Basiswissen | Skripte ◮ Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert | Der Wiener Kongress | 1814–1815 Skript Der Wiener Kongress 1814–1815 Übersicht 1 Einleitung 1 2 Vorgeschichte 1 3 Beginn und Verhandlungen 3.1 Grundsätze und Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2 4 Ergebnisse 4.1 Ein Europa der Fürsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3 4.1.1 Die heilige Allianz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 4.2 Gründung des Deutschen Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 5 Ausblick © 5 Karlsruhe 2014 | SchulLV | Clemens Wördehoff Vervielfältigung nur innerhalb einer Lehrer-/Klassen- oder Schullizenz und mit Hinweis auf GeschichteLV erlaubt. www.GeschichteLV.net Basiswissen | Skripte ◮ Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert | Der Wiener Kongress | 1814–1815 Skript 1 Einleitung Die Niederlage der Grande Armée, welche seit 1792 durch die nach ihrem General und nach ihrem späterem Kaiser benannten Napoleonischen Kriege Europa in permanentem Kriegszustand hielt, gab Anlass, die durch Bonaparte erheblich veränderte politische Landkarte Europas neu zu strukturieren. Auf dem Wiener Kongress, der vom 18. September 1814 bis zum 9. Juni 1815 in Wien und unter der Leitung des österreichischen Staatskanzlers Clemens Wenzel Fürst Metternich abgehalten wurde, sollte eine dauerhafter Frieden zwischen den europäischen Siegermächten geschaffen werden. Dabei bemüh-ten sich die Gastgeber, den Aufenthalt der Fürsten und Diplomaten möglichst angenehm zu gestalten. Durch zahlreiche Bälle, Theateraufführungen und andere Unterhaltungsprogramme schien die politische Brisanz des Treffens in der österreichischen Hauptstadt allmählich von der Agenda zu verschwinden, weshalb der Kongress oftmals als „Tanzender Kongress“ verspottet wurde. Im Folgenden wollen wir einen Blick auf die Vorgeschichte, den Verhandlungsverlauf und die Ergebnisse des Wiener Zusammentreffens werfen. 2 Vorgeschichte Seit 1792 befand sich Frankreich in dauerhaften kriegerischen Auseinandersetzungen mit den euro-päischen Machtrivalen. Durch die Impulse der Französischen Revolution hervorgerufen, bildeten diese Kriege eine Serie von Konflikten, welche man unter dem Begriff Koalitionskriege zusammenfasst. Durch wechselnde Bündnisse (Koalitionen) europäischer Mächte kam es zu mehreren Auseinandersetzungen auf verschiedenen Schauplätzen gegen die Französische Republik beziehungsweise das franzö-sische Kaiserreich unter Bonaparte und dessen Verbündete. Eine dauerhafte Okkupation einiger Gegenden (Napoleonische Besetzung) prägte die politischen Geschicke Europas der Zeit. Durch die politische Machtausübung besonders auf die deutschen Länder gelang es Napoleon, deutsche Satellitenstaaten gegen Österreich aufzubauen. Unter der Gunst Napoleons und einem französischen Protektorat schlossen sich 16 deutsche Reichsstände im Juli 1806 in Paris zum Rheinbund zusammen, was die Aufkündigung der Zugehörigkeit zum Reich (HRR) bedeutete. Sich diesem Druck beugend erklärte Franz II. von Österreich im August 1806, das Heilige Römische Reich Deutscher Nation sei erloschen. Die Niederlage im Rußlandfeldzug 1812 und der vollständigen Vertreibung der Grande Armée mündete dieser unmittelbar in eine zweite Kriegsphase: In den Befreiungskriegen kam es zu diversen Koalitionen mit Russland. Zunächst wechselten Preußen und Österreich, später dann auch die von Frankreich dominierten Rheinbundstaaten auf russische Seite (Sechste Koalition), was Napoleons endgültige Niederlage und Abdankung 1814 besiegelte. Napoleons Rückzug aus Moskau im Winter 1812. Quelle: www.wikipedia.org, Cottonflop (public domain). Es kam zur Ausarbeitung des Ersten Pariser Friedens, welcher den Krieg zwischen der sechsten Koali-tion und der durch die restaurierte Bourbonenmonarchie unter Ludwig XVIII vertretenen französischen Regierung beendete. Demnach sollte, nach Artikel 32 des Friedensvertrags, in Wien ein Kongress zusammentreten, um eine dauerhafte europäische © Karlsruhe 2014 | SchulLV | Clemens Wördehoff Seite 1/5 Vervielfältigung nur innerhalb einer Lehrer-/Klassen- oder Schullizenz und mit Hinweis auf GeschichteLV erlaubt. www.GeschichteLV.net Basiswissen | Skripte ◮ Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert | Der Wiener Kongress | 1814–1815 Skript Nachkriegsordnung zu beschließen. Die Verbannung Napoleons und das Ende der existenziellen Bedrohung durch Frankreich kann damit als eigentliche Grundvoraussetzung für das Zustandekommen der Idee eines internationalen Friedenskongresses angesehen werden. 3 Beginn und Verhandlungen Unter Gastgeber Kaiser Franz I. von Österreich wurde die Donaumonarchie durch Staatskanzler Metternich politisch vertreten, letzterer zugleich als Präsident des Kongresses fungierend. Russischerseits vertrat Alexander I. die Interessen, und für Preußen wurde Prinz Karl August von Hardenberg entsandt. Für Großbritannien kam Lord Castlereagh ins Palais am Wiener Ballhausplatz. 3.1 Grundsätze und Interessenkonflikte Zunächst entschieden die besagten Mächte, dass Frankreich sowie kleinere Mächte keinerlei Mitspracherecht im Verhandlungsprozess haben sollten. Frankreich aber konnte durch Maurice de Talleyrand schließlich doch noch an den Verhandlungstisch geführt werden. Mittels der Formung von Ausschüssen und Kommissionen, eine verhandlungstechnische Neuheit, wurde die einzelnen Probleme der Nationen diskutiert. So war Preußen um die Vergrößerung seines Gebietes bestrebt, Russland forderte die Übernahme Polens. Für die Stabilitätssicherung in Europa war es Großbritannien und Österreich wichtig, ein ausbalanciertes Mächteverhältnis herzustellen. Es sollte schlichtweg eine politische Landschaft entstehen, in welcher die Dominanz einer einzelnen Macht unmöglich gemacht werden sollte. Richtete man den Blick fernab vom Ballsaal und der suggerierten, angenehmen Verhandlungsatmosphäre, so blieb von der Harmonie nicht mehr viel übrig. In Wirklichkeit verschärften sich die Interessengegensätze im Verlauf des Kongresses. Der Kongress arbeitete gemäß fünf übergeordneter Prinzipien. Zum einen galt es, unter dem Stichwort Legitimität die Liquidierung des napoleonischen Staatensystems voranzutreiben sowie die Restituierung der alten Dynastien zu fördern. Besonders seitens des Diplomaten Talleyrand unterstrichen, ging es beim Legitimitätsprinzip vor allem um die Interessen Frankreichs und seine Anerkennung als gleichberechtigte Macht im Kreise der Staatsmänner Europas. In diesem Kontext ist auch das Prinzip der Restauration der politischen und gesellschaftlichen Verhält-nisse im vorrevolutionären Europa zu verstehen. Zwar sollte hiermit nicht die Revision aller seit 1789 eingetretenen Veränderungen von statten gehen. Vielmehr war die Intention, möglichen, zukünftigen Revolutionstendenzen den Garaus zu machen. Gemeint waren nicht nur freiheitlich-liberale, sondern vornehmlich nationale Strömungen der Zeit. Zur Sicherung dieses Ziels setzten die Vermittler zum einen auf die Installierung starker monarchischer Autoritäten nach innen, andererseits auf eine zwischenstaatliche Solidarität der Länder in der Außenpolitik. Konsens herrschte in der Frage über die Schaffung eines europäischen Gleichgewichtssystems, um die Gefahr zukünftiger Kriege zu bannen. Besonders diese letztgemeinte Vorstellung belastete durch unterschiedliche Machtinteressen die Verhandlungskommissionen. Mit dem Argument, ein Gegengewicht zu den Mächten Frankreich und Russland zu bilden, setzte sich Staatskanzler Metternich für ein Mitteleuropa unter der Führung Österreichs ein. Ähnlich wie Metternich strebte auch der britische Abgeordnete danach, ein konservatives Europa aufzubauen, womit eine gleichzeitige Machtexpansion Russlands verhindert werden sollte. Dieses forderte die Übernahme Polens, ja war getrieben von der Vorstellung, Polen © Karlsruhe 2014 | SchulLV | Clemens Wördehoff Seite 2/5 Vervielfältigung nur innerhalb einer Lehrer-/Klassen- oder Schullizenz und mit Hinweis auf GeschichteLV erlaubt. www.GeschichteLV.net Basiswissen | Skripte ◮ Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert | Der Wiener Kongress | 1814–1815 Skript zu einem Musterstaat im konstitutionellen Sinne zu machen. Hinsichtlich Preußens ging es dem Gesandten Hardenberg um eine Stärkung der eigenen Position in den deutschen Landen. Begünstigt werden sollte dies durch den Erwerb Sachsens sowie eine preußisch-österreichische Hegemonie in Deutschland. Dem widersagten jedoch die Interessen der kleineren deutschen Staaten und Österreich. Dies macht trotz aller Solidarität der Monarchien deutlich, dass es zeitweise so aussah, als ob der Kongress ohne klare Ergebnisse enden könnte. Der Hauptgrund bestand in der Uneinigkeit zwischen Österreich, Preußen und Russland über die polnische Frage. 4 Ergebnisse Die Beschlüsse des Wiener Kongresses orientierten sich an den Interessen der Dynastien Europas. Das Gleichgewicht zwischen den Großmächten war wieder hergestellt. Nationale Sehnsüchte sowie liberale Freiheitstendenzen blieben gänzlich unberücksichtigt. 4.1 Ein Europa der Fürsten 4.1.1 Die heilige Allianz Zwar nicht Bestandteil der offiziellen Verhandlungsergebnisse des Kongresses, steht die Gründung der Heiligen Allianz vom 26. September 1815 dennoch in engem Zusammenhang mit den Wiener Verhandlungen und bildet einen wichtigen Bestandteil im „System Metternich“ der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zu ihr gehörten zunächst Preußen, Österreich und Russland. Sie richtet sich explizit gegen die Idee der Volkssouveränität und somit auch gegen alle gravitierenden nationalen Kräfte. Es blieb ferner erklärtes Ziel des Fürstenbundes, eine Emanzipation des Bürgertums zu verhindern und jegliche demokratische Kräfte abzuwenden. Metternich, trotz äußerster Skepsis gegenüber der Allianz, machte aus dem ursprünglichen Vorhaben eines Bündnisses der Völker und Heere eine Vereinigung der Herrscher, welche über den Völkern und Heeren zu stehen schienen. Mit der Heiligen Allianz versprachen sich die Partner die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen den Fürsten, andererseits die Intervention bei überhand nehmenden revolutionären Bewegungen. Bis auf Großbritannien und dem wieder hergestellten Kirchenstaat unter Papst Pius VII. traten fast alle europäischen Mächte der heiligen Allianz bei. © Karlsruhe 2014 | SchulLV | Clemens Wördehoff Seite 3/5 Vervielfältigung nur innerhalb einer Lehrer-/Klassen- oder Schullizenz und mit Hinweis auf GeschichteLV erlaubt. www.GeschichteLV.net Basiswissen | Skripte ◮ Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert | Der Wiener Kongress | 1814–1815 Skript 4.2 Gründung des Deutschen Bundes Teil der Schlussakte des Kongresses vom 9. Juni 1815 ist die Deutsche Bundesakte, mit der die Gründung des Deutschen Bundes festgelegt wird. Wurde den deutschen Staaten ihre Unabhängigkeit und Vereinigung bereits durch Artikel IV des Ersten Pariser Friedens zugesichert, tagte das sogenannte „Deutsche Komitee“ unter dem Vorsitz Preußens, Österreichs, Hannovers, Bayerns und Württembergs. Schließlich wurde ein loser deutscher Staatenbund der Fürsten mit Österreich als Präsidialmacht geschaffen, dem die Kongressschlussakte als Verfassung zu Grunde lag. Ausdrücklich erklärten die Unterzeichner, beim Deutschen Bund handelte es sich nicht um Der Deutsche Bund in Europa nach dem Wiener Kongress (18151866). Quelle: www.wikipedia.org, Ziegelbrenner (CC-BY-SA-3.0). den Nachfolger des alten Deutschen Reiches. © Karlsruhe 2014 | SchulLV | Clemens Wördehoff Seite 4/5 Vervielfältigung nur innerhalb einer Lehrer-/Klassen- oder Schullizenz und mit Hinweis auf GeschichteLV erlaubt. www.GeschichteLV.net Basiswissen | Skripte ◮ Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert | Der Wiener Kongress | 1814–1815 Skript Ebenso unterstrich man den rein defensiven Charakter und den Sicherheitsaspekt eines deutschen Fürsten-bundes. Als Bestandteil der neuen europäischen Friedensordnung konzipiert, scheiterte der Deutsche Bund an den gesellschaftspolitischen Verhältnissen sowie den unterschiedlichen Interessen, denen er in der europäischen Politik ausgesetzt war. Dazu zählten langfristig der politische Machtkampf zwischen Öster-reich und Preußen über die Vorherrschaft in Deutschland sowie die innerdeutschen Streitigkeiten über die Realisierung einer gemeinsamen Bundesverfassung. 5 Ausblick Hinsichtlich der innerstaatlichen Verhältnisse war der Wiener Kongress geprägt von einer grundsätz-lichen Skepsis gegenüber allen nationalen, liberalen und demokratischen Strömungen. Zentrales Ergebnis für Deutschland war die Schaffung eines förderalen Bundes, welcher in den Augen vieler Zeitgenossen eher ein Unterdrückungsinstrument nationaler und liberaler Bewegungen war. Nicht zuletzt die Tatsache, dass ein Bündnis monarchischer Einzelstaaten kein Ersatz für den vom liberalen Bürgertum geforderten Nationalstaat war, trug dazu bei, keine langfristige Unterdrückung demokratischer Tendenzen zu erreichen. Der Wiener Kongress, welcher durch Rückbesinnung auf vornapoleonische Zustände eine politische Ruhe suggerierte, blieb auf lange Zeit nicht haltbar. Eher führte die Unterdrückung bürgerlichen Willens nach nationaler Eigenständigkeit dazu, dass freiheitlich-demokratische Sehnsüchte immer mehr Zuspruch fanden. © Karlsruhe 2014 | SchulLV | Clemens Wördehoff Seite 5/5 Vervielfältigung nur innerhalb einer Lehrer-/Klassen- oder Schullizenz und mit Hinweis auf GeschichteLV erlaubt. www.GeschichteLV.net