PULS/CE 16 Public Understanding of Life Sciences / Chemical Ecology Newsletter Oktober 2010 Der kleine E/Z Unterschied und seine Folgen Der Maiszünsler Ostrinia nubilalis ist ein gefährlicher Ernteschädling, der in zwei Rassen vorkommt, die als E und Z bezeichnet werden. Der E/Z Unterschied basiert auf der Chemie eines Maiszünsler-typischen Sexuallockstoffs und hat für den Schädling große Folgen … S. 3 Tödliches Eigentor Grüner Duft - Substanzen, die für den typischen Geruch von frisch gemähtem Rasen verantwortlich sind - wird Tabakschwärmer-Raupen zum Verhängnis. Dies fanden jetzt Wissenschaftler aus der Abteilung Molekulare Ökologie bei ihren Untersuchungen an wildem Tabak und dessen natürlichen Feinden heraus … S. 4 Rotlicht steuert Nektarfluss Wissenschaftler der Abteilung Bioorganische Chemie konnten nachweisen, dass die Regulation der extrafloralen Nektarproduktion in Pflanzen, um Ameisen zur Abwehr ihrer Fraßfeinde anzulocken, durch Licht gesteuert wird … S. 5 PULS/CE 16 2 Newsletter Oktober 2010 | Editorial Natur oder Wildnis? Liebe Leserinnen und Leser! Die Begriffe Natur und Wildnis haben – in einer lebendigen Sprache nichts Besonderes – im Laufe der Jahre unterschiedliche Bedeutungen erfahren, vergleichbar mit den Begriffen Mann versus Kerl oder Frau versus Weib, von denen die Bezeichnungen Kerl beziehungsweise Weib einen Wandel zum Pejorativ, also zu einer negativen Bedeutung, vollzogen haben. Die Schwarze Calla, ein Aronstabgewächs, lockt mit ihrem Duft nach fauligem Obst Fruchtfliegen in die Falle, um sie erst Stunden später – ausgestattet mit reichlich Pollen, aber immer noch hungrig – wieder zu entlassen. Grafik: Marcus Stensmyr, MPI-CE Seit geraumer Zeit erfährt der Begriff Natur eine Melioration, also einen immer besser werdenden, positiven Anklang. In der Lebensmittelwerbung fördern heutzutage Wortschöpfungen wie „naturbelassen“ oder „naturidentisch“ den Verkauf entsprechend deklarierter Nahrungsmittel erheblich. Wildnis hingegen ist ein Begriff mit einem gestern wie heute tendenziell negativen Anstrich geblieben, denn „wild“ wird mit „gefährlich“ oder „ungeordnet“ assoziiert. Biologisch betrachtet, beschreiben die Begriffe Natur oder Wildnis jedoch ein und dasselbe, nämlich Lebensräume, in denen Organismen – von der Bakterie bis zum Baum – zahlreiche Tricks verwenden, um sich selbst und ihre Art zu erhalten. Dazu ist ihnen jedes Mittel recht. Lesen Sie in diesem Zusammenhang auf Seite 6 von einem Aronstabgewächs und von einer Orchidee, die ihre Bestäuber durch Vortäuschen einer Nahrungsquelle derart belügen, dass sogar, wie im Falle der Orchidee, aus Schwebfliegeneiern schlüpfende Larven dem Tode geweiht sind, weil nämlich gar keine Nahrung in der betrügerischen Blüte vorhanden war. Im Allgemeinen betrachten wir Menschen Orchideen als schön und exotisch, mithin als schützenswert, jedoch sind ihre Tricks alles andere als edelmütig, sobald es um ihre Nachkommen, also die Samenbildung, geht. Was also sind Orchideen: „natürlich schön“ oder „arglos wild“? Oder beides, je nachdem, was wir Menschen in ihnen finden wollen? Bleibt anzumerken, dass das Adjektiv „wild“ immer auch etwas Aufregendes oder Spannendes mutmaßen lässt. Cornelia Funkes Jugendbücher „Die wilden Hühner“ klingen unmittelbar nach Abenteuer, Mut und Aufbruch. Ob sich ihre Bücher auch so gut verkauft hätten, wenn sie „Die naturbelassenen Hühner“ geheißen hätten? Mit den besten Wünschen Ihr Jan-W. Kellmann PULS/CE 16 Research Highlight | Newsletter Oktober 2010 Der kleine E/Z Unterschied und seine Folgen Der Maiszünsler Ostrinia nubilalis ist ein gefährlicher Ernteschädling, der weltweit durch Insektizide, Gentechnik oder biologische Maßnahmen bekämpft wird. Er kommt in zwei Rassen vor, E und Z, wobei nur Z die Maispflanzen attackiert. Der E/Z Unterschied basiert auf der Chemie des Maiszünsler-typischen Sexuallockstoffs 11-Tetradecenylacetat, der in den Formen Z (cis) oder E (trans) vorkommt. Dies ist zwar nur ein kleiner Unterschied, doch für die Biologie des Schädlings hat er große Folgen. Dieses Enzym, eine Reduktase, erzeugt aus einer ungesättigten Fettsäure einen Alkohol, der nach Anlagerung einer Acetylgruppe das Endprodukt 11-Tetradecenylacetat darstellt. In früheren Untersuchungen hatten Wissenschaftler aus Schweden und der Abteilung Entomologie festgestellt, dass in den Pheromondrüsen von Weibchen das E- und Z-Isomer nicht in gleichen Mengen vorlag: Ein Teil der Weibchen gibt 11-Tetradecenylacetat im Verhältnis E 98 : Z 2 ab, der andere Teil hingegen im Verhältnis 3 : 97. Die Männchen sind in der Lage, diesen Unterschied zu riechen: E-Männchen „fliegen“ nur auf E-Weibchen und Z-Männchen nur auf Z-Weibchen, was bedeutet, dass zwischen den beiden Rassen praktisch kein Kreuzen mehr stattfindet. Wie die Männchen entsprechende Rezeptoren evolviert haben, um die E- und Z-Pheromone nachweislich perfekt unterscheiden zu können, ist noch ungeklärt. Gefunden wurde bereits, dass die Gene für die Erzeugung des Lockstoffes bei den Weibchen und die für das geruchsgesteuerte Verhalten der Männchen nicht aneinander gekoppelt sind - sie liegen sogar auf unterschiedlichen Chromosomen. Dies erschwert die Suche nach dem Auslöser des Selektionsdrucks auf die Gene, der letztlich zur Bildung der beiden Rassen geführt haben müsste. Solche Entwicklungsvorgänge aber, und daran besteht kaum Zweifel, begründen typischerweise die Entstehung neuer Arten. Wenn man allerdings im Labor auf engstem Raum Männchen und Weibchen aus den verschiedenen Rassen einsperrt, findet Paarung statt und es werden fruchtbare Nachkommen erzeugt. Dies ermöglichte klassische genetische Experimente, zum Beispiel Kreuzung und Rückkreuzung. Die Wissenschaftler fanden so heraus, dass Mutationen in einem Enzym kodierenden Gen die Aufspaltung in die Z- oder E-Rasse verantworten. Sexuallockstoffe werden in der Landwirtschaft zum Pflanzenschutz eingesetzt. Mit so genannten Pheromonfallen werden ge-, oder besser noch enttäuschte Männchen buchstäblich aus dem Verkehr gezogen. Diese Technik ist aufgrund des Einsatzes der artspezifischen Sexuallockstoffe und weil nur geringe Mengen an Pheromonen eingesetzt werden besonders umweltverträglich. [JWK] Zünsler-Raupe auf Maiskolben. Männchen und Weibchen des Maiszünslers. Fotos: Bernd Hommel, Julius-KühnInstitut , mit freundlicher Genehmigung. Originalveröffentlichung: Lassance, J. M., Groot, A. T., Liénard, M. A., Binu, A., Borgwardt, C., Andersson, F., Hedenström, E., Heckel, D. G., Löfstedt, C. (2010). Allelic variation in a fatty-acyl reductase gene causes divergence in moth sex pheromones. Nature, 466, 486-489. PULS/CE 16 Newsletter Oktober 2010 | Research Highlight Tödliches Eigentor: Grüner Duft wird TabakschwärmerRaupen zum Verhängnis Eine frisch geschlüpfte Raupe des Tabakschwärmers (Manduca sexta) wird von einer Raubwanze attackiert. Die Raupe hatte zuvor – katalysiert durch eine Substanz in ihrem Speichel – die Chemie eines Blattduftstoffs so verändert, dass dieser ihren Feind angelockt hat. Foto: Matthey Film Silke Allmann Foto: MPI-CE Pflanzen können sich nicht nur direkt mit Giftstoffen gegen Fraßfeinde wehren, sondern auch indirekt. Sie geben spezielle Locksubstanzen ab, die von Schlupfwespen oder Raubwanzen wahrgenommen werden; diese fliegen dann zur attackierten Pflanze und fressen oder parasitieren deren Schädling. Dass auch so genannter „grüner Blattduft“ die Feinde der Feinde anlocken kann, fanden jetzt Wissenschaftler der Abteilung Molekulare Ökologie durch ihre Untersuchungen an wildem Tabak und dessen natürlichen Feinden, den Tabakschwärmerraupen, heraus. Grüne Blattduftstoffe sind flüchtige Substanzen, die aus grünen Blättern nach Verwundung abgegeben werden – sie verleihen beispielsweise gemähtem Rasen dessen typische frische Duftnote. Die Forscher beobachteten, dass die Menge eines bestimmten grünen Duftstoffes, des (E)-2-Hexenals, schnell zunimmt, wenn Verdauungssekret der Raupen auf verwundete Tabakblätter aufgetragen wird. Hexenal, ein Aldehyd, kommt in der Tabakpflanze in zwei Formen vor: (Z)-3-Hexenal und (E)-2-Hexenal. Die Forscher vermuteten, dass das vermehrte Auftreten des Isomers (E)-2-Hexenal Raubwanzen anlockt, denn sie entdeckten diese Insekten immer dann, sobald auf Tabakblättern Raupen aus den Eiern schlüpften und begannen, durch Fressen die Blätter zu verletzen. Originalveröffentlichung: Allmann, S., Baldwin, I. T. (2010). Insects betray themselves in nature to predators by rapid isomerization of green leaf volatiles. Science, 329, 1075-1078. Um diese Vermutung zu untermauern, starteten die Wissenschaftler Versuchsreihen, bei denen Motteneier und Mischungen aus (Z)-3-Hexenal und (E)-2-Hexenal eingesetzt wurden. Im Freiland wurden auf Tabakblätter Eier aufgeklebt und daneben die verschiedenen Duftsignal-Mixturen aufgetragen. Nach zwölf und 24 Stunden wurde das Schicksal der Eier ermittelt: Mit dem „Z-Köder“ parfümierte Pflanzen zeigten nur einen Verlust von acht Prozent der Eier, Pflanzen mit dem „E-Köder“ jedoch einen Verlust von 24 Prozent. Die Eier waren von Raubwanzen der Gattung Geocoris vertilgt worden, und auffallend war die schnelle Reaktionszeit: In weniger als einer Stunde war die Z-E-Umwandlung vollzogen und in weniger als 24 Stunden hatten die Wanzen die Eier geraubt und vertilgt. Andere indirekte Verteidigungsmaßnahmen von Pflanzen, die neue Stoffwechselwege in Betrieb setzen müssen, bevor sie Duftsignale bilden und aussenden, sind bedeutend langsamer. Dahingegen gibt die Pflanze das (E)-2-Hexenal-Duftsignal nicht nur schnell ab, sondern umherfliegende Wanzen erhalten auch gleichzeitig ausreichende „chemische“ Information über den Aufenthaltsort ihrer Beute. Dies macht den „grünen“ chemischen Alarmruf für die Pflanze so effektiv. Aber wie und warum verrät sich die Raupe? Sehr wahrscheinlich befindet sich im Verdauungssekret der Tiere eine spezielles Enzym, eine Isomerase, die das Z:E Verhältnis in Richtung des (E)-2-Hexenals verschiebt. Die Wissenschaftler sind dabei, dies zu untersuchen. Mit diesem Enzym und der Bildung von (E)-2-Hexenal allerdings verrät sich die Raupe, so wird angenommen, ungewollt. Silke Allmann und Ian Baldwin spekulieren, dass die Tiere das (E)-2-Hexenal eigentlich bilden, um sich vor bakteriellen Infektionen zu schützen. Der Gewinner dieser Nahrungskette ist jedenfalls die Raubwanze, die unbeschadet und satt aus dem Rennen hervorgeht - dank ihrer sensiblen Antennen, mit denen sie das (E)-2-Hexenal in kleinsten Mengen riechen kann. [JWK] PULS/CE 16 Research Highlight | Newsletter Oktober 2010 Rotlicht steuert Nektarfluss Blühende Pflanzen produzieren Nektar, um bestäubende Insekten anzulocken. Einige Pflanzenarten wie die Limabohne geben zusätzlich Nektar aus so genannten extrafloralen Nektarien ab, um Ameisen zur Abwehr ihrer Fraßfeinde anzulocken. Wissenschaftler aus der Abteilung Bioorganische Chemie widmen sich besonders dieser „süßen“ Art der pflanzlichen Verteidigung. Die aus Indien stammende Doktorandin Radhika Venkatesan hat zu diesem Thema Versuche durchgeführt und überprüft, ob die Regulation der Nektarproduktion der Limabohne lichtabhängig ist. Schließlich besteht Nektar im Wesentlichen aus Zuckern, und Zucker sind frühe Zwischenstufen der Photosynthese – also einem lichtabhängigen Prozess. Im Laufe ihrer Experimente kam sie einem alten Bekannten der Pflanzenforschung auf die Spur – den so genannten Phytochromen. Pflanzen haben in ihren Blättern Phytochrome als Lichtdetektoren, die – im übertragenen Sinne – gern auch als das „Auge der Pflanze“ beschrieben werden. Es zeigte sich, dass nicht die Lichtmenge, sondern die Lichtqualität eine entscheidende Rolle bei der Steuerung der Nektarproduktion in der Limabohne spielt. Hierbei absorbiert das Phytochrom langwellige, rote Lichtanteile, wodurch Pflanzen die Qualität des eingestrahlten Sonnenlichts bestimmen können, welches sich je nach Tagesoder Jahreszeit ändert. Die Experimente zeigen nun erstmals, dass Pflanzen auch bei der Regulierung ihrer indirekten Abwehr gegen Schädlinge das Phytochromsystem einsetzen, um effektiv und ökonomisch ihre Verteidigungslinien aufzustellen. Welche Rolle spielen Phytohormone in diesem Zusammenhang? Bekannt ist, dass Jasmonsäure (JA) als Signal bei der Blattschädigung durch Fraßfeinde dient und ihr so eine zentrale Rolle bei der Steuerung der Nektarsekretion zukommt. Die über das Phytochrom gesteuerten Prozesse, so fanden die Wissenschaftler heraus, greifen maßgeblich in die Signalwirkung der Jasmonsäure ein: Im Dunkeln hemmt freie Jasmonsäure den Nektarfluss, während sie im Hellen seine Produktion stimuliert. Den Schlüssel für dieses lichtgesteuerte Verhalten fand die Doktorandin in einer enzymatischen Reaktion, bei der Jasmonsäure mit der Aminosäure Isoleucin verknüpft wird.Das dabei entstehende Konjugat JA-Ile ist der eigentlich wirksame Signalstoff, der den Nektar fließen lässt. Dieses bereits aus anderen Untersuchungen bekannte Signalmolekül konnte somit erstmalig als eigentlicher Auslöser der Produktion extrafloralen Nektars identifiziert werden. Zusätzliche Experimente bestätigten, dass sobald die Verknüpfung von JA und Isoleucin durch Zugabe eines Hemmstoffes unterbunden wurde, auch die Steigerung der Nektarproduktion ausblieb. Wurden Pflanzen im Dunkeln beschädigt, um die JA-Bildung anzuregen, wurde JA-Ile wiederum nur in denjenigen Blättern gebildet, die Rotlicht ausgesetzt worden waren. [JWK] Ameisen aus der Gattung Crematogaster befreien eine Limabohne (Phaseolus lunatus) von einem Frassfeind. Foto: Christian Kost, MPI-CE Radhika Venkatesan Foto: MPI-CE Originalveröffentlichung: Radhika, V., Kost, C., Mithöfer, A., Boland, W. (2010). Regulation of extrafloral nectar secretion by jasmonates in lima bean is light dependent. Proceedings of the National Academy of Sciences USA, 107, 17228–17233. PULS/CE 16 Newsletter Oktober 2010 | Research Highlight Zwei Pflanzen, ein Betrug Originalveröffentlichungen: Stökl, J., Strutz, A., Dafni, A., Svatos, A., Doubský, J., Knaden, M., Sachse, S., Hansson, B., Stensmyr, M. C. (2010). A deceptive pollination system targeting drosophilids through olfactory mimicry of yeast. Current Biology, doi:10.1016/j.cub.2010.09.033. Stökl, J., Brodmann, J., Dafni, A., Sie sind schön, und viele von ihnen stehen unter Naturschutz: die Orchideen. Sie sind außergewöhnlich, und viele von ihnen genießen unsere besondere Aufmerksamkeit: die Aronstabgewächse. Aber noch etwas haben die Pflanzen gemeinsam: Mit chemischen Tricks täuschen sie fliegende Insekten, Frucht- oder Schwebfliegen, um fremden Pollen zu empfangen und eigenen Pollen an benachbarte Blüten weiterzugeben. Ayasse, M., Hansson, B. (2010). Smells like aphids: orchid flowers mimic aphid alarm pheromones to attract hoverflies for pollination. Proceedings of the Royal Society B, doi:10.1098/ rspb.2010.1770. Rechts oben: Die Germerblättrige Stendelwurz hat eine Schwebfliege angelockt. Foto: Johannes Stökl, MPI-CE. Unten: Im Blütenkelch der Schwarzen Calla gefangene Fruchtfliegen. Foto: Johannes Stökl, Curr. Biol., 7. Oktober 2010. Pflanzen zeigen sich eigentlich für Bestäuberdienste erkenntlich. Zuerst geben sie sich durch spezifische Aromen ihrer Blüten zu erkennen – wilder Tabak beispielsweise durch jasminduftendes Benzylaceton – und angelockte Bestäuber werden umgehend mit viel Nektar belohnt. Unsere beiden exotischen Gewächse jedoch belügen und betrügen ihre Bestäuber. Erst einmal geben sie vor, etwas zu sein, was den gewünschten Bestäuber anlockt: Die Schwarze Calla, ein Aronstabgewächs, verströmt hefeartigen Duft, denn viele Fruchtfliegen ernähren sich von Hefe; die Germerblättrige Stendelwurz täuscht durch Abgabe von BlattlausAlarmpheromonen Blattlauskolonien vor, von denen sich die Larven von Schwebfliegen ernähren. Dann werden die betrogenen Bestäuber nicht oder nur kaum mit Nektar belohnt: Die Fruchtfliegen werden sogar so lange gefangen gehalten, bis sie voll von Pollenstaub sind, um dann hungrig von der Pflanze entlassen zu werden; und die aus Schwebfliegeneiern schlüpfenden Larven in der Orchideenblüte müssen elendlich verhungern, denn es waren ja gar keine Blattläuse da! All dies sind ganz natürliche Vorgänge. Natürlich, weil die Natur die verschiedensten Spielarten der chemischen Kommunikation hervorbringt, auch die unehrlichen, wenn sie denn dem Fortbestand nützlich sind. Nur können solche Interaktionen zum Nachteil mancher Beteiligter geraten – in unserem Beispiel sind es vor allem die Babys der Schwebfliegen, die ob der Täuschung der Orchidee nur ein sehr kurzes Dasein fristen dürfen. Sollten wir also statt Natur besser Wildnis sagen? Lesen Sie dazu auch das Editorial auf Seite 2. Genaueres zum Aronstab und zur Orchidee können Sie den beiden Publikationen entnehmen (siehe linke Spalte). [JWK] PULS/CE 16 News | Newsletter Oktober 2010 Titanenwurz blüht erstmals im Gewächshaus des MPI Der Titanenwurz (Amorphophallus titanum) ist eine der spektakulärsten Pflanzenarten weltweit, besitzt sie doch den größten Blütenstand im gesamten Pflanzenreich. Die Pflanze, deren natürliches Vorkommen sich auf Urwälder der indonesischen Insel Sumatra beschränkt, ist sehr selten in der Kultur und blühte am 28. Juni 2010 zum ersten Mal überhaupt in Thüringen: im Forschungsgewächshaus des MPI. Die Pflanze wurde aus Samen gezogen, die im Jahr 2003 im Palmengarten Frankfurt am Main gesammelt wurden. Sie befand sich im sechsten Vegetationszyklus nach der Aussaat. Ihre Blüte, die einen Umfang von fast eineinhalb Metern erreichte und üblen Aasgeruch verströmte, lockte Paulina Dabrowska erhält Otto-Hahn-Medaille Paulina Dabrowska, eine der ersten Stipendiatinnen der International Max Planck Research School in Jena, wurde in diesem Jahr mit der Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesell- Evolutionsbiologie: Volkswagenstiftung fördert Forschergruppe Dank finanzieller Förderung der Stiftungsinitiative Evolutionsbiologie – einem Impulsprogramm der Volkswagenstiftung – kann Dr. Christian Kost in den nächsten fünf Jahren neue Doktorarbeiten vergeben und betreuen. Zusätzlich konnte sich sein Team über mehrere neue Spezialgeräte freuen. Erforscht wird die Entstehung von Mutualismen, das heißt: Kooperationen zwischen verschiedenen Arten. Dieses Gebiet ist in der Evolutionsforschung neben einer Vielzahl von Fliegen auch viele neugierige Besucher an, die bis spät in die Nacht kamen, um dieses Naturschauspiel – der Titanenwurz blüht nur maximal 24 Stunden – nicht zu verpassen. Ein Projekt der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie beschäftigt sich mit der verwandten Gattung Arum. Im Mittelpunkt des Interesses steht die Evolution der faszinierenden Bestäubungsmechanismen, deren verschiedene Blütenduftnoten von Urin oder Kot über süße Weinaromen bis hin zu Düften reichen, die den Sexuallockstoffen bestimmter Insekten ähnlich sind. Eine wichtige Grundlage für die Studien lieferte die in diesem Jahr von Bill Hansson und Marcus Stensmyr erstmals aufgestellte molekulare Phylogenie (Evolutionsgeschichte) aller bekannten Arten aus der Gattung Arum. [AO] schaft ausgezeichnet. Die Verleihung fand am 16. Juni 2010 im Rahmen der diesjährigen Hauptversammlung der Max-Planck-Gesellschaft in Hannover statt. Mit der Auszeichnung gewürdigt wird ihre herausragende Doktorarbeit zur Rolle von Oxylipin-Pflanzenhormonen bei Interaktionen zwischen Pflanzen und Insekten. [AO] bislang nur wenig beachtet worden. In der Natur finden sich viele Beispiele, bei denen Lebewesen einander helfen und auf diese Weise ihre Art schützen und erhalten. Allgemein bekannt sind zum Beispiel Bestäuber, die als Dank für ihre Dienstleistung von der Blütenpflanze mit Nektar belohnt werden. Wie aber solche „Helfermerkmale“ entstehen und sich genetisch manifestieren, ist bislang nicht erforscht. Genau dieser Frage wird sich die Forschergruppe nun widmen, indem sie sich auf einfache, experimentell sehr leicht zugängliche Organismen konzentriert: Bakterien. [JWK] Gewächshausleiterin Dr. Tamara Krügel bei ihrer Pflanze: Zur Zeit der Blüte heizt sich die Keule stark auf und gibt einen üblen Aasgeruch ab, weshalb der Titanenwurz auch Riesenstinkwurz genannt wird. Foto: Angela Overmeyer, MPI-CE Dr. Paulina Dabrowska Dr. Christian Kost mit einer Petrischale, auf der verschiedene Bakterienkolonien wachsen. Foto: Angela Overmeyer, MPI-CE PULS/CE 16 Newsletter Oktober 2010 | News & Events MPI als hervorragende Ausbildungsstätte ausgezeichnet Andreas Weber, Vanessa Nawrocki Der Minister für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz des Freistaat Thüringen zeichnete das Max-Planck Institut für chemische Ökologie als „Erfolgreichen Ausbildungsbetrieb 2010“ aus. Der Preis würdigte die Leistung der Auszubildenden zur Gärtner/in im Zierpflanzenbau Vanessa Nawrocki, die ihre Abschlussprüfung mit Auszeichnung und dem besten Ergebnis in Thüringen bestand, sowie ihren Ausbilder Andreas Weber. Neben überdurchschnittlichen Leistungen der Auszubildenden und dem Engagement der Ausbilder ist auch die Werbung für „Grüne Berufe“ ein wichtiges Kriterium für diese Auszeichnung. [AO] Foto: Angela Overmeyer, MPI-CE Veranstaltungstipps: 60 Jahre Wissenschaft am Beutenberg Der Beutenberg Campus Jena feiert in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag als Wissenschaftsstandort. Anlässlich dieses Jubiläums werden in einer öffentlichen einwöchigen Ausstellung Historie und Perspektiven des Beutenberg Campus vorgestellt. Die Ausstellung im Foyer des Abbe-Zentrums wird am Donnerstag, den 9. Dezember 2010 um 16:00 Uhr feierlich eröffnet und kann bis zum 17. Dezember täglich von 9 bis 17 Uhr besucht werden. Parallel zur Ausstellung wird Dr. Gerhard Müller von Fritz-Lipmann-Institut eine große Auswahl von Bildern seines umfangreichen Archivs zur Geschichte des Beutenbergs vorstellen, am Freitag, den 10.Dezember 2010, um 16 Uhr (Die Entwicklung des Beutenbergs in Bildern und Fakten von 1950 bis zur Wiedervereinigung), und am Mittwoch, den 15. Dezember 2010, um 17 Uhr (Bilderbuch zu zwei Jahrzehnten Entstehung des Campus in der Wissenschaftsstadt Jena). Ort: Hörsaal, Abbe-Zentrum Beutenberg, Hans-Knöll-Straße 1 www.beutenberg.de Forsche Schüler 2011 Am Donnerstag, den 14. April 2011, findet auf dem Beutenberg Campus Jena der zweite „Forsche-Schüler-Tag“ statt. Auch das Max-Planck-Institut für chemische Ökologie lädt wieder alle Schülerinnen und Schüler ab der 8. Klasse ein, im Labor spannende Experimente an und mit Pflanzen und Insekten durchzuführen. Ein detailliertes Programm wird voraussichtlich ab Februar 2011 erhältlich sein. Symposium Chemische Ökologie Das International Symposium on Chemical Ecology – Reception, Detection and Deception (Ento 2011) der Royal Entomological Society findet von 7. - 9. September 2011 am Natural Resources Institute der Universität Greenwich in Chatham Maritime, Kent, England, statt. Zu den Organisatoren gehört auch Bill S. Hansson, Direktor der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie. http://www.royensoc.co.uk/meetings/20110907_ento11.htm www.ice.mpg.de Impressum: PULS-CE erscheint zweimal jährlich auf der Homepage des MPI für chemische Ökologie und kann auch kostenlos abonniert werden. Die Verteilung erfolgt elektronisch als PDF, auf Wunsch werden gedruckte Exemplare verschickt. Herausgeber: MPI-CE, Jena. Geschäftsführender Direktor: Prof. Dr. Wilhelm Boland (viSdP). Redaktion: Dr. Jan-W. Kellmann, Forschungskoordination • Angela Overmeyer M.A., Presse- und Öffentlichkeitsarbeit