26 Rat und Hilfe aus der Apotheke Neuer Hoffnungsträger bei Gelenkschmerzen Im Spätherbst leuchten sie rot und begegnen uns auf Schritt und Tritt: Hagebutten. Die Früchte der Hundsrose sind reich an Vitamin C und wurden früher gern zu Marmelade verarbeitet. Als standardisiertes Pulver hat sich die Wilde Hagebutte auch zur Linderung von chronischen Gelenkbeschwerden infolge einer Wilde Hagebutte A uf dem Arthrose-Weltkongress in Chicago wurde 2004 erstmals eine ganz bestimmte Substanzgruppe aus der Hagebutte als wirkungsvoller »Schmerz- und Entzündungshemmer« für geschädigte Gelenke vorgestellt. Hierbei handelt es sich um die sogenannten Galaktolipide (Substanzen aus Galac­tose, Fettsäure und Glycerin), die im fein gemahlenen Hagebuttenpulver vorkommen. Sie könnten Arthrosepatienten einen Weg aus der Zwickmühle bieten, in die klassisch verordnete und frei verkäufliche Schmerzmittel sie allzu oft hineinführen. Experten gehen davon aus, dass mittlerweile jeder zweite Kauf eines Schmerzmittels in deutschen Apotheken aufgrund von Arthrose- und Gelenkerkrankungen zustande kommt. Vorkommen und Botanik Die gemeine Hunds- oder Heckenrose (Rosa canina) aus der Familie der Rosengewächse ist besonders reich an Galaktolipiden. Zur Gattung Rosa gehören etwa 150 verschiedene Unterarten, von denen die Art Rosa canina (Hagdorn, Heckenrose, Hundsrose, Wildrose oder Zaunrose) schon in der mittelalterlichen Klosterheilkunde angewendet wurde. Die stacheligen Sträucher, die fast in ganz Europa vorkommen, werden etwa fünf Meter hoch und wachsen vor allem an Waldrändern, Steinhaufen und Heckenansammlungen. Sie blühen im Juni weiß bis dunkelrosa und entwickeln aus den Kelchblättern scharlach- bis dunkelrote Scheinfrüchte – sie dienen als Samenkapseln für die mit den berüchtigten Juckhärchen überzogenen Kerne. Genutzt wurden und werden die reifen, getrockneten Scheinfrüchte (Hagebutten) oder auch nur die Schalen oder Samen (Nüsschen, Kerne). Die Topfit 4 / 2013 Arthrose bzw. einer entzündlichen Gelenkerkrankung bewährt. Von Apotheker Thomas Knaier Früchte können direkt vom Strauch noch bis Ende November gepflückt werden – übrigens: je später desto süßer. Sie werden vielfältig, etwa als Teezubereitung, Marmelade oder als Saft, verwendet und dienen beispielsweise zum Schutz vor grippalen Infekten im Winter, zur Linderung von Magen-Darm-Beschwerden, zur Förderung der Harnausscheidung – und eben zur Arthrosetherapie. Galaktolipide – antientzündlich und schmerzlindernd Welche Wirksubstanzen der Hagebutte genau für den therapeutischen Effekt bei arthrotischen Beschwerden verantwortlich sind, war lange Zeit unbekannt und konnte erst mithilfe eines komplizierten Auftrennverfahrens der Wirkstoffkomplexe ermittelt werden. Vor allem fanden sich Galaktolipide, die aus einem Zuckerund Fettanteil sowie Glycerin bestehen und die im Laborversuch Beschwerden der Arthrose und des rheumatischen Formenkreises positiv beeinflussten. Diesen Wirkstoff konnte man erstmals in der Familie der Rosengewächse nachweisen. Dabei enthält die Unterart Rosa canina ssp. etwa vierbis 50-mal mehr Galaktolipide als Hagebuttenprodukte anderer Rosenarten. Darüber hinaus wurden weitere Wirkweisen entdeckt – die auffälligste ist und bleibt jedoch die Schmerz- und Entzündungshemmung. Dies wurde in placebokontrollierten Doppelblindstudien nach Aussagen von über 100 Patienten und Studienteilnehmern mit einer diagnostizierten Arthrose erhärtet. Insbesondere eine Gruppe älterer Frauen, die alle mit schmerzhafter Arthrose an Finger- und Handgelenken behandelt wurden, sprach sehr gut auf das Hagebuttenpulver an. Vereinfacht dargestellt, verhindern Galaktolipide, dass die weißen Blutkörperchen (Leukozyten), die am entzündlichen und schmerzhaften Prozess in den Gelenken beteiligt sind, in die geschädigten Gelenke eindringen und so das Knorpelgewebe angreifen und schließlich zerstören. Das Vitamin C, das in erheblichen Mengen in der Hagebutte vorkommt, trägt dazu bei, die Knorpelzellen vor dem Angriff schädigender freier Radikale zu schützen. Als positiver »Begleiteffekt« wurde außerdem festgestellt, dass Hagebuttenpulver krankhaft erhöhtes LDLCholesterin zu senken vermag und so der Gefäßablagerung und Entstehung von Arteriosklerose vorbeugen kann. Pulver aus getrockneten Hagebuttenschalen Seit 2003 ist zur Linderung von arthrotisch bedingten Gelenkbeschwerden das Pulver aus getrockneten Hagebuttenschalen industriell verfügbar und in Form von Kapseln oder Tabletten rezeptfrei erhältlich. Als Verzehrempfehlung Rat und Hilfe aus der Apotheke 27 werden bis zu fünf Gramm Hagebuttenpulver pro Tag angegeben. Dabei müssen die – vorwiegend älteren – Arthrosepatienten mehrere Kapseln bzw. Tabletten über viele Wochen und Monate einnehmen, ein Aspekt, der sich nicht selten nachteilig auf die Einnahmeakzeptanz auswirkt. Die Studienlage, die an über 300 Patienten abgesichert wurde, ist allerdings eindeutig: Bei einem Einnahmezeitraum von zwölf Wochen bis zu vier Monaten und einer Einnahmemenge von fünf Gramm Hagebuttenpulver täglich können die Gelenkschmerzen in Knie-, Hüfte-, Schulter- und Handgelenk, statistisch gesehen, deutlich verringert werden. Eine erste Option zur Erhöhung der Wirkstärke wurde 2008 mithilfe von vergleichend hergestellten Laborextrakten aus dem Hagebuttenpulver im Vergleich zum Schalenpulver beschrieben. Generell hatten dabei fettlösende Auszugsmittel ein höheres entzündungshemmendes und schmerzlinderndes Potential als wässrige Auszüge. Die stärkste Wirkung wies ein gereinigter, wässriger Spezialextrakt (FB94440) auf, dessen Herstellverfahren zum Patent angemeldet wurde. Stopp dem Teufelskreis aus Knorpelabbau und Schmerzen Jeder Arthrosepatient kennt den Teufelskreis aus Knorpelabbau, Schmerzen, Bewegungsunfähigkeit und weiter zunehmender Schmerzlast, zu der es mit Fortschreiten der Erkrankung im Laufe der Jahre kommt. Um aus diesem »Jammertal« wieder herauszufinden, bedurfte es der Auffindung der Galaktolipide, die uns die Natur in den Früchten der Hagebuttenart Rosa Canina als natürliche Wirkstoffe zur Verfügung stellt. Insbesondere die innovative Zubereitung aus einem Hagebutten-Spezialextrakt und gut verträglichen Kollagenpeptiden zeigen neue Möglichkeiten auf, die arthritische Schmerzbehandlung durch eine entzündungshemmende Komponente zu ergänzen, den Knorpelabbau zu stoppen, die Knorpelregeneration zu stabilisieren und den Knorpelaufbau zu fördern. Allerdings sollten die vorliegenden Daten mit insgesamt positiven Ergebnissen und hoher Sicherheit noch durch weitere plazebokontrollierte Studien in der Langzeitanwendung am Menschen gestützt werden. Auch bei rheumatischen Beschwerden hilfreich Die getrockneten Früchte und auch die getrockneten Schalen der Hagebutte werden traditionell zu Tee verarbeitet. Von der Volksmedizin wurden sie bei Blasenleiden und Erkältungskrankheiten eingesetzt. Hagebuttenextrakt und Kollagenpeptide Die Kombination eines schmerzlindernden Hagebuttenextrakts mit einer gelenkaufbauenden Knorpelregenierung stellt eine weitere Optimierung dar. Unter den knorpelschützenden Substanzen bildet die Gruppe der Kollagenhydrolysate die wissenschaftlich am besten belegte Substanzgruppe. So existiert z. B. als Präparat das Trinkkollagen CH-Alpha® PLUS mit einem durch mehrere Studien bestätigten klinischen Wirksamkeitsnachweis. Die Einnahme von zehn Gramm Kollagenpeptiden über einen Zeitraum von mindestens zwölf Wochen beeinflusste entzündliche, arthrotische Gelenksveränderungen erwiesenermaßen deutlich positiv. Der Abbau von extrazellulärem Knorpelgewebe wurde nicht nur gestoppt oder verhindert, sondern es glättete sich auch die Knorpeloberfläche. Die Anwendung von Hagebuttenpulver ist nach der Studienlage der letzten Jahre nicht nur bei Arthrose sinnvoll und hilfreich, sondern auch zur Entzündungshemmung und Schmerzlinderung bei degenerativen, rheumatischen Erkrankungsformen. Wer reines Hagebuttenpulver einnehmen möchte, sollte nach Überzeugung von Frau Prof. Chrubasik von der Uni Freiburg mit fünf Gramm Hagebuttenpulver pro Tag, verteilt auf je 2,5 Gramm morgens und abends, starten. Das Pulver kan beispielsweise in Joghurt oder Müsli verrührt werden. Die Wirkung setzt jedoch oft erst nach drei Monaten, dann allerdings mit steigender Tendenz, ein. Alternativ bietet sich die Einnahme eines Kombinationspräparats aus Hagebuttenschalenextrakt, Kollagenpeptiden, Vitamin C und Selen in Form einer täglichen Trinkampulle zum Essen an. Beispielsweise wurde dem Präparat CH Alpha® PLUS (rezeptfrei in der Apotheke erhältlich) in zwei Anwendungsbeobachtungen an den Regio Kliniken in Schleswig-Holstein in Elmshorn und dem Olympia-Stützpunkt Rhein-Ruhr eine Besserung der Symptome Gelenksteifheit und Bewegungsschmerz bereits nach einer vierbis sechswöchigen Anwendung bescheinigt. Die Verträglichkeit des angenehm süßlich schmeckenden Trinkkollagens wurde dabei von über 90 Prozent der Probanden und Therapeuten als gut bis sehr gut bewertet. Darauf sollten sie AchtEn ▶ Generell ist es wichtig, arthrotische Gelenke nicht zu überlasten, etwa durch langes Stehen, Schuhe mit sehr hohen Absätzen oder auch durch exzessiven Sport. Dennoch ist regelmäßige Bewegung unverzichtbar: Wird das Gelenk dauernd geschont und sogar ruhig gestellt, droht ein Teufelskreis, der schließlich in einen Muskelabbau und eine erhöhte Sturzgefahr mündet. Demgegen- über regt eine maßvolle gelenkschonende Bewegung die nötige Durchblutung der Gelenke an, wodurch der Nährstofftransport zu den Knorpelzellen gefördert wird. Als gelenkfreundliche Sportarten werden Radfahren, leichte Gymnastik, Nordic-Walking und Schwimmen empfohlen. Ein Arthrosepatient sollte sich zu einer dieser Sportarten, wenn möglich täglich, »zwingen«. ▶ Eine gelenkfreundliche Ernährung basiert auf dem Grundsatz, wonach die Hälfte der täglich aufgenommenen Kalorien in Form von pflanzlichen Nahrungsmitteln in Obst und Gemüse erfolgt. Weiß- und Graumehlprodukte sollten durch Vollkornprodukte ersetzt werden. Gewürze wie Kurkuma, Pfeffer und Ingwer tragen zusätzlich zur Entzündungszreduzierung bei. ▶ Besonderen Wert sollten Arthrosepatienten auf den Verzehr von guten pflanzlichen Ölen legen, die reich an Omega-3- und Omega-9-Fettsäuren sind. Sie hemmen den Knorpelabbau, dämpfen überschießende Entzündungsreaktionen und reduzieren so die Bildung schädlicher Kollagenasen. Letztere sind Enzyme, die den Knorpelabbau beschleunigen. Zu den »guten« Speiseölen zählen Leinöl, Walnuss- und Rapsöl, Erdnuss- und Olivenöl. Zwei- bis dreimal pro Woche darf fetter Meeresfisch wie Hering, Makrele oder Lachs auf den Tisch. Darüber hin­aus sollten wenig Fleisch, fettreiche Wurstwaren oder zuckerhaltige Süßigkeiten verzehrt werden. Lebensmittel, die wie Nüsse, Pfirsiche, Rettiche und Gurken reich am Spurenelement Bor sind, sowie ein Gläschen Rotwein sind ebenfalls gut für die Gelenke. ▶ Auch natürliche Kieselsäure, wie sie in Schachtelhalm- und Brennnesseltee vorkommen, haben einen positiven Effekt auf die Gelenke. ▶ Und: Wer Übergewicht hat, sollte mit einer kalorienreduzierten Kost dagegen vorgehen. Überflüssige Pfunde belasten die Gelenkgesundheit. Topfit 4 / 2013