Ausgabe 16 Oktober 2010 - Max Planck Institute for Chemical Ecology

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PULS/CE 16
Public Understanding of Life Sciences / Chemical Ecology
Newsletter Oktober 2010
Der kleine E/Z Unterschied und seine Folgen
Der Maiszünsler Ostrinia nubilalis ist ein gefährlicher Ernteschädling, der in zwei
Rassen vorkommt, die als E und Z bezeichnet werden. Der E/Z Unterschied basiert
auf der Chemie eines Maiszünsler-typischen Sexuallockstoffs und hat für den
Schädling große Folgen … S. 3
Tödliches Eigentor
Grüner Duft - Substanzen, die für den typischen Geruch von frisch gemähtem
Rasen verantwortlich sind - wird Tabakschwärmer-Raupen zum Verhängnis. Dies
fanden jetzt Wissenschaftler aus der Abteilung Molekulare Ökologie bei ihren
Untersuchungen an wildem Tabak und dessen natürlichen Feinden heraus … S. 4
Rotlicht steuert Nektarfluss
Wissenschaftler der Abteilung Bioorganische Chemie konnten nachweisen, dass
die Regulation der extrafloralen Nektarproduktion in Pflanzen, um Ameisen zur
Abwehr ihrer Fraßfeinde anzulocken, durch Licht gesteuert wird … S. 5
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Newsletter Oktober 2010 | Editorial
Natur oder Wildnis?
Liebe Leserinnen und Leser!
Die Begriffe Natur und Wildnis haben – in einer lebendigen Sprache nichts Besonderes – im
Laufe der Jahre unterschiedliche Bedeutungen
erfahren, vergleichbar mit den Begriffen Mann
versus Kerl oder Frau versus Weib, von denen die
Bezeichnungen Kerl beziehungsweise Weib einen
Wandel zum Pejorativ, also zu einer negativen Bedeutung, vollzogen haben.
Die Schwarze Calla, ein
Aronstabgewächs, lockt mit ihrem
Duft nach fauligem Obst Fruchtfliegen
in die Falle, um sie erst Stunden später
– ausgestattet mit reichlich Pollen,
aber immer noch hungrig – wieder zu
entlassen.
Grafik: Marcus Stensmyr, MPI-CE
Seit geraumer Zeit erfährt der Begriff Natur eine Melioration, also einen immer besser werdenden, positiven Anklang. In der
Lebensmittelwerbung fördern heutzutage
Wortschöpfungen wie „naturbelassen“ oder
„naturidentisch“ den Verkauf entsprechend
deklarierter Nahrungsmittel erheblich.
Wildnis hingegen ist ein Begriff mit einem
gestern wie heute tendenziell negativen Anstrich geblieben, denn „wild“ wird mit „gefährlich“ oder „ungeordnet“ assoziiert. Biologisch betrachtet, beschreiben die Begriffe
Natur oder Wildnis jedoch ein und dasselbe,
nämlich Lebensräume, in denen Organismen
– von der Bakterie bis zum Baum – zahlreiche
Tricks verwenden, um sich selbst und ihre
Art zu erhalten. Dazu ist ihnen jedes Mittel
recht.
Lesen Sie in diesem Zusammenhang auf
Seite 6 von einem Aronstabgewächs und von
einer Orchidee, die ihre Bestäuber durch Vortäuschen einer Nahrungsquelle derart belügen, dass
sogar, wie im Falle der Orchidee, aus Schwebfliegeneiern schlüpfende Larven dem Tode geweiht sind, weil nämlich gar keine Nahrung in
der betrügerischen Blüte vorhanden war. Im Allgemeinen betrachten wir Menschen Orchideen
als schön und exotisch, mithin als schützenswert,
jedoch sind ihre Tricks alles andere als edelmütig,
sobald es um ihre Nachkommen, also die Samenbildung, geht. Was also sind Orchideen: „natürlich
schön“ oder „arglos wild“? Oder beides, je nachdem, was wir Menschen in ihnen finden wollen?
Bleibt anzumerken, dass das Adjektiv „wild“ immer auch etwas Aufregendes oder Spannendes
mutmaßen lässt. Cornelia Funkes Jugendbücher
„Die wilden Hühner“ klingen unmittelbar nach
Abenteuer, Mut und Aufbruch. Ob sich ihre Bücher auch so gut verkauft hätten, wenn sie „Die
naturbelassenen Hühner“ geheißen hätten?
Mit den besten Wünschen
Ihr
Jan-W. Kellmann
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Research Highlight | Newsletter Oktober 2010
Der kleine E/Z
Unterschied und
seine Folgen
Der Maiszünsler Ostrinia nubilalis ist ein gefährlicher Ernteschädling, der weltweit durch Insektizide, Gentechnik oder biologische Maßnahmen
bekämpft wird. Er kommt in zwei Rassen vor, E
und Z, wobei nur Z die Maispflanzen attackiert.
Der E/Z Unterschied basiert auf der Chemie des
Maiszünsler-typischen Sexuallockstoffs 11-Tetradecenylacetat, der in den Formen Z (cis) oder
E (trans) vorkommt. Dies ist zwar nur ein kleiner
Unterschied, doch für die Biologie des Schädlings
hat er große Folgen.
Dieses Enzym, eine Reduktase, erzeugt aus
einer ungesättigten Fettsäure einen Alkohol,
der nach Anlagerung einer Acetylgruppe das
Endprodukt 11-Tetradecenylacetat darstellt.
In früheren Untersuchungen hatten Wissenschaftler aus Schweden und der Abteilung Entomologie festgestellt, dass in den Pheromondrüsen von Weibchen das E- und Z-Isomer nicht
in gleichen Mengen vorlag: Ein Teil der Weibchen gibt 11-Tetradecenylacetat im Verhältnis
E 98 : Z 2 ab, der andere Teil hingegen im Verhältnis 3 : 97. Die Männchen sind in der Lage, diesen
Unterschied zu riechen: E-Männchen „fliegen“ nur
auf E-Weibchen und Z-Männchen nur auf Z-Weibchen, was bedeutet, dass zwischen den beiden
Rassen praktisch kein Kreuzen mehr stattfindet.
Wie die Männchen entsprechende Rezeptoren
evolviert haben, um die E- und Z-Pheromone
nachweislich perfekt unterscheiden zu können,
ist noch ungeklärt. Gefunden wurde bereits, dass
die Gene für die Erzeugung des Lockstoffes bei
den Weibchen und die für das geruchsgesteuerte
Verhalten der Männchen nicht aneinander gekoppelt sind - sie liegen sogar auf unterschiedlichen
Chromosomen. Dies erschwert die Suche nach
dem Auslöser des Selektionsdrucks auf die Gene,
der letztlich zur Bildung der beiden Rassen geführt
haben müsste. Solche Entwicklungsvorgänge
aber, und daran besteht kaum Zweifel, begründen
typischerweise die Entstehung neuer Arten.
Wenn man allerdings im Labor auf engstem Raum
Männchen und Weibchen aus den verschiedenen
Rassen einsperrt, findet Paarung statt und es
werden fruchtbare Nachkommen erzeugt. Dies
ermöglichte klassische genetische Experimente,
zum Beispiel Kreuzung und Rückkreuzung. Die
Wissenschaftler fanden so heraus, dass Mutationen in einem Enzym kodierenden Gen die Aufspaltung in die Z- oder E-Rasse verantworten.
Sexuallockstoffe werden in der Landwirtschaft
zum Pflanzenschutz eingesetzt. Mit so genannten
Pheromonfallen werden ge-, oder besser noch
enttäuschte Männchen buchstäblich aus dem
Verkehr gezogen. Diese Technik ist aufgrund des
Einsatzes der artspezifischen Sexuallockstoffe
und weil nur geringe Mengen an Pheromonen eingesetzt werden besonders umweltverträglich.
[JWK]
Zünsler-Raupe auf Maiskolben.
Männchen und Weibchen des
Maiszünslers.
Fotos: Bernd Hommel, Julius-KühnInstitut , mit freundlicher Genehmigung.
Originalveröffentlichung:
Lassance, J. M., Groot, A. T., Liénard,
M. A., Binu, A., Borgwardt, C.,
Andersson, F., Hedenström, E., Heckel,
D. G., Löfstedt, C. (2010). Allelic
variation in a fatty-acyl reductase
gene causes divergence in moth sex
pheromones. Nature, 466, 486-489.
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Newsletter Oktober 2010 | Research Highlight
Tödliches Eigentor: Grüner
Duft wird TabakschwärmerRaupen zum Verhängnis
Eine frisch geschlüpfte Raupe des
Tabakschwärmers (Manduca sexta)
wird von einer Raubwanze attackiert.
Die Raupe hatte zuvor – katalysiert
durch eine Substanz in ihrem Speichel
– die Chemie eines Blattduftstoffs so
verändert, dass dieser ihren Feind
angelockt hat. Foto: Matthey Film
Silke Allmann
Foto: MPI-CE
Pflanzen können sich nicht nur direkt mit Giftstoffen gegen Fraßfeinde wehren, sondern auch
indirekt. Sie geben spezielle Locksubstanzen ab,
die von Schlupfwespen oder Raubwanzen wahrgenommen werden; diese fliegen dann zur attackierten Pflanze und fressen oder parasitieren
deren Schädling. Dass auch so genannter „grüner
Blattduft“ die Feinde der Feinde anlocken kann,
fanden jetzt Wissenschaftler der Abteilung Molekulare Ökologie durch ihre Untersuchungen an
wildem Tabak und dessen natürlichen Feinden,
den Tabakschwärmerraupen, heraus. Grüne Blattduftstoffe sind flüchtige Substanzen, die aus
grünen Blättern nach Verwundung abgegeben
werden – sie verleihen beispielsweise gemähtem Rasen dessen typische frische Duftnote. Die
Forscher beobachteten, dass die Menge eines bestimmten grünen Duftstoffes, des (E)-2-Hexenals,
schnell zunimmt, wenn Verdauungssekret der
Raupen auf verwundete Tabakblätter aufgetragen wird. Hexenal, ein Aldehyd, kommt in der Tabakpflanze in zwei Formen vor: (Z)-3-Hexenal und
(E)-2-Hexenal. Die Forscher vermuteten, dass das
vermehrte Auftreten des Isomers (E)-2-Hexenal
Raubwanzen anlockt, denn sie entdeckten diese
Insekten immer dann, sobald auf Tabakblättern
Raupen aus den Eiern schlüpften und begannen,
durch Fressen die Blätter zu verletzen.
Originalveröffentlichung:
Allmann, S., Baldwin, I. T. (2010).
Insects betray themselves in nature
to predators by rapid isomerization
of green leaf volatiles. Science, 329,
1075-1078.
Um diese Vermutung zu untermauern, starteten
die Wissenschaftler Versuchsreihen, bei denen
Motteneier und Mischungen aus (Z)-3-Hexenal
und (E)-2-Hexenal eingesetzt wurden. Im Freiland wurden auf Tabakblätter Eier aufgeklebt und
daneben die verschiedenen Duftsignal-Mixturen
aufgetragen. Nach zwölf und 24 Stunden wurde
das Schicksal der Eier ermittelt: Mit dem „Z-Köder“ parfümierte Pflanzen zeigten nur einen Verlust von acht Prozent der Eier, Pflanzen mit dem
„E-Köder“ jedoch einen Verlust von 24 Prozent.
Die Eier waren von Raubwanzen der Gattung
Geocoris vertilgt worden, und auffallend war
die schnelle Reaktionszeit: In weniger als einer
Stunde war die Z-E-Umwandlung vollzogen und
in weniger als 24 Stunden hatten die Wanzen die
Eier geraubt und vertilgt. Andere indirekte Verteidigungsmaßnahmen von Pflanzen, die neue Stoffwechselwege in Betrieb setzen müssen, bevor
sie Duftsignale bilden und aussenden, sind bedeutend langsamer. Dahingegen gibt die Pflanze
das (E)-2-Hexenal-Duftsignal nicht nur schnell ab,
sondern umherfliegende Wanzen erhalten auch
gleichzeitig ausreichende „chemische“ Information über den Aufenthaltsort ihrer Beute. Dies
macht den „grünen“ chemischen Alarmruf für die
Pflanze so effektiv.
Aber wie und warum verrät sich die Raupe? Sehr
wahrscheinlich befindet sich im Verdauungssekret
der Tiere eine spezielles Enzym, eine Isomerase,
die das Z:E Verhältnis in Richtung des (E)-2-Hexenals verschiebt. Die Wissenschaftler sind dabei,
dies zu untersuchen. Mit diesem Enzym und der
Bildung von (E)-2-Hexenal allerdings verrät sich
die Raupe, so wird angenommen, ungewollt. Silke Allmann und Ian Baldwin spekulieren, dass die
Tiere das (E)-2-Hexenal eigentlich bilden, um sich
vor bakteriellen Infektionen zu schützen.
Der Gewinner dieser Nahrungskette ist jedenfalls die Raubwanze, die unbeschadet und satt
aus dem Rennen hervorgeht - dank ihrer sensiblen Antennen, mit denen sie das (E)-2-Hexenal in
kleinsten Mengen riechen kann.
[JWK]
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Research Highlight | Newsletter Oktober 2010
Rotlicht steuert
Nektarfluss
Blühende Pflanzen produzieren Nektar, um bestäubende Insekten anzulocken. Einige Pflanzenarten wie die Limabohne geben zusätzlich Nektar
aus so genannten extrafloralen Nektarien ab, um
Ameisen zur Abwehr ihrer Fraßfeinde anzulocken.
Wissenschaftler aus der Abteilung Bioorganische
Chemie widmen sich besonders dieser „süßen“
Art der pflanzlichen Verteidigung. Die aus Indien
stammende Doktorandin Radhika Venkatesan
hat zu diesem Thema Versuche durchgeführt und
überprüft, ob die Regulation der Nektarproduktion der Limabohne lichtabhängig ist. Schließlich
besteht Nektar im Wesentlichen aus Zuckern, und
Zucker sind frühe Zwischenstufen der Photosynthese – also einem lichtabhängigen Prozess. Im
Laufe ihrer Experimente kam sie einem alten Bekannten der Pflanzenforschung auf die Spur – den
so genannten Phytochromen. Pflanzen haben in
ihren Blättern Phytochrome als Lichtdetektoren,
die – im übertragenen Sinne – gern auch als das
„Auge der Pflanze“ beschrieben werden.
Es zeigte sich, dass nicht die Lichtmenge, sondern
die Lichtqualität eine entscheidende Rolle bei
der Steuerung der Nektarproduktion in der Limabohne spielt. Hierbei absorbiert das Phytochrom
langwellige, rote Lichtanteile, wodurch Pflanzen
die Qualität des eingestrahlten Sonnenlichts
bestimmen können, welches sich je nach Tagesoder Jahreszeit ändert. Die Experimente zeigen
nun erstmals, dass Pflanzen auch bei der Regulierung ihrer indirekten Abwehr gegen Schädlinge
das Phytochromsystem einsetzen, um effektiv
und ökonomisch ihre Verteidigungslinien aufzustellen.
Welche Rolle spielen Phytohormone in diesem
Zusammenhang? Bekannt ist, dass Jasmonsäure (JA) als Signal bei der Blattschädigung durch
Fraßfeinde dient und ihr so eine zentrale Rolle
bei der Steuerung der Nektarsekretion zukommt.
Die über das Phytochrom gesteuerten Prozesse,
so fanden die Wissenschaftler heraus, greifen
maßgeblich in die Signalwirkung der Jasmonsäure ein: Im Dunkeln hemmt freie Jasmonsäure den
Nektarfluss, während sie im Hellen seine Produktion stimuliert.
Den Schlüssel für dieses lichtgesteuerte Verhalten fand die Doktorandin in einer enzymatischen
Reaktion, bei der Jasmonsäure mit der Aminosäure Isoleucin verknüpft wird.Das dabei entstehende Konjugat JA-Ile ist der eigentlich wirksame
Signalstoff, der den Nektar fließen lässt. Dieses
bereits aus anderen Untersuchungen bekannte
Signalmolekül konnte somit erstmalig als eigentlicher Auslöser der Produktion extrafloralen
Nektars identifiziert werden. Zusätzliche Experimente bestätigten, dass sobald die Verknüpfung
von JA und Isoleucin durch Zugabe eines Hemmstoffes unterbunden wurde, auch die Steigerung
der Nektarproduktion ausblieb. Wurden Pflanzen
im Dunkeln beschädigt, um die JA-Bildung anzuregen, wurde JA-Ile wiederum nur in denjenigen
Blättern gebildet, die Rotlicht ausgesetzt worden
waren.
[JWK]
Ameisen aus der Gattung
Crematogaster befreien eine
Limabohne (Phaseolus lunatus) von
einem Frassfeind.
Foto: Christian Kost, MPI-CE
Radhika Venkatesan
Foto: MPI-CE
Originalveröffentlichung:
Radhika, V., Kost, C., Mithöfer,
A., Boland, W. (2010). Regulation
of extrafloral nectar secretion by
jasmonates in lima bean is light
dependent. Proceedings of the
National Academy of Sciences USA,
107, 17228–17233.
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Newsletter Oktober 2010 | Research Highlight
Zwei Pflanzen, ein Betrug
Originalveröffentlichungen:
Stökl, J., Strutz, A., Dafni, A., Svatos,
A., Doubský, J., Knaden, M., Sachse,
S., Hansson, B., Stensmyr, M. C.
(2010). A deceptive pollination system
targeting drosophilids through
olfactory mimicry of yeast. Current
Biology, doi:10.1016/j.cub.2010.09.033.
Stökl, J., Brodmann, J., Dafni, A.,
Sie sind schön, und viele von ihnen stehen unter
Naturschutz: die Orchideen. Sie sind außergewöhnlich, und viele von ihnen genießen unsere
besondere Aufmerksamkeit: die Aronstabgewächse. Aber noch etwas haben die Pflanzen
gemeinsam: Mit chemischen Tricks täuschen sie
fliegende Insekten, Frucht- oder Schwebfliegen,
um fremden Pollen zu empfangen und eigenen
Pollen an benachbarte Blüten weiterzugeben.
Ayasse, M., Hansson, B. (2010). Smells
like aphids: orchid flowers mimic
aphid alarm pheromones to attract
hoverflies for pollination. Proceedings
of the Royal Society B, doi:10.1098/
rspb.2010.1770.
Rechts oben: Die Germerblättrige
Stendelwurz hat eine Schwebfliege
angelockt.
Foto: Johannes Stökl, MPI-CE.
Unten: Im Blütenkelch der Schwarzen
Calla gefangene Fruchtfliegen.
Foto: Johannes Stökl, Curr. Biol.,
7. Oktober 2010.
Pflanzen zeigen sich eigentlich für Bestäuberdienste erkenntlich. Zuerst geben sie sich durch
spezifische Aromen ihrer Blüten zu erkennen
– wilder Tabak beispielsweise durch jasminduftendes Benzylaceton – und angelockte Bestäuber werden umgehend mit viel Nektar belohnt.
Unsere beiden exotischen Gewächse jedoch
belügen und betrügen ihre Bestäuber. Erst
einmal geben sie vor, etwas zu sein, was den
gewünschten Bestäuber anlockt: Die Schwarze Calla, ein Aronstabgewächs, verströmt
hefeartigen Duft, denn viele Fruchtfliegen
ernähren sich von Hefe; die Germerblättrige
Stendelwurz täuscht durch Abgabe von BlattlausAlarmpheromonen Blattlauskolonien vor, von
denen sich die Larven von Schwebfliegen ernähren. Dann werden die betrogenen Bestäuber nicht
oder nur kaum mit Nektar belohnt: Die Fruchtfliegen werden sogar so lange gefangen gehalten,
bis sie voll von Pollenstaub sind, um dann hungrig
von der Pflanze entlassen zu werden; und die aus
Schwebfliegeneiern schlüpfenden Larven in der
Orchideenblüte müssen elendlich verhungern,
denn es waren ja gar keine Blattläuse da!
All dies sind ganz natürliche Vorgänge. Natürlich,
weil die Natur die verschiedensten Spielarten der
chemischen Kommunikation hervorbringt, auch
die unehrlichen, wenn sie denn dem Fortbestand
nützlich sind. Nur können solche Interaktionen
zum Nachteil mancher Beteiligter geraten – in
unserem Beispiel sind es vor allem die Babys der
Schwebfliegen, die ob der Täuschung der Orchidee
nur ein sehr kurzes Dasein fristen dürfen. Sollten
wir also statt Natur besser Wildnis sagen? Lesen
Sie dazu auch das Editorial auf Seite 2.
Genaueres zum Aronstab und zur Orchidee können Sie den beiden Publikationen entnehmen (siehe linke Spalte).
[JWK]
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News | Newsletter Oktober 2010
Titanenwurz blüht erstmals im
Gewächshaus des MPI
Der Titanenwurz (Amorphophallus titanum) ist eine
der spektakulärsten Pflanzenarten weltweit, besitzt sie doch den größten Blütenstand im gesamten Pflanzenreich. Die Pflanze, deren natürliches
Vorkommen sich auf Urwälder der indonesischen
Insel Sumatra beschränkt, ist sehr selten in der
Kultur und blühte am 28. Juni 2010 zum ersten Mal
überhaupt in Thüringen: im Forschungsgewächshaus des MPI. Die Pflanze wurde aus Samen gezogen, die im Jahr 2003 im Palmengarten Frankfurt
am Main gesammelt wurden. Sie befand sich im
sechsten Vegetationszyklus nach der Aussaat. Ihre
Blüte, die einen Umfang von fast eineinhalb Metern
erreichte und üblen Aasgeruch verströmte, lockte
Paulina Dabrowska erhält
Otto-Hahn-Medaille
Paulina Dabrowska, eine der ersten Stipendiatinnen der International Max Planck Research
School in Jena, wurde in diesem Jahr mit der
Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesell-
Evolutionsbiologie:
Volkswagenstiftung fördert
Forschergruppe
Dank finanzieller Förderung der Stiftungsinitiative
Evolutionsbiologie – einem Impulsprogramm der
Volkswagenstiftung – kann Dr. Christian Kost in
den nächsten fünf Jahren neue Doktorarbeiten
vergeben und betreuen. Zusätzlich konnte sich sein
Team über mehrere neue Spezialgeräte freuen.
Erforscht wird die Entstehung von Mutualismen,
das heißt: Kooperationen zwischen verschiedenen
Arten. Dieses Gebiet ist in der Evolutionsforschung
neben einer Vielzahl von Fliegen auch viele neugierige Besucher an, die bis spät in die Nacht kamen,
um dieses Naturschauspiel – der Titanenwurz
blüht nur maximal 24 Stunden – nicht zu verpassen.
Ein Projekt der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie beschäftigt sich mit der verwandten Gattung
Arum. Im Mittelpunkt des Interesses steht die Evolution der faszinierenden Bestäubungsmechanismen, deren verschiedene Blütenduftnoten von Urin
oder Kot über süße Weinaromen bis hin zu Düften
reichen, die den Sexuallockstoffen bestimmter Insekten ähnlich sind. Eine wichtige Grundlage für die
Studien lieferte die in diesem Jahr von Bill Hansson
und Marcus Stensmyr erstmals aufgestellte molekulare Phylogenie (Evolutionsgeschichte) aller bekannten Arten aus der Gattung Arum. [AO]
schaft ausgezeichnet. Die Verleihung fand am
16. Juni 2010 im Rahmen der diesjährigen Hauptversammlung der Max-Planck-Gesellschaft in
Hannover statt. Mit der Auszeichnung gewürdigt
wird ihre herausragende Doktorarbeit zur Rolle
von Oxylipin-Pflanzenhormonen bei Interaktionen
zwischen Pflanzen und Insekten. [AO]
bislang nur wenig beachtet worden. In der Natur
finden sich viele Beispiele, bei denen Lebewesen
einander helfen und auf diese Weise ihre Art schützen und erhalten. Allgemein bekannt sind zum Beispiel Bestäuber, die als Dank für ihre Dienstleistung
von der Blütenpflanze mit Nektar belohnt werden.
Wie aber solche „Helfermerkmale“ entstehen und
sich genetisch manifestieren, ist bislang nicht erforscht. Genau dieser Frage wird sich die Forschergruppe nun widmen, indem sie sich auf einfache,
experimentell sehr leicht zugängliche Organismen
konzentriert: Bakterien. [JWK]
Gewächshausleiterin Dr. Tamara
Krügel bei ihrer Pflanze: Zur Zeit
der Blüte heizt sich die Keule stark
auf und gibt einen üblen Aasgeruch
ab, weshalb der Titanenwurz auch
Riesenstinkwurz genannt wird.
Foto: Angela Overmeyer, MPI-CE
Dr. Paulina
Dabrowska
Dr. Christian Kost mit einer
Petrischale, auf der verschiedene
Bakterienkolonien wachsen.
Foto: Angela Overmeyer, MPI-CE
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Newsletter Oktober 2010 | News & Events
MPI als hervorragende Ausbildungsstätte ausgezeichnet
Andreas Weber, Vanessa Nawrocki
Der Minister für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt
und Naturschutz des Freistaat Thüringen zeichnete
das Max-Planck Institut für chemische Ökologie als
„Erfolgreichen Ausbildungsbetrieb 2010“ aus. Der
Preis würdigte die Leistung der Auszubildenden zur
Gärtner/in im Zierpflanzenbau Vanessa Nawrocki,
die ihre Abschlussprüfung mit Auszeichnung und
dem besten Ergebnis in Thüringen bestand, sowie
ihren Ausbilder Andreas Weber.
Neben überdurchschnittlichen Leistungen der
Auszubildenden und dem Engagement der Ausbilder ist auch die Werbung für „Grüne Berufe“
ein wichtiges Kriterium für diese Auszeichnung.
[AO]
Foto: Angela Overmeyer, MPI-CE
Veranstaltungstipps:
60 Jahre Wissenschaft am Beutenberg
Der Beutenberg Campus Jena feiert in
diesem Jahr seinen 60. Geburtstag als
Wissenschaftsstandort. Anlässlich dieses Jubiläums werden in einer öffentlichen einwöchigen Ausstellung Historie und Perspektiven des Beutenberg Campus vorgestellt. Die Ausstellung im Foyer des
Abbe-Zentrums wird am Donnerstag, den 9. Dezember 2010 um 16:00 Uhr feierlich eröffnet und
kann bis zum 17. Dezember täglich von 9 bis 17 Uhr besucht werden.
Parallel zur Ausstellung wird Dr. Gerhard Müller von Fritz-Lipmann-Institut eine große Auswahl von Bildern seines umfangreichen Archivs zur Geschichte des Beutenbergs vorstellen,
am Freitag, den 10.Dezember 2010, um 16 Uhr (Die Entwicklung des Beutenbergs in Bildern und
Fakten von 1950 bis zur Wiedervereinigung), und am Mittwoch, den 15. Dezember 2010, um 17 Uhr
(Bilderbuch zu zwei Jahrzehnten Entstehung des Campus in der Wissenschaftsstadt Jena).
Ort: Hörsaal, Abbe-Zentrum Beutenberg, Hans-Knöll-Straße 1
www.beutenberg.de
Forsche Schüler 2011
Am Donnerstag, den 14. April 2011, findet auf dem Beutenberg Campus Jena der zweite „Forsche-Schüler-Tag“ statt.
Auch das Max-Planck-Institut für chemische Ökologie lädt wieder alle Schülerinnen und Schüler ab der
8. Klasse ein, im Labor spannende Experimente an und mit Pflanzen und Insekten durchzuführen. Ein
detailliertes Programm wird voraussichtlich ab Februar 2011 erhältlich sein.
Symposium Chemische Ökologie
Das International Symposium on Chemical Ecology – Reception, Detection
and Deception (Ento 2011) der Royal Entomological Society findet von 7. - 9. September 2011 am
Natural Resources Institute der Universität Greenwich in Chatham Maritime, Kent, England, statt. Zu
den Organisatoren gehört auch Bill S. Hansson, Direktor der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie.
http://www.royensoc.co.uk/meetings/20110907_ento11.htm
www.ice.mpg.de
Impressum: PULS-CE erscheint zweimal jährlich auf der Homepage des MPI für chemische Ökologie und kann auch
kostenlos abonniert werden. Die Verteilung erfolgt elektronisch als PDF, auf Wunsch werden gedruckte Exemplare
verschickt. Herausgeber: MPI-CE, Jena. Geschäftsführender Direktor: Prof. Dr. Wilhelm Boland (viSdP).
Redaktion: Dr. Jan-W. Kellmann, Forschungskoordination • Angela Overmeyer M.A., Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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