strauss ravel beethoven - Münchner Philharmoniker

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STRAUSS
»Don Juan«
RAVEL
Klavierkonzert für
die linke Hand
BEETHOVEN
3. Symphonie »Eroica«
GERGIEV, Dirigent
AIMARD, Klavier
Mittwoch
29_03_2017 20 Uhr
VALERY GERGIEV
Strauss
Ab 31. März im Handel erhältlich
RICHARD STRAUSS
»Don Juan«
Tondichtung (nach Nicolaus Lenau)
für großes Orchester op. 20
MAURICE RAVEL
Konzert für Klavier – linke Hand –
und Orchester D-Dur
(in einem Satz)
LUDWIG VAN BEETHOVEN
Symphonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 »Eroica«
1. Allegro con brio
2. Marcia funebre: Adagio assai
3. Scherzo: Allegro vivace
4. Finale: Allegro molto
VALERY GERGIEV
Dirigent
PIERRE-LAURENT AIMARD
Klavier
118. Spielzeit seit der Gründung 1893
VALERY GERGIEV, Chefdirigent
ZUBIN MEHTA, Ehrendirigent
PAUL MÜLLER, Intendant
2
Anarchismus
in Tönen
STEPHAN KOHLER
LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN
RICHARD STRAUSS
(1864–1949)
»Don Juan«
Tondichtung (nach Nicolaus Lenau)
für großes Orchester op. 20
Geboren am 11. Juni 1864 in München; gestorben am 8. September 1949 in GarmischPartenkirchen.
ENTSTEHUNG
Das in Deutschland vor allem durch Mozarts »Don Giovanni« und Molières »Dom
Juan« verbreitete »Don Juan«-Thema beschäftigte den jungen Richard Strauss
während seiner Münchner und Weimarer
Kapellmeister-Zeit vor allem im Hinblick auf
eine opernhafte Behandlung des Stoffes.
Während er für seine zuletzt nicht realisierte »Don Juan«-Oper zahlreiche literarische Vorbilder bemühte, beschränkte er
sich bei seiner gleichnamigen einsätzigen
»Tondichtung«, die den Opernversuchen
vorausging, auf Nikolaus Lenau (eigentlich
Nikolaus Franz Niembsch Edler von Strehlenau, 1802–1850) und dessen 1843/44 entstandene »Dramatische Szenen«. Inspiriert von Lenaus »Don Juan« brachte der
Komponist im Mai 1888 im Klosterhof der
Kathedrale San Antonio zu Padua (»Il Santo«) die ersten Skizzen zu Papier, die er
Richard Strauss: »Don Juan«
3
nach Beendigung seines Italien-Aufenthalts
in München zielstrebig zu einer »symphonischen Dichtung« ausarbeitete. Bereits
am 30. September 1888 war in München die
Partiturreinschrift vollendet.
WIDMUNG
»Meinem lieben Freunde Ludwig Thuille«:
Der Komponist Ludwig Thuille (1861 Bozen
– 1907 München) gehörte in jungen Jahren
zum engsten Freundeskreis um Richard
Strauss und wirkte später als Kompositionslehrer an der Königlichen Akademie der
Tonkunst in München.
URAUFFÜHRUNG
Am 11. November 1889 in Weimar im
2. Abonnementskonzert der Weimarer Hofkapelle im Großherzoglichen Hoftheater
(Großherzogliche Hofkapelle unter Leitung
von Richard Strauss).
VOM FREIHEITSANSPRUCH DES
ROMANTISCHEN GENIES
An Richard Strauss schieden sich schon
immer die Geister. Im Gefolge der »Frankfurter Schule« um Theodor W. Adorno warf
man dem Komponisten des »Rosenkavalier« publikumswirksame Effekthascherei,
oberflächliches Virtuosentum und auf den
puren finanziellen Erfolg schielende Geschäftstüchtigkeit vor. Aber auch heute gibt
es nicht wenige Musiker – wie etwa die Dirigenten Michael Gielen oder Nikolaus Harnoncourt – , die den Werken von Richard Strauss
»mangelndes Ethos« vorwerfen oder sie als
»Musik ohne Moral« brandmarken. Etwas
boulevardesker drückte sich Christoph von
Dohnányi aus, als er vor einigen Jahren das
Bonmot zum Besten gab, Strauss’ Musik
erinnere ihn manchmal an »Vergnügungsstätten« wie das Bordell: Solange man drin
sei, amüsiere man sich prächtig. Komme
man heraus, schäme man sich der zuvor
genossenen Freuden abgrundtief...
Vieles spricht dafür, dass – wie schon bei
Adorno – das Unbehagen an der Musik von
Richard Strauss zurückgeht auf ein ganz
anderes Unbehagen: nämlich das an Vita
und Person des Komponisten. Hier wiederum spielt Strauss’ vor allem in späteren
Jahren gegen alles »Moderne« zu Felde
ziehende und politisch nicht unbedingt republikanische Gesinnung eine entscheidende Rolle. Richtig ist, dass für den Komponisten der Tondichtung »Don Juan« das von
revolutionsgeschulten Künstlern wie Berlioz ererbte egomanische Selbstverständnis und die unbedingte künstlerische Freiheit stets mehr zählten als die Einhaltung
demokratischer Pflichten. Die Lektüre anarchistischer Philosophen wie Max Stirner
oder John Henry Mackay, dazu Strauss’
früh einsetzende Nietzsche-Begeisterung,
Richard Strauss: »Don Juan«
4
schienen nicht so sehr politischem oder
philosophischem Informationsbedürfnis
entsprungen, sondern blieben stets rückgekoppelt an den absolut gesetzten Freiheitsanspruch des romantischen Genies.
VON WAGNER ZU BERLIOZ, VON
SCHOPENHAUER ZU NIETZSCHE
Der Zeitabschnitt, in dem Strauss die
philosophischen Prämissen seiner späteren Lebensführung und künstlerischen
Ideologie am intensivsten refl ektierte, ja
nachgerade erst aufzuspüren begann, ist
ziemlich deckungsgleich mit dem halben
Dezennium, das er Anfang der 1890er
Jahre als Großherzoglich-Weimarischer
Hofkapellmeister in der Stadt Goethes verbrachte, gleichzeitig langjähriges Wirkungszentrum seines großen Vorbilds
Franz Liszt. In Weimar entwickelte sich
Strauss vom bedingungslosen Anhänger
der Wagner- Schule zum solipsistischen
Querdenker, vom Verfasser »symphonischer Dichtungen« im Gefolge Berlioz’ und
Liszts zum Opernkomponisten und nicht
zuletzt vom Schopenhauer-Leser, wie er
es in einem Brief an Cosima Wagner selbstironisch formulierte, zum »NietzscheBruder«. Ein unübersehbarer thematischer
Leitfaden durch die Weimarer Jahre ist
dabei die Beschäftigung mit dem »Don
Juan«-Thema, das beinahe den Stoff zu
Strauss’ erster Oper geliefert hätte, wäre
es nicht im Widerstreit der philosophischen
Systeme, die der junge Komponist damals
hin- und herwälzte, dem Nietzsche-Ansatz
seines selbstverfassten ersten Operntextes
»Guntram« zuletzt dann doch noch unterlegen.
Im Winterhalbjahr 1892/93 hatte Strauss
auf seiner großangelegten Griechenland-,
Ägypten- und Süditalien-Reise Nietzsches
Werke erstmals genau gelesen, obwohl ihn
Freunde und Familie »vor allen möglichen
Dämonen und Einfl üssen: Stirner, Nietzsche und so manche ungenannte« schon
frühzeitig gewarnt hatten. In der späten
Abhandlung »Aus meinen Jugend- und
Lehrjahren« aber gibt der 70-jährige unumwunden zu: »Als ich in Ägypten mit
Nietzsches Werken bekannt geworden,
dessen Polemik gegen die christliche Religion mir besonders aus dem Herzen gesprochen war, wurde ich in meiner seit dem
fünfzehnten Jahre unbewussten Antipathie gegen diese Religion, die den Gläubigen von der eigenen Verantwortung für
sein Tun und Lassen (durch die Beichte)
befreit, bestärkt und begründet !« Eltern
und Familie hatten mit ihren Befürchtungen also doch nicht so Unrecht gehabt,
zumal der Biograph und wichtigste Exeget
Max Stirners (1806–1856), der schottische Dichter und »Anarchist« John Henry
Mackay (1864–1933), seit kurzem zum
Freundeskreis des Komponisten gehörte.
DON JUAN ALS ATHEIST,
ANARCHIST UND
»ABSOLUTER EGOIST«
Strauss hatte den gleichaltrigen Schriftsteller im März 1892 kennen gelernt;
Mackays im Vorjahr erschienener, politisch
provozierender Roman »Die Anarchisten«
erregte damals großes Aufsehen. In einem
Brief an den Vater wird berichtet, er habe
»die reizende Bekanntschaft eines schottischen Dichters John Mackay gemacht,
großer Anarchist und Biograph des Berliner Philosophen Max Stirner, des bedeutendsten Antagonisten Schopenhauers und
des Christentums, des Vertreters des absoluten Egoismus, des Verfassers von >Der
Einzige und sein Eigentum< !« Offenbar
hatte Mackay dem Komponisten die Lektü-
 »Don Juan«
Richard Strauss:
5
Leopold Graf von Kalckreuth: Richard Strauss (um 1890)
 »Don Juan«
Richard Strauss:
6
re von Stirners Hauptwerk von 1845 empfohlen; ob Strauss sie konsequent zu Ende
führte, ist nicht bekannt. Immerhin beschäftigte ihn Stirners Idee vom eigenen
Ich als der einzigen Realität des menschlichen Lebens über einen längeren Zeitraum und regte ihn zu Entwürfen zu einer
»Don Juan«-Oper an, die weitgehend unbekannt blieben:
»DON JUAN I«
1. Akt: Don J. in den Gluten der Sinnlichkeit, Vertreter des absoluten Egoismus,
des unbeherrschten Ichtums (Stirner ?),
schönen Frauen nachjagend, wird er von
einer 16 Jahre älteren Frau (X.), die von
rasender Leidenschaft zu ihm erfaßt ist,
unwillkürlich angezogen; ihr näher kommend, weicht er von unbezwinglicher
Scheu ergriffen, von ihr zurück und eilt
anderen Weibern nach; unter anderem auch
einem schönen, aber ganz verworfenen Geschöpf (Y.), das ebenfalls in frühester Jugend verführt, nur in Sinnlichkeit wühlend,
die wahre Liebe nicht an sich erfahren hat.
Diese Liebe erwacht allmählich in ihr durch
die Leidenschaft für Don Juan. Schluß des
I. Aktes, daß X. (vielleicht durch einen in
philosophischer Lebensanschauung absoluten Antagonisten (A.) des Don J.’schen Ichtums, einen »Pessimisten« (Schopenhauer,
Christus)) erfährt, daß Don Juan ihr Sohn
ist. Die Leidenschaft für Don Juan ist jedoch in ihr bereits zu so grauenhaftem
Wahnsinn gesteigert, daß sie nichtsdestoweniger nach der Vereinigung mit ihm
strebt.
2. Akt: Don Juan unterliegt der Verführung
seiner Mutter und vereinigt sich mit ihr.
Nachher gesteht sie im Taumel der Liebesglut, gleichsam um diese ideell bis zum
höchsten Wahnsinn zu steigern, ihm, daß
sie seine Mutter ist. Er, sein eigen Spiegelbild in dieser grauenhaften Verzerrung
erblickend (nachdem er seine Mutter erwürgt hat), zur Erkenntnis der furchtbaren
Schuld der Individuation gekommen, will in
furchtbarstem Schrecken über sich sich
selbst den Tod geben, erkennt aber (vielleicht durch die dazwischentretende Y. (?))
den Tod nicht als die Strafe, die er ersehnt,
sondern als Erlösung und beschließt, leben
zu bleiben, um der furchtbaren Buße willen, die er sich auferlegt: nie mehr ein Weib
zu berühren; der Buße fortwährender Entsagung, wo sein ungebändigter Naturtrieb
nach Befriedigung drängt.
3. Akt: Der büßende Don Juan, im schaudervollsten Kampf mit seinen furchtbarsten Trieben (erkennt in der Aufopferung
der Y. die wahre Liebe), wird von den ihn
wegen der Ermordung seiner Mutter verfolgenden Schergen (dabei vielleicht A.,
der Don Juan’s Mutter unerwidert geliebt
hat, u. ihren Tod rächen will) erschlagen.
Er fleht um sein Leben, denn er will leben,
um zu büßen, und empfindet den ihn von
seinen Qualen erlösenden Tod als schrecklichste Strafe.
GEFÄHRLICHE NÄHE ZU DA PONTE
UND MOZART
Im selben Monat, in dem dieses Szenarium
entstand, notierte sich der Komponist aus
Stirners »Der Einzige und sein Eigentum«
die folgende Passage: »Wenn Ich dich hege
und pfl ege, weil Ich dich lieb habe, weil
Mein Herz an dir Nahrung, Meine Bedürfnisbefriedigung fi ndet, so geschieht es
nicht um eines höheren Wesens willen, dessen geheiligter Leib du bist, nicht darum,
weil Ich ein Gespenst, d. h. einen erscheinenden Geist in dir erblicke, sondern aus
egoistischer Lust: du selbst mit deinem
 »Don Juan«
Richard Strauss:
7
Wesen bist Mir werth, denn dein Wesen ist
kein höheres, ist nicht höher und allgemeiner als du, ist einzig wie du selber, weil du
es bist.« Und als ob sich Strauss an dieser
Stelle des Nikolaus Lenau-Bezugs seiner
Tondichtung »Don Juan« von 1888 erinnerte, fügte er kommentierend hinzu: »Dagegen Lenau: >Die Einzle kränkend, schwärm’
ich für die Gattung... < «
Zwischen Lenau und Stirner unsicher hinund herpendelnd werden Lesefrüchte wie
diese von einem zweiten »Don Juan«Szenarium gefolgt, das das Inzest-Motiv
des ersten Entwurfs zwar beibehält, nun
aber vom Beischlaf mit der Mutter (ÖdipusMotiv) auf Unzucht mit der eigenen Tochter
überträgt. Mit der 2-Aktigkeit rückt hier
Strauss dem dramaturgischen Modell von
Mozarts »Don Giovanni« sehr viel näher als
im ersten Szenarium. Neu hinzu kommt die
stoffgeschichtlich bedeutsame KirchhofSzene – eine weiteres Moment der Annäherung an Mozart und da Ponte, das sich aber
zuletzt als deutliche Hemmschwelle für die
geplante Umsetzung in Musik erwies: Zu
Mozarts berühmter Komthur-Szene wollte
Strauss dann doch nicht in Konkurrenz
treten.
»DON JUAN II«
Er liebt nicht seine Mutter, sondern seine
Tochter (16 Jahre alt, in vollster Unschuld)
1. Akt: Maskenball, Don Juan erhält von einer
Maske eine Rose, den letzten Gruß einer an
gebrochenem Herzen gestorbenen Geliebten. Er lernt seine Tochter (Maria) hier kennen, von deren Reizen bestrickt er ihr verführend naht; ihr aber näher kommend,
weicht er, von unbezwingbarer Scheu ergriffen, von ihr zurück und eilt anderen Weibern
nach, darunter Y., einem ganz verworfenen
Geschöpf. Seine Tochter wird von Elvira, Don
Juan’s verlassener Geliebten, gewarnt, die
dazwischen kommt (Don Juan außer sich, hat
denn die Hölle sich wider mich verschworen,
mir alle alten Lieben auf den Hals zu hetzen).
Er vertauscht seine Maske mit Leporello, und
hängt ihm Elvira auf.
2. Akt: Kirchhof mit der Statue des Comthurs und dem Grab von Mariens Mutter.
Liebesscene mit Donna Anna (nach Puschkin), nachdem Don Juan dem Leporello die
Erwiderung des Comthurs erzählt hat und
die Verführung der Anna in ihrem Schlafzimmer als Oktavio. Nachher Frevel an der
Statue des Comthur, die er höhnt, daß sie
das ruhig geschehen habe lassen, und lädt
den Comthur zum Abendessen ein. Leporello und er glauben zu sehen, daß die Statue
mit dem Kopf nickt. Don Juan aber beruhigt
sich, daß im Licht des Mondes seinem aufgeregten Blut ihm dies nur vorgespiegelt
hat; als beide den Kirchhof verlassen wollen, naht Maria, die sich verspätet hat, um
das Grab ihrer Mutter zum ersten Mal zu
sehen. Hier Scene mit Ermordung der Maria, nachdem er sie als seine Tochter erkannt hat. Zum Schluß des 2. Aktes vielleicht Y.
BLEIBENDE PRÄGUNG DURCH
NIKOLAUS LENAU
Für seine »Don-Juan«-Experimente wurde
Strauss von vielen Freunden mit Textlieferungen und Anregungen versorgt. So
schickte ihm Marie Ritter, die Nichte seines
väterlichen Freundes Alexander Ritter,
Ausgaben von Molières »Dom Juan« und
Puschkins »Steinernem Gast«. Mit Puschkin allerdings war Strauss, wie die Erwähnung des russischen Dichters im zweiten
Entwurf beweist, seit längerem bereits
vertraut. Dennoch: Alle Versuche, die »Don
 »Don Juan«
Richard Strauss:
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Juan«-Oper unter Zuhilfenahme von literarischen Ideen Nietzsches, Stirners oder
Puschkins zu verwirklichen, scheiterten.
Letztlich siegte die Tondichtung über die
nachfolgenden Opernentwürfe und legitimierte die Wahl ihres literarischen Vorbilds, der »Dramatischen Szenen« Nikolaus
Lenaus, noch nachträglich.
Wie diese Wahl zustande kam, liegt nichtsdestoweniger im Halbdunkel: wir wissen
wenig, was Strauss zur Lenau-Lektüre in
dieser frühen Zeit veranlasst haben könnte. Paul Heyses Drama »Don Juans Ende«,
das Strauss mit seinem »Mentor« Hans von
Bülow in Frankfurt gesehen hatte, mag die
Beschäftigung mit dem »Don Juan«- Thema
ausgelöst, ohne sie aber nachhaltig beeinflusst zu haben. Immerhin vergingen nach
dem Frankfurter Theaterbesuch drei Jahre, bis der Komponist im Mai 1888 im Klosterhof der Kathedrale San Antonio zu Padua (»Il Santo«) die ersten Skizzen zu
Papier brachte, die er nach Beendigung
seines Urlaubsaufenthalts zielstrebig zu
einer »symphonischen Dichtung« ausarbeitete. Bereits am 30. September 1888 hatte Strauss die Partiturreinschrift vollendet, der er – gleichsam als Motto – einige
beziehungsvoll ausgewählte Verse aus Lenaus »Don Juan«-Dichtung voranstellte.
»SPIEL DER INTELLIGENZ
GEGEN DAS GEFÜHL«
Auch Cosima Wagner diskutierte in einem
Brief an Richard Strauss die Herkunft des
»Don Juan«-Themas bei ihrem Schützling,
fragte sich nach der Motivation seiner
Stoffwahl und fand für sich die folgende
Antwort: »Mir ist es in Ihrem >Don Juan<
erschienen, als ob mehr das Gebaren Ihrer
Personen Sie eingenommen hätte, als wie
dass die Personen selbst zu Ihnen gesprochen hätten. Das nenne ich eben das Spiel
der Intelligenz gegen das Gefühl. Es ist
sehr schwer, über solche Dinge sich zu äußern, und mir selbst erscheint alles, was
ich Ihnen da sage, als recht thörig, weil
ungenügend. Vielleicht hilft mir ein Gleichnis; ich denke mir, dass die Gestalt dem
Künstler entsteht wie dem Pygmalion das
Bildnis, und dass aus der leidenschaftlichen Teilnahme an diesem Bildnis mit dem
Segen der Schönheit die Bewegung wird.
Schon die Wahl Ihres Stoffes zeigt das Vorwiegen der Intelligenz. Mit dem Lenau’
schen >Don Juan<, der aus Überdruß der
Langeweile sich ergibt, haben Sie gewiß
nicht empfunden; aber der Vorwurf hat Sie
interessiert, und es ist Ihnen eine Menge
dabei eingefallen, welche Sie mit erstaunlicher Sicherheit geordnet haben.«
Cosima Wagner hat hier hellsichtig analysiert, was sich im Denken und Fühlen des
jungen Komponisten damals abspielte:
Während der Arbeit an »Don Juan« wurde
es Strauss zunehmend bewusst, in welche
Richtung er die Musik und ihre Inhalte
weiterentwickeln wollte. An Hans von Bülow
schrieb er im August, einen Monat vor Vollendung der »Don Juan«-Partitur: »Eine
Anknüpfung an den Beethoven der >Coriolan<-, >Egmont<-, >Leonore III<-Ouvertüre,
der >Les Adieux<, überhaupt an den letzten
Beethoven, dessen gesamte Schöpfungen
nach meiner Ansicht ohne einen poetischen
Vorwurf wohl unmöglich entstanden wären,
scheint mir das Einzige, worin eine Zeit
lang eine selbständige Fortentwicklung
unserer Instrumentalmusik noch möglich
ist: Will man ein in Stimmung und konsequentem Aufbau einheitliches Kunstwerk
schaffen, und soll dasselbe auf den Zuhörer plastisch einwirken, so muß das, was
 »Don Juan«
Richard Strauss:
9
Dirigierposen des jungen Richard Strauss (um 1890)
 »Don Juan«
Richard Strauss:
10
der Autor sagen wollte, auch plastisch vor
seinem geistigen Auge geschwebt haben.
Dies ist nur möglich infolge der Befruchtung durch eine poetische Idee, mag dieselbe nun als Programm dem Werke beigefügt werden oder nicht.«
IMAGINÄRES THEATER
MIT MITTELN DER MUSIK
Außer den der Partitur »beigefügten«
Lenau-Versen erhielt »Don Juan« kein weiteres, die Musik determinierendes »Programm«; nichtsdestoweniger ist den minutiös ausgearbeiteten Skizzenbüchern zu
entnehmen, dass Strauss bei der Komposition einem verbal formulierten Formverlauf folgte, dem unübersehbar Züge eines
dramatisch zugespitzten Librettos eignen: »Wonne-Thema auf Cis-Dur-Cantilene, die mit dem Eintritt der Erschöpfung
von dem 1. Don Juan-Thema unterbrochen
wird in den Bratschen, anfangs diese
durchklingt. Mit einem Ruck fährt er auf:
mit einem kühnen Sprung des 1. Themas
auf die C-Dominante; von da in einem
leichtfertigen Thema weiter, von dem es in
immer tolleres Treiben geht. Lustiges Gejauchze, unterbrochen von Schmerzensund Wonneseufzern. Durchführung. Nach
Fortissimo höchster Steigerung: plötzliche Ernüchterung. Englisch Horn öde; die
Liebes- und Freuden-Themen klingen planlos durcheinander, unterbrochen von neuen Sehnsuchts- und Wonneschauern. Endlich schließt sich ein neues Liebesmotiv
sehr schwärmerisch und zart an...«
in den Jahren vor »Guntram« und »Feuersnot« nur die Bühne der eigenen Phantasie
sein konnte. Von den erzielten Fortschritten gegenüber früheren Werken wie »Aus
Italien« oder »Macbeth« schien der Komponist selbst am meisten überrascht. So
heißt es in einem Brief an seinen Vater,
geschrieben unmittelbar im Anschluss an
die erste Orchesterprobe des »Don Juan«
zur Weimarer Uraufführung vom 11. November 1889: »Alles klingt famos und
kommt prächtig heraus, wenn es auch
scheußlich schwer ist. Die armen Hornisten und Trompeter taten mir wirklich leid.
Die bliesen sich ganz blau, so anstrengend
ist die Geschichte. Der Klang war wundervoll, von einer riesigen Glut und Üppigkeit,
das Ganze wird hier einen Mordseffekt
machen. Besonders schön klang die Oboenstelle in G-Dur mit den vierfach geteilten
Kontrabässen, die geteilten Celli und Bratschen, alles mit Sordinen, auch die Hörner
alle mit Sordinen, das klingt ganz magisch,
ebenso die Katerstelle mit dem HarfenBisbigliando und den Bratschen-Ponticellis.
Ein Glück, daß das ganze Ding nicht eigentlich diffi cil ist, sondern nur sehr schwer
und anstrengend.«
Als »Einakter ohne Worte« ist die symphonische Dichtung die notwendige Vorstufe
zur später fehlgeschlagenen »Don Juan«Oper. Talent, Befähigung und Arbeitsweise
drängten den Komponisten schon in diesem
frühen Stadium zur Bühne – auch wenn es
 »Don Juan«
Richard Strauss:
11
»Don Juan«
NIKOLAUS LENAU
Den Zauberkreis, den unermesslich weiten,
Von vielfach reizend schönen Weiblichkeiten
Möcht’ ich durchzieh’n im Sturme des Genusses,
Am Mund der Letzten sterben eines Kusses.
O Freund, durch alle Räume möcht’ ich fliegen,
Wo eine Schönheit blüht, hinknien vor Jede
Und, wär’s auch nur für Augenblicke, siegen.
Ich fliehe Überdruss und Lustermattung,
Erhalte frisch im Dienste mich des Schönen,
Die Einzle kränkend, schwärm’ ich für die Gattung.
Der Odem einer Frau, heut Frühlingsduft,
Drückt morgen mich vielleicht wie Kerkerluft.
Wenn wechselnd ich mit meiner Liebe wandre
Im weiten Kreis der schönen Frauen,
Ist meine Lieb’ an jeder eine andre,
Nicht aus Ruinen will ich Tempel bauen.
Ja ! Leidenschaft ist immer nur die neue;
Sie lässt sich nicht von der zu jener bringen,
Sie kann nur sterben hier, dort neu entspringen,
Und kennt sie sich, so weiß sie nichts von Reue.
Wie jede Schönheit einzig in der Welt,
So ist es auch die Lieb’, der sie gefällt.
Hinaus und fort nach immer neuen Siegen,
Solang der Jugend Feuerpulse fliegen !
Es war ein schöner Sturm, der mich getrieben,
Er hat vertobt, und Stille ist geblieben.
Steintot ist alles Wünschen, alles Hoffen;
Vielleicht ein Blitz aus Höh’n, die ich verachtet,
Hat tödlich meine Liebeskraft getroffen,
Und plötzlich ward die Welt mir wüst, umnachtet;
Vielleicht auch nicht; – der Brennstoff ist verzehrt,
Und kalt und dunkel ward es auf dem Herd.
Von Richard Strauss der Partitur seiner
Tondichtung »Don Juan« vorangestellte
Textauszüge aus Nikolaus Lenaus gleichnamigem Versepos (1843/44, Fragment)

»Don Juan«: Das Vorwort
zur Partitur
12
Rätsel Ravel
Grenzgänge eines Komponisten zwischen ­­­­
Klavier- und Orchesterklang
STEPHAN KOHLER
FRANZÖSISCHE GEGENWELTEN
Wer war Maurice Ravel ? So einfach zunächst die Beantwortung dieser Frage zu
sein scheint, so diffizil wird sie bei näherem Umgang mit Biographie und Musik des
in aller Welt als Schöpfer des »Boléro« bekannten Komponisten. Nicht der geniale
»Boléro« selbst, sondern der trivialisierte
Gebrauch, den die Musikindustrie von ihm
machte, hat nach und nach die besonderen
Qualitäten der Musik Ravels verdeckt, ihr
sogar den Stempel der Unterhaltungsmusik
aufzudrücken vermocht. Da Ravels Lebenszeit (1875-1937) ihn sowohl als Zeitgenossen der deutschen Spätromantiker als auch
der Wiener Schule um Arnold Schönberg
erscheinen ließ, musste Ravels Position, die
unbestreitbar eine Gegenposition zu diesen
beiden sehr deutschen Musikströmungen
darstellte, in doppelter Hinsicht befremden:
als Inkarnation eines in spezifisch franzö­
sischen Traditionen verharrenden, sensua­
listischen Selbstverständnisses von Musik,
das ohne die Materialschwere, erst recht
ohne die Hybris der nachwagner’schen
­Musikphilosophie auskommen wollte (und
konnte); aber auch nicht minder als Ausdruck eines dezidierten Konservativismus,
der sich im Festhalten an der Tonalität
­gefiel, diese Fixiertheit gleichwohl verschleierte und durch äußerste Raffinesse,
vor allem im klanglichen und rhythmischen
Bereich, geschickt zu überspielen verstand.
TIMIDER EINZELGÄNGER
Die zahlreichen Klischee-Vorstellungen,
die auch heute noch von der Musik Ravels
­existieren, beweisen im Grunde nur die allseits verbreitete Unkenntnis ihrer wahren
Prämissen und Absichten. Der timide
Einzel­gänger Ravel war allerdings alles andere als ein bemühter Propagandist seiner
selbst; er lebte scheu und zurückgezogen,
sich jeder Vereinnahmung durch die ­Ö f­fentlichkeit verweigernd, und liebte es
nicht, ideologisch verbrämte oder gar n
­ a­tionalistisch verklärte Funktionsbestimmungen seiner Musik der Mit- und Nachwelt, wie es etwa Claude Debussy tat, an
die Hand zu geben. Aus diesem Grunde hat
Ravel, obschon ein völlig uneitler, ­
alt­
ruistisch gesinnter Förderer jüngerer Kollegen, nie Schule gemacht, zur Gruppen­
bildung beigetragen oder eine eigene Stilrichtung begründet.
Maurice Ravel: Klavierkonzert für die linke Hand
13
Maurice Ravel als Grenzgänger in den Pyrenäen (um 1900)
Maurice Ravel: Klavierkonzert für die linke Hand
14
KÜHLE, SCHÄRFE, KLARHEIT
Dieses unbeirrbare Streben nach Unabhängigkeit, verbunden mit einem stark ausgeprägten Hang zur Selbstkritik, formte Ravel zum Gegentyp eines selbstgefälligen
»Komponiervirtuosen«, als den ihn die Öf­
fent­­lichkeit aufgrund der äußerlichen Perfektion und Brillanz seiner Orchestertechnik nur allzu gern einstufte. Die stupende
Beherrschung der Ausdrucksmittel, der an
Richard Strauss oder Ottorino Respighi gemahnende Einfallsreichtum von Ravels Instrumentationskunst, die scheinbare Mühelosigkeit seines Produzierens und nicht
zuletzt der viele Zeitgenossen peinigende
Erfolgskurs mancher Stücke bildeten Irritationsmomente, denen nicht nur die deutsche, sondern auch zeitweise die französische Musikkritik mit Unverstand und Ignoranz begegnete. Das formal Unantastbare,
der Feinschliff und die Konturenfülle von
Ravels Musik wurden als bloße Äußerlichkeit abgetan, obwohl sie sich gerade in der
architekturalen Kühle ihrer Formbildungen,
in der reißbrett­artigen Schärfe ihrer Verlaufsstrategien am deutlichsten von der
Musik Debussys unterscheidet, mit der sie
lediglich ein gewisses gemeinsames Repertoire an Klang­idiomen verbindet. Über einzelne atmosphärische Analogien, hervorgerufen durch die zeitgebundene Verwurzelung beider Komponisten im Pariser Fin-deSiècle, geht die oft gedankenlos kolportierte »Abhängigkeit« Ravels von Debussy
aber kaum hinaus.
AM ANFANG WAR DER RHYTHMUS
Man hat in der Vergangenheit den Komponisten des »Daphnis« jedoch immer wieder
mit dem des »Pelléas« in einem Atemzug
genannt, als handle es sich bei Ravel und
Debussy um ein ähnliches Dioskurenpaar
wie bei Bach und Händel, Schumann und
Mendelssohn oder gar Pfitzner und Strauss.
Dies ist mitnichten der Fall: Zahlreiche
­S tileigentümlichkeiten Ravels verweisen
weniger auf Zeitgenossenschaft zu Debussy
denn auf Vorläuferschaft zu ­S trawinsky
und zur »Groupe des Six«. Beriefen sich die
französischen Neoklassizisten auf eine bewusst anti-romantische Musizierhaltung,
scheuten sie vor klanglichen Härten und
­bruitistischen Akzenten in der Musik nicht
zurück, und erhoben sie Einfachheit und
Klarheit zu ihren bevorzugten Stilpostu­
laten, so verdankten sie die meisten dieser
Forderungen der Vorbereitung, ja Vorwegnahme durch die Musik Ravels. Klangliche
Transparenz, Tendenz zur Einfachheit von
Form, Melodie und harmonischem Grundmuster, sowie eine bis dahin nicht gekannte
Vorrangstellung rhythmischer P
­ arameter in
der musikalischen Komposition zeichneten
bereits die Musik Maurice Ravels aus, dessen
Mittlerrolle zwischen Impres­sionismus und
Neoklassizismus, zwischen Fin-de-Siècle
und Moderne, noch keineswegs in vollem
Umfang erkannt ist.
KLAVIERBESESSENHEIT
Ein Großteil von Ravels nicht eben zahl­
reichen Kompositionen – Selbstkritik ließ
ihn nicht zum Vielschreiber werden – liegt
bemerkenswerterweise in zwei verschiedenen Versionen vor: als Orchesterstück und
als Klavierwerk. In vielen Fällen entstand
die Klavierfassung (variantenreich oft
­parallel für zwei- bzw. vierhändiges Klavier
oder auch für Klavier-Duo komponiert) im
zeitlichen Ablauf vor der entsprechenden
Orchesterfassung, so dass es im Werk­
katalog Ravels erstaunlich wenig originale,
d. h. von allem Anfang an orchestral konzipierte Orchesterwerke gibt. Ravels Klaviermusik darf daher ohne Übertreibung als
Maurice Ravel: Klavierkonzert für die linke Hand
15
lebenslanges und in seiner Bedeutung
kaum hoch genug einzuschätzendes Be­
zugs­system gelten, von dem die musika­
lische Phantasie des Komponisten stets
ihren Ausgang genommen hat, zu dem sie
auch immer wieder zurückgekehrt ist. So
wie man bei Bruckner die Tiefenstruktur
seines musikalischen Denkens als »Orgel-­
Denken« definiert hat, so darf man als
­inneres Movens auch und gerade für Ravels
orchestrale Phantasie eine Art »Klavier-­
Denken« ansetzen; wie ließe sich sonst erklären, dass die orchestrierten Fassungen
sich durch dieselbe klare Linearität und
Logik auszeichnen, die für den Ravel’schen
Klaviersatz charakteristisch sind ?
SPIELEN, NICHT INTERPRETIEREN
Der Kontrastreichtum der sparsameren
»Registrierung« des Klaviers, der Zeichenstift anstelle des breiten Pinselstrichs, die
quasi »intellektuelle« Schärfe und Klarheit
des Klavier­klangs ist noch in den farbigsten
und nuancenreichsten Instrumentierungen
­Ravels als klangliches Regulativ zu spüren.
Selbstverständlich bedingt die kontrollierte
Ekstase der späteren Orchestrierung aber
schon im Klaviersatz ein Höchstmaß an
klanglicher Raffinesse, technischer Perfektion und Virtu­osität. Nicht anders als bei
den orchestral erdachten Klavier­stücken
Franz Liszts stellt sich allerdings auch bei
Ravel das »Sujet« der Musik erst auf dem
Rücken ihrer virtuosen Bewältigung her:
Technik bildet zwar nach wie vor die ­con­ditio sine qua non des Klavierspiels, aber
Technik bar jeder thematischen Überhöh­
ung bliebe ohne Aussagekraft. Dennoch,
so warnte Ravel angesichts zunehmender
­Interpretenwillkür, genüge es vollauf, seine
Klavierwerke zu »spielen«; die richtige Art,
sie zu »interpretieren«, ergebe sich dann
wie von selbst...
Maurice Ravel mit dem Pianisten Ricardo Viñes (um 1910)
Maurice Ravel: Klavierkonzert für die linke Hand
16
Die Kunst
der Illusion
SUSANNE STÄHR
ENTSTEHUNG
MAURICE RAVEL
(1875–1937)
Konzert für Klavier – linke Hand –
und Orchester D-Dur
(in einem Satz)
Im Sommer 1929 beauftragte der Wiener
Pianist Paul Wittgenstein (1887–1961),
der im Ersten Weltkrieg seinen rechten Arm
verloren hatte, Maurice Ravel mit der Komposition eines Klavierkonzerts für die linke
Hand allein. Da Ravel kurz zuvor mit der
Arbeit an seinem (beidhändigen) Klavierkonzert in G-Dur begonnen hatte, ent­
standen die Werke zeitgleich. Nach neun
Monaten konnte er das »Concerto pour la
main gauche« als erstes der beiden abschließen.
URAUFFÜHRUNG
LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN
Geboren am 7. März 1875 in Ciboure gegenüber dem Hafen von Saint-Jean-de-Luz im
französischen Baskenland (Département
Pyrénées-Atlantiques); gestorben am 28.
Dezember 1937 in Paris.
Am 19. März 1937 in Paris (Orchestre­
­Philharmonique de Paris unter Leitung von
Charles Munch; Solist: Jacques Février).
Widmungsträger Paul Wittgenstein hatte
das Werk in einer von ihm selbst erstellten
Bearbeitung am 27. November 1931 in
­seinem Wiener Privathaus dem Komponisten vorgetragen, um es in dieser (reichlich
modifizierten) Form am 5. Januar 1932 im
Wiener Musikvereinssaal mit den Wiener
Symphonikern unter Leitung von Robert
Heger der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Maurice Ravel: Klavierkonzert für die linke Hand
17
Maurice Ravel in seinen letzten Lebensjahren (um 1935)
Maurice Ravel: Klavierkonzert für die linke Hand
18
ENDE UND ANFANG
Aus und vorbei. Im Spätsommer 1914
schien der Wiener Pianist Paul Wittgenstein, ein Schüler des berühmten Theodor
Leschetitzky, am Ende seiner Laufbahn
angekommen zu sein. Gleich zu Beginn des
Krieges war der 27-Jährige mit einem
D ragonerregiment der österreichischen
­
Streitkräfte ins Feld gezogen, aber nach
wenigen Tagen nur erlitt er eine schwere
Schussverletzung über dem rechten Ell­
bogen: Als er im Lazarett wieder zu Bewusstsein kam, musste er entsetzt feststellen, dass sein Arm amputiert worden
war. ­Wittgenstein stand vor dem Nichts –
doch vorschnell aufgeben wollte er keineswegs. Warum nicht die Karriere fortsetzen,
fragte er sich deshalb, warum es nicht als
einarmiger Pianist versuchen ? Als er nach
Wien zurückkehrte, begann er, systematisch die verbliebene linke Hand zu trainieren. Den Mangel an geeignetem Repertoire
für das linkshändige Spiel kompensierte er
dadurch, dass er kurzerhand allerlei bekannte Werke arrangierte, von Bach bis
Johann Strauß, von Mozart bis Wagner.
UNGESPIELTE KONZERTE
Freilich beließ Wittgenstein es dabei nicht.
Da er nicht nur der ältere Bruder des P
­ hi­losophen Ludwig Wittgenstein war, ­sondern
auch ein Sohn des legendären Stahlmagnaten Karl Wittgenstein, des »österreichischen Krupp«, verfügte er über ein Millionenvermögen, das es ihm ermöglichte, bei
den berühmtesten Komponisten seiner Zeit
neue Partituren für die linke Hand allein in
Auftrag zu geben und sie fürstlich zu entlohnen. Franz Schmidt war der erste, der
dem Lockruf des Goldes folgte, dann kamen
Erich Wolfgang Korngold und Richard
Strauss an die Reihe. Ein dankbarer Auf-
traggeber war Paul Wittgenstein allerdings
nicht – sein extrem konservativer Musikgeschmack, der ganz der Romantik verhaftet blieb, kollidierte allzu oft mit der Ästhetik der neuen Zeit. Sergej Prokofjew
etwa, der für ihn sein 4. Klavierkonzert
schrieb, bekam von Wittgenstein zu hören:
»Ich verstehe darin keine Note und werde
es niemals spielen !« Noch schlechter erging es Paul Hindemith, der Wittgenstein
eine »Klaviermusik mit Orchester« zudachte: Nicht nur, dass der Widmungsträger
das Werk nie zu Gehör brachte, nein, er
konfiszierte auch das Notenmaterial und
sorgte dafür, dass kein anderer Pianist
das Stück spielen konnte. Weshalb die
»Klaviermusik« erst 2004 ihre um 80 Jahre
verspätete Uraufführung erlebte.
GESPIEGELTE KONZERTE
Was also hatte Maurice Ravel zu erwarten,
als sich Paul Wittgenstein 1929 mit der
Bitte an ihn wandte, ein Klavierkonzert für
die linke Hand zu komponieren ? Eigentlich
erreichte ihn die Anfrage zur Unzeit, denn
Ravel hatte gerade damit begonnen, sein
Klavierkonzert in G-Dur zu schreiben. Doch
nun nutzte er die unverhoffte Offerte zu
einem kühl kalkulierten Experiment und arbeitete fortan parallel an zwei Konzerten,
dem beidhändigen und dem linkshändigen,
die als »Zwillingspaar« das Licht der Welt
erblickten. Dabei setzte Ravel ganz bewusst auf den spiegelbildlichen Kontrast,
sowohl in der Technik des Klaviersatzes als
auch im Ausdruck und in der formalen
­A nlage. Während das G-Dur-Konzert die
klassischen drei Sätze mit der Tempo­
abfolge schnell – langsam – schnell umfasst, besteht das D-Dur Konzert für die
linke Hand nur aus einem einzigen durchlaufenden Satz von knapp 20 Minuten
Spieldauer, dessen drei Teile indes die
Maurice Ravel: Klavierkonzert für die linke Hand
19
­herkömmliche Tempodisposition genau ­um­­drehen: Zwei langsame Abschnitte rahmen
einen schnellen Mittelteil. Auch der Charakter der beiden Kompositionen könnte
verschiedener nicht sein: Optimistisch,
quirlig und licht wirkt das G-Dur-­Konzert,
ernst, dunkel und abgründig dagegen das
Schwesterwerk in D-Dur, das schon grummelnd in den K
­ ontrabässen und dem Kontrafagott anhebt, um später auch mit aggressiver Marschrhythmik aufzuwarten.
sogar zwei Systeme benötigt, um den Noten­
text der einen linken Hand abzubilden !
»Für ein Werk dieser Art ist es wesentlich,
den Eindruck eines Klanggewebes hervorzurufen, das keinesfalls dünner erscheint
als das eines beidhändigen Klavierparts«,
erklärte Ravel. Und diese Vorgabe hat er
mit seinem Konzert für die linke Hand
­mustergültig eingelöst.
KLANGILLUSION
DER ZWEIHÄNDIGKEIT
Paul Wittgenstein jedoch war nicht wirklich
zufrieden mit dem Ergebnis und sah sich
zu einer »Bearbeitung« bemüßigt. Am 27.
November 1931 lud er Ravel zu sich nach
Wien ein, um ihm das Werk in privatem ­Rahmen vorzutragen. Während seines Spiels
verfinsterte sich Ravels Miene zusehends,
wie die befreundete Pianistin Marguerite
Long berichtete. »Das hat mit meinem Konzert nichts mehr zu tun !«, soll er Wittgenstein danach vorgeworfen haben. Der wiederum rechtfertigte sich mit den Worten:
»Ich bin ein alter Pianist, und bei Ihnen
klingt es nicht.« – »Ich bin ein alter Orchestrator, und es klingt sehr wohl«, entgegnete Ravel erbost. Die Streitigkeiten setzten sich noch in einem Briefwechsel fort.
Wittgenstein behauptete: »Inter­
p reten
dürfen keine Sklaven sein !« – und erhielt
von Ravel postwendend zur Antwort: »Interpreten sind Sklaven !« Dass der ­Kom­ponist der Uraufführung vom 5. Januar
1932 lieber fernblieb, mag unter ­diesen
Vorzeichen nicht verwundern; viel erstaunlicher dagegen ist, dass Wittgenstein das
Konzert am 17. Januar 1933 in Paris unter
Ravels Stabführung interpretierte. Er soll,
so heißt es, Maurice Ravel, der ein Faible
für Nippes aller Art hatte, zuvor durch einen
Aschenbecher in Form des Wiener Stephansdoms besänftigt haben…
Zwei Eigenarten des Konzerts für die linke
Hand dürften es gewesen sein, die Paul
Wittgenstein nachhaltig irritierten. Zum
einen sorgt Ravel vor allem im Allegro-­
Mittelteil für zahlreiche jazzige Momente:
gewiss ein Reflex seiner viermonatigen
USA-Tournee von 1928, in deren Verlauf er
auch George Gershwin kennenlernte. Nicht
nur der improvisatorische Gestus zeugt
von diesem Einfluss; auch die Synkopen,
die Blue Notes, der Ragtime-Rhythmus und
die gleichzeitige Verwendung verschiedener
Tonarten verraten das Vorbild. Zum anderen
aber verzichtet Ravel auf den traditionellen
»Wettstreit« des Soloinstruments mit dem
Orchester, von dem die Konzertgattung
doch über Jahrhunderte lebte – das lateinische Verb »concertare« bedeutet schließlich so viel wie »wetteifern«. Stattdessen
weist er dem einhändigen Klavierpart eine
schon paradox anmutende Präsenz zu, mit
sogar zwei Kadenzen, einer eröffnenden
gleich beim ersten Einsatz und einer großangelegten zum Ende hin. Perfekt gelingt
es Ravel, die Illusion des zweihändigen
Spiels zu evozieren, etwa wenn er im oberen Register eine Melodie intoniert, die
gleichzeitig in der Tiefe ostinat begleitet
wird. Kein Wunder, dass er streckenweise
»INTERPRETEN SIND SKLAVEN !«
Maurice Ravel: Klavierkonzert für die linke Hand
2
20
»Sinfonia
eroica«
THOMAS LEIBNITZ
LUDWIG VAN BEETHOVEN
(1770–1827)
Symphonie Nr. 3 Es-Dur op. 55
»Eroica«
1. Allegro con brio
2. Marcia funebre: Adagio assai
3. Scherzo: Allegro vivace
4. Finale: Allegro molto
LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN
Geburtsdatum unbekannt: geboren am 15.
oder 16. Dezember 1770 in Bonn, dort Eintragung ins Taufregister am 17. Dezember
1770; gestorben am 26. März 1827 in Wien.
ENTSTEHUNG
Erste Anregungen zu einer Symphonie auf
Napoléon Bonaparte empfi ng Beethoven
möglicherweise schon 1798 von Général
Bernadotte, dem französischen Gesandten
in Wien; einzelne Skizzen gehen zwar auf
die Jahre 1801/02 zurück, aber der größte
Teil der Partitur entstand von Juni bis Oktober 1803 in Baden und Oberdöbling bei
Wien; Anfang 1804 beendete Beethoven in
Wien die Partiturerstschrift, die angeblich
den später wieder zurückgenommenen Titel »Sinfonia grande, intitolata Bonaparte«
trug.
WIDMUNG
Als Beethoven das wohl ursprünglich Napoléon Bonaparte zugedachte Werk nach Paris senden wollte, traf ihn die Nachricht,
dass Napoléon am 18. Mai 1804 sich selbst
Ludwig van Beethoven: 3. Symphonie
3
21
zum Kaiser gekrönt hatte – worauf Beethoven nach nicht authentischen AugenzeugenBerichten die angeblich bereits feststehende Widmung aus der Partitur tilgte; für
die Drucklegung im März 1806 im Wiener
Verlag »Bureau des Arts et d’Industrie« (=
Kunst- und Industrie-Comptoir) wählte er
jedenfalls den neuen Titel »Sinfonia eroica,
composta per festeggiare il sovvenire d’un
grand’ uomo« (= Heroische Symphonie,
komponiert um das Andenken eines großen
Mannes zu feiern); konkreter Widmungsträger wurde nun Fürst Franz Joseph Maximilian von Lobkowitz (1772–1816), einer
der reichsten und großzügigsten Förderer
Beethovens: »A sua altezza serenissima il
principe di Lobkowitz«.
URAUFFÜHRUNG
Erste öffentliche Aufführung: Am 7. April
1805 in Wien im Rahmen einer »Musikalischen Akademie« des Geigers Franz Clement, nachmaliger Widmungsträger von
Beethovens Violinkonzert, im »Theater an
der Wien« (Orchester des »Theaters an der
Wien« unter Leitung von Ludwig van Beethoven). Interne Voraufführungen: Am 20.
Januar 1804 in Wien in einem »SonntagVormittags-Konzert« der Bankiers Würth
und Fellner sowie am 9. Juni 1804 in Wien
in einem sog. »Subskriptionskonzert« des
Fürsten Lobkowitz in dessen Palais (jeweils
unter Leitung von Ludwig van Beethoven).
»IL SOVVENIRE D’UN
GRAND’ UOMO«
Für sehr viele Musikfreunde ist sie »die«
Beethoven-Symphonie schlechthin, und
auch jene, die ihr diesen absoluten Sonderstatus nicht zubilligen, sehen sie als ein
Schlüsselwerk, sowohl im Schaffen Beethovens als auch in der Gesamtgeschichte der
Symphonie: die »Eroica«. Wem sie heute
allerdings als der Inbegriff des Klassischen
gilt, der wird erstaunt feststellen, dass die
Zeitgenossen des Komponisten keineswegs
diese Auffassung vertraten, sondern eher
ratlos vor einem Werk standen, das rücksichtslos alle bisher gültigen Normen
sprengte. Und zwar nicht nur die rein formalen Gattungstraditionen, sondern auch
die Dimension des musikalischen Sprachcharakters: Hier erklingt nicht mehr bloß
Musik im Rahmen ihrer Eigengesetzlichkeit, sondern hier spricht ein Mensch auf
radikal persönliche und suggestive Weise.
Dem »Andenken eines großen Mannes« ist
die 3. Symphonie gewidmet, und wenn jemand über die »Eroica« auch so gut wie
nichts weiß, dann doch dies: Ursprünglich
sei sie Napoléon zugedacht gewesen, doch
hätte Beethoven bei der Nachricht von
Napoléons Kaiserkrönung wutentbrannt
»das Titelblatt zerrissen«. Dies geht auf
eine Schilderung des Beethoven-Schülers
Ferdinand Ries zurück, der die Szene – allerdings erst 34 Jahre später – in folgender
Weise darstellte: »Ich war der erste, der ihm
die Nachricht brachte, Bonaparte hätte
sich zum Kaiser erklärt, worauf er in Wuth
gerieth und ausrief: ›Ist der auch nichts
anders wie ein gewöhnlicher Mensch ! Nun
wird er auch alle Menschenrechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeize fröhnen;
er wird sich nun höher wie alle Andern stellen, ein Tyrann werden !‹ Beethoven ging
Ludwig van Beethoven: 3. Symphonie
5
22
an den Tisch, faßte das Titelblatt oben an,
riß es ganz durch und warf es auf die Erde.
Die erste Seite wurde neu geschrieben, und
nun erst erhielt die Symphonie den Titel
›Sinfonia eroica‹.« Dieses Autograph ist
nicht erhalten; dem Titelblatt von Beethovens Arbeitskopie – sie befindet sich im
Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde
in Wien – ist nur zu entnehmen, dass Beethoven darauf einen Eintrag ausradierte,
dies allerdings so heftig, dass an der Stelle ein Loch im Papier entstand. Es wird wohl
der Name »Bonaparte« gewesen sein.
PROTOTYP DES »HELDISCHEN«
IN DER MUSIK
Da nun Napoléon als ideeller Widmungsträger ausfiel und nur noch ein anonymer, nicht
näher charakterisierter »grand’ uomo« übrig blieb, blühten die Spekulationen, wer
hier gemeint sein könnte. Der große, heldische Mensch an sich als Idealtypus, oder
doch ein Zeitgenosse, den Beethoven bloß
nicht nennen wollte ? Oder gar – und dies
schien vielen plausibel – Beethoven selbst,
der 1802, bereits in der Kompositionsphase der »Eroica«, in seinem »Heiligenstädter Testament« eine erschütternde Offenbarung seiner persönlichen Auseinandersetzung mit seiner Ertaubung gegeben
hatte ? In jedem Fall lag das »Heldische«
geradezu in der Luft, man befand sich in
einem Zeitalter von Revolution, Krieg und
Umsturz, und auch Beethovens persönlicher Habitus war mehr auf Konfrontation
denn auf harmonische Einordnung in die
gesellschaftlichen Verhältnisse angelegt.
Das »Heldische« der »Eroica« gewann im
Verlauf des 19. Jahrhunderts immer mehr
an Eigenleben, und wurde von der deutschen Nationalbewegung okkupiert, die im
»Freiheitskampf« gegen Napoléon ihren
Anfang genommen hatte. Solche Indienstnahme des Werkes für nationales Pathos
erlebte ihren negativen Höhepunkt, als
1892 Hans von Bülow das zweite Finalthema mit einem Huldigungstext an Otto von
Bismarck versah: »Des Volkes Hort, Heil
Dir, o Held. Es schuf Dein Wort die neue
deutsche Welt !« 1927 stellte der nationalsozialistische »Chefideologe« Alfred Rosenberg pathetisch fest: »Wir leben heute in
der ›Eroica‹ des deutschen Volkes.« Im Vergleich mit solchen Aussagen mutet die Meinung des ebenfalls höchst »national« denkenden Richard Wagner über den Charakter der »Eroica« geradezu zurückhaltendobjektiv an: »Denn – nochmals – die absolute Musik kann nur Gefühle, Leidenschaften und Stimmungen in ihren Gegensätzen
und Steigerungen, nicht aber Verhältnisse
irgend welcher socialen oder politischen
Natur ausdrücken. Beethoven hat hiefür
einen herrlichen Instinct gehabt…«
1. SATZ: ALLEGRO CON BRIO
In ihren Dimensionen sprengt die »Eroica«
die Maße des Alt-Hergebrachten; sie steht
am Beginn einer Entwicklung, die die Symphonie zur Königsdisziplin der Komponisten
machte, zum Forum höchst persönlicher
Auseinandersetzung, wobei der Bezugspunkt Beethoven auch in der Folgezeit immer maßgeblich blieb. Zwei wuchtige Orchesterschläge in der Grundtonart Es-Dur
eröffnen das Werk: Der Charakter des Lapidaren, Kämpferischen ist damit bereits
in den ersten Takten gegeben. Unmittelbar
daran schließt sich das Hauptthema an,
das im Es-Dur-Dreiklang auf- und absteigt,
aber nicht zu einem eindeutigen Abschluss
gelangt, sondern durch den überraschenden Abstieg in das Cis eine vorwärtsdrängende Entwicklung einleitet. Bereitete
Beethoven bereits mit dieser Themenbe-
Ludwig van Beethoven: 3. Symphonie
22
23
Erstausgabe von Beethovens »Eroica« (1806)
Ludwig van Beethoven: 3. Symphonie
6
24
handlung seinen Zeitgenossen Schwierigkeiten, so machte er es ihnen – was die nachvollziehbare formale Disposition des Satzes
betrifft – auch im Folgenden nicht leichter,
denn die Funktion des Seitenthemas, des
dialektischen Gegenpols zum Hauptthema,
wird hier von einer ganzen Themengruppe
übernommen, die in den unterschiedlichsten Färbungen erscheint. Zunächst tritt
ein einfaches, absteigendes Dreitonmotiv
(g-f-e) hervor, durchwandert die Instrumente und wird von einem zweiten thematischen Komplex abgelöst, einem akkordisch pulsierenden Gesang in B-Dur, der
dem energetischen Kopfmotiv eine episodische Ruhephase entgegensetzt.
In der Durchführung werden diese thematischen Elemente in kühnen rhythmischen
Umakzentuierungen gegeneinander gestellt; ohne Zweifel findet hier der »Kampf«
statt, den der Held der Symphonie zu bestehen hat. Das Geschehen wird dramatischer und strebt einem eindrucksvollen
Höhepunkt entgegen: Im Fortissimo des
Orchesters erklingt ein F-Dur-Akkord, dem
das scharf dissonante E beigefügt wird.
Diesem Aufschrei, dessen emotioneller Wirkung man sich kaum entziehen kann, folgt
unmittelbar ein neues, hier erstmals auftretendes Gesangsthema in den Oboen. Es
ist, als ob auf den Verzweiflungsschrei eine
Friedens- und Trostbotschaft folgte – und
gleichzeitig entzieht sich Beethoven damit
allen Traditionen der Sonatenform, indem
er in der Durchführung ein neues Thema
exponiert. Von geradezu provokanter Eigenwilligkeit ist auch der Eintritt der Reprise, die Wiederkehr der Eingangsthematik. Vor dem eigentlichen Auftritt des
Hauptthemas erfolgt ein Reprisenauftakt,
in dem Es-Dur und B-Dur, also Tonika und
Dominante des Werkes gleichzeitig erklingen, während das Horn – bereits in der
Haupttonart – das Thema vorwegnimmt: eine
Kühnheit, die in der Folgezeit auch schlicht
als »falsche Stelle« bezeichnet wurde.
2. SATZ: MARCIA FUNEBRE –
ADAGIO ASSAI
Eine andere Welt des »Heldischen« erschließt der zweite Satz; er ist als Trauermarsch angelegt und folgt damit unmittelbar der thematischen Vorgabe der Symphonie, der »Erinnerung an einen großen
Mann«. Gleich einem dumpfen Trommelwirbel bilden die Triolenvorschläge der tiefen
Streicher den Unterbau, auf dem sich die
Trauermarsch-Melodik der Violinen erhebt.
Ein Symphoniesatz als Trauermarsch: Damit leitet Beethoven eine große Tradition
ein, die über Wagners Trauermusik in der
»Götterdämmerung« und Bruckners Adagio der 7. Symphonie zu Mahlers symphonischen Trauermusiken führt. Der Satz entfaltet sich in klar nachvollziehbarer Dreiteiligkeit, wobei zwei Moll-Teilen in der Mitte ein visionärer Dur-Teil gegenübersteht.
C-Moll als Tonart der Trauer und Heldenklage, C-Dur als Tonart der Verklärung und
Erhöhung – diese Antithetik wurde später
von Wagner und Bruckner mit unverkennbarem Bezug auf die »Eroica« übernommen. Nach fugierten Abschnitten in der
Reprise des Rahmenteils bringt die Coda,
der Schlussteil des Satzes, abermals Neues und Zukunftsweisendes: Das Hauptthema löst sich vor dem Hörer gleichsam in
seine Bestandteile auf, es zerrinnt im
Nichts. Eindrucksvoller kann »Tod« in der
Musik nicht dargestellt werden.
3. SATZ: SCHERZO – ALLEGRO
VIVACE
Der dritte Satz darf als erstes der für
Beethovens Symphonien charakteristi-
Ludwig van Beethoven: 3. Symphonie
24
25
Isidor Neugass: Ludwig van Beethoven (1806)
Ludwig van Beethoven: 3. Symphonie
7
26
schen großen Scherzi gelten. Zwar wurde
bereits in den ersten beiden Symphonien
die Tradition des alten, seine Abkunft vom
Tanz nicht verleugnenden »Menuetts« verlassen, aber noch nicht so deutlich wie hier.
Drängende Motorik, geheimnisvolle, geradezu unheimliche Klangfärbung, jähe Stimmungswechsel: Dies sind die Ingredienzien
des für Beethoven typischen Scherzos der
Folgezeit. Aus einem Streicherstaccato
wächst fast unmerklich das Hauptthema
heraus, das kurz darauf in ungebärdiger
Wildheit vom vollen Orchester wiederholt
wird. Diesem spukhaften Wechsel von Laut
und Leise, größtenteils über den pulsierenden Achteln der Einleitung, wird im Trio
eine andere Welt gegenüber gestellt, eine
Welt der beschaulichen Naturverbundenheit, symbolisiert durch drei Hörner, die
diesen Abschnitt fast allein bestreiten, nur
kurz unterbrochen von zurückhaltenden
Einwürfen des Orchesters.
4. SATZ: FINALE –
ALLEGRO MOLTO
Ungewöhnlich in Form und Struktur ist
auch der vierte und letzte Satz des Werkes, ein groß angelegter Variationensatz
über zwei Themen, die gelegentlich kombiniert auftreten und durch fugierte Abschnitte erweitert werden. Nach kurzer,
ungestümer Einleitung wird ein lapidares
Thema im Pizzicato der Streicher vorgestellt, ein Thema, das im Folgenden seine
Eignung als Bassthema kontrapunktischer
Gebilde erweist. Als Oberstimmenthema
erscheint bald darauf eine Melodie, der
man bei Beethoven auch an anderer Stelle
begegnet: Es spielt im Ballett »Die Geschöpfe des Prometheus« eine prominente
Rolle. In fünf großen Variationskomplexen
wird nun diese Doppelthematik durchge-
führt, verändert, neu beleuchtet. Einen
Ruhepunkt bildet die fünfte Variation, in
der sich das Tempo zum »Poco andante«
verlangsamt und die fröhlich schwingende
Melodik des »Prometheus«-Themas zum
feierlichen Choral wird. Umso energetischer wirkt der Presto-Abschluss des Satzes, ein Ende in Jubel und Orchesterglanz.
ERSTE AUFFÜHRUNGEN
Mit der Widmung der 3. Symphonie an
Franz Joseph Maximilian Fürst von Lobkowitz durch Beethoven war auch die Übertragung des Rechtes zur privaten Nutzung
verbunden – ein Recht, das dem Komponisten durch Honorar abgegolten wurde. Ferdinand Ries berichtet in seinen Erinnerungen von 1838, dass »der Fürst Lobkowitz
diese Composition von Beethoven zum Gebrauche auf einige Jahre« erworben habe,
»wo sie dann in dessen Palais mehrmals
gegeben wurde. Hier geschah es, dass
Beethoven, der selbst dirigierte, einmal im
zweiten Theile des ersten Allegros, wo es
so lange durch halbirte Noten gegen den
Tact geht, das ganze Orchester so herauswarf, dass wieder von vorn angefangen
werden mußte.« Wann nun wirklich die erste Aufführung der »Eroica« im Palais Lobkowitz (dem heutigen Österreichischen
Theatermuseum) stattfand, kann nicht mit
Bestimmtheit gesagt werden; es muss um
den 9. Juni 1804 gewesen sein, wobei dieses Datum aufgrund zeitgenössischer Rechnungen für Kerzenlieferungen anlässlich
einer »neuen Symphonie« von Beethoven
nachweisbar ist.
Ludwig van Beethoven: 3. Symphonie
22
27
Valery
Gergiev
DIRIGENT
wichtigsten Pflegestätten der russischen
Opernkultur aufgestiegen ist.
In Moskau geboren, studierte Valery Gergiev
zunächst Dirigieren bei Ilya Musin am Leningrader Konservatorium. Bereits als Student
war er Preisträger des Herbert-von-Karajan
Dirigierwettbewerbs in Berlin. 1978 wurde
Valery Gergiev 24-jährig Assistent von Yuri
Temirkanov am Mariinsky Opernhaus, wo er
mit Prokofjews Tolstoi-Vertonung »Krieg und
Frieden« debütierte.
Seit mehr als zwei Jahrzehnten leitet er nun
das legendäre Mariinsky Theater in St. Petersburg, das in dieser Zeit zu einer der
Mit den Münchner Philharmonikern verbindet
Valery Gergiev seit der Saison 2011/12 eine
intensivere Zusammenarbeit. So hat er in
München mit den Philharmonikern und dem
Mariinsky Orchester alle Symphonien von
Dmitrij Schostakowitsch und einen Zyklus
von Werken Igor Strawinskys aufgeführt.
Seit der Spielzeit 2015/16 ist Valery Gergiev
Chefdirigent der Münchner Philharmoniker.
Als »Maestro der Stadt« wendet er sich seitdem mit Abo- und Jugendkonzerten, Öffentlichen Generalproben, »Klassik am Odeonsplatz« und dem Festival MPHIL 360° sowohl
an die Münchner Konzertbesucher als auch
mit regelmäßigen Livestream- und Fernsehübertragungen aus der Philharmonie im Gasteig an das internationale Publikum.
Seit September 2016 liegen die ersten CDAufnahmen des orchestereigenen Labels
MPHIL vor, die seine Arbeit mit den Münchner
Philharmonikern dokumentieren. Weitere
Aufnahmen, bei denen besonders die Symphonien von Anton Bruckner einen Schwerpunkt bilden, sind in Vorbereitung. Reisen
führten die Münchner Philharmoniker mit
Valery Gergiev bereits in zahlreiche europäische Städte sowie nach Japan, China, Korea
und Taiwan.
Künstlerbiographie
Künstlerbiografien
28
Pierre-Laurent
Aimard
KLAVIER
zahlreicher Residenzen hat er sich als Pianist hervorgetan, etwa bei Projekten für
die Carnegie Hall und das Lincoln Center in
New York, das Wiener Konzerthaus, die
Berliner Philharmonie, das Lucerne Festival, das Salzburger »Mozarteum«, die Cité
de la Musique in Paris und das Southbank
Centre in London. Aimard ist außerdem
Künstlerischer Leiter des Aldeburgh Festivals.
Der französische Pianist wurde 1957 in
Lyon geboren und studierte am Pariser
Conservatoire bei Yvonne Loriod und in
London bei Maria Curcio. Zu seinen frühen
Erfolgen gehörten im Alter von 16 Jahren
der erste Preis beim Olivier-Messiaen-­
Wettbewerb (1973) und die Ernennung zum
ersten Klaviersolisten des Ensemble Intercontemporain (1976). Pierre-Laurent Aimard tritt weltweit unter Dirigenten wie
Esa-Pekka Salonen, Peter Eötvös, Simon
Rattle und Riccardo Chailly auf. Im Rahmen
Pierre-Laurent Aimard hat eng mit bedeutenden zeitgenössischen Komponisten zusammengearbeitet, darunter Olivier Messiaen und György Ligeti, deren gesamtes
Klavierwerk er eingespielt hat. Durch seine
Professur an der Musikhochschule Köln und
seine weltweite Vortragstätigkeit verbreitet er sein umfangreiches Wissen über Musik in einer inspirierenden und sehr persönlichen Art und Weise. 2005 erhielt Pierre-­
Laurent Aimard u. a. den »Instrumentalist
Award« der Royal Philharmonic Society
London, 2007 wurde er von der Zeitschrift
»Musical America« zum »Instrumentalist
of the Year« ernannt, 2008/09 war er Dozent am College de France in Paris, und vor
wenigen Wochen wurde er zum diesjährigen
Preisträger der renommierten Ernst-von-­
Siemens-Musikstiftung ernannt.
Künstlerbiografien
29
21
Französische Musik in den
ersten Jahrzehnten der
Orchestergeschichte
GABRIELE E. MEYER
Anders als die Musik russischer und weiterer slawischer Komponisten stand das
französische Musikschaffen seltener auf
den Programmen der Münchner Philharmoniker. Einzig Hector Berlioz, meist mit
seiner »Symphonie fantastique«, sowie
Camille Saint-Saëns und César Franck wurden vergleichsweise oft aufgeführt. Doch
auch Werke von Georges Bizet, Charles
Bordes, Emmanuel Chabrier, Gustave Charpentier, Ernest Chausson, Claude Debussy,
Léo Delibes, Paul Dukas, Vincent d’Indy,
Désiré-Émile Inghelbrecht, Édouard Lalo,
Aimé Maillart, Jules Massenet, Jules Mouquet, Jacques Offenbach, Maurice Ravel,
Ambroise Thomas, Édouard Trémisot und
Charles M. Widor wurden gespielt, programmatisch hin und wieder noch erweitert und ergänzt um Werke der eng mit der
französischen Musiktradition verbundenen
Schweizer Komponisten Gustave Doret,
Arthur Honegger, Émile Jaques-Dalcroze
und Pierre Maurice sowie der Belgier Paul
Gilson und Désiré Pâque. Einige Namen sind
heute nahezu unbekannt. Andere, allen
voran Berlioz, Debussy und Ravel, gehören
schon längst zum Standardrepertoire eines
jeden Orchesters. – Immerhin wurden in
den ersten Jahrzehnten seit der Orchestergründung 1893 auch gerne französische Abende durchgeführt. So erklangen,
beispielsweise, am 21. November 1904
unter Felix Weingartners Leitung Stücke von
d’Indy, Jaques-Dalcroze und Berlioz, dem
nur wenige Tage später mit der »HaroldSymphonie« und der »Phantastischen« ein
umjubelter Berlioz-Abend unter dem Dirigenten Peter Raabe folgte.
Für die Spielzeit 1928/29 stellte der philharmonische Dirigent Friedrich Munter
unter dem Motto »fremdländische Abende« ebenfalls einen »Französischen Komponisten- Abend« zusammen. Das Konzert
wurde mit den Worten angekündigt, dass
es aufgrund des großen Umfangs der Musik leider nicht möglich sei, auch die altfranzösischen Meister wie Lully, Rameau
und Grétry zu berücksichtigen. Munter
begann mit Berlioz, dem »französischen
Beethoven« und seiner Ouvertüre zu »Le
Corsaire«. Am Ende stand ein Beispiel der
»allermodernsten französischen Musik«,
das 1920 entstandene Orchesterstück »El
Greco« von Inghelbrecht, einem Schüler
und Freund Debussys.
Französische Musik bei den Münchner Philharmonikern
22
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Dessen Musik wiederum war bei den Philharmonikern zum wahrscheinlich ersten
Mal am 5. Dezember 1903 zu hören: »Herr
José Lassalle eröffnete den letzten der
drei Modernen Abende, die er mit dem verstärkten Kaim-Orchester veranstaltet hat,
mit einem Stück des gelegentlich seiner
Komposition von Maeterlincks »Pelléas et
Mélisande« auch in Deutschland vielgenannten Claude Debussy. Die Wiedergabe
des Vorspiels zum ›Nachmittag eines Faun‹,
dem eine Dichtung von Stéphane Mallarmé,
dem bekannten Décadent, zu Grunde liegt,
ließ […] manches zu wünschen übrig.« Zu
Beginn seines Konzertberichts versuchte
der möglicherweise durch die anscheinend
unzulängliche Wiedergabe irritierte Rezensent der »Münchner Neuesten Nachrichten« dem Stück noch insofern gerecht zu
werden, indem er sich auf Debussys kompositorische Idee einließ. Doch am Ende
seiner Überlegungen bekannte er in einer
aberwitzigen Volte, dass das Stück zwar
rein musikalisch betrachtet, barer Unsinn
sei, aber »trotz alledem etwas hat, was
durchaus neu und von einzigartig unbeschreiblichem Reiz ist«.
Weitere Begegnungen mit dem Werk des
großen Klangmagiers folgten, teilweise als
Münchner Erstaufführungen. Aufgeführt
wurden die »Petite Suite«, in der Orchesterfassung von Henri Büsser, sodann, am
25. Oktober 1912, »Rondes de Printemps«,
die Nummer 3 aus den »Images«. Ferner
erklangen, 1913, »Danse sacrée et Danse
profane« für chromatische Harfe und
Streichorchester, ausgeführt von dem berühmten italienischen Harfenvirtuosen Luigi Magistretti, sowie, noch im Herbst, eine
Bearbeitung derselben »Danses« für Klavier und Streicher.
Viele Jahre später lernten die Münchner
Konzertbesucher in Oswald Kabasta einen
Dirigenten kennen, der nach zeitgenössischen Berichten zu urteilen, ein vorzüglicher Sachwalter der Debussy'schen Klangwelt gewesen sein muss. Die Wiedergaben
von »La Mer« und »Ibéria« machten offenkundig, wie sehr sich die Einstellung zu der
nur auf den ersten Blick substanzlosen,
lediglich auf atmosphärische Farbmischungen ausgerichteten Musik geändert hatte.
Oscar von Pander von den »Münchner Neuesten Nachrichten« sah in »Ibéria« »die
geistreichste Orchestermusik, die man
sich denken kann. […] Die Ausführung unter
Kabastas glänzender Leitung zeigte wiederum die treffliche Arbeit unserer Philharmoniker«, die den ganz ungewöhnlichen
Anforderungen des Stücks hinsichtlich
Schönheit, Genauigkeit und Durchsichtigkeit beispielhaft gewachsen waren. »Der
Beifall war stürmisch und wurde vom Dirigenten mit Recht auch auf das prächtige
Orchester bezogen« (MNN, 8. Feb. 1939).
Maurice Ravels 1928 in Paris uraufgeführter »Boléro« erlebte seine Münchner Premiere in Zusammenarbeit mit dem einige
Jahre zuvor gegründeten Forum für Neue
Musik, der »Vereinigung für zeitgenössische Musik«. Auf dem von Adolf Mennerich
geleiteten Programm vom 13. März 1931
standen außerdem Paul Hindemiths 3. Violinkonzert und Wolfgang von Bartels 1.
Symphonie. Während Hindemiths Konzert
als Zumutung und Verirrung abgetan wurde, bezeichnete H. Ruoff (MNN) die Ravel'sche Komposition als »eine Marotte des
großen Könners, aber eine geistreiche und
witzige«. Nach dem abrupten Stillstand
des scheinbar unaufhaltsam kreisenden
Stücks schallten dem Dirigenten und den
Französische Musik bei den Münchner Philharmonikern
23
31
Ravels »Boléro« steht 1931 zum ersten Mal auf dem Programm der Münchner Philharmoniker
auch hier glänzend disponierten Musikern
laute Bravorufe entgegen.
Noch zwei weitere Werke Ravels profitierten von der inzwischen erlangten Subtilität
im Umgang mit der französischen Klangwelt. Mit der Münchner Erstaufführung der
»Rapsodie espagnole« am 28. November
1938 erinnerten die Musiker, wiederum
unter Kabastas Leitung, an den im Herbst
1937 gestorbenen Komponisten, »der nach
dem Tode Debussys als der repräsentativste der zeitgenössischen Komponisten
Frankreichs gelten durfte«. Etwa zwei Monate später stellte Adolf Mennerich in einem deutsch-französischen Abend noch
Ravels »Ma Mère l’Oye« vor. Die Schönheiten auch dieser Partitur gerieten nach damaligen Berichten zu einem »höchst fesselnden Erlebnis«. – Dann, mit dem Einmarsch Hitlerdeutschlands in Frankreich
im Mai 1940, wurde es rasch still um die
französische Musik.
Französische Musik bei den Münchner Philharmonikern
32
Münchner
Klangbilder
DIE KONZERTPLAKATE DER
SPIELZEIT 2016/17
TITELGESTALTUNG ZUM
HEUTIGEN KONZERTPROGRAMM
»Sinfonia eroica - ursprünglich wurde diese Symphonie wohl Napoléon gewidmet.
Auch München verbindet einiges mit
Napoléon: ›Der Einzug des Kaisers Napoleons durch die Ehrenpforte beym Isarthor
war glänzend.‹ titelte die Augsburgische
Ordinari Postzeitung am 2. Januar 1806.
Leider war die Zeitung fehlinformiert über
den genauen Ort, dennoch inszenierte ich
das visuelle Sound Logo an genau dieser
Stelle in Form eines Light Paintings. Heroisch thront es umgeben von energetischen
Lichtspuren vor dem Isartor, entstanden
komplett aus Licht, eingefangen mit einer
Langzeitbelichtung der Kamera.« (Lumenman, 2016)
DER KÜNSTLER
Der Münchner Lightpainting Artist Lumenman malt mit Licht. Seine Leinwand ist die
Nacht, seine Farbe ist Licht. Das gezeigte
Spektrum reicht von Light Writings und
Light Grafitti an verschiedenen Plätzen bis
hin zu selbst entwickelten Lichtskulpturen,
die den Betrachter über die Machart rätseln lassen. Wichtig ist, dass alle Fotografien während einer einzigen, langen Belichtung kreiert werden. Photoshop kommt für
die Gestaltung nicht zum Einsatz. Klassische Belichtungszeiten liegen zwischen
fünf und zehn Minuten. Die eingesetzten
Tools sind alle selbst entworfen und haben
mit herkömmlichen Taschenlampen meist
nicht mehr viel gemeinsame. Hinter Lumenman steckt der Fotograf Bernhard Rauscher.
Lumenman
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Freitag 21_04_2017 20 Uhr c
Samstag *
22_04_2017 19 Uhr f
DMITRIJ SCHOSTAKOWITSCH
Symphonie Nr. 13 b-Moll op. 113
»Babij Jar«
LUDWIG VAN BEETHOVEN
Ouvertüre zu »Coriolan« op. 62
Chorfantasie op. 80
MICHAEL SANDERLING
Dirigent
MATTHIAS GOERNE
Bariton
HERBERT SCHUCH
Klavier
PHILHARMONISCHER CHOR MÜNCHEN
Einstudierung: Andreas Herrmann
Sonntag
30_04_2017 11 Uhr m
Dienstag
02_05_2017 20 Uhr e4
Mittwoch
03_05_2017 20 Uhr a
LUDWIG VAN BEETHOVEN
Konzert für Violine und Orchester
D-Dur op. 61
ANTONÍN DVOŘÁK
Symphonie Nr. 9 e-Moll op. 95
»Aus der Neuen Welt«
Sonntag
07_05_2017 17 Uhr
7. KAMMERKONZERT
Münchner Künstlerhaus am Lenbachplatz
»AUS ZWEI MACH SECHS –
VON DUO BIS SEXTETT«
SERGEJ RACHMANINOW
»Trio élégiaque« für Violine,
Kontrabass und Klavier g-Moll
JOHANN NEPOMUK HUMMEL
Quintett für Violine, Viola, Violoncello,
Kontrabass und Klavier es-Moll op. 87
ASTOR PIAZZOLLA
Drei Tangos für Violine und Kontrabass
MIKHAIL GLINKA
Grand Sextuor für Streichquartett,
Kontrabass und Klavier Es-Dur
LUCJA MADZIAR
Violine
NAMIKO FUSE
Violine
JANO LISBOA
Viola
FLORIS MIJNDERS
Violoncello
SŁAWOMIR GRENDA
Kontrabass
IVANA SVARC-GRENDA
Klavier
MAXIM VENGEROV
Dirigent und Violine
Vorschau
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Die Münchner
Philharmoniker
CHEFDIRIGENT VALERY GERGIEV
EHRENDIRIGENT ZUBIN MEHTA
1. VIOLINEN
Sreten Krstič, Konzertmeister
Lorenz Nasturica-Herschcowici,
Konzertmeister
Julian Shevlin, Konzertmeister
Odette Couch, stv. Konzertmeisterin
Claudia Sutil
Philip Middleman
Nenad Daleore
Peter Becher
Regina Matthes
Wolfram Lohschütz
Martin Manz
Céline Vaudé
Yusi Chen
Iason Keramidis
Florentine Lenz
Vladimir Tolpygo
Georg Pfirsch
Bernhard Metz
Namiko Fuse
Qi Zhou
Clément Courtin
Traudel Reich
Asami Yamada
BRATSCHEN
Jano Lisboa, Solo
Burkhard Sigl, stv. Solo
Max Spenger
Herbert Stoiber
Wolfgang Stingl
Gunter Pretzel
Wolfgang Berg
Beate Springorum
Konstantin Sellheim
Julio López
Valentin Eichler
2. VIOLINEN
VIOLONCELLI
Simon Fordham, Stimmführer
Alexander Möck, Stimmführer
IIona Cudek, stv. Stimmführerin
Matthias Löhlein, Vorspieler
Katharina Reichstaller
Nils Schad
Clara Bergius-Bühl
Esther Merz
Katharina Schmitz
Ana Vladanovic-Lebedinski
Michael Hell, Konzertmeister
Floris Mijnders, Solo
Stephan Haack, stv. Solo
Thomas Ruge, stv. Solo
Herbert Heim
Veit Wenk-Wolff
Sissy Schmidhuber
Elke Funk-Hoever
Manuel von der Nahmer
Isolde Hayer
Das Orchester
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Sven Faulian
David Hausdorf
Joachim Wohlgemuth
KONTRABÄSSE
Sławomir Grenda, Solo
Fora Baltacigil, Solo
Alexander Preuß, stv. Solo
Holger Herrmann
Stepan Kratochvil
Shengni Guo
Emilio Yepes Martinez
Ulrich von Neumann-Cosel
Ulrich Haider, stv. Solo
Maria Teiwes, stv. Solo
Robert Ross
Alois Schlemer
Hubert Pilstl
Mia Aselmeyer
TROMPETEN
Guido Segers, Solo
Bernhard Peschl, stv. Solo
Franz Unterrainer
Markus Rainer
Florian Klingler
FLÖTEN
POSAUNEN
Michael Martin Kofler, Solo
Herman van Kogelenberg, Solo
Burkhard Jäckle, stv. Solo
Martin Belič
Gabriele Krötz, Piccoloflöte
Dany Bonvin, Solo
Matthias Fischer, stv. Solo
Quirin Willert
Benjamin Appel, Bassposaune
OBOEN
Ricardo Carvalhoso
Ulrich Becker, Solo
Marie-Luise Modersohn, Solo
Lisa Outred
Bernhard Berwanger
Kai Rapsch, Englischhorn
KLARINETTEN
Alexandra Gruber, Solo
László Kuti, Solo
Annette Maucher, stv. Solo
Matthias Ambrosius
Albert Osterhammer, Bassklarinette
FAGOTTE
TUBA
PAUKEN
Stefan Gagelmann, Solo
Guido Rückel, Solo
SCHLAGZEUG
Sebastian Förschl, 1. Schlagzeuger
Jörg Hannabach
Michael Leopold
HARFE
Teresa Zimmermann, Solo
Raffaele Giannotti, Solo
Jürgen Popp
Johannes Hofbauer
Jörg Urbach, Kontrafagott
ORCHESTERVORSTAND
HÖRNER
INTENDANT
Jörg Brückner, Solo
Matias Piñeira, Solo
Paul Müller
Stephan Haack
Matthias Ambrosius
Konstantin Sellheim
Das Orchester
36
IMPRESSUM
TEXTNACHWEISE
BILDNACHWEISE
Herausgeber:
Direktion der Münchner
Philharmoniker
Paul Müller, Intendant
Kellerstraße 4
81667 München
Corporate Design:
HEYE GmbH
München
Graphik:
dm druckmedien gmbh
München
Druck:
Gebr. Geiselberger GmbH
Martin-Moser-Straße 23
84503 Altötting
Susanne Stähr, Thomas
Leibnitz und Gabriele E.
Meyer schrieben ihre Texte
als Originalbeiträge für die
Programmhefte der Münchner Philharmoniker. Ste­
phan Kohler stellte seine
Texte den Münchner Philharmonikern zum Abdruck
in diesem Programmheft
zur Verfügung; er verfasste darüber hinaus die lexikalischen Angaben und
Kurzkommentare zu den
aufgeführten Werken. Das
literarische Vorwort zu
Strauss’ »Don Juan« (aus
Nikolaus Lenaus gleich­
namigem Versepos) zitieren wir nach dem Wortlaut
des Erstdrucks der Orchesterpartitur. Künstlerbiographien (Gergiev, Aimard): Nach Agenturvorlagen. Alle Rechte bei den
Autorinnen und Autoren;
jeder Nachdruck ist seitens der Urheber genehmigungs- und kostenpflichtig.
Abbildungen zu Richard
Strauss: Strauss Archiv
München (SAM); Sammlung Stephan Kohler, München. Abbildungen zu Maurice Ravel: Michael Raeburn and Alan Kendall
(Hrsg.), Heritage of Music,
Vol. IV: Music in the Twentieth Century, Oxford /
New York 1989; Roger Nichols, Maurice Ravel im
Spiegel seiner Zeit – Portraitiert von Zeitgenossen, Zürich / St. Gallen
1990; Sammlung Stephan
Kohler, München. Abbildungen zu Ludwig van
B e e t­h o v e n :
Joseph
Schmidt-Görg und Hans
Schmidt (Hrsg.), Ludwig
van Beethoven, Bonn
1969; H. C. Robbins Landon, Beethoven – A documentary study, New York
1970. Programmzettel
1931 (»Bo­
léro«): Privat.
Künstlerphotographien:
Marco Borggreve (Gergiev,
Aimard).
Gedruckt auf holzfreiem und
FSC-Mix zertifiziertem Papier
der Sorte LuxoArt Samt
Impressum
Abonnentenorchester der
Münchner Philharmoniker
Familienkonzert
„Es lebte ein Kind auf den Bäumen“
für Gesang, Erzähler, Kinderchor und Orchester
Musik von Konstantin Wecker
Text von Jutta Richter
Erzähler und Sänger: Konstantin Wecker
Leitung: Heinrich Klug
Karten 30/25/21/16 €
incl. VVK-Gebühr bei München Ticket
und allen bekannten Vorverkaufsstellen
Illustration: Katrin Engelking - aus dem dazu erschienen Buch
Sopran: Josephine Peter, Serafina und Konstantin Starke
Akkordeon: Maria Reiter, Klavier: Jo Barnikel
Kinderchor der Grundschule an der Würm, Stockdorf
Chorleitung: Kirsten Döring-Lohmann
29. Mai 2017, 18 Uhr
Prinzregententheater
’16
’17
DAS ORCHESTER DER STADT
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