden hier hauptsächlich Maßnahmen von Unterneh- dabei ebenso notwendig, wie die Umsetzung nach- men allein durchgeführt, obwohl davon auszugehen ist, haltiger Vertical Farming Konzepte zur Versorgung des dass akteursübergreifende Lösungen einen zusätzlichen Lebensmittelbedarfs in der Stadt. Mehrwert bieten. Aber auch Logistikkooperationen VIII Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse 1 Zielstellung, Methodik und Aufbau der Studie Motivation und Zielstellung Der Lebensmittelmarkt befindet sich im Wandel. Während die stationären Lebensmitteleinzelhändler nach wie vor den größten Marktanteil haben, entstehen regelmäßig neue Anbieter, Geschäftsmodelle und Belieferungskonzepte, die den Markt verändern. Das Angebotsspektrum erweitert sich rasant und sich ändernde Ess- und Kaufgewohnheiten der Endkunden sind klar zu beobachten. Zudem ist der Markt u.a. gekennzeichnet durch ein volatiles Nachfrageverhalten, einen enormen Preiskampf sowie knappe Logistik- und Verkaufsflächen, zumindest in urbanen Ballungsgebieten. Diese Veränderungen haben einen massiven Einfluss auf logistische Parameter wie z.B. Auftragsgrößen, Bündelungsstrategien und Stufigkeiten, weshalb davon auszugehen ist, dass auch die Lebensmittellogistik zukünftig vor völlig neuen Herausforderungen stehen wird. Ziel der vorliegenden Studie ist es, aktuelle Marktentwicklungen in der Lebensmittellogistik aufzuzeigen, Entwicklungstendenzen und zukünftige Herausforderungen zu identifizieren sowie potenzielle Lösungsansätze zu formulieren. Ausgehend vom Kunden als Grundlage logistischen Handelns werden zunächst aktuelle Konsumententrends erläutert, die Einfluss auf logistische Aktivitäten haben. Im Anschluss wird mit Hilfe einer Online-Umfrage die Bedeutung der Konsumententrends für die jeweiligen Akteure der Lebensmittelketten sowie deren Auswirkung auf die Logistik bewertet. Zusätzlich werden im Rahmen von ZIELSTELLUNG, METHODIK UND AUFBAU DER STUDIE Experteninterviews Erkenntnisse aus der Umfrage vertieft, um abschließend zukünftige Herausforderun- 1 gen und Lösungsstrategien der Lebensmittellogistik aufzuzeigen. Methodik Literaturrecherche und qualitative Inhaltsanalyse Zu Beginn der Studie wurde eine umfassende Literaturrecherche durchgeführt. Im Fokus standen sowohl wissenschaftliche Veröffentlichungen als auch Studien und Fachzeitschriften. Ziel der Recherche war es, Kernthemen, Handlungsfelder und Konsumententrends im Lebensmittelmarkt zu extrahieren, um ein grundlegendes Bild über die aktuellen Marktentwicklungen zu erarbeiten. Die aktuellen Konsumententrends bilden den Ausgangspunkt der Studie. Zwar gibt es auch beschaffungsseitige Trends, jedoch wurden diese im Rahmen der Studie nicht näher untersucht. Auf Basis einer qualitativen Inhaltsanalyse von neun ausgewählten KonsumententrendStudien [1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9] wurden die aktuellen Konsumententrends extrahiert, die zukünftig Einfluss auf die Lebensmittellogistik haben. Dabei wurden sie von Trends getrennt, deren Einfluss auf logistische Aktivitäten eher gering sind (u.a. neue Ernährungsformen wie beispielsweise. veganes Essverhalten oder „Functional Food“ – Lebensmittel mit gesundheitlichem Zusatznutzen). Auf Basis der neun Studien konnten sieben Kerntrends identifiziert werden, die die Grundlage der Online-Befragung darstellten. Dabei handelt es sich um die Konsumententrends „e-Commerce/Home-Delivery“, 1 Abbildung 5: Methodisches Vorgehen Literaturrecherche Online-Befragung Experteninterviews Jun. – Aug. 2015 Aug. – Sep. 2015 Dez. 2015 – Feb. 2016 Analyse von: ⟩ Wissenschaftlichen Veröffentlichungen ⟩ Studien ⟩ Fachzeitschriften 1) ⟩ 15 semi-strukturierte Interviews ⟩ Repräsentative Zusammensetzung: Hersteller, Handels, LDL, Verbänden & Start-Ups ⟩ Diskussion von Marktentwicklungen 2) à Konsumententrends & Handlungsfelder ⟩ Qualitative Inhaltsanalyse von 9 Konsumententrend-Studien Identifikation von 7 Kerntrends ⟩ ⟩ ⟩ Bewertung der Bedeutung der Trends heute und in 5 Jahren Bewertung von Einfluss der Trends auf die Logistik („Unternehmensstrategie“, „Netzwerke“, „Prozesse“, „Technologien“ & „Mitarbeiter“) Inserat in LMZ 970 direkte Kontakte Auswertung von 100 verwertbaren Antworten Bewertung der Trends und Einfluss auf Logistik Herausforderungen & Lösungsansätze „Transparenz“, „saisonale und regionale Lebensmittel“, zu den zwei inhaltlichen Fragenblöcken wurden einige „Convenience-Food“, „Food Waste Awareness“, „Con- Fragen gestellt, die der Beschreibung der Stichprobe venience-Stores“, und „Bio- und Fair-Trade-Siegel“, die dienen sollten, sowie die Logistikkosten der Unterneh- im Abschnitt 3 näher erläutert werden. men abgefragt. Um ein möglichst umfassendes Meinungsbild des Online-Befragung Lebensmittelmarktes abzubilden, wurde der Frage- Aufbauend auf den identifizierten Konsumententrends bogen an 970 Teilnehmer versendet sowie durch die wurde von den Autoren ein Online-Fragebogen erstellt, Lebensmittelzeitung beworben. Bei der Stichproben- der sich inhaltlich in zwei Fragenblöcke gliedert. zusammenstellung wurde darauf geachtet, dass poten- Zunächst wurden die Teilnehmer gebeten, die Bedeu- zielle Teilnehmer aus allen Stufen der Lebensmittelkette tung der jeweiligen Konsumententrends sowohl aus ausgewählt werden. Dazu zählen Lebensmittelein- heutiger Sicht als auch in fünf Jahren zu beurteilen. Dazu würden die Teilnehmer gebeten, diese Bedeutung auf einer Skala von 1(„niedrig“) bis 5 („hoch“) zu bewer- zel- und -großhändler, Rohstofflieferanten, Hersteller, Logistikdienstleister, Gastronomiebetreiber und HomeDelivery-Anbieter. Der Erhebungszeitraum erstreckte sich von August bis September 2015. ten. Im Anschluss sollte im zweiten Fragenblock mithilfe derselben Skala der Einfluss der jeweiligen Konsumen- Innerhalb des Erhebungszeitraums konnten 120 Rück- tentrends auf die Logistik bewertet werden. Dazu wurde läufe verzeichnet werden. Nach Überprüfung der Frage- jeweils der Einfluss auf die fünf Ebenen der Logistik – bögen auf Vollständigkeit und Plausibilität der Antworten „Unternehmensstrategie“, „Netzwerke“, „Prozesse“, konnten 100 verwertbare Datensätze identifiziert werden. „Technologien“ und „Mitarbeiter“ – abgefragt. Zusätzlich 2 Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse Den Großteil der befragten Personen bilden Lebens- eher die Minderheit dar. Lediglich 7 % der teilnehmenden mitteleinzel- und -großhändler, Hersteller sowie Logis- Unternehmen beschäftigen 50 oder weniger Mitarbeiter. tikdienstleister. Zudem konnten wenige Antworten von Gastronomiebetreibern und Home-Delivery-Anbie- Experteninterviews tern ausgewertet werden. Im weiteren Studienverlauf Im weiteren Verlauf der Studienerstellung wurden Inter- werden in den Auswertungen Lebensmitteleinzel- und views mit Logistikexperten der Lebensmittelbranche -großhändler als Händler zusammengefasst. Zudem geführt. Diese semi-strukturierte Interviews wurden erfolgen die meisten Auswertungen aufgrund der im Zeitraum von Dezember 2015 bis Februar 2016 höheren Anzahl an Antworten als Vergleich von Händ- durchgeführt. Bei der Auswahl der Interviewteilnehmer lern, Hersteller und Logistikdienstleistern. Nichtsdesto- wurde Wert auf eine ausgewogene und repräsentative trotz wird, u.a. im Rahmen der Experteninterviews, auch Zusammensetzung der Experten geachtet, sodass über auf ausgewählte Herausforderungen und Lösungsan- die verschiedenen Positionen der Lebensmittel-Supply- sätze für die weiteren Teilnehmergruppen eingegangen. Chain Aussagen getroffen werden können. Ziel der Knapp die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen weisen einen Jahresumsatz von mehr als 1. Mrd. € auf und beschäftigen über 2.000 Mitarbeiter. Jedoch konnten auch ein großer Teil an mittelständischen Unter- 1 Interviews war es, im Anschluss an die ausgewertete Online-Umfrage die identifizierten Kerntrends zu diskutieren sowie Herausforderungen und Lösungsansätze der Lebensmittellogistik zu erarbeiten. nehmen für die Studienteilnahme gewonnen werden. Unternehmen mit unter 10 Mio. € Jahresumsatz stellen Abbildung 6: Sample der Online Befragung (n=100) ZIELSTELLUNG, METHODIK UND AUFBAU DER STUDIE 3 Aufbau der Studie dieses Abschnitts stellt zum einen die Literaturanalyse, Um den Status Quo des Lebensmittelmarktes festzustellen sowie Entwicklungstendenzen aufzuzeigen, werden zunächst aktuelle Marktzahlen und Fakten dargelegt. Zudem werden aktuelle Logistikstrukturen sowie neue Geschäftsmodelle beschrieben, die neue Herausforderungen an die Lebensmittellogistik stellen. Grundlage dieses Abschnitts bildet hauptsächlich die Literaturrecherche. aber vor allem die Auswertung der Online-Umfrage dar. Auf Grundlage der vorherigen Ausführungen fokussiert Kapitel 4 die zukünftigen Herausforderungen der Lebensmittellogistik auf den fünf Ebenen Strategie, Netzwerke, Prozesse, Technologien sowie Mitarbeiter. Dabei bildet das Kapitel 4 die Synthese aus Literaturrecherche, Online-Umfrage und Experteninterviews und stellt für ausgewählte Problemstellungen Lösungsansätze für die Im darauffolgenden Kapitel 3 werden die identifizierten Konsumententrends – e-Commerce/Home-Delivery, regionale und saisonale Lebensmittel, Transparenz, Convenience-Food, Convenience-Stores, Food Waste Awareness sowie Bio- und Fair-Trade-Siegel – definiert, erläutert und deren Auswirkung auf die Logistik von Unternehmen dargestellt. Die Basis der Erkenntnisse Lebensmittellogistik dar. Dabei werden Herausforderungen im Omni-Channel-Business und Veränderungen der Netzwerkstrukturen durch e-Commerce ebenso thematisiert wie die Umsetzung unternehmensübergreifender Transparenz von Lebensmittelketten. Abschließend werden die identifizierten Lösungsansätze zusammengefasst und dabei ein Ausblick auf die Lebensmittellogistik in der Stadt der Zukunft gegeben. Abbildung 7: Aufbau und methodisches Vorgehen der Studie 4 Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse 2 Einführung in den Lebensmittel­ markt und seine Trends 2.1 Status Quo des Lebensmittelmarkts und der Logistik stark steigende Sortimentsbreite, gepaart mit einer stei- Die deutsche Ernährungsindustrie erwirtschaftet pro erschwert die Prognostizierbarkeit der Nachfrage auf Jahr einen Umsatz von über 172 Mrd. € und ist damit Einzelartikel­ebene, da variantenabhängige Verteilungen der viertgrößte Industriezweig in Deutschland. Mit mitberücksichtigt werden müssen. Dies schlägt sich deu­ knapp 560.000 Beschäftigten in über 5.800 Betrieben tlich in einem erhöhten Logistikaufwand der Lebensmittel- ist sie einer der Motoren der deutschen Wirtschaft. branche nieder, weshalb die Nachfrage nach innovativen Der überwiegende Teil dieser Unternehmen sind kleine Logistiklösungen wächst. Allein in Deutschland werden und mittelständische Unternehmen (KMU) mit unter jährlich knapp 20 Mrd. € für die Lebensmittellogistik aus- 250 Mitarbeitern. Während der Markt in Deutschland gegeben. [10] Die Logistikkosten der im Rahmen der seit geraumer Zeit stagniert, steigt die Bedeutung des vorliegenden Studie teilnehmenden Unternehmen liegen, Exportgeschäfts mit deutschen Lebensmitteln stetig. gemessen am prozentualen Anteil am Gesamtumsatz, in So konnte 2014 mit einem Exportwachstum 2,5 % und einer Bandbreite von 6 bis 10 %. Jedoch ist auffällig, dass einem Umsatzvolumen von über 54 Mrd. € ein neuer die Abgrenzung der Logistikkosten sehr unterschiedlich Bestwert erreicht werden. Damit ist Deutschland der ist und fast die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen drittgrößte Exporteur von Lebensmitteln weltweit. [2] ihre Logistikkosten nicht ausreichend genau kennen. Zwar ist der Markt der Lebensmittelhersteller stark KMU- Auch wenn der Großteil der produzierten Lebensmit- geprägt, jedoch weist der Lebensmitteleinzelhandel tel nach wie vor über die klassischen Strukturen der in Deutschland eine sehr hohe Konzentration auf. Die Lebensmitteleinzelhändler vertrieben wird, gewinnt der fünf größten Händler (Edeka-Gruppe, Rewe-Gruppe, Online-Distanzhandel immer mehr an Bedeutung. Der Schwarz-Gruppe, Aldi-Gruppe und die ­Metro-Gruppe) prozentuale Anteil des e-Commerce am Gesamtumsatz vereinen über 72 % des Jahresumsatzes von 186 Mrd. im Bereich der Lebensmittel liegt aktuell bei gerade € im Lebensmitteleinzelhandel. [2] Die rasante Erhöhung einmal 1 %, wohingegen dieser Anteil für andere Pro- der Sortimentsbreite in den letzten Jahren stellt eine duktkategorien bereits bei über 10 % liegt. Jedoch sind der Kernherausforderungen für den Lebensmitteleinzel­ sich Experten einig, dass die Bedeutung des Online- handel dar. Abhängig von der Art und Größe des Marktes Lebensmitteldistanzhandels zukünftig stark zunimmt. umfasst die Sortimentsbreite eines Lebensmittelmarktes So stieg der Onlineumsatz in Deutschland mit Lebens- heute 2.000 bis 50.000 unterschiedliche Artikel. Diese mitteln im 3. Quartal 2015 auf 290 Millionen €. Dies Einführung in den Lebensmittelmarkt und seine Trends genden Volatilität der Kundennachfrage, der Verderblichkeit der Waren sowie der Substituierbarkeit der Güter 2 5 entspricht im Vergleich zum 3. Quartal 2014 einem Hochrechnungen ergeben, dass allein in Deutschland Umsatzwachstum von 52,4 %. [11] Zurückzuführen ist im Jahr 2060 knapp doppelt so viele 70-Jährige leben, das Umsatzplus u.a. auf einen immensen Werbe- und wie Geburten erwartet werden. [14] Hinzu kommt, dass Marketingaufwand im Jahr 2015, der die Kundenwahr- ein Großteil dieser Personen bis dahin in urbanen Bal- nehmung im Bereich des Onlinehandels von Lebens- lungsgebieten leben wird. Allein diese beiden Aspekte mitteln gesteigert hat. Den Trend erkennend entwickeln verdeutlichen, dass sich nicht nur das Angebot im mittlerweile auch diverse Lebensmitteleinzelhändler Lebensmittelmarkt verändern wird, sondern auch die Konzepte der Lebensmittelbelieferung an die Haustür damit verbundene Logistik vor neuen Herausforderun- der Kunden und setzen diese zum Teil erfolgreich um. gen steht. Bis zum Jahr 2020 wird davon ausgegangen, dass der Marktanteil von e-Commerce in der Lebensmittelindus- Aufgrund der Bedeutung des Kunden wurden im trie auf 10 % steigen wird. [12] Rahmen der Studienerstellung auf Basis einer qualitativen Inhaltsanalyse verschiedener Studien sieben ver- Getrieben werden die Veränderungen im Lebensmit- schiedene Konsumententrends identifiziert und deren telmarkt zum Großteil durch den Kunden. Dessen Einfluss auf die Logistik bewertet. Hieraus wurden Anforderungen und Bedürfnisse ändern sich, weshalb zukünftige Herausforderungen in der Lebensmittello- die starren Strukturen des Lebensmitteleinzelhandels gistik erarbeitet. im Zeitalter der Digitalisierung nicht mehr allen Kundengruppen genügen. Daher ist davon auszugehen, dass besonders der Trend des e-Commerce den Markt auf lange Sicht maßgeblich verändern wird. Darüber 2.2 Traditionelle Logistikstrukturen und neue Geschäftsmodelle hinaus zeigen unterschiedliche Studienergebnisse, Die Lebensmittellogistik umfasst die Planung, Steu- dass für den Großteil der Kunden der Preis nicht mehr erung und Kontrolle des Wertschöpfungsnetzwerks das einzige Kriterium bei Lebensmitteleinkauf darstellt. von Lebensmitteln von der Rohstoffquelle bis zum [13] Viele der zusätzlichen Kaufkriterien wie Qualität, Kunden. Im Fokus steht dabei die effiziente Abwicklung Nachhaltigkeit oder die Herkunft des Produkts stehen von Kundenaufträgen mit Hilfe von Informationssyste- in unmittelbarem Zusammenhang mit logistischen men, Technologien und Managementkonzepten unter Funktionen, weshalb der Logistik in der Lebensmittel- besonderer Berücksichtigung hoher artikelspezifischer branche ein besonderer Stellenwert beigemessen wird. Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen verderblicher Besonders der Aspekt der Verderblichkeit bzw. Quali- Waren verschiedener Temperaturbereiche. tätsveränderung des Guts während des Transports bis zum Endkunden birgt zusätzliche Herausforderungen, die effiziente Prozesse unabdingbar machen. Zudem wird der Lebensmittelmarkt langfristig von diversen Megatrends beeinflusst, die auch andere Industrien nachhaltig beeinflussen. Allein die Trends der Urbanisierung und des demografischen Wandels verändern Kundenstrukturen und -anforderungen maßgeblich. 6 Traditionelle Logistikstrukturen des stationären Einzelhandels Die vorliegende Studie fokussiert in erster Linie die Distribution eines fertiggestellten Endprodukts zwischen der Quelle (Hersteller) und der Senke (Lebensmitteleinzelhandel bzw. Endverbraucher) entlang des dazugehörigen Logistiknetzwerkes. Die grundlegenden Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse Belieferungskonzepte des stationären Lebensmittel- Regionallagern ein umfassender Teil des Sortiments handels sind die Streckenbelieferung, die Zentral-/ gelagert. Die Belieferung der Lager kann direkt durch Regionallagerbelieferung sowie die Beschaffungslo- die Hersteller erfolgen oder durch vom Hersteller beauf- gistik des Handels. tragte Logistikdienstleister, die eigenständig Sammelfahrten organisieren. Anschließend werden die Waren Als Streckenbelieferung bezeichnet man die Belieferung im Zentrallager für die jeweiligen Filialen des Lebens- durch den Hersteller direkt an die Filialen des Handels. mitteleinzelhandels konsolidiert, kommissioniert und Im Vorfeld der Auslieferung werden die Bestellungen ausgeliefert. Ziel der Zentral-/Regionallagerbelieferung des Lebensmittelhandels gebündelt an den Hersteller ist es, die Waren gebündelt und unter optimaler Aus- übermittelt, der diese dann konsolidiert direkt und ohne nutzung der Transportkapazitäten des Händlers an die Zwischenlagerung an die entsprechenden Filialen aus- Filialen ausliefern zu können. Cross-Docking ist eine liefert. Aus Sicht des Herstellers ist die Streckenbeliefe- Sonderform der Zentral-/Regionallagerbelieferung. Bei rung nur dann vorteilhaft, wenn die Absatzmenge an die diesem ein- oder mehrstufigen Belieferungskonzept Filialen hoch genug ist, sodass er die volle Auslastung wird auf die klassische Lagerhaltung weitestgehend der Fahrzeuge gewährleisten kann. verzichtet. Es wird zwischen quellennahem und senken- Die Zentral-/Regionallagerbelieferung ist das in der Praxis am häufigsten eingesetzte Belieferungskonzept. Dabei wird in einem Zentrallager oder wenigen 2 nahem Cross-Docking unterschieden. In hoch effizienten Umschlagspunkten werden mehrere Warenströme zusammengeführt und direkt ohne Zwischenlagerung für den zeitnahen Versand an die Filialen kommissioniert. Abbildung 8: Die klassischen Belieferungskonzepte des stationären Handels Streckenbelieferung Handel als Verantwortlicher Beschaffungslogistik des Handels Zentral-/Regionallager-Belieferung Hersteller als Verantwortlicher Einführung in den Lebensmittelmarkt und seine Trends Hersteller Lager/ Cross-Dock Handel 7 Die Beschaffungslogistik des Handels beschreibt den Zusätzlich zur Belieferung des Lebensmittel­einzel­ Fall, bei dem der Handel die Waren nicht vom Hersteller handels entstehen verschiedene Geschäftsmodelle, die anliefern lässt, sondern die Organisation der Beschaf- die Versorgung des Kunden ohne Handelsstrukturen fung eigenständig übernimmt. In der Praxis erfolgt bewältigen. Jedes dieser Geschäftsmodelle differen- dieses Belieferungskonzept in Kooperation mit einem ziert sich zusätzlich noch über das angebotene Pro- Logistikdienstleister. Der größte Vorteil des Konzepts duktspektrum (hier werden oft auch Ernährungstrends liegt vor allem in der besseren Synchronisation von wie Bio-Produkte, vegane Kost, regionale Lebensmittel Transport- und Lagerungsprozessen, was wiederum etc. aufgenommen), sodass eine Vielzahl von Akteuren zu einer höheren Termintreue und Auslastung führt. in den Markt drängt. Der Koordinationsaufwand für den Hersteller wird dabei gesenkt, da er nicht die möglicherweise ineffiziente Die zwei verbreitetsten Modelle sind dabei klassische Anlieferung zum Zentrallager zu starren Zeitfenstern Online-Supermärkte und Anbieter von vorkommissio- selbst organisieren muss. Gleichzeitig verliert er aber nierten Lebensmittelboxen. Zudem entstehen regel- auch einen Verantwortungsbereich, was nicht immer mäßig weitere innovative Ansätze, die aus diesen vom Hersteller gewünscht ist. Dimensionen ausbrechen. Online-Supermärkte verfügen über keine Verkaufsnie- Neue Logistikstrukturen und Geschäftsmodelle derlassung und bedienen ihre Kunden über eine WebPlattform aus einem oder mehreren Lagerstandorten. Durch die Digitalisierung des Leistungsangebots ent- Das Angebot reicht dabei von auf bestimmte Produkt­ stehen in der Lebensmittelbranche neue Vertriebska- sortimente spezialisierte Anbieter (z.B. gormondo.de, näle und Geschäftsmodelle, die die Branche verändern lebkuchen-schmidt.com oder alles-vegetarisch.de) bis und neue Herausforderungen an die Logistik stellen. hin zum Vollsortimenter (z.B. mytime.de, lebensmit- Der Großteil dieser Geschäftsmodelle bedient dabei tel.de oder alluneedfresh.de). Je nach Kunden- und entweder die steigende Nachfrage nach Lebens- Nachfragestruktur erfolgt entweder die Zustellung über mittellieferungen an die Haustür oder den Bedarf an Logistikdienstleister oder es werden eigene Distribu­ vorkommissionierten und zum Teil fertig zubereiteten tionssysteme aufgebaut und betrieben. Lebensmitteln. Anbieter von Lebensmittelboxen bieten dem Kunden Der klassische Lebensmitteleinzelhandel fokussiert zum Teil individuell vorkommissionierte Pakete und sich vor allem auf die Lebensmittelbelieferung an die liefern diese an die Haustür. Je nach Anbieter ist das Haustür des Kunden. Dafür werden aktuell vor allem Angebot im Produktsortiment, der Wahlmöglichkeit des die zwei verschiedenen Ansätze der filialbasierten und Kunden oder Zustellregionen beschränkt. Das Angebot zentrallagerbasierten Kommissionierung verfolgt, um reicht von regelmäßig zugestellten Süßwarenboxen die Belieferung des Kunden zu bewältigen. Je nach bis hin zu Convenience-Food-Boxen, bei denen der Nachfragestruktur weisen beide Konzepte Vor- und Kunde bestimmte Mahlzeiten auswählen kann und Nachteile auf, die im späteren Studienverlauf erläutert deren Zutaten in der richtigen Menge und Anzahl gelie- werden. fert werden. Somit entfällt lediglich die Zubereitung auf den Kunden. Lebensmittelboxen sind oft an flexible 8 Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse Abo-Systeme geknüpft. Die Zustellung erfolgt in den entnehmen. Aber auch Web-Plattformen, über die meisten Fällen über klassische KEP-Dienstleister. Bei- Privatpersonen Gerichte anbieten und an Personen in spiele für dieses Geschäftsmodell sind u.a. foodist.de, der unmittelbaren Nähe verkaufen können, prägen das kochzauber.de und hellofresh.de. Zeitalter der Digitalisierung. Über die zwei Hauptausprägungen hinaus entsteht eine Ausgangspunkt dieser Geschäftsmodelle ist der Kunde, Vielzahl neuer Geschäftsmodelle. Kunden bestellen der mit seinem sich ändernden Einkaufs- und Kon- sich nicht nur Lebensmittel, sondern zusätzlich auch sumverhalten den Markt maßgeblich verändert. Daher den Koch mit nach Hause. Lebensmittel-Packstatio- bilden die Konsumententrends und die damit verbun- nen entstehen, an denen Kunden sich ihr Gericht aus- denen logistischen Herausforderungen die Grundlage wählen und die dazugehörigen Zutaten aus dem Fach dieser Studie. 2 Einführung in den Lebensmittelmarkt und seine Trends 9 3 Konsumententrends und ihr Einfluss auf die Lebensmittellogistik 3.1 Konsumententrends im Vergleich sämtlichen Konsumententrends sowohl heute als Auf Basis der zugrunde liegenden Umfrage ist sowohl die befragten Hersteller und Logistikdienstleister tun. heute als auch in fünf Jahren der Kundenwunsch nach Dieses Ergebnis lässt sich damit erklären, dass der Transparenz der Lieferkette sowie nach regionalen Handel das Kaufverhalten der Endkonsumenten durch und saisonalen Lebensmitteln von höchster Bedeu- den direkten Kontakt am besten einschätzen kann und tung für die Lebensmittelindustrie. Transparenz ist sein Produktportfolio flexibel an der tatsächlichen Nach- nicht nur der bedeutsamste Trend, sondern hat nach frage anpassen kann und muss, um wettbewerbsfähig Meinung der Teilnehmer auch die größten Auswirkun- zu bleiben. auch zukünftig eine höhere Relevanz zuspricht als es gen auf die unterschiedlichen Ebenen der Logistik, da > Händler die komplette Wertschöpfungskette betroffen ist und stehen u.a. vor der Heraus forder ung, netzwerkweit Messstandards und Monitoring-Sys- Lebensmittelverschwendungen zu vermeiden, ein teme implementiert werden müssen. Interessant ist Trend der in Zukunft durch zunehmende Regularien zudem, dass nach Meinung der Teilnehmer die Trends verstärkt wird. Erste Gesetzgebungen wie beispiels- e-Commerce und verschwendungsarme Lebensmittel- weise in Frankreich, die Lebensmitteleinzelhändler ketten aus heutiger Sicht weniger wichtig erscheinen, dazu verpflichten, nichtverkaufte Lebensmittel an jedoch innerhalb der nächsten fünf Jahre am stärksten soziale Einrichtungen abzuführen, zeigen auf, dass an Bedeutung zunehmen werden. dieser Trend in die strategischen Entscheidungen des Handels einfließen muss und zusätzliche Werden die Konsumententrends je Akteursgruppe Absprachen mit Logistikdienstleistern bezüglich der separat betrachtet, wird deutlich, dass der Handel Rückführung von Lebensmitteln erforderlich macht. Abbildung 9: Bedeutung der Konsumententrends in der Lebensmittelindustrie – heute und in 5 Jahren Transparenz Stärkster Trend Regionale und saisonale Lebensmittel Convenience-Food Bio- und Fair-Trade-Siegel Convenience-Stores e-Commerce/Home-Delivery Stärkstes Wachstum Food Waste Awareness 1.00 gering 1.50 2.00 2.50 in 5 Jahren 10 3.00 mittel heute 3.50 4.00 4.50 5.00 hoch n=100 Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse > Lebensmittelhersteller sind in erster Linie von dem Es wird deutlich, dass die Konsumententrends neue steigenden Kundenbedürfnis nach Transparenz in Geschäftspotentiale entlang der Lebensmittelwert- internationalen Lebensmittelketten betroffen. Zum schöpfungskette hervorbringen und sich der Lebens- einen soll auch hier die Verschwendung von Lebens- mittelmarkt in einem strukturellen Wandel befindet. mitteln nachvollziehbar dargelegt werden und zum Immer öfter kooperieren Start-ups, Gastronomiebe- anderen sind Lebensmittelhersteller oft am stärksten triebe und weitere mit großen Lebensmitteleinzel- von Lebensmittelskandalen und Rückrufaktionen händlern, um durch serviceorientierte Angebote unter betroffen, die ein schnelles Reagieren fordern, um Verwendung von IT-Plattformen und bedienerfreundli- langfristige Imageschäden abzuwenden. chen Apps Kunden für sich zu gewinnen. Gleichzeitig resultieren dieser Wandel und insbesondere die zuneh- > Für Logistikdienstleister bieten die untersuch- mende Bedeutung des e-Commerce in einer steigen- ten Trends in erster Linie eine Vielzahl neuer den Nachfrage nach städtischer Logistikinfrastruktur. Geschäftsmodelle und somit eine Diversifizierung Solche Lager-, Umschlags- und Verkaufsflächen stehen des angebotenen Leistungsspektrums: Im Bereich dabei nicht nur vor der Herausforderung knapper Convenience-Food existiert beispielsweise bei Flächen. Auch aus verkehrspolitischen Gründen muss den Same-Day-Lieferdiensten von verzehrfertigen bei deren Konzeption nachgewiesen werden, dass sie Lebensmitteln aktuell eine Vielzahl von nicht aufei- keine zusätzliche Belastung für benachbarte Verkehrs- nander abgestimmten Distributionsstrukturen, die knoten darstellen. Um solchen Restriktionen gerecht von jedem Anbieter einzeln betrieben werden. Hier zu werden, sind zukünftig kooperative und nachhaltige sehen sich Logistikdienstleister durch kooperative Logistiklösungen notwendig und damit ein wichtiger Ansätze und die Verwendung von IT-Plattformen Bestandteil dieser Studie. 3 zunehmend in der Lage, diese bisher nicht abgestimmten Belieferungsprozesse in urbanen Bal- Es wird deutlich, dass sich die Konsumententrends lungsgebieten gebündelt zu übernehmen. direkt auf die Logistik auswirken. Die Befragung zeigt im Abbildung 10: Bedeutung der Konsumententrends je Akteursgruppe – heute und in 5 Jahren Trends im Vergleich je Akteur - Heute Trends im Vergleich je Akteur - In 5 Jahren Bio- und Fair-Trade-Siegel Bio- und Fair-Trade-Siegel Convenience-Stores Convenience-Stores Food Waste Awareness Food Waste Awareness Regionale und saisonale Lebensmittel Regionale und saisonale Lebensmittel Convenience-Food Convenience-Food Transparenz Transparenz e-Commerce/Home-Delivery e-Commerce/Home-Delivery 1.00 1.50 2.00 2.50 mittel 3.00 3.50 4.00 4.50 5.00 gering hoch LDL Hersteller Handel Konsumententrends und ihr Einfluss auf die Lebensmittellogistik 1.00 1.50 2.00 2.50 mittel 3.00 3.50 4.00 4.50 5.00 gering hoch LDL Hersteller Handel 11 Ergebnis, dass Transparenz nicht nur der bedeutsam- Abgrenzung der Logistikkosten sehr unterschiedlich ist ste Trend ist, sondern auch die größten Auswirkungen und fast die Hälfte der Unternehmen ihre Logistikkosten auf die Logistik hat, da die komplette Wertschöpfungs- nicht ausreichend genau kennen. kette davon betroffen ist und netzwerkweite Lösungen Im Folgenden werden die jeweiligen Konsumen- implementiert werden müssen. tentrends sowie deren Auswirkungen auf die Logistik Die größten Unterschiede zwischen den Akteuren sind im Detail erläutert. bei den Auswirkungen von regionalen und saisonalen Lebensmitteln auf die Logistik zu erkennen. Insbesondere der Handel steht hier vor der Herausforderung, 3.2 e-Commerce/Home-Delivery Produkte aus der Region mit Hilfe effizienter Logistik- Der Trend e-Commerce/Home-Delivery beschreibt das prozesse zu beziehen. Weitere Unterschiede sind im Einkaufen von Lebensmitteln über das Internet, wobei e-Commerce zu erkennen. Während sich für den Her- die Lieferung größtenteils an die Haustür erfolgt. steller ein neuer Vertriebskanal eröffnet, stellt der Handel komplette Geschäfts- und Belieferungsmodelle auf. Für den Logistikdienstleister bieten sich durch e-Commerce Die wachsende Bedeutung des e-Commerce zieht erhebliche logistische Herausforderungen nach sich. So müssen Home-Delivery-Anbieter typischerweise neue Kunden an. Bestellungen von 60-80 Artikeln über mehrere TempeDie Logistikkosten (gemessen am Gesamtumsatz) der raturbereiche aus einem Gesamtsortiment von 25.000 teilnehmenden Unternehmen liegen in einer Band- Produkten innerhalb von 12-24 Stunden zur Lieferung breite von 6 bis 10 %. Jedoch ist auffällig, dass die an den Kunden kommissionieren und innerhalb von Abbildung 11: Bewertung der Auswirkung der Konsumententrends auf die Logistik allgemein Bio- und Fair-Trade-Siegel Convenience-Stores Food Waste Awareness Stärkster Unterschied zwischen den Akteuren Regionale und saisonale Lebensmittel Convenience-Food Stärkster Trend und größte Auswirkungen auf die Logistik Transparenz e-Commerce/Home-Delivery 1.00 gering 1.50 2.00 LDL 12 2.50 Hersteller 3.00 mittel 3.50 4.00 4.50 5.00 hoch Handel Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse ein- bis zweistündigen Lieferfenstern zustellen. [15] Handel an, wenn dieser in der Lage ist, die logistischen Dabei müssen e-Commerce-Anbieter den hohen Logis- Herausforderungen wirtschaftlich zu meistern. tikanforderungen der letzten Meile mit dem Angebot kundenfreundlicher Lieferzeiträume und der Heraus- Die Auswertung der zugrundeliegenden Umfrage zeigt, forderung geringer Brutto-Margen und zusätzlicher dass Unternehmen der Lebensmittelindustrie den stei- Kosten begegnen, um ihren Kunden einen marktfähi- genden Kundenwunsch nach e-Commerce und Home- gen Service anbieten zu können. [16] Gleichzeitig bürgt Delivery für die Zukunft erkannt haben. Während der e-Commerce viele Chancen und Wettbewerbsvorteile. Trend heute noch als vergleichsweise weniger wichtig Experten sind sich einig, dass der stationäre Lebens- betrachtet wird (18 % der Teilnehmer bewerten die mittelmarkt weitestgehend gesättigt ist, während der Bedeutung des Trends als hoch bzw. eher hoch), wird e-Commerce-Markt in Zukunft weiter wachsen wird. der neuen Vertriebsform im Vergleich zu den anderen Trends innerhalb der nächsten 5 Jahre das größte Wachs- Obwohl viele Herausforderungen im e-Commerce identi- tum zugesprochen (54 % der Teilnehmer schätzen die fiziert werden konnten, ist das ausschlaggebende Argu- Bedeutung von e-Commerce in fünf Jahren als hoch ment für den Eintritt der Händler in dieses Geschäftsfeld bzw. eher hoch ein). Besonders der Handel sieht sich die zunehmende Affinität der deutschen Konsumenten zukünftig in der Pflicht, dem Bedarf nach Lebensmittel- zum Online-Lebensmittel-Shopping. Darüber hinaus Online-Shopping nachzukommen, da dieser von den wird großes Potenzial für „First Mover“ in Deutschland Kunden zunehmend nachgefragt wird und einen ent- gesehen, die wie Tesco in Großbritannien langfristig von scheidenden Wettbewerbsfaktor darstellt. Auch Logistik- rechtzeitigen Investitionen in dem Bereich profitieren dienstleister, für die sich in der städtischen Feindistribution können. Lebensmittel haben eine hohe Kauffrequenz neue Kundenstrukturen bieten, sind sich der steigenden und schaffen Unternehmen somit einen kontinuierlichen Bedeutung und der daraus resultierenden Herausfor- Zugang zum Kunden. Dadurch bietet sich die Chance, derungen bewusst. Ebenso die Lebensmittelhersteller, dass Kunden mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für die e-Commerce eine neue Möglichkeit bietet, ihre zusätzlich auch Non-Food Produkte mit höheren Margen Produkte direkt an den Endverbraucher zu vertreiben, kaufen. [17] Im Allgemeinen bietet sich e-Commerce aller- erkennen die zukünftige Relevanz dieses Trends. Einer- dings nur dann als ein profitables Geschäftsmodell für den seits können beim Direktvertrieb durch das Wegfallen 3 Abbildung 12: Chancen und Herausforderungen des e-Commerce Chancen Herausforderungen ⟩ Wachstumspotential: Erhöhung des Marktanteils, ⟩ Logistik: unterbrechungsfreie Kühlkette, pünktliche, schnelle Erschließung neuer Kundengruppen, Kundenbindung ⟩ Sättigung des stationären Markts ⟩ Veränderte Demographie: steigende Anzahl an Internetnutzern ⟩ Affinität der Verbraucher bzgl. Convenience und Zeitersparnis etc. ⟩ Differenzierung von Wettbewerbern ⟩ Kundenverständnis, Informationen über Kunden und termingetreue Lieferung, Kommissionierung aufgrund Heterogenität schwer automatisierbar ⟩ Einkaufen zählt als haptisches Erlebnis: Vertrauen der Kunden in die Qualität der Produkte und in die Datensicherheit ⟩ Warenverfügbarkeit schwer zu optimieren ⟩ Geringe Margen können Lieferprozess nicht kompensieren ⟩ Komplizierte Retourenabwicklung Konsumententrends und ihr Einfluss auf die Lebensmittellogistik 13 von Zwischenhändlern höhere Gewinnmargen für den Netzwerkebene die Nachfrage an städtischen e-Com- Hersteller erzielt werden, andererseits muss für die merce Zentren zu, um Ineffizienzen der bisher dominie- Direktbelieferung und deren Vermarktung in neue Struk- renden filialbasierten Kommissionierung zu umgehen. turen investiert werden und ein zunehmender Wettbe- Außerdem sind zusätzliche Kooperationen mit Logistik- werb mit dem Handel als Kunden in Kauf genommen dienstleistern notwendig, um den Prozessänderungen werden. Deshalb entscheiden sich die meisten Herstel- durch zusätzliche Distributionstransporte, aber auch ler gegen einen Direktvertrieb und sehen e-Commerce veränderte kundennahe Umschlags- und Kommissio- Anbieter eher als zusätzlichen Kunden. Es wird deutlich, nierprozesse zu begegnen. dass e-Commerce sämtliche Akteure vor strategische und operative Herausforderungen stellt. Die sich daraus Logistikdienstleister haben laut der Umfrage das Poten- ableitbaren Logistikstrategien sind in folgender Übersicht zial von e-Commerce bezüglich neuer Geschäftsmo- dargestellt und werden je logistische Gestaltungsebene delle und potentieller neuer strategischer Kunden noch in Kapitel 4 näher erläutert. nicht vollständig ausgeschöpft, obwohl sich für sie völlig neue Geschäftsfelder eröffnen. Es wird deutlich, dass die Teilnehmer der Umfrage dem Konsumententrend e-Commerce die stärksten Auswirkungen auf der Netzwerk- und Prozessebene 3.3 Transparenz zusprechen, dicht gefolgt von der Strategie und der Dieser Trend beschreibt das steigende Kundenbedürf- Technologie-Ebene. nis nach einer vollständigen Informationsverfügbarkeit entlang der Logistikkette von Lebensmitteln hinsicht- Dabei ist besonders die Logistik des Handels von der lich der Herkunft sowie der Herstellungs-, Transport-, aufkommenden Bedeutung des e-Commerce betrof- Lagerungs- und Weiterverarbeitungsbedingungen aller fen. Während auf der Ebene der Unternehmensstrate- zu einem Produkt gehörenden Inhaltsstoffe. gie die zukünftige Ausrichtung hinsichtlich Cross bzw. Omni-Channel-Logistik zu diskutieren ist, nimmt auf Das Bedürfnis nach Transparenz entlang der Abbildung 13: Auswirkung des Konsumententrends e-Commerce/Home Delivery auf die Logistik Strategien je Gestaltungsebene E-Commerce/ Home-Delivery Strategie Mitarbeiter Netzwerk Netzwerk/ Prozess Unternehmensstrategie Konsumententrend Angebot an E-Commerce/ Home-Delivery / Cross-Omni Channel Same-Day-Delivery Neue Geschäftsmodelle: Click-and-Collect, Sharing-Belieferungskonzepte, FlashStores Neue Kooperationsmodelle mit städtischen LDL, StartUps E-Commerce/Cross-Omni Channel: Synergien im Fulfillment der Vertriebskanäle (Sortimentsallokation, Kommissionierung und Transport) Urbanes E-Commerce-Fulfillment-Center Konzepte zur Minderung des Flächenverbrauchs Handel 14 Technologie Hersteller LDL Mitarbeiter Prozess Technologien Aufbau von Logistikstrukturen zur Cross-Channel-Retourenabwicklung Digitalisierung der Produkte (Preise, Verfügbarkeit, Kundenbewertung) IT-Plattformen und Apps (m-Commerce) Transparenz der Verfügbarkeit und letzten Meile (Tracking and Tracing) ERP für Omni-Channel ausbauen Aus- und Weiterbildungskonzepte um Fachkräftemangel entgegenzuwirken Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse Logistikkette von Lebensmitteln nimmt zu. Getrieben vor allem Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln und durch diverse Lebensmittelskandale innerhalb der ihren Inhaltsstoffen entlang internationaler Logistikket- letzten zehn Jahre steigt der Kundenwunsch nach der ten. Der Ausbruch von E-coli-Stämmen in Deutschland Informationsverfügbarkeit über Inhaltsstoffe, Weiter- führte zu einem Verlust von über einer Milliarde Euro verarbeitungsprozesse, Herkunftsländer und Herstel- auf Seiten der Bauern und Lebensmittelhersteller und lungs- und Transportbedingungen von Lebensmitteln zu über 200 Millionen Euro Katastrophenhilfe durch die stetig. Allein in Europa sind jährlich mehrere Millionen Europäische Union. [21] Menschen durch von Lebensmitteln übertragene oder Diese Vorfälle jüngster Vergangenheit sowie unzähli- durch sie verursachte Krankheiten betroffen. ge kleinere Rückrufaktionen stellen Unternehmen, vor Beispielsweise wurde im Dezember 2008 eine stark allem ihre Logistik, vor die Herausforderung, schnell überhöhte Dioxinbelastung in aus Irland stammendem und lückenlos alle in der Lieferkette beteiligten Akteure Schweinefleisch gemessen. In Folge dessen kam es sowohl lieferanten- als auch kundenseitig identifizieren zu einem internationalen Rückruf von Produkten, die zu können. Ebenfalls werden regelmäßig Verordnun- Schweinefleisch aus Irland enthielten. Betroffen waren gen der EU erlassen, die die Rückverfolgbarkeit und über 20 Länder, darunter Deutschland, Frankreich, die Sicherheit von Lebensmitteln betreffen. Grundlage für USA, China und viele weitere. Zurückzuführen war die die Schaffung von Lebensmittelsicherheit innerhalb überhöhte Dioxinbelastung auf einen irischen Tierfut- der Europäischen Union stellt die 2002 veröffentlichte terhersteller, der eine Vielzahl von Bauernhöfen in Irland Verordnung (EG) Nr. 178/2002 dar, die u.a. Futter und belieferte. Der resultierende Produktionsstillstand in der Lebensmittel herstellende und verarbeitende Unterneh- gesamten schweineverarbeitenden Industrie Irlands men dazu verpflichtet, eine Rückverfolgbarkeit sicher- betraf tausende Arbeitsplätze. [18,19,20] Aber auch zustellen. Sie müssen demnach dazu in der Lage sein, Vorfälle wie die EHEC-Epidemie im Jahr 2011 bekräf- jedes Unternehmen und jede Person zu identifizieren, tigen die steigende Bedeutung der Transparenz und die entweder Bestandteile ihrer Produkte angeliefert 3 Abbildung 14: Auswirkung des Konsumententrends Transparenz auf die Logistik Konsumententrend Strategie Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility für internationale Lebensmittelketten Offenlegung von Intransparente Prozesse (Produktion, Transport, Lagerung) und Anpassung an das Netzwerk, wenn Transparenz in bestehenden Strukturen nicht gewährleistet werden kann Netzwerk Prozess Handel Technologie Hersteller Mitarbeiter Technologien Mitarbeiter Unternehmensstrategie Transparenz Netzwerk/ Prozess Strategien je Gestaltungsebene Neue Geschäftsmodelle für Software-Anbieter Etablierung internationaler Kooperations- und Monitoring-Modelle Digitalisierung der Logistikprozesse (u.a. Implementierung von Tracking-and-TracingSystemen) Anwendung von Apps zur Rückverfolgbarkeit Sensibler Umgang mit den Herausforderungen des „gläsernen Mitarbeiters“ Neue Geschäftsmodelle für Software-Anbieter LDL Konsumententrends und ihr Einfluss auf die Lebensmittellogistik 15 oder aber Produkte erhalten haben. Diese Informatio- Sicherstellung der Qualität und Sicherheit des Produk- nen müssen auf Aufforderung einer dafür zuständigen tes, gewährleistet werden kann. [23, 24, 25] Behörde offengelegt werden. Aufbauend darauf wurden in den folgenden Jahren weiterführende Verordnungen Die Auswertung der zugrundeliegenden Umfrage zeigt, erlassen, die spezielle Regelungen in Bezug auf ver- dass Unternehmen der Lebensmittelbranche den schiedene Produkttypen (z.B. Obst, Gemüse, Fisch steigenden Kundenwunsch nach mehr Transparenz und Fleisch) festsetzen. Diese sollen es auch Verbrau- erkannt haben. Von allen abgefragten Trends wird chern ermöglichen, den Ursprung dieser Erzeugnisse dieser sowohl aus heutiger als auch aus zukünftiger zu ermitteln (u.a. Verordnung (EU) Nr. 931/2011). Sicht als am wichtigsten bewertet. Während aus heutiger Sicht bereits 37 % der Teilnehmer den Trend hoch Zwar ist das Kundenbedürfnis nach Transparenz entlang bzw. eher hoch bewertet haben, schätzen 83 % der von Wertschöpfungsketten generell hoch, jedoch ist Teilnehmer die Bedeutung des Trends in fünf Jahren als dieses Bedürfnis im Lebensmittelbereich besonders wichtig bzw. eher wichtig ein. Besonders die Herstel- stark ausgeprägt, da hier die Gesundheit der Kunden ler und der Handel sehen sich zukünftig in der Pflicht, direkt und in besonderem Maß betroffen ist. Dennoch dem Bedarf nach Supply Chain Transparenz nachzu- sind Endverbraucher der Meinung, dass eine Transpa- kommen, da Sie im Falle eines Rückrufs unmittelbar renz in der Lebensmittelindustrie aktuell noch nicht in von dessen Folgen betroffen sind. Aber auch Logis- zufriedenstellendem Maß gegeben ist. Die wenigsten tikdienstleister, die hier als Bindeglied fungieren, sind Verbraucher sind Studien zufolge der Meinung, dass sie sich der steigenden Bedeutung und den daraus resul- für sich feststellen können, welche Distanz und welchen tierenden Herausforderungen bewusst und bewerten Weg ein Produkt zurückgelegt hat. 52 % Prozent halten die Bedeutung dieses Trends in fünf Jahren höher als dies nur für schwer feststellbar, wohingegen 36 % es für die Bedeutung jedes anderen Trends. Die akteursunab- gar nicht nachvollziehbar halten. [22] hängig hohe Bewertung des Trends unterstreicht, dass es sich bei der Schaffung von Transparenz entlang von Die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien zu dem Lebensmittelketten um ein Problem handelt, das ein Kundennutzen von Traceability-Systemen sowie über integriertes, akteursübergreifendes Konzept erfordert. die Kundenbereitschaft, mehr für zurückverfolgbare Lebensmittel zu bezahlen, fallen unterschiedlich aus Für transparente Wertschöpfungsketten ist insbeson- und sind u.a. stark von der befragten Region, dem dere die Nutzung von Identifikations- und Informa- Bildungsniveau der Befragten und der aktuellen öffent- tionstechnologien (Tracking-and-Tracing, ERP- und lichen Wahrnehmung abhängig. So kommen einige Monitoring-Systeme) elementar, um eine transparente Studien zu dem Ergebnis, dass Konsumenten die Darstellung der Warenflüsse akteursübergreifend zu Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln nicht als ent- gewährleisten. Weiterhin ist es wichtig, diese Techno- scheidendes Kaufkriterium ansehen. Jedoch zeigt der logien ganzheitlich in sämtlichen betroffenen Prozes- Großteil der Studien, dass Konsumenten besonders bei sen (Beschaffung, Transport, Produktion, Lagerung, frischen Lebensmitteln (wie Fleisch oder Fisch) bereit Umschlag etc.) zu implementieren und system- und sind, mehr Geld für das Endprodukt zu zahlen, wenn akteursübergreifend zu vernetzen, um die damit ver- eine lückenlose Nachverfolgbarkeit, gekoppelt mit einer bundenen Prozesse zu digitalisieren. Dieser in der Theorie plausibel erscheinende Sachverhalt gestaltet 16 Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse sich in der Praxis jedoch zu oft als ressourcenintensiv Konsumententrends im Bereich nachhaltiger Ernäh- und schwierig. rungsformen steigt jedoch die Nachfrage nach saisonalen und regionalen Produkten. Diesen Fakt haben Auf der Mitarbeiter-Ebene stößt der Wunsch nach mittlerweile auch größere Lebensmitteleinzelhändler Transparenz besonders bei Mitarbeitern der Logis- erkannt und bieten Produkte aus der umliegenden tikdienstleister auf Gegenwehr, da sich Transporteure Region an. oftmals durch Monitoring-Systeme beobachtet und kontrolliert fühlen. Daher ist die Herausforderung des Auch wenn sich die Branche einig über ein großes, Logistikdienstleisters, die Mitarbeiter von der Notwen- wachsendes Marktpotenzial ist, sind keine genauen digkeit solcher Systeme von Beginn an zu überzeugen Abschätzungen von Marktvolumina im Bereich saiso- und frühzeitig miteinzubinden. naler und regionaler Waren vorhanden. Dies wird vor allem damit begründet, dass es bis dato kein einheit- 3.4 Saisonale und regionale Lebensmittel liches Verständnis von dem Begriff „Regionalität“ gibt Dieser Trend beschreibt das steigende Kundenbe- Bio-Produkte gänzlich fehlen. [26] Fragt man Endver- wusstsein für eine nachhaltige Ernährung durch den braucher aus welchem Umkreis ein Produkt stammen Verzehr regionaler und saisonaler Produkte und stellt sollte, um als „regional“ zu gelten, geht der überwie- somit eine Abkehr von der „Jederzeit- und Überallver- gende Teil (86 %) davon aus, diese Entfernung zum fügbarkeit“ von Lebensmitteln dar. Herkunftsort unter 100 km liegen sollte. [27] Frische Lebensmittel aus der umliegenden Region Die Gründe, die Verbraucher dazu bewegen, regionale zu erwerben, war vor wenigen Jahren innerhalb und saisonale Lebensmittel zu kaufen, sind vielseitig. urbaner Ballungsgebiete nur durch lange Wege zu Regionale Produkte werden oft mit einer hohen Lebens- speziellen Geschäften oder zu einem Bauernhof mittelqualität und einem sehr guten Geschmack asso- außerhalb der Stadt möglich. In Folge aufkommender ziiert. Zudem gehen Kunden davon aus, dass diese und einheitliche Standards oder Siegel im Vorbild der 3 Abbildung 15: Auswirkung des Konsumententrends saisonale und regionale Lebensmittel auf Logistik Strategien je Gestaltungsebene Unternehmensstrategie Konsumententrend Saisonale und regionale Lebensmittel Netzwerk/ Prozess Strategie Mitarbeiter Neue Geschäftsmodelle: „Metropolitan Farming“, Direktbelieferung „vom Feld“ Kooperationen mit LDL, Regionalbauern etc. Neue Bündelungs- und Distributionsstrategien: regionale eher kleinteilige Transporte mit hoher Saisonalität Netzwerk Prozess Handel Technologie Hersteller LDL Konsumententrends und ihr Einfluss auf die Lebensmittellogistik 17 Produkte aufgrund der geringen zurückgelegten Stecke Kombination von regionalen und saisonal verfügbaren frischer und frei von Konservierungsstoffen sind. Außer- Lebensmitteln als nachhaltige Ernährungsform. Da nicht dem wird erwartet, dass die Produkte nachhaltig in alle frischen Lebensmittel aus der Region zwangsweise Bezug auf Arbeitsbedingungen und dem bei Transport- eine bessere Ökobilanz aufweisen, fordern Verbraucher und Lagerungsprozessen verursachten CO2-Ausstoß mehr Transparenz in Bezug aus die Energie- und Kli- sind. Auch die mit dem Kauf verbundene Förderung der magasbilanzen von Lebensmitteln. unmittelbaren Region kann ausschlaggebend sein. Des Weiteren ist der Vitamingehalt von vollständig ausgereiftem Obst und Gemüse deutlich höher als der von auf Für die genannten Vorteile regionaler Waren sind End- dem Transportweg nachgereiften Produkten. verbraucher bereit, einen erhöhten Produktpreis zu zahlen. Auch wenn die Aufschläge stark von der jeweili- Besonders in Verbindung mit der ökologischen Nach- gen Produktkategorie abhängig sind, lässt sich zusam- haltigkeit regionaler Produkte ist es wichtig zu erwäh- menfassen, dass Konsumenten in etwa 10 % mehr nen, dass nicht nur die Entfernung vom Hersteller zum für regionale Lebensmittel zahlen würden. [26, 27] Die Konsumenten, sondern vor allem auch die Herstel- steigende Nachfrage nach regionalen, saisonal verfüg- lungsbedingungen einen maßgeblichen Einfluss auf die baren Lebensmitteln zeigt sich nicht nur im Angebot Ökobilanz der Lebensmittel haben. Der Verzehr eines der großen Lebensmitteleinzelhändler. Vielmehr bilden Kopfsalats aus Spanien im Winter ist demnach aus öko- sich auch neue Geschäftsmodelle, deren Fokus in der logischer Sicht vorteilhafter, als der Konsum eines Kopf- regelmäßigen Belieferung von Endverbrauchern mit salats aus beheizten Gewächshäusern in der Region. Produkten aus dem Umland liegt. [28] Dieser Sachverhalt unterstreicht die Bedeutung der Abbildung 16: Bewertung der Herausforderungen des Trends regionale und saisonale Lebensmittel auf die verschiedenen Ebenen der Logistik Strategie Flexible Sortimentsanpassung durch die Erweiterung/Veränderung des Sortiments hinsichtlich des Kundenwunsches möglich Netzwerk Hersteller/Produzenten regionaler Produkte müssen in das Beschaffungsnetzwerk integriert werden und ggf. ein regionales Netzwerk zusätzlich aufgebaut werden Prozess Transportdistanzen reduzieren sich, jedoch kommt es zu kleinteiligeren Belieferungen mehrerer regionaler/saisonaler Anbieter Technologie Mitarbeiter 1.00 gering 1.50 2.00 2.50 LDL 18 3.00 mittel Hersteller 3.50 4.00 4.50 5.00 hoch Handel Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse Die Ergebnisse der Studie unterstreichen die von Exper- Mengen zu konsolidieren und effizient abzuwickeln, ten prognostizierten Potenziale. 73 % der Befragten steht im Kontrast zu den klassischen Beschaffungs- halten die Bedeutung des Trends in fünf Jahren mindes- strukturen des Handels. Die Etablierung neuer Bünde- tens für eher hoch und bereits heute ist sich ein Groß- lungsstrategien sollte hierbei im Fokus stehen, um die teil der befragten Personen über die Bedeutung des Beschaffung regionaler Lebensmittel sinnvoll durchführen Trends einig. Die akteursübergreifende Einigkeit über zu können. Hier können sich besonders Logistikdienst- die hohe Bedeutung regionaler und saisonaler Lebens- leister in neuen Geschäftsfeldern positionieren, sofern mittel wird durch die geringste Varianz der Antworten in sie es schaffen, das Netz aus regionalen Bauern und der Bewertung der Trends unterstrichen. Besonders für Herstellern mit den Systemen der Lebensmittelhändler den Handel ist die Einbindung saisonaler und regionaler zu verzahnen. Lebensmittel in das Produktsortiment von hoher Wichtigkeit, da die Kundennachfrage stetig steigt. Erste Ver- 3.5 Convenience-Food suche, regionale Lebensmittel in das Produktsortiment des Handels zu integrieren, sind vorhanden, jedoch ist Der Konsumententrend Convenience-Food beschreibt das Potenzial nach Meinung von Experten bei weitem die steigende Nachfrage nach vorbereiteten, (nahezu) noch nicht ausgeschöpft und weitere Geschäftsmodelle verzehrfertigen Gerichten. Diese Fertiggerichte umfas- im Kontext regionaler Lebensmittel können sich etablie- sen sowohl Tiefkühlprodukte und Instant-Gerichte, ren. Zur Ausschöpfung bestehender Potenziale kann vor als auch frische verzehrfertige Gerichte (z.B. Salate, allem die Logistik einen entscheidenden Beitrag leisten, Sandwiches etc.) sowie von Lieferdiensten bestellba- steht dabei jedoch aktuell noch vor Herausforderungen. re Mahlzeiten. Für den Handel stellt der Bezug von Lebensmitteln aus Die Umsatzzahlen und Wachstumsraten des Conve- der Region nach wie vor ein logistisches Problem dar. nience-Marktes in Deutschland sind unterschiedlich Die hohe Anzahl regionaler Anbieter in das System zu und stark davon abhängig, welche Lebensmittel dem integrieren und deren zumeist kleinteilige, fragmentierte Convenience-Bereich zugeordnet werden. Experten 3 Abbildung 17: Auswirkung des Konsumententrends Convenience-Food auf die Logistik Konsumententrend Unternehmensstrategie Strategien je Gestaltungsebene Convenience-Food Netzwerk/ Prozess Strategie Netzwerk Technologien Mitarbeiter Prozess Handel Same-Day-Delivery Neue Geschäftsmodelle Kooperationsmodelle mit LDL, Frischelieferanten, Flughäfen etc. Neue Bündelungs- und Distributionsstrategien: hochfrequente, aber kleinteilige Distribution von Frischewaren, kleinteilige Kommissionierung Urbane Logistikflächen nahe am Kunden Apps zur Bestellung von Convenience-Food Transparenz der Verfügbarkeit und letzten Meile (Tracking-and-Tracing) Technologie Hersteller LDL Konsumententrends und ihr Einfluss auf die Lebensmittellogistik 19 sind sich zudem uneins darüber, welche zukünftigen zum Nutzen, dass Endverbraucher nach Möglichkei- Potenziale dem Convenience-Sektor zuzusprechen ten der Zeitersparnis im Alltag suchen und diese oft im sind. Jedoch ist festzustellen, dass sich der Markt in vie- Kauf von Convenience-Food finden. Die Belieferung mit lerlei Hinsicht im Umbruch befindet. Auf der einen Seite frisch zubereiteten Mittagsmahlzeiten am Arbeitsplatz stagniert beispielsweise der Umsatz mit Tiefkühlproduk- stellt hier nur ein Beispiel dar. Besonders in urbanen ten seit einigen Jahren bzw. wächst nur langsam. So Ballungsgebieten erfreuen sich Lieferdienste wach- ist der Gesamtumsatz der Tiefkühlprodukte zwischen sender Beliebtheit. Diesen Trend erkennend, drängen 2008 und 2014 von 5,1 auf 5,43 Mrd. € insgesamt sogar bisher stationäre Systemgastronomie-Ketten lediglich um 6.5 % gestiegen. [29] Trocken-Suppen und in den Markt und bieten die Belieferung des Kunden Trocken-Fertiggerichte verzeichnen sogar seit Jahren direkt an die Haustür an. Dafür unterhalten Sie oftmals einen Rückgang der Umsatzzahlen. [30] eigenständige Logistiksysteme. Dem gegenüber stehen unzählige neue Geschäftsmo- Die zukünftige Bedeutung des Konsumententrends delle, die Konsumenten mit frischen, fertig zubereiteten Convenience-Food wird auch von den Teilnehmern Gerichten beliefern. Sie sind u.a. auch dafür verant- der zugrundeliegenden Umfrage unterstrichen. Von wortlich, dass sich die öffentliche Wahrnehmung von allen abgefragten Trends erreicht er bei der Bedeutung Convenience-Food im Wandel befindet. Wurden vor in fünf Jahren den dritten Rang. 58 % der Befragten einigen Jahren Fertiggerichte noch mit einer ungesun- bewerten den Trend zukünftig als wichtig bzw. sehr den Ernährungsform gleichgesetzt, ist nun ein Image- wichtig. Interessant ist, dass besonders Logistikdienst- wechsel zu erkennen, sodass Convenience-Produkte leister diesem Trend ein enormes Potenzial zuweisen zum Teil auch als frisch und gesund angesehen werden. und zusammen mit der Transparenz als am wichtigsten Neue Geschäftsmodelle in dem Bereich machen es sich bewerten. Anzunehmen ist, dass Logistikdienstleister Abbildung 18: Bewertung der Herausforderungen des Trends Convenience-Food auf die verschiedenen Ebenen der Logistik Strategie Ausrichtung der Unternehmensstrategie hinsichtlich der Aufnahme von Convenience Food in das Sortiment, sowie die Ableitung der entsprechenden Belieferungsstrategie für hochfrequente aber kleinteilige Bestellungen, die sich wiederum auf Netzwerkebene (kundennahe Lager) auswirkt Netzwerk Prozess Nutzung von Technologien zur Bündelung von verschiedenen Kundenaufträgen, Monitoring von gekühlten Transportketten etc. Technologie Mitarbeiter 1.00 gering 1.50 2.00 2.50 LDL 20 3.00 mittel Hersteller 3.50 4.00 4.50 5.00 hoch Handel Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse dieses Potenzial weniger im Bereich der Tiefkühl- und die bisher nicht abgestimmten Belieferungsprozesse von Instant-Gerichte sehen. Vielmehr bieten sich hier für Convenience-Food-Anbietern gebündelt übernehmen. Dienstleister neue Geschäftsfelder, wenn sich der Trend der Bestellung von Fertiggerichten in urbanen Ballungs- 3.6 Food Waste Awareness gebieten weiter fortsetzt. Food Waste Awareness beschreibt das steigende KunMit der zunehmenden Bedeutung der Same-Day-Deli- denbewusstsein für die Vermeidung von Lebensmittel- very von frischen, verzehrfertigen Mahlzeiten nimmt verschwendungen innerhalb der gesamten Logistikkette auch die Verkehrsdichte in urbanen Ballungsgebieten vom Bauern bis zum Endkonsumenten. Der Begriff der zu. Denn jeder Convenience-Food Anbieter unterhält Verschwendung umfasst hierbei sowohl die bewusst ent- seine eigenen Logistikstrukturen (von wenigen Rollern sorgten Lebensmittel, als auch die durch ineffiziente Pro- bis hin zu umfangreichen Fuhrparks) und optimiert die zesse und Verarbeitungsschritte verursachten Verluste. aufkommenden Transporte eigenständig. Somit ist eine effiziente Abwicklung dieser kleinteiligen, hochfrequen- Weltweit wird knapp ein Drittel der für den Verzehr ten Lieferungen kaum möglich. Kapazitäten bleiben gedachten Lebensmittel entsorgt oder geht innerhalb der ungenutzt und der Verkehr im Stadtzentrum nimmt zu. Logistikkette verloren. Die Food and Agriculture Orga- 3 nization of the United Nations kommt zu dem Ergebnis, Für Logistikdienstleister bietet der Convenience- dass in stärker industrialisierten Ländern in Nordamerika Food Trend auf strategischer Ebene ein zusätzliches oder Europa ca. 280-300 kg Lebensmittel pro Jahr und Geschäftsfeld, das im Abschnitt 4.1 näher erläutert wird. Person entlang der gesamten Logistikkette inklusive dem Sie können als Systemintegratoren fungieren, indem sie Endverbraucher verloren gehen. Im Gegensatz dazu verursachen Entwicklungsländer in Subsahara-Afrika oder Abbildung 19: Pro-Kopf-Verluste von Lebensmitteln entlang der Logistikkette nach Weltregionen [31] 350 pro Kopf Verlust in kg pro Jahr 300 250 200 150 100 50 0 Europa Nordamerika und Ozeanien Industrialisiertes Asien Subsahara Afrika von der Produktion bis zum Handel Konsumententrends und ihr Einfluss auf die Lebensmittellogistik Nordafrika, West und Zentralasien Süd- und Südostasien Lateinamerika Endverbraucher 21 Südostasien mit knapp 120-170 kg pro Person und Jahr sowie den Endverbrauchern. Einer Studie des World weitaus weniger Verlust. [31] Abbildung 19 zeigt, dass Wide Fund for Nature zufolge ist das Vermeidungspo- der Anteil des Endverbrauchers am Gesamtverlust inner- tenzial von Verlusten in Deutschland im Bereich der halb der Logistikkette in Industrieländern deutlich höher Ernte und Nachernte relativ gering und liegt selbst ist als in Entwicklungsländern. Dem gegenüber werden in den Prozessen der Weiterverarbeitung bei gerade Lebensmittelverschwendungen in Entwicklungsländern einmal 10 %. Dem gegenüber stehen Groß- und Ein- hauptsächlich nach der Ernte auf dem Weg zum End- zelhändler, deren Lebensmittelverluste nach Angaben verbrauchen über diverse Verarbeitungsschritte hinweg der Studie ein Vermeidungspotenzial von bis zu 90 % verursacht. Die Gründe hierfür liegen u.a. in maroder aufweisen. Auch bei den Groß- (u.a. Fast-Food-Ketten) Infrastruktur, ineffizienter Logistik sowie schlechten Ver- und Endverbrauchern liegt dieser Wert in Deutschland arbeitungs- und Produktionsbedingungen. bei 70 %. [32] Die Gründe für Verluste entlang der Logistikkette sind Auch wenn Endverbraucher nach wie vor einen Groß- demnach vielfältig und nicht nur abhängig von der teil der Verschwendungen verursachen, ist ein klares jeweiligen Region. Je nach Art, Weiterverarbeitungs- Umdenken in der Bevölkerung zu erkennen und Ver- und Transportvoraussetzungen der jeweiligen Lebens- braucher fordern aktiv, dass Verschwendungen von mittel erhöht sich die Komplexität der Ursachen von Lebensmitteln entlang der logistischen Kette minimiert Verschwendungen. werden. Zudem gibt es auch auf europäischer Ebene diverse Bemühungen, dem Thema Nachdruck zu verlei- Spricht man von Lebensmittelverlusten, sind vermeid- hen. Der von der Europäischen Kommission erarbeitete bare von unvermeidbaren Verlusten klar zu trennen, um „Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa“ sieht Potenziale zu identifizieren, die zum Teil mit Hilfe effi- vor, bis zum Jahr 2020 die Entsorgung von genusstaugli- zienter logistischer Prozesse realisiert werden können. chen Lebensmitteln zu halbieren. [33] So ist es beispiels- Studien zufolge liegen die Potenziale zur Vermeidung weise in Frankreich seit kurzem Händlern untersagt, von Verlusten besonders beim Groß- und Einzelhandel Abbildung 20: Auswirkung des Konsumententrends Food Waste Awareness auf die Logistik Strategien je Gestaltungsebene Unternehmensstrategie Konsumententrend Food Waste Awareness Netzwerk/ Prozess Strategie Netzwerk Prozess Handel 22 Technologie Hersteller Neue Kooperationsmodelle mit LDL, sozialen Einrichtungen, Start-Ups Synergien im Fulfillment: Verbindung von Ver- und Entsorgungsaktivitäten, Leerguttransporten etc. Bereitstellung von Entsorgungsflächen Frühzeitige Änderung der Logistikprozesse für die Lebensmittelrückführung Technologien Mitarbeiter Neue Geschäftsmodelle für LDL denkbar ERP-Systeme anpassen: End-to-End-Integration aller Akteure Kühlkettenmanagement entlang (internationaler) Logistikketten Web-Dienste und Apps: z.B. Tauschplattform auf End-Konsumentenebene LDL Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse unverkaufte Lebensmittel wegzuwerfen. Angestrebt Innerhalb der nächsten fünf Jahre steigt nach Angabe werden das Spenden an gemeinnützige Einrichtungen, der Experten dieser Anteil deutlich, sodass zukünftig die Weiterverarbeitung zu Tierfutter sowie die Rückfüh- sogar über die Hälfte der Teilnehmer davon ausgehen, rung als Kompost für landwirtschaftliche Betriebe. dass der Trend der Food Waste Awareness wichtig wird. Die Vorteile der Vermeidung von Verschwendungen Für Unternehmen des Handels werden die Auswirkungen auch für Unternehmen der Lebensmittelindustrie sind des Trends Food Waste Awareness am wichtigsten wahr- offensichtlich, jedoch sind Unternehmen entlang der genommen. Besonders auf der Strategie- und Prozes- Logistikkette aktuell nur in seltenen Fällen bemüht, sebene ergeben sich für Händler neue Handlungsfelder. Initiativen zur Vermeidung von Verlusten zu initiieren. Dass besonders Händler die Auswirkungen des Trends als hoch bewerten erscheint nachvollziehbar. Nicht nur Nichtsdestotrotz hält der Großteil der in der vorliegen- auf regulatorischer Ebene verstärkt sich der Druck auf den Studie befragten Unternehmen den Konsumen- Händler in puncto Verschwendung. Auch in der öffentli- tentrend der Food Waste Awareness für bedeutsam. chen Wahrnehmung werden Händler oft als Quelle von Zwar wurde dieser Trend gegenüber den anderen aus Verschwendungen identifiziert, da knapp abgelaufene heutiger Sicht von Händlern, Herstellern und Dienstleis- Lebensmittel meistens entsorgt werden. Experten gehen tern gleichermaßen als weniger wichtig eingeschätzt, jedoch davon aus, dass sich der Druck von politischer dennoch ändert sich diese Einschätzung innerhalb der Seite zukünftig stark erhöhen wird und dabei alle Akteure nächsten fünf Jahre drastisch. Stand heute sind lediglich der Logistikkette betroffen sein werden. 3 8 % der Befragten der Überzeugung, dass Konsumenten verschwendungsarme Lebensmittelketten fordern. Abbildung 21: Bewertung der Herausforderungen des Trends Food Waste Awareness auf die verschiedenen Ebenen der Logistik Einbeziehung von Regularien, Entwicklung neuer Geschäftsmodelle Strategie Netzwerk Rückführungsprozesse sind noch nicht etabliert Prozess Technologie Mitarbeiter 1.00 gering 1.50 2.00 2.50 LDL 3.00 mittel Hersteller Konsumententrends und ihr Einfluss auf die Lebensmittellogistik 3.50 4.00 4.50 5.00 hoch Handel 23 3.7 Convenience-Stores Regel sind Produkte aus Convenience-Stores etwas Dieser Trend beschreibt das steigende Kundenbe- geschränkten Verfügbarkeit bei reduziertem Weg- und dürfnis nach „Kiezgeschäften“ bzw. „Geschäften des Zeitaufwand, indem zum einen Transportwege zwi- täglichen Bedarfs“, welche sich gegenüber dem tradi- schen Einkauf- und -Wohnort eingespart werden und tionellen Lebensmitteleinzelhandel durch eine geringere zum anderen mehrere Aktivitäten miteinander verbun- Fläche, kleinteiligere Sendungsvolumina, noch höhere den werden können, wie am Beispiel der Tankstelle Lieferfrequenzen und eine geringere Sortimentsbreite deutlich wird. In sehr zentralen Gebieten richtet sich auszeichnen. das Angebot an Convenience-Stores weniger an die teurer, treffen jedoch die Nachfrage nach einer unein- Die Konsumentennachfrage nach Lebensmittelgeschäften in unmittelbarer Nähe des Wohnortes steigt. Auch der Demographische Wandel und die steigende Anzahl an Single-Haushalten verstärken diesen Anwohner, als an die zunehmenden Touristenströme oder Geschäftsleute, für die der Erwerb von Convenience-Food aus einem Convenience-Store eine attraktive Alternative für Restaurants darstellt. Trends. Zudem wollen Kunden auch ohne eigenen Die Hauptherausforderung aus Sicht der Logistik stellt Pkw -Lebensmittel in unmittelbarer Nähe einkaufen die hochfrequente Belieferung der Convenience-Stores können. In der Regel handelt es sich dabei um relativ dar, deren räumliche Lage in der Regel verkehrsinfra- kleine Einkäufe für einen Zeitraum von einem bis drei strukturellen und -politischen Restriktionen unterliegt. Tagen. Dabei kann es sich zum einen um kleinere Fili- Einerseits ist eine nächtliche Belieferung aus Lärm- alen von renommierten Lebensmitteleinzelhandels- schutzgründen untersagt, andererseits konkurriert ketten handeln, aber auch Kiezgeschäfte mit einem der Güterverkehr tagsüber mit dem Personenverkehr. sehr eingeschränkten Produktangebot und längeren Diese Entwicklung stellt hohe Anforderungen an effi- Öffnungszeiten. Dazu gehören außerdem Tankstellen, ziente Logistiklösungen zwischen den beteiligten Akteu- die ihr Produktangebot stetig ausbauen und bereits ren (inklusive verkehrspolitischen Akteuren), da eine das Frische- und Backwarensegment bedienen. In der Abbildung 22: Auswirkung des Konsumententrends Convenience-Stores auf die Logistik Strategien je Gestaltungsebene Unternehmensstrategie Konsumententrend Convenience-Stores Netzwerk/ Prozess Strategie Mitarbeiter Neue Geschäftsmodelle: Verknüpfung mit Click und Collect-Lösungen Neue Bündelungs- und Distributionsstrategien: hochfrequente aber kleinteilige Distribution in urbane Kieze mit knapper Infrastruktur Konzepte zur Minderung des Flächenverbrauchs Netzwerk Prozess Handel 24 Erhöhung der Filialdichte in urbanen Zentren (Wohn- und Arbeitsraum) Technologie Hersteller LDL Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse zunehmende Nachfrage an städtischem Wohn- und Gewerberaum zu beobachten ist, gleichzeitig aber die 3.8 Bio- und Fair-Trade-Siegel Nachfrage zusätzlicher Verkehre von der Straße nur Dieser Trend beschreibt die zunehmende Nachfrage schwer abzudecken ist. nach Produkten mit Bio- und/oder Fair-Trade-Siegeln. Die Bedeutung des Konsumententrends Convenience- Lebensmittelprodukte mit Bio- oder Fair-Trade-Siegel Stores wird von den Teilnehmern der zugrundeliegen- sind zunehmend sowohl im konventionellen Einzel- den Umfrage erkannt und nimmt zukünftig leicht zu. handel als auch in Bio-Supermärkten vorzufinden. Bei Dennoch stellt er von allen abgefragten Trends bei der letzterem handelt es sich, genau wie bei konventionel- Bedeutung in fünf Jahren das Schlusslicht dar, nur len Supermärkten, um einen Vollsortimenter, dessen 45 % der Befragten bewerten den Trend zukünftig als Sortiment bis zu 10.000 Artikel mit ökologischem Hin- wichtig bzw. sehr wichtig. Das lässt vermuten, dass tergrund umfasst. Er grenzt sich von den klassischen die Nachfrage nach zentralen urbanen Verkaufsstellen Bioläden und Reformhäusern durch ein erheblich brei- insbesondere von Logistikdienstleistern und Händlern teres Sortiment, ein geringeres Preisniveau, einen grö- erkannt worden ist, jedoch momentan von einer leichten ßeren Selbstbedienungsanteil und deutlich größerer Sättigung des Marktes ausgegangen wird. Verkaufsfläche ab. [34] Die sich aus der steigenden Nachfrage nach Conve- Die wachsende Bedeutung des Konsumententrends nience-Stores ableitbaren Herausforderungen für die liegt einerseits in dem zunehmenden Bewusstsein hin- Logistik sind in der Übersicht dargestellt. sichtlich ökologischer Nachhaltigkeit und artgerechter 3 Tierhaltung und ist andererseits in der Abneigung gegen Die Teilnehmer der Umfrage schätzen, dass sich die Schadstoffen in Lebensmitteln begründet (u.a. Pestizi- Auswirkungen zunehmender Convenience-Stores am de oder Antibiotika). stärksten auf die Strategie-, Netzwerk- und Prozess­ ebene auswirken. Auf der Strategieebene muss dabei Die Bedeutung des Konsumententrends Bio- und Fair die Entscheidung hinsichtlich der Errichtung von Con- Trade-Siegel wird von den Teilnehmern der Umfrage venience-Stores einhergehen mit der Ausgestaltung der unterstrichen und liegt im Mittelfeld hinsichtlich seiner Sortiments- und Kooperationspolitik. Diese strategische Wichtigkeit im Vergleich zu den anderen Trends. Entscheidung wirkt sich insofern deutlich auf die Netz- Dennoch wird auch dieser Trend vor allem aus Sicht werk- und Prozessebene aus, als dass die Ver- und Ent- des Handels weiter an Bedeutung zunehmen. sorgung der urbanen Verkaufsflächen mit vermehrten Restriktionen, wie beispielsweise knappe Infrastruktur, Lärmschutz, Güterstruktureffekt durch kleinere und höher frequentierte Belieferungen aber auch besonders starke Nachfrageschwankungen, einhergehen. Eine Anpassung an den Güterstruktureffekt durch Bündelung verschiedener Kundenaufträge (beispielsweise horizontale Kooperationen) ist zu überdenken. Konsumententrends und ihr Einfluss auf die Lebensmittellogistik Hinsichtlich der Auswirkungen auf die verschiedenen Ebenen der Logistik lässt sich festhalten, dass trotz der steigenden Kundennachfrage nach Bio-Produkten zunächst keine Neuorganisation der Lebensmittellogistik stattfinden muss. Der höchste Einfluss liegt bei der Unternehmensstrategie, da hier die Entscheidung über die Aufnahme in das Produktsortiment erfolgen muss. Zwar resultieren die zunehmenden regionalen 25 26 Beschaffungsstrategien oftmals in kleinteiligeren und Betrachtung sich nicht nur auf den Vertrieb „nachhalti- dezentralen Transporten, jedoch lösen diese die tradi- ger Lebensmittel“ fokussieren, sondern auch die dahin- tionellen Logistikstrukturen nicht ab, sondern ergänzen terstehenden Logistikprozesse nachhaltig gestalten. sie. Langfristig wäre jedoch wichtig, dass beispielsweise Dazu zählt insbesondere die Belieferung der städti- Bio-lebensmittelhändler im Rahmen einer ganzheitlichen schen Handelsfilialen. Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse 4 Herausforderungen und Lösungsimpulse für die Lebensmittellogistik der Zukunft Das folgende Kapitel beschreibt die zukünftigen Her- Jedoch wird darauf hingewiesen, dass die identifizier- ausforderungen der Lebensmittellogistik und geht ten Handlungsfelder zwar den einzelnen Gestaltungs- dabei in erster Linie auf die Probleme, bereits eta- ebenen zugeordnet werden, es grundsätzlich aber zu blierte Logistikstrategien sowie zusätzlich denkbare Überschneidungen der Ebenen kommt. Lösungsansätze ein. Die Auswirkungen auf die Logistik werden anhand der Gestaltungsebenen Unternehmensstrategie, Netzwerk und Prozesse, Technologie 4.1 Unternehmensstrategie und Mitarbeiter erläutert. Die folgende Übersicht zeigt Die Gestaltungsebene Unternehmensstrategie auf, welche größten Veränderungen sich aus den Kon- beschreibt den Einfluss der Konsumententrends auf sumententrends für die Logistik ergeben. die langfristige Ausrichtung des Unternehmens, z.B. 4 die Erschließung neuer Märkte, innovative GeschäftsDie hier eingeführten Wirkungsmechanismen sollen im modelle, Kooperationen oder Kundensegmente. Diese Folgenden je Gestaltungsebene näher erläutert werden. Abbildung 23: Konsumententrends und Strategien der Lebensmittellogistik Nachhaltigkeit Urbanisierung e-Commerce/Home-Delivery in Städten und Flächengebieten Transparenz über die Lieferkette Unternehmensstrategie Volatiles Nachfrageverhalten Strategien Knappe Logistikflächen Preiskampf Überallverfügbarkeit von Lebensmitteln Convenience-Food Same-Day-Delivery Entwicklung neuer Geschäftsmodelle Kooperationen in der Logistik Entwicklung neuer Bündelungs- und Distributionsstrategien Aufbau von städtischen Verkaufs- und Logistikflächen Konzepte zur Minderung des Flächenbedarfs Entwicklung von Versorgungskonzepten für die Stadt Aufbau von Logistikstrukturen zur Lebensmittelrückführung Digitalisierung der Logistikkette Food Waste Awareness Convenience-Stores Trend zu MultiChannel Steigende Sortimentsbreite Netzwerk/ Prozess Zunehmende Lieferfrequenz Bevorzugung saisonaler und regionaler Lebensmittel Technologien Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel Angebot von e-Commerce/Home-Delivery/Cross/Omni-Channel Erzielung von Synergien im Fulfillment der Vertriebskanäle: Sortimentsallokation, Kommissionierung, Transport Demografischer Wandel IT als Erfolgsfaktor für Omni-Channel-Logistik Transparenz/Tracking-and-Tracing über IT-Plattformen und Apps Cold Chain Management auf der letzten Meile Verpackungsänderungen Bio- und Fair-Trade-Siegel Mitarbeiter Traditionelle Einflussfaktoren von Lebensmitteln auf die Logistik Konsumententrends Sensibler Umgang mit der Herausforderung des „gläsernen Mitarbeiters“ Aus- und Weiterbildungskonzepte, um Fachkräftemangel entgegenzuwirken Herausforderungen und Lösungsimpulse für die Lebensmittellogistik der Zukunft 27 haben wiederum einen maßgeblichen Einfluss auf die sollen. Die Schaffung von Transparenz kann erhebliche Logistik des Unternehmens. Kosten verursachen, da zum einen systemseitige Änderungen vorgenommen werden müssen. Zum anderen Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass die Konsu- kann mehr Transparenz dazu führen, dass Unterneh- mententrends Transparenz und e-Commerce über alle men eher unpopuläre Lieferantenregionen ändern Akteure hinweg einen hohen Einfluss auf die strategi- müssen, was in den meisten Fällen erhöhte Kosten sche Ausrichtung des Unternehmens haben. Auffällig ist nach sich zieht. Aufgrund des hohen Aufwands muss auch, dass insbesondere der Handel den Einfluss fast die Entscheidung über Transparenz stark vom jeweili- aller Konsumententrends auf die Unternehmensstrate- gen Produkt abhängen und von der Bereitschaft des gie höher einstuft, als die anderen Akteure. Begründet Kunden, die zusätzliche Kosten zu tragen. Eine zusätz- werden kann das u.a. damit, dass der Handel in direk- liche Preisbereitschaft liegt der Studie zufolge eher bei tem Kontakt mit dem Endkunden steht und dadurch Frische- und Ultrafrischeprodukten wie z.B. Fisch und Änderungen im Konsum- und Kaufverhalten direkt Fleisch vor, als bei Commodities im Trockensortiment. spürt. Dem gegenüber stufen die Logistikdienstleister Anzumerken ist jedoch, dass Branchenexperten skep- der Umfrage diesen Einfluss oft als eher gering ein. tisch sind, inwiefern die in Umfragen erhobene Mehrpreisbereitschaft in der Realität tatsächlich vorhanden Strategische Handlungsfelder für Lebensmittelhersteller ist, in einem Markt der nach wie vor stark preisgetrie- Lebensmittelhersteller stehen auf der strategischen lern die Möglichkeit, sich am Markt zu positionieren Ebene u.a. vor der Entscheidung, wie sie auf den stei- und einen Wettbewerbsvorteil zu schaffen, da aktuell genden Kundenwunsch nach Transparenz reagieren nur wenige Hersteller über die gesetzlich geforderten ben ist. Nichtsdestotrotz bietet dieser Trend Herstel- Abbildung 24: Bewertung der Auswirkungen der Konsumententrends auf die Ebene der Unternehmensstrategie e-Commerce/Home-Delivery Transparenz Convenience-Food Regionale und saisonale Lebensmittel Food Waste Awareness Convenience-Stores Bio- und Fair-Trade-Siegel 1.00 gering 1.50 2.00 Handel 28 2.50 Hersteller 3.00 mittel 3.50 4.00 4.50 5.00 hoch LDL Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse Maßnahmen hinausgehen und die notwendigen Infor- aktuellen Gesichtspunkten prägendste Trend für den mationen einfach zugänglich zur Verfügung stellen. Handel ist der Bereiche e-Commerce/Home-Delivery. Außerdem stehen horizontale Logistik-Kooperationen Er eröffnet zum einen die Möglichkeiten für sogenannte immer öfter im Fokus der strategischen Ausrichtung der Internet-Pure-Player, im Gebiet der stationären Händler Logistik von Lebensmittelherstellern. Als Grund dafür aktiv zu werden. Zum anderen passen bereits etablier- wird oft der hohe Kostendruck in der Branche genannt. te stationäre Lebensmittelhändler ihr Geschäftsmodell Ein klassisches Kooperationsbeispiel hierfür wäre die und ihre Logistik an, um den aktuellen Marktentwicklun- gemeinsame Lagerung und Versorgung nachfrage- gen zu begegnen. Mittlerweile sind die meisten großen schwacher Regionen, die im Verbund mehrerer Her- deutschen Supermarktketten im Online-Handel aktiv. steller Synergien erzeugt. Einige solcher und anderer Jedoch sind nicht alle Händler mit ihrem vollständi- Kooperationsformen wurden in der Praxis bereits gen Sortiment online vertreten. Besonders Discounter durchgeführt. Leider lässt sich jedoch feststellen, bieten eher non-food und Artikel des Trockensorti- dass viele der zunächst als Best-Practice eingestuften ments in ihren Webshops an. Zurückzuführen ist dies Kooperationen mittelfristig auf Probleme stießen, die zur auf zum Teil sehr geringe Margen, die auf hohe Kosten Beendigung der Zusammenarbeit führten. Als Gründe in der Distribution der letzten Meile stoßen und somit hierfür werden zumeist die unterschätzte Marktdyna- das Angebot eines Vollsortiments-Lieferservice für Dis- mik und nicht aufeinander angestimmte Saisonalitäten counter erschweren. Dennoch sind Entwicklungen zu genannt, die schlussendlich die erhofften Kostenvorteile erkennen, dass auch Lebensmittel-Discounter in naher hemmen. Aber auch die Komplexität der vertraglichen Zukunft mit ihrem gesamten Sortiment in den Home- Absicherung von Kooperationen hindern Unternehmen Delivery-Markt einsteigen. Besonders hier werden kos- bereits vor Beginn daran, Kooperationen einzugehen. teneffizientere Logistikkonzepte benötigt, als die aktuell Trotz alledem können horizontale Kooperationen in in der Praxis erprobten Lösungen. 4 besonderen Fällen Kostenvorteile erzielen. Aufgrund der erhöhten Dynamik und Volatilität des Lebensmittel- Grundsätzlich verlangt die Ausweitung der Vertriebs- markts ist besonders bei der Partnersuche der Partner- kanäle auch in der Lebensmittelbranche nach einer Fit ein kritischer Erfolgsfaktor. cross-medialen Integration. Die Kanäle werden zunehmend verschwimmen, indem Kunden im Laden ihr Strategische Handlungsfelder für den Handel Viele der betrachteten Trends führen auf strategischer Ebene für den Handel zunächst zu der Entscheidung, ob Produkte, die den jeweiligen Trend betreffen, in das Sortiment aufgenommen werden sollen (z.B. Convenience-Food, regionale Lebensmittel, Bio- und FairTrade-Produkte). Folglich erhöht sich für die Logistik die Sortimentsbreite, was wiederum die Prognosegenauigkeit auf Artikelebene erschwert. Der jedoch unter Smart­phone verwenden, um sich über Produkte zu informieren, Preise zu vergleichen und evtl. sogar direkt im Geschäft online einzukaufen. Durch die Etablierung des e-Commerce sind Omni-Channel-Strategien notwendig, die bei der strategischen Ausrichtung des Unternehmens frühzeitig berücksichtigt werden müssen. Besonders die Vernetzung von Online- und Offline-Kanälen stellt die Anbieter vor diverse logistische Herausforderungen. Inwiefern die Zentralisierung des IT-Systems hierbei einen entscheidenden Erfolgsfaktor darstellt, wird im Abschnitt 4.3 näher erläutert. Herausforderungen und Lösungsimpulse für die Lebensmittellogistik der Zukunft 29 Das Internet bildet im Handel auch die Grundlage für jedoch sind Dienstleister sich der Bedeutung der Convenience und Individualisierungstrends. Aufgrund Trends bewusst und beziehen diese Entwicklungen des demografischen Wandels werden nicht nur immer bereits heute in strategische Überlegungen mit ein. mehr Convenience-Produkte nachgefragt, sondern Zwar werden die Auswirkungen der Trends von Logis- auch der Einkaufsprozess sollte möglichst bequem tikdienstleistern in der Umfrage aus heutiger Sicht als sein. Damit die Kunden bei der Fülle der Angebote relativ gering eingeschätzt, jedoch lassen sich schon trotzdem dem Wunsch nach Convenience nachkom- heute mögliche zukünftige Geschäftsbereiche iden- men können, gibt es immer mehr „Mass-Customiza­ tifizieren, die für Logistikdienstleister von Bedeutung tion“ und „One-to-One-Marketing“. Die Händler haben sein können. eine Vielzahl von Informationen über die Kunden und damit Wissen über deren Verhalten, Bedürfnisse und Unter anderem bietet sich mit der steigenden Nachfra- Eigenschaften. Diese zu nutzen, wird eine der Kernhe- ge nach Lieferdiensten von verzehrfertigen Mahlzeiten rausforderungen, um sich von dem Angebot der Wett- in der Stadt die Möglichkeit, diese Lebensmittelbelie- bewerber abzugrenzen. Händler die im Online-Handel ferung von einem oder wenigen Logistikdienstleistern aktiv sind, sollten sich demnach bereits heute überle- zentral durchführen zu lassen. Dieser Convenience- gen, wie Sie Kunden durch intelligente und individuell Food-Logistikdienstleister könnte dabei mehrere bisher angepasste Angebote und Liefervorschläge zukünftig nicht aufeinander abgestimmte Logistiksysteme inte­ an sich binden wollen. grieren, um Synergien zu erzeugen. Für Gastronomiebetriebe bietet sich dadurch die Chance, keine eigenen Das Angebot von Same-Day-Lieferdiensten ist im Strukturen aufzubauen bzw. bestehende Systeme Lebensmittelbereich aktuell nur für spezielle Nischen- abzuschaffen. Erste Entwicklungen in dem Bereich sind produkte vorhanden. Allerdings bekräftigen Entwick- zu erkennen, aktuelle Lösungsansätze stoßen jedoch lungen in anderen Bereichen des Online-Handels die noch auf Probleme. Eine Kern-Herausforderung ist Bedeutung dieses Logistiktrends. Die bereits hohen es dabei zum einen, die kritische Masse zu erreichen, Kosten der letzten Meile Distribution von Lebensmit- welche eine effiziente Abwicklung ohne Servicegrad- teln erhöhen sich dadurch um ein Vielfaches. Dennoch verluste ermöglicht. Zum anderen fordert dieser Ansatz ist davon auszugehen, dass mit steigender Kunden- eine lückenlose Vernetzung und Integration verschie- nachfrage in anderen Bereichen des Online-Handels dener IT-Subsysteme auf einer Plattform. Die damit auch der Bedarf an Same-Day-Delivery für Lebens- einhergehende Komplexität stellt somit die größte Her- mittel steigt. ausforderung in der technologieseitigen Abwicklung dieses Geschäftsmodells dar. Strategische Handlungsempfehlungen für Logistikdienstleister Besonders für Logistikdienstleister ist ein direktes Beobachten der Konsumenten- und Logistiktrends unabdingbar. Die strategische Ausrichtung von Logistikdienstleistern wird aktuell noch stark aus den Anforderungen des stationären Einzelhandels abgeleitet, 30 Ein weiteres Geschäftsfeld bietet die Konsolidierung und Lieferung regionaler Lebensmittel an den Handel. Diese Belieferung kann aktuell aufgrund der zum Teil geringen Mengen einzelner Agrarbetriebe sowie der vorherrschenden saisonalen Schwankungen nur ineffizient durchgeführt werden. Hier bietet sich für Logistikdienstleister die Chance, durch neuartige Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse Bündelungskonzepte die steigende Nachfrage nach erfolgreich über alle Temperaturzonen hinweg beherr- regionalen Lebensmitteln effizient abzuwickeln. schen. Da jedoch die Nachfrage nach „Alles-Lieferanten“ steigt, sollten Logistikdienstleister sich hier Zudem lässt sich erkennen, dass die Rückführung von frühzeitig positionieren und Konzepte entwickeln. Lebensmitteln in naher Zukunft an Bedeutung gewinnt. Wenn sich die aktuellen Entwicklungen fortsetzen, kann 4.2 Netzwerk und Prozesse es für den Logistikdienstleister sinnvoll sein, die Rückführung von Lebensmitteln, sei es für die Verwertung Diese beiden Gestaltungsebenen betreffen Entschei- in sozialen Einrichtungen oder aber auch in Biogas- dungen, die die infrastrukturelle und prozessorale Anlagen, zu übernehmen. Experten merken jedoch Struktur des Logistiknetzwerks eines Unternehmens an, dass es bei der Rückführung von abgelaufenen beeinflussen. Dazu gehören beispielsweise Standort- Lebensmitteln zu juristischen Problemen bei der Pro- entscheidungen, horizontale und vertikale Zusammen- dukthaftung können kann, die gelöst werden müssen, arbeit sowie Insourcing- und Outsourcing-Aktivitäten. damit der Dienstleister nicht zum „verlängerten Arm der Diese Entscheidungen wirken sich wiederum auf unter- Produkthaftung“ wird. nehmensinterne und -externe Logistikprozesse aus. Im Fokus stehen hierbei insbesondere die Planungs- und Die Ergebnisse der Studie bestätigen, dass die Distribu- Fulfillmentprozesse in der Distribution der Lebensmittel. tion von Lebensmittel besonders auf der letzten Meile Da die hier getroffenen Entscheidungen oft langfristig zum Endkunden immer stärker an Bedeutung gewinnt. 4 und weitreichend sind, ist die Einbeziehung am Markt Nichtsdestotrotz gibt es nur wenige Logistikdienstleis- beobachtbarer Trends von besonderer Bedeutung. ter, die diese „Königsdisziplin“ der Lebensmittellogistik Abbildung 25: Bewertung der Auswirkungen der Konsumententrends auf die Netzwerk-Ebene e-Commerce/Home-Delivery Transparenz Convenience-Food Regionale und saisonale Lebensmittel Food Waste Awareness Convenience-Stores Bio- und Fair-Trade-Siegel 1.00 gering 1.50 2.00 Handel 2.50 Hersteller 3.00 mittel 3.50 4.00 4.50 5.00 hoch LDL Herausforderungen und Lösungsimpulse für die Lebensmittellogistik der Zukunft 31 Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass die Konsu- Möglichkeiten: (1) Die Kommissionierung der Bestellung mententrends Transparenz und e-Commerce über alle in einer nahegelegenen Filiale sowie (2) die Kommissi- Akteure hinweg analog zu der Gestaltungsebene Unter- onierung durch den Anbieter innerhalb zentraler Logis- nehmensstrategie den höchsten Einfluss auf veränderte tikstrukturen, die für den e-Commerce errichtet worden Logistiknetzwerke und -prozesse haben. Beim Handel sind. Generell ist festzuhalten, dass der filialbasierte ist auffällig, dass die Gestaltung des Logistiknetzwerks Ansatz vor allem für den Einstieg von stationären Händ- und der damit verbundenen Prozesse stark durch die lern in den Online-Lebensmittelhandel oder in ländlichen steigende Nachfrage nach regionalen und saisonalen Gegenden der kosteneffizienteste Ansatz ist. Händlern Lebensmitteln beeinflusst werden. in Deutschland kommt dabei auch die hohe Filialdichte zugute, da die kurzen Lieferwege keine oder kaum aktive Kühlung der zu liefernden Ware erfordern und Neue Bündelungs- und Distributionsstrategien und deren Auswirkungen auf urbane Verkaufsund Logistikflächen die Lieferkosten daher auch minimiert werden können. Mit zunehmenden Online-Bestellungen wird die Beliefe- Für die logistische Abwicklung des e-Commerce exis- rung aus einem e-Commerce-Fulfillmentcenter jedoch tieren verschiedene Ansätze, die sich zum einen darin gerade in Ballungsgebieten zur effizienteren Variante. unterscheiden, ob die Lebensmittel vom Kunden nach Es wird deutlich, dass sich der Investitionsaufwand der Online-Bestellung selbst abgeholt werden (Click- in zentrallagerbasierte Kommissionierungsstruktu- and-Collect) oder ob die Bestellung direkt zum Kunden ren erst dann anbietet, wenn eine kritische Masse an geliefert wird. Für die Belieferung des Kunden durch e-Commerce-Nutzern erreicht ist, so dass auch in den Handel gibt es wiederum zwei grundlegende Deutschland der Handel solche Investitionsprojekte Abbildung 26: Bewertung der Auswirkungen der Konsumententrends auf die Prozess-Ebene e-Commerce/Home-Delivery Transparenz Convenience-Food Regionale und saisonale Lebensmittel Food Waste Awareness Convenience-Stores Bio- und Fair-Trade-Siegel 1.00 gering 1.50 2.00 Handel 32 2.50 Hersteller 3.00 mittel 3.50 4.00 4.50 5.00 hoch LDL Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse durchzuführen beginnt. Dabei steht er auch vor der Bezüglich der Distribution der Ware wird deutlich, dass Herausforderung, städtische Gewerbeflächen zu erwer- die Auslieferung zum Kunden zwar die beiden wich- ben, die jedoch unterschiedlichen verkehrspolitischen tigsten Kundenerwartungen des Online-Handels (Con- Restriktionen unterliegen. Beispielsweise muss nachge- venience und Zeitersparnis) erfüllt, jedoch sowohl für wiesen werden, dass die Errichtung und das Betreiben die Anbieter als auch die Kunden zusätzliche Kosten solcher städtischen oder stadtnahen Fulfillmentcenter erzeugt. zu keiner zusätzlichen Belastung der benachbarten Verkehrsknoten führt. Mit einer steigenden Verkaufsdichte Die Kosten ergeben sich nicht nur aus der vergleichs- können die Händler in der Nähe der Ballungsgebiete weise teuren Belieferung auf der letzten Meile, die in Logistikinfrastruktur errichten und somit eine Kombi- der B2C-Distribution einen Anteil von 50 % der gesam- nation aus Filial- und Zentrallagerkommissionierung ten Logistikkosten ausmachen können. [36] Zusätzlich betreiben. Hier kann Tesco aus Großbritannien als existieren große Herausforderungen im Management Vorbild gesehen werden. Das Unternehmen bietet der teuren und platzaufwendigen Kühlaggregate, da sein Online-Geschäft zwar landesweit an, fokussiert neben der Verwendung von gekühlten Transportmit- sich jedoch auf den Großraum London, wo mittlerweile teln auch spezielle Kühlboxen für die Distribution von sechs Kommissionierungszentren in Benutzung sind. Lebensmitteln zum Einsatz kommen. Diese Kühlboxen [35] Eine schrittweise Ausdehnung ausgehend von den sind sowohl kosten- als auch platzintensiv und können Metropolregionen ist dabei empfehlenswert, wie sie daher bei Abwesenheit des Endkunden oftmals nicht auch von großen deutschen Lebensmitteleinzelhänd- abgeladen werden, woraus sich wiederum neue Trans- lern jüngst umgesetzt wird. porte für einen neuen Belieferungstermin ergeben. Abbildung 27 zeigt die Vor- und Nachteile filialbasierter Für die Logistik bedeutet das, dass die Kommunika- vs. zentrallagerbasierter Kommissionierung aus einem tion mit dem Endkunden und die Abstimmung und e-Commerce Fulfillmentcenter. Eingrenzung der Belieferungszeitfenster bei Lebens- 4 mitteln noch kritischer ist als bei herkömmlichen Abbildung 27: Vor- und Nachteile filialbasierter gegenüber zentrallagerbasierter Kommissionierung Nachteile Vorteile Filialbasiert ⟩ ⟩ ⟩ ⟩ ⟩ ⟩ Keine Umstellung der Inbound-Belieferungsprozesse Nutzung vorhandener Infrastruktur Geringe Distanz zum Endkunden Geringe Investitionen Geringeres finanzielles Risiko Erlaubt schnelle geografische Expansion ⟩ ⟩ Kunde kann sich durch Packer gestört fühlen Oftmals fehlender Echtzeit-Abgleich über Lebensmittelverfügbarkeit Ineffiziente Logistikprozesse z.B. durch doppelte Kommissionierung Nicht wirtschaftlich bei steigenden Online-Umsätzen ⟩ ⟩ Zentrallagerbasiert ⟩ ⟩ ⟩ ⟩ ⟩ Kosteneffizient bei steigender Nachfrage Effizientere Kommissionierung Keine Belästigung der Kunden in der Filiale Größeres Angebot möglich Echtzeit-Produktverfügbarkeit einfacher umsetzbar ⟩ ⟩ ⟩ ⟩ Zusätzliche Investition in Logistikinfrastruktur notwendig Zusätzliche Logistikprozesse entstehen Höhere Entfernung zum Endkunden Herausforderung bei der Standortfindung, insbesondere in städtischen Räumen Herausforderungen und Lösungsimpulse für die Lebensmittellogistik der Zukunft 33 e-Commerce-Belieferungen, die keine Kühlung erfor- flexible Lösung zur effizienten Nutzung von Synergien dern. Für die Logistikdienstleister bedeutet das, dass zweier Subsysteme innerhalb eines integrierten Logis- sie ihre Belieferungszeitfenster in die Morgen- und tiksystems ist noch nicht vorhanden. Es bleibt nach wie Abendstunden ausdehnen müssen und bestenfalls vor eine Herausforderung, wie sich in Zukunft Synergien ihre Tourenplanung sowohl für den Handel als auch im Fulfillment bezüglich Kommissionierung, Lagerung, die Endkunden mit Hilfe von Tracking-and-Tracing- Transport zwischen dem stationären und dem Online- Systemen offenlegen. Hierfür bietet sich beispielswei- Handel realisieren lassen. se die Nutzung einer gemeinsamen IT-Plattform an, in der sowohl sämtliche Akteure mit den Lieferinformationen versorgt werden als auch bestenfalls Änderungen flexibel eingeben werden können. Neben der Bereitstellung solcher Technologiestrukturen ergeben sich weitere Kosten für den zunehmenden Flächenverbrauch. Untersuchungen zeigen, dass für die Belieferungsstrukturen des Online-Handels die dreifache Logistikfläche benötigt wird. Auch insgesamt sind die Logistikkosten im e-Commerce dreimal so hoch, wie im stationären Handel. Die für e-Commerce Fulfillment-Zentren benötigten Logistikflächen befinden sich zumeist in kundennahen Gebieten, was zudem die reinen Grundstückskosten steigen lässt. Der Endkunde ist nur begrenzt bereit, die zusätzlichen Kosten zu übernehmen, sodass der Handel, die Lebensmittelhersteller und die Logistikdienstleister gezwungen sind, diese Kosten durch Effizienzsteigerungen an anderen Stellen zu kompensieren. Allgemeine Maßnahmen zur Einen in Deutschland noch kaum umgesetzter Ansatz zum Umgang mit der steigenden Online-Nachfrage nach Lebensmitteln stellen u.a. Click-and-CollectServices dar. Hierbei können die Kunden ihren Einkauf online zusammenstellen und zu einem späteren Zeitpunkt an einem fest definierten Ort abholen. Für den Handel entsteht zwar die Herausforderung der Kommissionierung (meist am Abholort), jedoch entfällt die Distribution der letzten Meile. Neben den Filialen als Abholort können die Kunden ihre Bestellung beispielsweise in Frankreich und England auch an Tankstellen oder an anderen öffentlichen Orten abholen. Dies soll den Mehrwert des Online-Lebensmittelshoppings noch mehr intensivieren, da kein extra Zeitaufwand entsteht, sondern die Bestellung beispielsweise auf dem Arbeitsweg abgeholt werden kann. Reduzierung des Flächenverbrauchs sind die Erhöhung Auch wenn in Deutschland die Filialdichte sehr hoch der Umschlagshäufigkeit mit Hilfe verbesserter Nach- ist, schaffen unabhängige Abholstationen auch eine frageprognosen, ein effizientes Zeitfenstermanagement alternative Lösung hinsichtlich der starren Öffnungszei- sowie Kooperationen mit Wettbewerbern. ten der Filialen. Diese Paketstationen benötigen kaum Der aktuelle Trend hin zu separaten Systemen aufgrund gänzlich unterschiedlicher Logistikanforderungen zwischen e-Commerce und stationärem Handel scheint sich fortzusetzen. E-Commerce-Zentren, welche neben den klassischen Handelsstrukturen bestehen und lediglich für die Bedienung der Online-Kunden konzipiert sind, kommen bereits erfolgreich zum Einsatz. Eine 34 Etablierung von Click-and-Collect-Lösungen Service-Personal, müssten allerdings über ein Kühlsystem verfügen. Ein innovatives Konzept wird z.B. in der Schweiz angeboten. Hier können Kunden Lebensmittel bestellen und diese am Bahnhof am Gepäckschalter oder an einem Schließboxsystem abholen. Die Kunden können das Schließfach mit einem QR-Code auf dem Smartphone oder der Bestellbestätigung öffnen. [37] Ein weiteres Konzept im Click-and-Collect-Bereich Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse ist es, Abholstationen in die Firmensitze von Großun- > Click-and-Collect-Lösungen können eine Alternative ternehmen zu integrieren, um den Kunden unnötige für die logistisch aufwändige und kostenintensive Umwege zu ersparen. Belieferung in der letzten Meile bieten Zusammenfassend lassen sich durch e-Commerce folgende Auswirkungen auf die Netzwerk- und Prozessebene beobachten: 4.3 Technologien Auf technologischer Ebene stellen die beschriebenen > Bis zu dreifacher Logistikflächenbedarf sowie dreifache Logistikkosten gegenüber der Lebensmittellogistik des stationären Handels > Logistikinfrastrukturinvestitionen in e-Commerce Fullfillmentcenter Veränderungen im Lebensmittelmarkt diverse neue Anforderungen an die Akteure. Insbesondere generieren die aktuellen Entwicklungen im e-Commerce von Lebensmitteln und die damit verbundene Digitalisierung des Angebots neue Vertriebskanäle, die informationstechnisch gesteuert und mit den vorhandenen Systemen vernetzt werden müssen. Besonders Händler, > Kooperationen mit Logistikdienstleistern für die welche mit viel Aufwand in den e-Commerce Markt drängen, stehen vor der Herausforderung, ihre beste- letzte Meile henden Strukturen, Prozesse und IT-Systeme an die > Angebot von Belieferungszeitfenstern von max. 2 neuen Gegebenheiten anzupassen. Diese Verände- Stunden, insbesondere in den Morgen- und Abend- rungen gehen einher mit systemseitigen Anpassungen, stunden wird notwendig um die Omni-Channel-Herausforderung zu bewältigen. > Bereitstellung von Webdiensten, in denen die Trans- Darüber hinaus führt die kundenseitig geforderte Trans- porte der letzten Meile für den Endkunden sichtbar parenz entlang der Wertschöpfungskette zu Proble- gemacht werden und Änderungen vorgenommen men, die es auf technologischer Ebene zu lösen gilt. werden können Zudem stellt die erhöhte Bedeutung des e-Commerce 4 Abbildung 28: Vergleich von Click-and-Collect gegenüber der klassischen Belieferung des Endkunden Nachteile Vorteile Click-and-Collect ⟩ ⟩ ⟩ ⟩ ⟩ ⟩ Kunde muss nicht auf Lieferung warten Keine Lieferkosten für Kunden Kosteneinsparungen für Händler Einfachere Einhaltung der Kühlkette möglich Kunde übernimmt hohe Kosten der „letzten Meile“ Drive-Ins auf dem Arbeitsweg ⟩ ⟩ Kunde muss Ware abholen Oftmals fehlender Echtzeit-Abgleich über Lebensmittelverfügbarkeit Infrastrukturinvestitionen in Abholstationen (u.a. Drive-In) ⟩ Auslieferung ⟩ Hohe Kundenakzeptanz aufgrund des Komforts und der Zeitersparnis ⟩ ⟩ Enorme Kosten der letzten Meile Abstimmung von Lieferzeitfenstern mit dem Kunden nötig in den Morgen- und Abendstunden Annahme der Lieferung nötig Herausforderung der Einhaltung der Kühlkette ⟩ ⟩ Herausforderungen und Lösungsimpulse für die Lebensmittellogistik der Zukunft 35 neue Anforderungen an das Kühlketten-Management. Lebensmitteleinzelhändler haben den wachsenden Besonders im Bereich der letzten Meile sind bisher Trend des e-Commerce erkannt und versuchen durch nur wenige zufriedenstellende Lösungen vorhanden, verschiedene webbasierte Angebote neue Kunden zu die die gebündelte Distribution von Lebensmitteln aller erschließen und an sich zu binden. Klassische Lebens- Temperaturzonen unter Einhaltung der Kühlketten- mittelhersteller, welche bisher nur den Handel beliefert Anforderungen ermöglichen. haben, versuchen durch eigene Web-Plattformen oder die Plattformen von Vertriebsintermediären dem Trend Zukünftig steht die Branche außerdem vor der Heraus- zu begegnen. Klassische stationäre Gastronomiebetrie- forderung, das steigende Verkehrsaufkommen mög- be folgen der Bewegung ebenso in rasantem Tempo lichst emissionsarm zu bewältigen. Einen möglichen und digitalisieren ihr Leistungsangebot. Lösungsansatz bieten hier elektromobile Fahrzeuge. Jedoch ist deren Einsatz besonders für die Distributi- All diese Unternehmen stehen dabei in unterschiedli- on von Lebensmitteln mit Problemen behaftet, die im chem Ausmaß vor derselben Herausforderung, diese weiteren Verlauf beleuchtet werden. Vertriebskanäle und deren unterschiedlichen logistischen Anforderungen aufeinander abzustimmen. Spricht man in der Theorie von einem Multi-Channel- Der Weg vom Multi-Channel-Vertrieb zum Omni-Channel-Logistiker Vertrieb, beschreibt dies lediglich den Betrieb mehrerer Vertriebskanäle. Um die Potenziale der zusätzlichen Die digitale Transformation stationärer Angebote des Vertriebskanäle zu nutzen, ist jedoch eine Vernetzung Lebensmittelmarkts eröffnet Akteuren der Branche dieser notwendig, da sonst die zusätzlichen Umsätze diverse neue Vertriebskanäle. Bisher stationäre von diversen Kosten (Lagerung, Handling, IT etc.) Abbildung 29: Bewertung der Auswirkungen der Konsumententrends auf die Technologie-Ebene e-Commerce/Home-Delivery Transparenz Convenience-Food Regionale und saisonale Lebensmittel Food Waste Awareness Convenience-Stores Bio- und Fair-Trade-Siegel 1.00 gering 1.50 2.00 Handel 36 2.50 Hersteller 3.00 mittel 3.50 4.00 4.50 5.00 hoch LDL Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse überkompensiert werden. Das Ziel ist es also, trotz Diese und weitere Anforderungen machen die Schaf- verschiedener Vertriebskanäle, unter Nutzung eines fung eines adäquaten IT-Systems zu einer der Kern- einheitlichen, integrierten IT-Systems zentral Bestände herausforderungen der Omni-Channel-Logistik. Hinzu zu managen, eine konsolidiertes Distributionssystem zu kommt, dass das System hinreichend flexibel sein unterhalten und multidisziplinäre Mitarbeiter auszubil- muss, um die Hinzunahme weiterer Vertriebskanäle den, um die unterschiedlichen logistischen Anforderun- ohne aufwändige Systemänderungen sicherzustellen. gen der Vertriebskanäle zu meistern. Ist dies erreicht, Es sei hierbei natürlich auch erwähnt, dass die Tech- spricht man von einer Omni-Channel-Logistik. Diese nologien für den Weg zur Omni-Channel-Logistik eher in der Theorie nachvollziehbare Zielstellung stößt in als Befähiger dienen. Zusätzlich sind ebenso prozesso- der Praxis jedoch schnell an Ihre Grenzen. Vielmehr rale und strukturelle Änderungen nötig, um den Schritt werden in den meisten Fällen pro Vertriebskanal sepa- effizient zu vollziehen. So ist es unter anderem unab- rate Bestände geführt, eigene Distributionsstrukturen dingbar, bestehende Lagerstrukturen zu flexibilisieren, aufgebaut und unterschiedliche IT-Systeme unterhalten, wenn eine zentrale, vertriebskanalübergreifende Struk- die eine fragmentierte Systemlandschaft bilden. Hinzu tur angestrebt wird, sodass schnell auf komplett unter- kommt, dass die Verantwortlichkeiten der Vertriebs- schiedliche Mengenkonstrukte reagiert werden kann. kanäle unterschiedlichen Business Units zugeordnet sind und eine gebündelte Zuständigkeit nur selten Die beschriebene Veränderung von IT, Prozessen angestrebt wird. und Infrastruktur in der Omni-Channel-Logistik haben 4 bereits in führenden Unternehmen anderer Branchen Bei der Erreichung einer effizienten Omni-Channel- Millionenbeträge verschlungen, da die Komplexität und Logistik stellt das IT-System für die meisten Unter- Multidimensionalität vor allem im Bereich der IT nicht nehmen den entscheidenden Engpass dar, da die rechtzeitig erkannt und demensprechend beachtet Anforderungen an ein integriertes IT-System hochgra- wurde. Deshalb ist es absolut notwendig, frühzeitig dig komplex sind und keine one-size-fits-all Lösung am bei der Hinzunahme zusätzlicher Vertriebskanäle deren Markt existiert. Dieses System muss eine digitale Abbil- Vernetzung zu berücksichtigen und IT-seitig abzubilden, dung des Produktportfolios inklusive der Verfügbarkeit, um eine verspätete Integration nicht teuer zu bezah- tägliche Anpassung der Preise sowohl überregional len. Zur Integration der Vertriebskanäle bietet es sich als auch über sämtliche Kanäle ermöglichen. Dabei an, die Verantwortlichkeiten des Betriebs dieser Kanäle müssen unterschiedliche Auftragsstrukturen abgebildet in einem Bereich zu bündeln, um den Erfolg auch auf und eine Umsatz- und Ergebnisverrechnung der ein- Ebene der Unternehmensorganisation zu unterstützen zelnen Vertriebe ermöglicht werden. Ebenso sind eine und Systemlandschaften zu vermeiden. Dafür ist es integrierte Verfügbarkeit von Transport- und Kunden- empfehlenswert, diese Verantwortlichkeiten über den daten und eine vertriebskanalübergreifende Abbildung Omni-Channel-Betrieb in der Logistik zu bündeln, da eines Debitorenmanagements sowie von Kundenbo- hier in besonderem Maße Synergien erzeugt werden nusprogrammen notwendig. Auch die Abwicklung können. von Cross-Channel-Retouren spielt bei der Konzeptionierung eines solchen Systems eine Rolle und muss frühzeitig eingebunden werden. Herausforderungen und Lösungsimpulse für die Lebensmittellogistik der Zukunft 37 Elektromobilität in der Lebensmitteldistribution auch die Infrastrukturkosten besser umgelegt werden können und die niedrigeren Betriebskosten stärker ins Die technologischen Entwicklungen jüngster Vergangenheit haben es der Logistik ermöglicht, elektromobile Antriebe im Sinne nachhaltiger Ver- und Entsorgungsstrukturen auf der letzten Meile einzusetzen. Die Grundvoraussetzung hierfür ist, dass auch das derzeit verfügbare Angebot an elektromobilen Fahrzeuge die wirtschaftlich-technischen Anforderungen der distribuierenden Unternehmen erfüllt. Zu diesen Anforderungen gehören grundsätzlich neben den Kosten auch die Reichweite, die maximale Nutzlast, die Infrastruktur, und die zeitliche Verfügbarkeit. Im Bereich der Lebensmitteldistribution spielen außerdem weitere Sonderanforderungen, wie z.B. der Bedarf an Kühlvorrichtungen eine Rolle, da kühlpflichtige Transporte einen Großteil der Lebensmittelindustrie ausmachen, jedoch gleichzeitig die Reichweite und Nutzlast senken. Untersuchungen des Fachgebiets Logistik anhand realer Transporttouren zum Lebensmitteleinzelhandel zeigen, dass die bestehenden Anforderungen an diese Einsatzparameter von dem gegenwärtigen Marktangebot nicht erfüllt werden können. Daher ist der Einsatz von Elektromobilität in der Lebensmittellieferkette weder von konventionellen noch von Bio-Supermärkten wirtschaftlich-technisch realisierbar sind. Gewicht fallen. Das größte identifizierte technische Problem stellt jedoch nicht die Reichweite, sondern das Zuladungsvermögen elektromobiler Lkw dar. Oberhalb eines zulässigen Gesamtgewichts von 19 Tonnen war kein Marktangebot elektromobiler Fahrzeuge auszumachen. Das bedeutet, dass knapp 85 % der untersuchten Fahrten alleine aufgrund der Zuladungsmenge nicht abgedeckt werden können. Des Weiteren leiden elektromobile Lkw konstruktionsbedingt unter einem generell verminderten Ladungsvermögen, das bis zu 20 % des Gesamtgewichts ausmacht. Die im Lebensmittelhandel häufig bestehende Kühlpflicht verschärft diese Problematik, da durch den Einsatz von Kühlaggregaten die Nutzlast abermals um bis zu 15 % verringert wird. Am Beispiel realer Transportflüsse wurde festgestellt, dass Elektromobilität aufgrund der Restriktionen hinsichtlich Reichweite als auch Zuladungsvermögen nur bei unter 10 % aller Touren technisch umsetzbar ist. Prognosen geben dennoch Grund zur Hoffnung, dass sich dies innerhalb der nächsten zehn Jahre ändern wird, da weiterhin an Lösungen hinsichtlich der Batterietechnik gearbeitet wird. Den heutigen Problemen der Elektromobilität kann Es wurde festgestellt, dass weiterhin die vergleichsweise höheren Anschaffungskosten eines Elektro-Lkw den Vorteil der geringeren Betriebskosten überwiegen, was vor allem dem hohen Batteriepreis zuzurechnen ist. Die um ca. ein Drittel niedrigeren Betriebskosten werden erst bei sinkenden Anschaffungspreisen den Nutzern von Elektro-Lkw einen Vorteil verschaffen. Als erstes werden diejenigen Unternehmen Elektromobilität wirtschaftlich nutzen können, die über eine große Flotte mit hoher Laufleistung verfügen, da in diesem Fall in vielfältiger Weise begegnet werden. Günstigere Hybridfahrzeuge und Kooperationen zwischen den Händlern erscheinen als geeignete Mittel, um die Wirtschaftlichkeitsschwelle schneller zu erreichen. Ein allgemeiner Durchbruch von Elektromobilität und ein Aufstieg Deutschlands zu einem weltweiten Leitmarkt ist aber nur auf Basis des technischen Fortschritts zu erwarten. So bleibt die Elektromobilität auch in naher Zukunft noch ein relevantes Forschungsfeld. Ein weiteres Anwendungsfeld von Elektromobilität eröffnet sich in der zunehmenden Nachfrage an nächtlicher 38 Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse Abbildung 30: Bewertung des Einsatzes von elektromobilen Fahrzeugen in der Lebensmitteldistribution 4 Belieferung von urbanen Handelsfilialen, die starken Temperaturbereiche abdeckten (z.B. Ultrafrische, Lärmrestriktionen unterliegen und bisher nur durch den Frische und Ambient) geht die technologischen Ent- Einsatz elektromobiler Nutzfahrzeuge realisierbar ist. wicklung dahin, dass mittlerweile die Abbildung aller Auch die elektromobile Belieferung des Endkunden im Temperaturzonen vom Tiefkühl- bis zum Trockensor- Rahmen des zunehmenden Onlinehandels ist ein rea- timent umsetzbar sind. Die Bedeutung der Mehrkam- listisches Szenario. mer-Fahrzeuge für die Lebensmittellogistik spiegelt sich auch in den Ergebnissen der im Rahmen der Studiener- Einfluss des e-Commerce auf das Kühlketten-Management Für viele technologische Herausforderungen im Kühlketten-Management konnten in den letzten Jahren Lösungen entwickelt werden. Als eine der größten Errungenschaften der letzten Jahre gelten im Bereich der Lebensmitteldistribution Mehrkammer-Fahrzeuge. Durch das Führen verschiedener Temperaturzonen in einem Fahrzeug konnten Auslastungsgrade deutlich verbessert und die im gesamten Logistiksystem zurückgelegte Strecke drastisch gesenkt werden. Während die Fahrzeuge zu Beginn oft nur ausgewählte stellung geführten Experteninterviews wieder. Führende Lebensmittellogistiker gehen dazu über, zukünftig nur noch Fahrzeuge anzuschaffen, die in der Lage sind, mehrere Temperaturzonen gleichzeitig zu bedienen. Darüber hinaus lässt sich durch intelligentes sensorbasiertes Tracking-and-Tracing theoretisch nicht nur die Strecke, sondern auch der Temperaturverlauf aller Produkte entlang der Logistikkette überwachen, wie es für TK-Ware bereits regulatorisch gefordert wird. Auch wenn in diesem Bereich noch technologische Verbesserungen zu erwarten sind, lässt sich konstatieren, dass Herausforderungen und Lösungsimpulse für die Lebensmittellogistik der Zukunft 39 die Entwicklungen der letzten Jahre die Lebensmittel- Mehrkammer-Transportbehälter. Aktuell am Markt belieferung in den Strukturen des klassischen Lebens- etablierte Mehrkammer-Fahrzeuge bieten zwar für die mittelhandels stark verbessert haben. Belieferung des Lebensmitteleinzelhandels und von Tankstellen viele Vorteile, stoßen aber bei Privathaus- Eine wesentlich größere Herausforderung im Bereich halten an ihre Grenzen. Für die Belieferung von End- des Kühlketten-Managements stellt hingegen die letzte verbrauchern können intelligente Fahrzeugkonzepte Meile Distribution zum Endverbraucher dar, die durch (die alle Temperaturbereiche energieeffizient abbilden die steigende Nachfrage im Online-Distanzhandel und eine einfache Kommissionierung aus den verschie- immer stärker an Bedeutung gewinnt. Besonders hier denen Zonen ermöglichen) helfen, die Zustellung aller fehlt es in vielen Bereichen noch an technologischen Lebensmittel von einem Anbieter sicherzustellen. Die Lösungen, die die Entwicklung des e-Commerce weiter Entwicklung von Mehrkammer-Transportbehältern ist vorantreiben könnten. auch denkbar und wird ebenso verfolgt. Hierbei sind Aktuell sind die wenigsten Logistikdienstleister in vollem Umfang dazu in der Lage, eine Lebensmittelbelieferung, über alle Temperaturzonen hinweg, an den Verbraucher sicherzustellen. Nach Meinung von Experten existieren sogenannte „Alles-Lieferanten“ kaum, werden aber zukünftig stärker nachgefragt. Wer es schafft diese Anforderungen zu meistern, kann sich langfristig einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Da das Angebot an Logistikdienstleistern in dem Bereich sehr gering ist, bieten auch nur die wenigsten Händler auf ihren WebPlattformen ihr komplettes Sortiment an. Die Schaf- die Nutzer dieser Boxen mit derselben Problemstellung konfrontiert, die auch für aktuelle Transportbehälter gilt. Behälter sind teuer und sollten im Idealfall nicht im Besitz beim Kunden bleiben, was wiederum zur Problematik der Koordinierung der Anlieferzeitfenster führt. Jedoch sind verschiedene Anreiz- und Retourensysteme denkbar, die diese Herausforderungen lösbar machen. Transparenz für den Endkunden als entscheidender Wettbewerbsfaktor fung eines eigenen Logistiksystems für die Belieferung Der Kundenwunsch nach mehr Transparenz hinsicht- der Endkonsumenten ist zwar von Vorteil und wurde lich Herkunft, Inhaltsstoffen, Herstellungs-, Transport-, bereits erfolgreich umgesetzt, gestaltet sich jedoch Lagerungs- sowie Weiterverarbeitungsbedingungen nur für wenige Händler als eine profitable Alternative. steigt. Zudem fordern Kunden eine einfache Zugäng- Hersteller die neben ihrem Angebot über den Lebens- lichkeit der benötigten Informationen. Demnach reicht mitteleinzelhandel auch online ihre Ware vertreiben, es nicht aus, wenn die Informationen in allgemeiner sind nach schlechten Erfahrungen mit traditionellen Form in Unternehmensberichten zur Verfügung stehen. KEP-Dienstleistern dazu übergegangen, bestimmte Ebenso halten es Kunden für unzumutbar, bereits vor- Produkte (z.B. Schokolade) im Sommer nicht mehr handene Codes zu dechiffrieren, um mehr Transparenz online zur Verfügung zu stellen, da es zu oft zu Quali- über das Produkt zu erhalten. Diese Codes beinhalten tätsproblemen kam. oft nur einen Bruchteil der gewünschten Informationen, sodass die Rückverfolgbarkeit der gesamten Supply Denkbare Lösungsansätze für die Optimie- Chain bis zum Ursprung schwierig bis unmöglich bleibt. rung der letzten Meile Distribution von Lebensmitteln sind sowohl Mehrkammer-Fahrzeuge als auch 40 Das es in puncto Transparenz nur wenige Beispiele gibt, Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse die als Best-Practice bezeichnet werden können, ist Komplexität um ein Vielfaches. Dies können die aktuelle trotz der steigenden öffentlichen Bedeutung erstaunlich. Systeme kaum abbilden. Zumal verschiedene IT-Plattformen von Informationsintermediären vorhanden sind und es somit aus techni- Zum Teil versuchen Händler und Hersteller eigene scher Sicht kaum ein Problem darstellt, Verbrauchern Lösungen zu etablieren, die den Nutzer eine Rückver- diese Informationen zur Verfügung zu stellen. Diese folgbarkeit ermöglichen sollen. Bei deren Nutzung fällt Plattformen bieten die Möglichkeit, unterschiedlichste jedoch auf, dass nicht immer alle vom Verbraucher Informationen entlang der Logistikkette vom Rohstoff- geforderten Informationen tatsächlich auch zur Verfü- lieferanten bis zum Handel zentral aufzunehmen und gung gestellt werden. Oft ist die Wertschöpfungskette zur Verfügung zu stellen. Dem Kunden könnte dann nicht bis zum Ursprung zurückzuverfolgen. Somit bleibt beispielsweise App-basiert erläutert werden, wann, das Bemühen nach mehr Transparenz aktuell oft leider wo, was, warum und in welcher Art und Weise etwas eher eine Marketingmaßnahme als ein ernst gemeinter im Weiterverarbeitungsprozess durchgeführt wurde. Vorstoß, den Kunden zu informieren. Die Gründe, warum diese Plattformen aktuell nur selten Um den Kunden in seinem Informationsbedarf zu unter- in vollem Umfang genutzt werden, sind vielseitig, im stützen, muss langfristig mehr Druck von Seite der Kern jedoch auf zwei Hauptursachen zurückzuführen. EU ausgehen, vorhandene Regelungen zu verschär- Zum einen wollen die Akteure entlang der Logistikkette fen und dabei Sonderregelungen (wie beispielsweise diese sensiblen Informationen nur selten vollständig zur aktuell für Schweinefleisch) zu vermeiden. Experten Verfügung stellen, weshalb sich Unternehmen maximal sind sich einig, dass sich Unternehmen mittelfristig an den gesetzlich vorgeschriebenen Eckdaten orientie- dem Trend in Richtung einfach zugänglicher Trans- ren. Zum anderen führt mehr Transparenz zu Kosten, parenz annehmen müssen. Wer es nicht tut und den da Unternehmen systemseitige Änderungen vorneh- Kundenwunsch unberücksichtigt lässt, wird sich ihrer men müssen. Experten sind sich vor allem darüber Meinung nach nicht an einem hart umkämpften Markt uneinig, ob der Kunde bereit ist, die entstehenden etablieren können. 4 Kosten zu tragen. Diese und weitere Ursachen führen dazu, dass die Potenziale vorhandener IT-Plattformen nur selten vollumfänglich genutzt werden. Hierbei sei jedoch angemerkt, dass aktuelle IT-Lösungen meist die Verfolgung von Lebensmitteln in den Fokus stellen, die vergleichsweise einfache Logistikstrukturen aufweisen, da sie nur aus einem Rohstoff bestehen bzw. nur wenige Weiterverarbeitungsschritte beinhalten (z.B. Fleisch, Fisch oder Obst). Sobald Lebensmitteln aus mehreren Inhaltsstoffen bestehen, die wiederum in verschiedenen Verarbeitungsschritten entstanden sind, erhöht sich die Anpassung der Verpackung bei wachsender Bedeutung des e-Commerce Die Verpackungen von Lebensmitteln sowie deren Umverpackungen entsprechen in der Regel den Anforderungen an einen Verkauf über den stationären Einzelhandel. Das bedeutet unter anderem, dass die Ware displayfähig sein muss, um vom Kunden schlussendlich auch gekauft zu werden. Außerdem ist sie für den Palettenversand optimiert. Mit der steigenden Bedeutung des e-Commerce ist in diesem Bereich jedoch ein Umdenken notwendig, um den veränderten Logistikanforderungen entgegenzutreten. Branchenexperten Herausforderungen und Lösungsimpulse für die Lebensmittellogistik der Zukunft 41 sind der Meinung, dass Kunden, die zukünftig online da diese sich oftmals durch Tracking-and-Tracing-Tech- Lebensmittel einkaufen, weniger auf optische und hap- nologien überwacht fühlen. Diese Bedürfnisse bei der tische Reize reagieren, sondern eher Wert auf transpa- Einführung solcher Technologien zu beachten, kann für rente Informationen in Bezug auf das Produkt legen. den Projekterfolg maßgeblich sein. Das bedeutet, dass beispielsweise mitunter aufwändig gestaltete Glasflaschen für den e-Commerce Versand Getrieben vor allem durch die beschriebenen e-Com- unter Umständen auch aus Kunststoff gefertigt sein merce-Entwicklungen entstehen in der Lebensmittel- könnten, um das Gewicht zu verringern und Trans- branche viele neue Arbeitsplätze. Die weit verbreitete portschäden zu vermeiden. Ein weiteres Beispiel ist der Meinung, dass hier vor allem Arbeitsplätze für eher Deckel von Joghurtbechern, der für die Anforderungen gering qualifizierte Mitarbeiter entstehen, welche u.a. an einen Versand an die Haustür des Konsumenten die Lebensmitteldistribution der letzten Meile durch- nicht geeignet ist. Beschädigungen sind die Folge. führen, entspricht nicht der Realität. Vielmehr ist in der Diese und viele weitere Beispiele verdeutlichen, dass für Branche von einem Fachkräftemangel die Rede. den Online-Versand von Lebensmitteln zukünftig andere Verpackungsarten und -formen entwickelt werden müssen, um den Anforderungen gerecht zu werden. Zwar ist die Bedeutung des e-Commerce gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel noch vergleichsweise gering, jedoch müssen sich vor allem Lebensmittelhersteller mittel- und langfristig auf Änderungen einstellen. Qualifikationen auf allen Stufen der Wertschöpfungskette. Beispielsweise erfordert die Distribution von Lebensmitteln auf der letzten Meile besondere Schulungen im Umgang mit Lebensmitteln, um die Einhaltung der Kühlkette und weiteren Qualitätsstandards zu gewährleisten. So setzen erfolgreiche Lebensmittel-Lieferdienste immer stärker auf umfassend ausgebildetes 4.4Mitarbeiter Personal um einen sicheren Umgang mit Lebensmitteln Sobald sich ein Markt mit einer solchen Geschwindigkeit und Dynamik verändert, stellt sich gleichzeitig die Frage, welche Auswirkungen die dargelegten Entwicklungen auf die Mitarbeiter der Branche haben. Vordergründig entstehen durch die Veränderungen im Markt in hohem Maß neue Arbeitsplätze, die besetzt werden müssen. Dieser erhöhte Personalbedarf ist unter anderem durch die steigende Nachfrage nach Lebensmittelbelieferungen in urbanen Ballungsgebieten zu erklären. Außerdem fordern sowohl die sich verändernden Logistikstrukturen als auch die neuen Kundenanforderungen zusätzliche Mitarbeiterqualifikationen, die es frühzeitig aufzubauen gilt. Gleichzeitig stößt das Streben nach Transparenz auf der Ebene der Mitarbeiter vor allem bei den Transporteuren auf starke Gegenwehr, 42 Der Umgang mit Lebensmitteln erfordert besondere zu gewährleisten. Aber auch in der Produktion und im Handel werden zusätzliche Qualifikationen erforderlich. So erfordert das zunehmende Informationsbedürfnis auf Seiten des Kunden Mitarbeiter auf der Seite des Handels, die qualifiziert auf Kundenfragen eingehen können. Unwissenheit über Gütesiegel, Herkunft etc. können auf Unverständnis beim Kunden stoßen, weshalb auch für die Mitarbeiter des Handels eine Auseinandersetzung mit den Lebensmitteln immer stärker in den Fokus rücken muss. Erfolgreiche Unternehmen der Branche setzen bereits vermehrt auf interne Aus- und Weiterbildung. Sie können hierbei flexibel auf die sich ändernden Logistikanforderungen im Markt reagieren und diese in ihren Schulungen einbinden. Auch wenn einige Unternehmen Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse hiermit erfolgreich sind, fordern Praxis und Verbände diese Entwicklung zu unterstützen und voranzubringen, eine stärkere Einbindung neue Lehrinhalte in die Aus- sollten alle Akteure der Branche es als gemeinsames bildungsgänge, da interne Aus- und Weiterbildungen Handlungsfeld begreifen, die Anforderungen an diese kostenintensiv und nicht von jedem Unternehmen neuen Berufsfelder frühzeitig zu erheben sowie konkrete selbstständig zu bewerkstelligen sind. Aktuelle Ausbil- Inhalte auszuarbeiten und abzustimmen. dungsgänge, beispielsweise für Einzelhandels- oder Speditionskaufleute, bilden die aktuellen Marktentwicklungen und die sich daraus ergebenden neuen Herausforderungen nicht in vollem Maß ab. E-Commerce-Themen finden nach Meinung von Branchenexperten nur wenig Beachtung, obwohl sie den Markt verändern. Daher ist davon auszugehen, dass die Dynamik des Marktes neue Berufsbilder und Qualifikationen erfordert, die durch aktuelle Ausbildungsberufe nicht umfassend abgedeckt sind. Daher sind Unternehmen und Verbände bestrebt, neue Ausbildungsberufe zu kreieren, welche die neuen Anforderungen im Markt besser abdecken. Die Schaffung einer Ausbildung „Kaufmann/-frau im e-Commerce“, welche voraussichtlich bis 2017 umgesetzt werden soll, ist nur ein Beispiel dafür, dass neue Berufsbilder entstehen. Um Sensibler Umgang mit dem „gläsernen Mitarbeiter“ Das steigende Bedürfnis nach Transparenz entlang von Wertschöpfungsketten führt dazu, dass Unternehmen u.a. Telematik-Systeme einsetzen, die ein effizientes Tracking-and-Tracing der Güter ermöglichen. Erforderlich wird dies für die Unternehmen nicht nur aufgrund der skizzierten Kundenanforderungen, sondern auch weil sich rechtliche Rahmenbedingungen in dem Bereich verschärfen. Wie bereits beschrieben, müssen Unternehmen immer dazu in der Lage sein, jedes Unter- 4 nehmen und jede Person festzustellen, die entweder Bestandteile ihrer Produkte angeliefert oder aber Produkte erhalten haben. Diese Informationen müssen auf Abbildung 31: Bewertung der Auswirkungen der Konsumententrends auf die Mitarbeiter-Ebene e-Commerce/Home-Delivery Transparenz Convenience-Food Regionale und saisonale Lebensmittel Food Waste Awareness Convenience-Stores Bio- und Fair-Trade-Siegel 1.00 gering 1.50 2.00 Handel 2.50 Hersteller 3.00 mittel 3.50 4.00 4.50 5.00 hoch LDL Herausforderungen und Lösungsimpulse für die Lebensmittellogistik der Zukunft 43 Nachfrage unverzüglich offengelegt werden können. geblich deren Erfolg beeinflussen. Dieser in der Theorie Die gesetzlichen Forderungen machen den Einsatz einfach umzusetzende Sachverhalt gestaltet sich in der von ­Tracking-and-Tracing-Technologien in der Lebens- Praxis häufig als aufwändige Herausforderung, die es mittellogistik in vielen Bereichen unabdingbar. Jedoch zu lösen gilt. Erfolgreiche Unternehmen der Branche kommt es bei der Einführung und Nutzung dieser Tech- verstehen es hierbei als Ihre Pflicht, den einzelnen Mit- nologien oft zu einer deutlich erhöhten Abneigung der arbeiter, aber auch in gleichem Maße den Betriebsrat, Mitarbeiter. Besonders Mitarbeiter von Logistikdienst- frühzeitig über die geplante Einführung der Systeme leistern fühlen sich beispielsweise von Flottentelema- zu informieren und aktiv einzubinden. Dabei steht vor tik-Systemen kontrolliert und überwacht. Dies geht in allem im Fokus, dem Mitarbeiter die Ursachen der Ein- der Praxis sogar soweit, dass die Systeme vom Fahrer führung, die damit verbundenen Ziele, aber auch die abgeschaltet oder bewusst gestört werden. Vorteile aufzuzeigen, die die Nutzung der Technologie möglicherweise auch für seine Arbeit hat. So kann Dieser Sachverhalt deckt sich auch mit den Ergebnis- deren Nutzung unter Umständen auch den Dokumen- sen der zugrundeliegenden Umfrage. Zwar zeigt die tationsaufwand des einzelnen Mitarbeiters verringern, Analyse der Ergebnisse nur einen geringen Einfluss was wiederum seine Akzeptanz erhöht. Übergeordne- der Konsumententrends auf die Ausgestaltung der tes Ziel der Aufklärungsarbeit sollte es demnach sein, Mitarbeiter-Ebene, jedoch bewerten Logistikdienstleis- dass der Mitarbeiter den Technologieeinsatz nicht als ter besonders den Einfluss des Transparenz-Trends auf Überwachung auffasst, sondern die Technologie als die Mitarbeiter-Ebene als überdurchschnittlich hoch. Instrument zur umfassenden Wahrung von Transpa- Eine hohe Mitarbeiterakzeptanz bei der Einführung renz versteht. solcher Technologien frühzeitig zu erreichen, kann maß 44 Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse 5 Zusammenfassung und Ausblick Ziel der vorliegenden Studie war es, die aktuellen Ent- erwarten, dass die Lebensmittellogistik gänzlich neu wicklungen in Lebensmittelmarkt und vor allem der damit organisiert werden muss, jedoch sind bereits Verände- verbundenen Logistik zu beschreiben, um daraus abge- rungen zu erkennen, auf die sich die Logistik einstellt. leitet Handlungsempfehlungen und Lösungsansätze für die zukünftige Lebensmittellogistik zu geben. Dazu Reine Online-Händler, die ihre Logistikstrukturen gerade wurden ausgehend vom Endkunden die Konsumen- erst aufbauen, haben den Vorteil, dass sie ihr Netzwerk tentrends der Branche identifiziert und daraus abgeleitet an die Bedürfnisse ihrer Kunden sowie den aktuellen die Herausforderungen der Logistikstrategien analysiert. Entwicklungen des Marktes anpassen können. Dies Anschließend wurden die Kernherausforderungen und bietet den Vorteil, dass keine Redundanzen entstehen Lösungsansätze auf verschiedenen Gestaltungsebenen und die Erfüllung von Kundenaufträgen aus einem der Logistik formuliert. Darauf aufbauend sollen nun als flexiblen Logistiksystem möglich ist. Je nach Ange- Synthese der gewonnenen Erkenntnisse gemeinsame botsspektrum des Online-Händlers wird entweder und individuelle Handlungsempfehlungen für die Akteure auf bestehende Strukturen von Logistikdienstleistern der Lebensmittellogistik gegeben werden. Außerdem zurückgegriffen oder aber werden bei Mangel an Alter- werden aktuell erkennbare Änderungen in Logistik- nativen eigene Strukturen aufgebaut. strukturen beschrieben, die aus den Erkenntnissen der Studie ableitbar sind. Abschließend erfolgt ein Ausblick auf die Lebensmittellogistik in der Stadt der Zukunft, da davon ausgegangen werden kann, dass besonders die Lebensmittelbelieferung in urbanen Ballungsgebieten aufgrund begrenzter Infrastrukturkapazitäten zukünftig vor besondere Herausforderungen gestellt wird. Intelligente Logistikkonzepte können hier ihren Beitrag leisten, die steigende Nachfrage nach Lebensmitteln in der Stadt effizient und nachhaltig zu bedienen. 5.1 Erkennbare Veränderungen von Logistikstrukturen Während reine Online Händler ihre Strukturen erst aufbauen, sind bei stationären Händlern verschiedene Veränderungen der bestehenden Struktur zu erkennen. Diese Veränderungen betrachtend, wird im Folgenden unterschieden zwischen klassischen stationären Lebensmittelhändlern ohne Online-Angebot und stationären Händlern, die zusätzlich zu Ihrem Filialnetz auch noch Online ihr Sortiment (zum Teil nicht vollständig) anbieten. Änderungen in Logistikstrukturen des traditionellen stationären Handels Unzählige Trends im Bereich von Lebensmitteln erhöhen die Sortimentsbreite klassischer Handelsfilialen. Nicht Die physischen und informatorischen Logistikstruktu- nur die im Rahmen dieser Studie behandelten Trends ren der Lebensmittelbranche befinden sich im Wandel. leisten hierzu ihren Beitrag. Darüber hinaus entstehen- Zwar ist aufgrund neuer Konsumententrends nicht zu de eine Vielzahl an Produkten, die ihren Ursprung in Zusammenfassung und Ausblick 5 45 Konsumententrends haben, z.B. vegane Lebensmittel, bei falscher Handhabung zu erhöhten Logistikkosten Functional Food, laktosefreie Lebensmittel uvw. Exis- führen, die der Verbraucher nicht immer tragen will. tierten noch vor wenigen Jahren 2-3 verschiedene Ausprägungen eines Produkts, erhöht sich diese Anzahl an Innerhalb des gesamten Logistiknetzwerks von Lebens- Varianten aktuell um ein Vielfaches. Diese zunehmende mitteln ist seit längerem eine zunehmende Flexibilisie- Sortimentsbreite stellt zusätzliche Anforderungen an die rung des Transports mithilfe von Transportplattformen Logistik. Eine zunehmende Segmentierung entsteht, zu erkennen. Diese erfüllen u.a. die Aufgaben der Trans- welche unterschiedliche Transport- und Lagerbedin- portvergabe an Logistikdienstleister, des Transportmo- gung und zum Teil abnehmende Bündelungseffekte zur nitorings, und des Zeitfenstermanagements. Sie werden Folge hat, da nicht alle Produkte denselben Weg durch sowohl von Herstellern als auch von Händlern genutzt. das Netzwerk nehmen. Diese Änderungen erschweren Problematisch ist jedoch, dass sich hierbei nicht ein eine optimale Transportplanung zusätzlich. Standard etabliert hat, sodass Händler und Lebensmittelhersteller unterschiedliche Transportplattformen Auch wenn die grundlegende Stufigkeit des Logis- nutzen, die nicht aufeinander abgestimmt sind. Dies tiknetzwerks des stationären Lebensmittelhandels erschwert die netzwerkweite Integration von Transport gleich bleibt, sind für einige neu hinzukommenden und Logistik zusätzlich. Produktgruppen zusätzliche Beschaffungskonzepte notwendig. Als Beispiel hierfür sind die im Rahmen Weitere Veränderungen in der Logistik zeichnen sich in der Studie untersuchten saisonalen und regionalen den Filialstrukturen ab. Innerhalb des Netzwerks eines Lebensmittel zu nennen. Ihre logistischen Besonder- Händlers entstehen unterschiedliche Filialtypen, die wie- heiten (kleinteilige Sendungsmengen, zum Teil nicht derum unterschiedliche Anforderungen an die Logistik exakt planbarer, volatiler Output, Saisonalität) können des Unternehmens stellen. Eine besondere Herausforderung stellen die Convenience- bzw. City-Stores Abbildung 32: Änderungen in Logistikstrukturen des traditionellen stationären Handels L L L Umschlag/Lagerung (ZL, CD) L Lr Grundlegende Stufigkeit des Netzwerks bleibt unverändert Erhöhte Sortimentsbreite durch Konsumententrends (Regional, Convenience) Ø zunehmende Segmentierung U1 Zusätzliche Beschaffungskonzepte nötig (u.a. für regionale Produkte) Ø z.T. geringere Stufigkeit, bzw. Direktverkehr aufgrund geringer Distanz Umschlag/Lagerung (RL, CD) U2 F U2 U2 F Flexibilisierung und Transparenz des Transports durch Transportplattformen Ø Transportvergabe, Transportmonitoring, Zeitfenstermanagement FC F F FC K K K K Zusätzlicher Flächenbedarf für Convenience/City-Stores in Städten Ø Kleinteiligere Lieferungen, hohe Lieferfrequenz, geringe Verkaufsfläche, wenig bis keine Logistikflächen Abholung Neue Logistikprozesse durch Lebensmittelentsorgung K K Traditionelle Strukturelemente Hinzukommende Strukturelemente 46 K RL Regionallager ZL Zentrallager K CD Cross-Dock L Lieferant Regionaler Lieferant Lr (z.B. Bauernhof) U Umschlag Ue e-CommerceFulfillment-Center F Filiale K Kunde FC Convenience-Store Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse dar, die trotz geringen Flächenangebots in urbanen Ballungszentren entstehen. Diese Filialen müssen das Handling kleinteiligerer Lieferungen mit einer höheren Lieferfrequenz auf einer geringen Verkaufsfläche beherrschen. Dafür stehen verschwindend geringe Logistikflächen zur Verfügung. Zusätzliche Änderungen in Logistikstrukturen für stationäre Händler mit Online-Angebot Die oben genannten Veränderungen sind von genereller Relevanz und Wichtigkeit für den Lebensmittelhandel. Das zunehmende Online-Angebot der stationären Lebensmittelhändler stellt die Logistik vor zusätzliche Wie bereits beschrieben, sind Entwicklungen zu erkennen, die die zukünftige Bedeutung der Rückführung von nicht zum Verkauf geeigneten Lebensmitteln unterstreichen. Diese Rückführung erfordert zusätzliche Logistikprozesse, die heute noch nicht implementiert sind. Diese noch nicht gelöste Herausforderungen ist in vielerlei Hinsicht komplex, da nicht geklärt ist, wer die Rückführung organisiert und durchführt, wer die Kosten trägt, wer die Lebensmittel verwertet und ob sich aus der Lebensmittelrückführung neue Geschäftsmodelle ableiten lassen. Herausforderungen. Durch die Hinzunahme einer Online-Plattform entsteht zwischen Handel und Kunde ein enormer Informationsaustausch, der zuvor nicht in der Form vorhanden war. Um jedoch die Vorteile dieser informatorischen Verknüpfung zu nutzen, muss die Informationsverfügbarkeit und -aktualität auf der Plattform zu jedem Zeitpunkt gegeben sein. Das Angebot von Cross-Channel-Retouren gestaltet die Nutzung des Systems für den Kunden komfortabler, stellt die Logistik jedoch vor zusätzliche Herausforderungen. Eine ausführliche Darlegung der Herausforderungen und möglichen Lösungsansätzen zu einer effizienten Omni-Channel-Logistik erfolgte im Abschnitt 4.3. 5 Abbildung 33: Zusätzliche Änderungen in Logistikstrukturen für stationäre Händler mit Online-Angebot L L L Umschlag/Lagerung (ZL, CD) L Zusätzlicher Informationsaustausch zwischen Kunde und Handel Ø birgt viele informatorische Herausforderungen (u.a. Informationsaktualität und –verfügbarkeit, Cross-Channel-Retouren) Lr Wandel von beschränktem Online-Angebot zum Angebot des gesamten Sortiments Ø (z.T. regional begrenzt, weitere sich jedoch stets aus) U1 Umschlag/Lagerung (RL, CD) U2 F U2 Ue F Wechsel von filialbasierter zu zentrallagerbasierter Kommissionierung in e-Commerce Fulfillment-Centern zeichnet sich ab Ø Zusätzliche Lagerstruktur im Netz mit bis zu dreifachem Flächenbedarf gegenüber der Logistik des stationären Handels Ø Verlagerung immer stärker Richtung Stadt, um Kosten der letzten Meile gering zu halten (Flächenprobleme, Restriktionen durch Behörden) F FC K K Bisher werden Synergien zwischen den Strukturen des stationären und des OnlineHandels kaum genutzt Abholung & Auslieferung K K Traditionelle Strukturelemente Hinzukommende Strukturelemente K K K RL Regionallager ZL Zentrallager Zusammenfassung und Ausblick K CD Cross-Dock Logistikkosten der letzten Meile sind enorm hoch und können durch Liefergebühren nur zum Teil kompensiert werden L Lieferant Regionaler Lieferant Lr (z.B. Bauernhof) U Umschlag Ue e-CommerceFulfillment-Center F Filiale K Kunde FC Convenience-Store 47 Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass heute nur Logistikdienstleister gegeben. Außerdem werden wenige stationären Händler auf ein Online-Angebot gemeinsame Handlungsfelder identifiziert, deren verzichten. Die vorhandenen Online-Angebote unter- Umsetzung eine akteursübergreifende Zusammen- scheiden sich jedoch stark in der Breite des ange- arbeit erfordert. botenen Produktspektrums sowie der Begrenzungen des Liefergebiets. Es ist jedoch zu erkennen, dass das Angebot stetig ausgeweitet wird. Lebensmittel-Discounter, welche aktuell nur mit einem begrenzten Teil ihres Sortiments online vertreten sind, planen aktiv den Einstieg in den Home-Delivery Markt mit dem gesamten Sortiment. Handlungsfelder für Lebensmittelhersteller Lebensmittelhersteller sollten Transparenz als Wettbewerbsfaktor verstehen und die dazu benötigten Informationen in einfacher Art und Weise zur Verfügung stellen. In Unternehmensreports verarbeitete Informationen sind für den Endkunden meist schwer zugäng- Aufgrund der bereits beschriebenen Nachteile der filial­ basierten Kommissionierung für den Online-Handel hat sich in den letzten Jahren ein Wechsel hin zu der zentrallagerbasierten Kommissionierung abgezeichnet. In diesem Zusammenhang entstehen zusätzliche Lagerstrukturen in Form von e-Commerce-FulfillmentZentren. Um den sehr hohen Kosten der letzten Meile entgegenzuwirken, sind Händler bestrebt, diese Zentren immer näher an bzw. in die Städte zu verlagern. Da jedoch e-Commerce-Fulfillment-Zentren einen bis zu dreifachen Flächenbedarf gegenüber der Logistik des stationären Handels aufweisen, stößt diese Entwicklung auf einen geringes Flächenangebot in den Städten sowie auf Restriktionen regulierender Behörden. Pro­ blematisch werden zusätzliche Lager-Strukturelemente vor allem dann, wenn diese als Subsystem agieren und nicht auf die anderen Standorte abgestimmt sind. Das Ziel sollte es langfristig sein, sowohl stationäre als auch lich und wenig produktspezifisch. Die Einbindung von Informationen über Herkunft, Inhaltsstoffe, Verarbeitungsbedingungen etc. in zentrale IT-Plattformen bietet dem Kunden die Möglichkeit, die Informationen einfach, beispielsweise app-basiert, zu erlangen. Zwar ist die Nutzung zentraler IT-Plattformen zur Schaffung von Transparenz gleichzeitig ein gemeinsames Handlungsfeld aller Akteure, jedoch sollte hier das Handeln vom Hersteller ausgehen, da er in den meisten Fällen über aktuell nur schwer zugänglichen Informationen verfügt. Zudem haben die Ergebnisse der Studie gezeigt, dass regionale und saisonale Produkte stark an Bedeutung gewinnen. Diesem Kundenbedürfnis folgend können Lebensmittelhersteller versuchen, regionale Produkte und Inhaltsstoffe einzuführen und sich dabei, zumindest teilweise, von internationalen Logistikketten abzuwenden. Online-Kunden aus einem flexiblem Logistiksystem Außerdem ist davon auszugehen, dass der Anteil der bedienen zu können, ohne Redundanzen zu erzeugen. online bestellten Lebensmittel in den nächsten Jahren rapide zunimmt. Jedoch entsprechen die Verpackun- 5.2Zusammenfassende Handlungsempfehlungen gen der Lebensmittel nach aktuellem Stand lediglich den Anforderungen des stationären Handels (z.B. Aufbauend auf den Erkenntnissen der vorliegenden Studie werden im folgenden Abschnitt Handlungsempfehlungen für Hersteller, den Handel und 48 sind sie displayfähig und für den Palettenversand optimiert). Mit zunehmender Bedeutung des Trends wird der Handel vermehr Verpackungen nachfragen, Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse Abbildung 34: Handlungsempfehlung für die zukünftige Ausrichtung der Lebensmittellogistik LDL Hersteller Handel ⟩ Transparenz herstellen und als Wettbewerbsfaktor verstehen ⟩ Schaffung von Verpackungen für die Logistikanforderungen des e-Commerce ⟩ Wenn möglich, regionale Produkte und Inhaltsstoffe einführen Ø teilweise Abkehr von internationalen Logistikketten möglich ⟩ Integration von Transport und Logistik ⟩ Auf- bzw. Ausbau des HomeDelivery-Angebots ⟩ Click-and-Collect Konzepte als Alternative zur letzten Meile ⟩ Bedienung mehrerer Vertriebskanäle aus einem flexiblen Logistiksystem Ø Abkehr von Subsystemen ⟩ IT als Erfolgsfaktor guter OmniChannel-Logistik ⟩ Flexibilisierung der Anlieferzeitfenster ⟩ Integration Logistikdienstleister ⟩ Frühzeitiges Vordenken neuer Geschäftsfelder und –modelle Ø u.a. Convenience-Food-LDL zur Entlastung der Stadt Ø Bündelungsstrategien für regionale Lebensmittel, Ø Rückführung von Lebensmitteln Ø Letzte Meile Food-LDL ⟩ Investition in MehrkammerFahrzeuge Gemeinsame Handlungsfelder Food Waste Awareness schaffen und gemeinsame Initiativen starten Nutzung zentraler IT-Plattform zur Schaffung von Transparenz Forschung an Logistiktechnologien die den Logistikanforderungen des e-Commerce entsprechen. Hierbei lohnt es sich für die Hersteller, neue Verpackungsdesigns zu entwerfen. Eine frühzeitige Einbindung des Handels in den Designprozess erhöht den Erfolg dabei maßgeblich. Zwischen Lebensmittelherstellern und dem Handel findet bereits in einigen Fällen ein Informationsabgleich von Produktions- und Absatzplanung statt. Jedoch werden die Logistikdienstleister in diesen Austausch nur selten einbezogen. Eine Integration des Logistikdienstleisters in Logistik- und Absatzplanung des Herstellers führt jedoch zu einer verbesserten Transportmittelauslastung und Liefergenauigkeit des Dienstleisters, da dieser seine Tourenplanung auch unter besonderer Berücksichtigung von Kühlkettenanforderungen und Anlieferzeitfenstern effizienter planen kann. Von der verbesserten Planungsqualität profitiert schlussendlich auch der Hersteller. Logistikkooperationen z.B. zur Nutzung begrenzter Flächenressourcen Entwicklung von Versorgungskonzepten für die Stadt von Morgen Handlungsfelder für den Handel Händler sollten sich den Veränderungen im Markt annehmen und ihr Angebot den Kundenanforderun- 5 gen insbesondere in puncto Home-Delivery anpassen, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Ausbau solcher Lieferdienste hat einen direkten Einfluss auf die Logistikstrukturen des Handels, der frühzeitig berücksichtig werden muss. Während zu Beginn der Entwicklung noch filialbasiert aus den bestehenden Logistikstrukturen heraus kommissioniert wurde, etablieren sich immer mehr Fulfillment-Zentren, die ausschließlich e-Commerce Kunden bedienen. Auch wenn dieser Ansatz aktuell erfolgsversprechend scheint, ist es zumindest denkbar, dass zukünftig verschiedene Vertriebskanäle aus einem flexiblen Logistiksystem bedient werden. Jedoch mangelt es hier aktuell noch an praxistauglichen Konzepten, die die unterschiedlichen Anforderungen der stationären und Online-Handels integriert erfüllen können. Durch die zunehmende Anzahl an Vertriebskanälen ist der Handel mit dem Zusammenfassung und Ausblick 49 Problem konfrontiert, einen Multi-Channel-Vertrieb in gebündelt durchführen können. Darüber hinaus bietet eine effiziente Omni-Channel-Logistik zu überführen. sich für sie die Möglichkeit, die Convenience-Food Die Abkehr von Systemlandschaften hin zur system- Belieferung von Gastronomiebetrieben in der Stadt seitigen Integration aller Vertriebskanäle in einem fle- gebündelt zu übernehmen, was einen zusätzlichen xiblen IT-System ist dabei als kritischster Erfolgsfaktor positiven Effekt auf die Verkehrsentwicklung der Stadt zu sehen, der frühzeitig in Überlegungen zur Auswei- hat. Zudem zeichnet sich ab, dass die Nachfrage tung von Vertriebskanälen einbezogen werden muss. nach saisonalen und regionalen Lebensmitteln stetig Erfolgreiche Unternehmen bündeln die Verantwortung steigt. Die Beschaffung dieser Lebensmittel stellt vor zur Planung und Steuerung der Vertriebskanäle in der allem den Handel vor die Herausforderung, kleinteilige Logistik, da hier hohe Synergien erzielt werden können. Mengen mit unterschiedlichen Saisonalitäten effizient zu beschaffen. Selbst wenn die Belieferung des Zen- Sobald der Handel Lieferdienste anbietet, steht er trallagers an die Bauernhöfe ausgelagert wird, kann vor der Herausforderung, die letzte Meile Distribution diese aus logistischer Sicht nur ineffizient erfolgen. möglichst kosteneffizient durchzuführen. Als Alterna- Hier haben Logistikdienstleister die Möglichkeit, Bün- tivlösung zu kostenintensiven Lieferdiensten können delungskonzepte zu etablieren, die die Belieferung des Click-and-Collect-Lösungen dienen. Sie verlagern den Handels mit regionalen und saisonalen Lebensmitteln kostenintensiven Teil der Distribution auf dem Kunden kostengünstig möglich macht. und wurden bereits in anderen Ländern Europas als erfolgreicher Gegenpart zum Lieferdienst etabliert. Auch Außerdem konnte herausgearbeitet werden, dass die wenn Click-and-Collect-Ansätze Lieferdienste nicht Nachfrage nach „Alles-Lieferanten“ für die Distribution vollkommen ersetzen, sollten Händler prüfen, inwiefern der letzten Meile steigt, welche die Belieferung des dieses aktuell noch unterrepräsentierte Angebot vom Endverbrauchers mit Produkten aller Temperaturbe- Kunden genutzt werden kann. reiche aus einer Hand beherrschen. Jedoch sind nach aktuellem Kenntnisstand nur wenige Logistikdienstleis- Handlungsfelder für Logistikdienstleister Für Dienstleister bieten die Entwicklungen im Markt vor allem auf strategischer Ebene Chancen, neue Geschäftsbereiche zu erschließen und Geschäftsmodelle zu entwickeln, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Dienstleister, die die aktuellen Markttrends unberücksichtigt lassen und sich beispielsweise nur auf die Belieferung des stationären Einzelhandels fokussieren, können langfristig auf Probleme stoßen. So kommt diese Studie zu dem Ergebnis, dass Logistikdienstleister zukünftig u.a. die Rückführung von ter dazu in der Lage. Wenn der Home-Delivery-Bedarf weiter steigt und zusätzlich noch Discounter in die Heimbelieferung einsteigen, werden kosteneffiziente Logistiklösungen von Dienstleistern immer notwendiger. Auf taktisch-operativer Ebene zeichnet sich für Logistikdienstleister immer mehr der Trend ab, dass ausschließlich in Mehrkammer-Fahrzeuge investiert wird. Führende Lebensmittellogistiker sind sich einig, dass die wachsenden Anforderungen des Markts hinsichtlich Flexibilität und Kosteneffizienz diese Investitionen unabdingbar machen. Lebensmitteln vom Handel zur Weiterverarbeitung in sozialen Einrichtungen oder gar Biogas-Anlagen 50 Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse Gemeinsame Handlungsfelder Über die akteursspezifischen Handlungsfelder hinaus gibt es weitere Handlungsfelder, deren erfolgreiche Umsetzung die Zusammenarbeit aller Akteure der Lebensmittellogistik erfordert. Zusätzlich können dabei auch bereits nicht genannte Akteure wie z.B. Technologieanbieter, Ministerien oder Verbände einen entscheidenden Beitrag zur Ausgestaltung leisten. Wie die Studie gezeigt hat, sind sich Unternehmen der Lebensmittelbranche der Herausforderung bewusst, Verschwendungen entlang der Wertschöpfungs­kette zu reduzieren. Bei einer Analyse bisher realisierter Maßnahmen in dem Bereich fällt jedoch auf, dass diese oftmals nur einzelne Akteure betreffen bzw. sich auf bestimmte Teilbereiche der Lebensmittelkette beziehen. Zwar spricht dem nichts entgegen, da viele diese Maßnahmen auch dazu beitragen, Verschwendungen zu reduzieren, jedoch ist davon auszugehen, dass die Zusammenarbeit mehrerer am Prozess beteiligter Akteure ganzheitliche, standardisierte Konzepte schafft, die einen zusätzlichen Hebel darstellen. Zudem ist besonders in diesem Bereich die europäische Gesetzgebung gefragt, zielgerichtete Vorgaben zu machen. Um bereits zu Beginn eine schnelle Umsetzbarkeit der Vorgaben sicherzustellen, müssen alle davon betroffenen Akteure in den Erstellungsprozess von Verordnungen eingebunden werden. akteursübergreifende Lösung nutzen zu können, muss der Wille aller Beteiligten vorhanden sein, einen gemeinsamen Austausch zu initiieren und Branchenstandards festzusetzen, die möglicherweise auch über gesetzliche Bestimmungen hinausgehen. Kooperationen in der Lebensmittellogistik können u.a. dazu beitragen, Logistikkosten zu senken und begrenzte Ressourcen effizient zu nutzen. Vor allem in Großstädten wird das Angebot an verfügbaren Logistikflächen immer geringer wobei gleichzeitig die Nachfrage nach Lebensmittel-Lieferdiensten stark steigt. Das führt zwangsläufig dazu, dass begrenzte Flächenressourcen sinnvoll genutzt werden müssen, wobei Kooperationen einen Lösungsansatz bilden. Jedoch sind insbesondere horizontale Kooperationen, also Kooperationen zwischen Wettbewerbern, in besonderem Maß mit Problemen behaftet, die es zu lösen gilt. Zum einen verfügen einige Akteure über hinreichend große Nachfragemenge, sodass sie nicht zwangsläufig in der Logistik kooperieren müssen. Zum anderen ders im Bereich der Lebensmittellogistik die erhofften Synergiepotenziale aufgrund der Dynamik des Marktes und unterschiedlicher Saisonalitäten zu schnell auseinanderdriften. Erhoffte Bündelungspotenziale sind dann nur zu Beginn der Kooperation vorhanden verschwinden schnell wieder. Nichtsdestotrotz gibt es auch im Bereich der Lebensmittellogistik Kooperationen, die Um Transparenz für den Endkunden zu bewerkstelligen in der Vergangenheit erfolgreich waren. Dieser Sach- und einfach zugänglich zu machen, wird die Nutzung verhalt unterstreicht, dass insbesondere in der Phase standardisierter, zentraler IT-Plattformen absolut not- der Partnersuche der Partner-Fit beachtet werden wendig. Vor allem Hersteller sind jedoch nicht immer muss und bei der Vertragsgestaltung die Dynamiken bereit, zum Teil sensible Informationen ungefiltert an des Marktes berücksichtigt werden. Außerdem ist der den Endverbraucher weiterzugeben. Zwar sind IT-Platt- zunehmende Fahrermangel ein Treiber für horizontale formen vorhanden, jedoch sind diese nach Meinung Kooperationen im Transportmanagement. einiger Hersteller weder praktikabel, noch in einem erforderlichen Maß standardisiert. Um langfristig eine Zusammenfassung und Ausblick 5 sehen Praktiker Kooperationen oft kritisch, da beson- Technologien in der Lebensmittellogistik tragen unter anderem dazu bei, eine Rückverfolgbarkeit der 51 Lebensmittel zu ermöglichen, die Einhaltung der Kühl- denkbar, deren Umsetzung durch einen frühzeitigen kette sicherzustellen, Verluste zu mindern oder aber Austausch zwischen Wirtschaft und Politik unterstützt auch nachhaltige Transporte umzusetzen. In jedem werden kann. Im Folgenden wird daher ein Ausblick auf dieser Fälle wird der Erfolg der Technologie maßgeblich unterschiedliche Logistikkonzepte für die Lebensmittel- davon beeinflusst, wie stark die betroffenen Akteure logistik in der Stadt der Zukunft gegeben. in die Konzeption einbezogen werden. So finden sich auch im Bereich der Lebensmittel-Technologien, die zwar den definierten Zweck erfüllen, jedoch unter Umständen in der Praxis nicht praktikabel einsetzbar 5.3 Ausblick: LebensmittellogistikLösungen für die Stadt von morgen oder schlichtweg zu teuer sind. Daher ist die Erfor- Die Lebensmittellogistik auf der letzten Meile ist aus schung von Logistiktechnologien in der Lebensmittello- unterschiedlichen Gründen herausfordernd. Zum einem gistik als gemeinsames, interdisziplinäres Handlungsfeld sind die Logistikkosten der letzten Meile aufgrund der mehrerer Unternehmen zu verstehen. Ein Beispiel dafür Komplexität der Feinverteilung überproportional hoch ist die Erforschung von Mehrkammer-Fahrzeugen für und nehmen auch mit den aufstrebenden B2C-Kon- die Distribution der letzten Meile. zepten weiter zu. Zum anderen finden diese Transporte größtenteils in urbanen Räumen statt, in denen der Zudem müssen Großstädte und Megacities gemeinsam Güterverkehr mit dem Personenverkehr konkurriert mit den Akteuren der Lebensmittelbranche zukünftig und Wohnraum lebenswert bleiben soll. Dazu müssen Versorgungskonzepte entwickeln, die die Lebensmit- Emissionen, Verkehr und Lärm drastisch reduziert telbelieferung in der Stadt ohne einen hohen Zuwachs werden. Gleichzeitig ist eine Versorgung der wach- an Verkehr ermöglichen. Auch hierfür sind diverse hori- senden urbanen Bevölkerung mit Lebensmitteln sowie zontale Kooperationsansätze und Logistikkonzepte die Entsorgung von Leergut ein elementares Ziel der Abbildung 35: Bisher unzureichend gelöste Herausforderungen in der Lebensmittellogistik Omni-ChannelLogistik Herausforderungen des Logistiknetzwerks ⟩ ⟩ ⟩ ⟩ ⟩ 52 Innerstädtische Logistikstrukturen für Same-Hour Lebensmittelbelieferung Entwicklung geeigneter Bündelungsstrategien in der Beschaffung (u.a. für regionale und saisonale Lebensmittel) Bündelungsstrategien für die Bewältigung der letzten Meile zum Endkunden, z.B. durch kooperative Auslieferungsmodelle mehrerer Händler Lebensmittelrückführung (Prozesse, Kosteneffizienz, Geschäftsmodelle etc.) Bio-Produkte und ökologische Nachhaltigkeit in Einklang bringen ⟩ ⟩ ⟩ Physische und informatorische Verzahnung von Vertriebskanälen Bedienung der Kanäle aus einem flexiblen Logistiksystem Synergiebildung Technologische Herausforderungen ⟩ ⟩ ⟩ Akteursübegreifende Transparenz von Logistikketten durch Technologieeinsatz und Standardisierung Mehrkammer-Transportfahrzeuge für die kosteneffiziente Abwicklung der letzte Meile Nutzung von alternativen Antriebstechnologien für die Distribution von Lebensmitteln Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse Städtelogistik, wobei die knappe Infrastruktur, die nur Hinsichtlich einer effizienten Nutzung der städtischen unterproportional ausgebaut wird bzw. aus Platzman- Infrastruktur, verbesserten Auslastung der Transpor- gel nicht ausgebaut werden kann, ein bedeutender ist te aber auch Reduzierung der Logistikkosten durch Engpass. Bereits heute nimmt die Durchschnittsge- Transportoptimierung sind mehrere Lösungsansätze schwindigkeit innerhalb der Städte drastisch ab und für die städtische letzte Meile denkbar, die sich aus den wirkt sich auch negativ auf die Wirtschaftlichkeit und gemeinsamen Handlungsfeldern ableiten: Liefergenauigkeit der Lebensmittelbelieferung der städtischen Verkaufsstellen aus. 1. Bei Lebensmitteltransporten kommt die logistische Herausforderung hinzu, dass in den meisten Fällen die Kühlkette erhalten bleiben muss und von daher sowohl die Nutzlast der Fahrzeuge durch etwaige Kühlaggregate reduziert, der Energiebedarf des gesamten Transportes wiederum erhöht wird als auch der Umschlag bzw. die Belieferungszeitfenster zeitlich sehr genau abgestimmt werden müssen, um die Kühlkette auch an den Schnittstellen erhalten zu können. Horizontale Kooperationen in der Distributionslogistik der Lebensmittelhersteller Für Lebensmittelhersteller bietet sich die Möglichkeit, durch eine gezielte Bündelung der Kundenaufträge Transportvoluminazu erhöhen, Skaleneffekte und letztendlich eine Verkehrsreduzierung erzielen. Im Falle des Vertriebs von Lebensmittel über kleinere Verkaufsstellen werden die Lieferungen innerhalb eines Güterverkehrszentrums nach Belieferungsgebieten gebündelt und mit Lieferungen anderer Hersteller disponiert. Allgemein ist die Belieferung der städtischen Handelsfilialen über ein Abbildung 36: Mögliche Umsetzung der gemeinsamen Handlungsfelder in der Stadt 5 Gemeinsame Handlungsfelder Food Waste Awareness schaffen und gemeinsame Initiativen starten Nutzung zentraler IT-Plattform zur Schaffung von Transparenz Lösungsansätze in der Stadt Horizontale Kooperation der Hersteller Forschung an Logistiktechnologien Gekühlte Packstationen Energiegewinnung aus Lebensmittelabfällen Parkhäuser als Urban-Hub Zusammenfassung und Ausblick Entwicklung von Versorgungskonzepten für die Stadt von Morgen Metropolitan Farming Crowd-SourcingKonzepte Integration Verkehr und Logistik Reaktivierung von Wasserstraßen Elektrofahrzeuge zur Nachtbelieferung Logistikkooperationen z.B. zur Nutzung begrenzter Flächenressourcen alternative Verkehrskonzepte (Fahrradkuriere) Kooperationen in der Beschaffungslogistik der Filialen Öffentliche Verkehrsmittel für Personen- & Güterverkehr Integration Logistikdienstleister 53 Dieser resultiert daraus, dass die Transporte der letzten 3. Integration des Logistikdienstleisters in die Informationsflüsse des Lebensmittelherstellers hinsichtlich ihrer Absatz- und Logistikplanung Meile mit anderen Herstellern je nach Region aufge- Der Informationsaustausch führt zu einer Erhöhung der teilt werden.Dennoch bieten sich neben den ökologi- Transportmittelauslastung und Liefergenauigkeit durch schen auch ökonomische Vorteile: Zum einen wird das eine verbesserte Tourenplanung. Außerdem können Problem des Fahrermangels entschärft, zum anderen die Logistikdienstleister ihre Transporte mit zuneh- kann der Zeitverlust durch unnötige Verkehre und Stau mendem Planungshorizont besser an die Markt- und an der Rampe im städtischen Raum reduziert werden. Kundenanforderungen, wie beispielsweise das Kühlket- Anzumerken ist jedoch, dass besonders für große Her- tenmanagement oder die Ausweitung der Belieferungs- steller oft kein Anreiz vorhanden ist, Mengen mit Wett- zeitfenster, anpassen. Transportvergabe-Plattformen bewerbern zu bündeln, da bereits ihre eigenen Volumina sowie die Nutzung von mobilen Apps zum Transport- eine effiziente Distribution ermöglichen. monitoring sind zunehmend wichtig, um Transparenz Güterverkehrszentrum mit zusätzlichen Zeit- und Koordinationsaufwand verbunden, der für den Hersteller evtl. mit einem Verlust von Kompetenzen einhergeht. als auch Kundenorientierung gewährleisten zu können. 2. Horizontale Kooperationen der Beschaffungslogistik lokaler Handelsfilialen Auslagerung der Belieferung der letzten Meile an einen Logistikdienstleister, der für bestimmte Gebiete die gesamte Belieferung über ein Güterverkehrszentrum übernimmt. Als Good Practice kann u.a. CityLogin UCC in Rom (Italien) gelten, bei der die Belieferung des Stadtkerns gebündelt durchgeführt wird und insgesamt 31 % der zuvor geleisteten Tonnenkilometer eingespart werden konnten. In Paris (Frankreich) werden acht innerstädtische Lager für die Feinverteilung der Stadt 4. Integration von Verkehr und Logistik Die Infrastrukturinvestitionen und verkehrspolitischen Entscheidungen müssen an die Logistikbedürf­nisse einer Stadt angepasst werden. Hinsichtlich der Schaffung von logistischen Knoten, wie beispielsweise innerstädtische Güterverkehrszentren, sollte die Verkehrspolitik schnellere Genehmigungsprozesse fördern als auch weitere Anreize schaffen – etwa, indem die Vorteile besser vermarktet werden. In Hamburg wird beispielsweise ein Smart Port entwickelt, eine Hafeninitiative die den Stadtverkehr mindert. [40] mit Elektrofahrzeugen und Lastenrädern errichtet. [38] In Nijmwegen (Niederlande) wird eine Konsolidierung der Sendungen am Stadtrand in Zusammenarbeit mit dem Zustell- und Abholdienstleister der Innenstadt durchgeführt. [39] Diese und weitere Beispiele unterstreichen die Aktualität und Bedeutung von intelligenten Bündelungs- und Belieferungskonzepten für die Entlastung der Stadt. 5. Flexiblere Strukturen zwischen den städtischen Handelsfilialen und den Lebensmittelherstellern Der Handel, der als direkter Kunde des Lebensmittelherstellers die Kundenaufträge generiert, die Belieferungszeitfenster vorgibt und damit die Transportplanung maßgeblich steuert, kann durch flexiblere Absprachen eine verbesserte Transportauslastung bewirken, 54 Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse indem er die Optimierung der Filiale auf das Netzwerk ausweitet. 8. Gemeinsame Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zur Kombination von Personen- und Güterverkehr 6. Parkhäuser oder Einkaufspassagen als Urban-Hub sowohl für die Belieferung kleiner städtischer Handelsfilialen als auch für den e-Commerce Erste Ansätze existieren, die bereits vorhandene Infra- Bereits heute werden erste vollautomatische Innen- für die Just-In-Time Belieferung des Werks aus dem stadt-Parkhäuser mit der Möglichkeit für Warenlage- städtischen Güterverkehrszentrum Dresden-Friedrich- rung, Kommissionierung und Auslieferungen genutzt. stadt. [44] Auch in Manhattan (New York, USA) wird [41] Am Heathrow Consolidation Centre in London das öffentliche U-Bahn-System zur Erprobung eines erfolgt die Bündelung der Warenströme nach deren Same-Day-Delivery Konzepts genutzt. [45] Trotzdem kapazitäts- und zeitoptimierten Auslieferung an die bleibt nach wie vor offen, ob die Endkundenbelieferung Kunden. Das Ergebnis ist eine Verringerung der per- durch die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln in manenten Kleinstlieferungen, die Entlastung der der Stadt kosteneffizient durchgeführt werden kann. bestehenden Infrastruktur sowie die Reduzierung der Insbesondere die speziellen Logistikanforderungen von CO2-Belastung. [42] Lebensmittel erschweren dies zusätzlich. 7. Nutzung von elektromobilen Antrieben für die Nachtbelieferung 9. Metropolitan Farming Aktuell erproben verschiedene Handelsunternehmen den Toren der Stadt angebaut und geerntet werden, und Forschungsprojekte die Wirtschaftlichkeit des Ein- bieten moderne Metropolitan Farming Konzepte die satzes von elektromobilen Fahrzeugen unter beson- Möglichkeit, die Lebensmittelproduktion zumindest derer Berücksichtigung der Nachtbelieferung. [43] zu einem Teil an und in die Stadt zu verlagern. Auf- Wie bereits beschrieben, ist der Einsatz von Elektro- grund des begrenzten Platzbedarfs in der Stadt spricht fahrzeugen in der Lebensmittellogistik nach aktuellem man in diesem Zusammenhang auch oft von Vertical Stand der Technik schwierig, da hier hohe Kosten auf Farming. Hierbei handelt es sich entweder um nachhal- eine geringe Nutzlast und eingeschränkte Kühlmög- tige Gewächshäuser die entgegen der üblichen Bau- lichkeiten stoßen. Nichtsdestotrotz kann die Nutzung weise in die Höhe gebaut werden oder aber auch um von Elektromobilität in der Nachtlogistik und im B2C- Anbaukonzepte, die in die Konzeption von Wohn- und Geschäft auch im Lebensmittelhandel zukünftig eine Bürokomplexen integriert werden. In Singapur wurde Alternative darstellen, da eine Einhaltung der strengen bereits ein Konzept des Vertical Farming realisiert, nächtlichen Lärmrichtwerte bisher nur mit Elektrofahr- um die Abhängigkeit von importierten Lebensmitteln zeugen realisierbar ist. zu reduzieren. Aber auch in Berlin wird eine moderne struktur von öffentlichen Verkehrsmitteln in den Warenwirtschaftsverkehr der Stadt einzubinden. In Dresden nutzt die gläserne VW-Manufaktur die CarGoTram Während Lebensmittel aktuell ausschließlich weit vor 5 Metropolitan Farm betrieben. Hier werden sowohl diverse Gemüsesorten und Kräuter angebaut als auch Fische gezüchtet. In einem integrierten System wächst das Gemüse dabei nicht in die Erde, sondern in eine Zusammenfassung und Ausblick 55 Nährlösung, in der Rosé-Barsche leben, welche mit Mindestbestellwert drastisch verringern, was wiederum ihren Ausscheidungen wiederum Nährstoffe für die die Kundenakzeptanz erhöht. Entstehend können sie Pflanzen bereitstellen. [46] u.a. in dicht besiedelten Wohngebieten an Bahnhöfen oder Bürokomplexen. Ebenso könnten sie an den Han- 10. Reaktivierung von Wasserstraßen für die Lebensmittelbelieferung der Stadt delsfilialen angebaut werden und das Click-and-CollectAngebot über den Ladenschluss hinaus verlängern. Mit dem zunehmenden technologischen Fortschritt des vergangenen Jahrhunderts verlagerte sich der Gütertransport immer stärker vom Wasser zur Straße, 12. Energiegewinnung aus Lebensmittelabfällen wodurch das Schiff als innerstädtisches Transportmit- Sofern sich die beschriebenen Entwicklungen im tel fast gänzlich an Bedeutung verlor. Jedoch verfü- Bereich Food Waste Management fortsetzen und gen mehrere Städte und vor allem deren Umland über Lebensmittel nicht vom Handel, Herstellern oder auch Wasserstraßen, deren Nutzung für den Gütertrans- Gastronomiebetrieben weggeworfen werden dürfen, port grundsätzlich denkbar ist. Beispielsweise bieten sind Ideen vonnöten, wie diese Lebensmittelab­fälle in Berlin u.a. die Spree, der Landwehrkanal oder der sinnvoll genutzt werden können. Die Rückführung Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal die Möglichkeit, von noch brauchbaren Lebensmitteln in soziale Ein- Güter in die Stadt zu transportieren. Diese sind wie- richtungen ist zwar sinnvoll, jedoch übersteigt in dem derum angebunden an ein Netz aus Wasserstraßen in beschriebenen Fall die Menge an Lebensmitteln den Brandenburg. Denkbar wäre es zum Beispiel, dieses eigentlichen Bedarf der Einrichtungen. Zudem sind Geflecht aus Wasserstraßen für die die Belieferung der auch nicht alle Lebensmittelabfälle dort noch ver- Stadt mit regionalen Lebensmitteln aus Brandenburg zu wertbar. Daher bietet es sich an, diese Lebensmittel nutzen. Zwar ist hierzu ein tragfähiges Logistikkonzept gebündelt an Biogas-Anlagen zurückzuführen, um Ver- vonnöten, welches die Hürden des Vor- und Nachlaufs schwendungen zu reduzieren und nachhaltig Energie berücksichtigt, jedoch könnte durch diesen Ansatz die für Teile der Stadt erzeugen zu können. Einige solcher steigende Nachfrage nach regionalen Lebensmitteln in Anlagen, die zum Großteil mit Lebensmittel-Abfällen der Stadt ohne zusätzliches Straßenverkehrsaufkom- betrieben werden, werden bereits erfolgreich einge- men bewältigt werden. setzt. [47] Zur Stärkung dieser Entwicklung kann die Logistik einen maßgeblichen Beitrag leisten, wenn es gelingt, die Bündelung der in der Stadt verteilt anfallen- 11. Gekühlte Packstationen Sofern sich Click-and-Collect-Konzepte als Alternative Form der Lebensmittelbelieferung durchsetzen, können gekühlte Packstationen entstehen, die gesondert beliefert werden. Sofern die Kommissi- 56 den Lebensmittelabfälle sinnvoll abzuwickeln und der Biogas-Anlage zuzuführen. 13. Crowd-Sourcing-Konzepte onierung der Aufträge im Zentrallager erfolgt, ent- Das steigende Aufkommen an Individualverkehr in fällt die umständliche filialbasierte Kommissionierung urbanen Ballungsgebieten wird besonders für Mega- und die Belieferung der Packstationen kann effizient cities eine der zukünftigen Kernherausforderun- durchgeführt werden. Dadurch lässt sich auch der gen. Besonders die Versorgung von Haushalten mit Zukunftstrends der Lebensmittellogistik-Herausforderungen und Lösungsimpulse Lebensmitteln führt zu einem erheblichen Verkehrsauf- Nachbarn ein und stellen diese zu. Auch wenn erste kommen. Der Home-Delivery-Trend im Lebensmittel- Ansätze in diese Richtung existieren, wurde bisher bereich bietet bereits die Möglichkeit, den städtischen kein Konzept langfristig und erfolgreich umgesetzt. Verkehr zu entlasten, da bisher individuell durchgeführ- Zusätzlich zu Haftungsfragen stehen Crowd-Sour- te Einkäufe gebündelt durch wenige Anbieter über- cing-Konzepte oft vor der Herausforderung, schnell nommen werden können. Nichtsdestotrotz wird die eine kritische Masse zu erreichen, die einen Betrieb Lebensmittelbelieferung den Individualverkehr zum Ein- sinnvoll macht und die erwünschten Effekte erzielt. kaufen von Lebensmitteln nicht vollkommen ersetzen. Um zukünftig Potenziale solcher Lösungen nutzen zu Crowd-Sourcing-Konzepte setzen hier an und versu- können, können Städte bereits heute zusammen mit chen, Transportkapazitäten von bereits vorhandenen den beteiligten Akteuren versuchen, innovative Crowd- städtischen Verkehren sowie Privatpersonen effizient Sourcing-Konzepte zur Lebensmittelbelieferung der zu nutzen. Dabei werden die Einwohner selbst zu Logis- Stadt zu erforschen und dementsprechend zu fördern. tikdienstleistern und kaufen zusätzlich Lebensmittel für 5 Zusammenfassung und Ausblick 57 LITERATURVERZEICHNIS 58 [1] Ploeger, A., Hirschfelder, G., Schönberger, G. (2011): Die Zukunft auf dem Tisch - Analysen, Trends und Perspektiven der Ernährung von morgen. Heidelberg: VS Verlag [2] Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (Hrsg.) (2015): BVE-Jahresbericht 2015 - Moderne und nachhaltige Lebensmittelproduktion stärken. Online verfügbar unter: http://www.bve-online.de/download/jahresbericht-2015 (zuletzt aufgerufen am 10.03.2016). [3] PricewaterhouseCoopers (Hrsg.) (2014): Megatrends in der deutschen Agrar- und Ernährungsindustrie - Auf dem Weg zu einer wettbewerbsfähigeren und nachhaltigeren Branche. Online verfügbar unter: http://www.bve-online. de/download/pwc-megatrends-nov-2014 (zuletzt aufgerufen am 10.03.2016). 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ISBN(print)978-3-7983-2097-0 Preis:7,50EUR(vergriffen) Band2: Straube,Frank[u.a.]: RFIDinderLogistik–EmpfehlungenfüreineerfolgreicheEinführung 2009.-58S. ISBN(online)978-3-7983-2196-0 ISBN(print)978-3-7983-2115-1 Preis20,00EUR(vergriffen) Band3: Franke,Peter,Straube,Frank(Hrsg.): Vendor-ManagedInventoryforHighValueParts Resultsfromasurveyamongleadinginternationalmanufacturingfirms 2010.-60S. ISBN978-3-7983-2211-0(print) ISBN978-3-7983-2210-3(online) Preis:19,90EUR Band4: Straube,Frank(Hrsg.): TechnologienundInnovationeninderLogistik Sonderband 2013.-78S. ISBN978-3-7983-2597-5(print) ISBN978-3-7983-2598-2(online) Preis:13,00EUR Band5: Elektirikçi,Seyit;Spiegel,Timo;Siegmann,Julian/Straube,Frank(Hrsg.) ImplementierungeinesintegriertenSystemszurAngebotserstellungundProduktivitätsmessungfürdie KontraktlogistikinFormeinesSoftware-Demonstrators Implementierungsleitfaden 2015.-XIV,89S. ISBN978-3-7983-2695-8(print) ISBN978-3-7983-2696-5(online) Preis:16,00EUR Band6: Durach,ChristianF.;Nitsche,Benjamin/Straube,Frank(Hrsg.) SuccessfullyManagingChallengesinGerman-ChineseLogisticsNetworks 2016.-VIII,42S. ISBN978-3-7983-2830-3(print) ISBN978-3-7983-2831-0(online) Preis:12,00EUR Zukunftstrends in der Lebensmittellogistik – Herausforderungen und Lösungsimpulse Volatiles Nachfrageverhalten, zunehmende Lieferfrequenzen, sansätze aufzuzeigen. Auf Basis einer Onlineumfrage mit 100 steigende Sortimentsbreiten sowie knappe Logistik- und Teilnehmern sowie 15 Experteninterviews werden aktuelle Verkaufsflächen in urbanen Ballungsgebieten prägen die Konsumententrends und deren Einfluss auf die Lebensmittel- Lebensmittellogistik seit Jahren. Im Zuge der Digitalisierung logistik bewertet (u.a. e-Commerce, saisonale und regionale und sich wandelnder Kundenbedürfnisse steht die Logistik Lebensmittel, Food Waste Awareness). Darauf aufbauend vor zusätzlichen Herausforderungen, die heute zum Großteil werden Handlungsempfehlungen für die zukünftige Ausrich- noch nicht gelöst sind. Zudem entstehen in rasanter tung der Logistik von Lebensmittelherstellern, -händlern und Geschwindigkeit neue Marktteilnehmer und Geschäftsmod- Logistikdienstleistern gegeben. Abschließend gibt die Studie elle, die mit am Markt etablierten Akteuren konkurrieren. einen Ausblick zu Lebensmittellogistik-Lösungen in der Stadt von morgen. Ziel der vorliegenden Studie ist es, Zukunftstrends der Lebensmittellogistik zu identifizieren sowie potenzielle Lösung- Technische Universität Berlin Institut für Technologie und Management Fachgebiet Logistik Straße des 17. Juni 135, Sekr. H 90 10623 Berlin http://www.logistik.tu-berlin.de Universitätsverlag der TU Berlin ISBN 978-3-7983-2832-7(print) ISBN 978-3-7983-2833-4 (online) GEFÖRDERT VON DER Zukunftstrends der Lebensmittellogistik