Tiergesundheit Die Klauen der Kleinen kontrollieren Wer Mortellaro effektiv bekämpfen will, sollte im Jungvieh-Stall beginnen. Was dabei zu beachten ist, erklärt Dr. Andrea Fiedler. K Wo liegen die Probleme?Was viele nicht wissen: Eine Infektion durch die Unbedingt vermeiden! • Jungtiere stehen im Kuhstall und auf dem gleichen Schiebergang. • Keimübertragung vom Kuhmist durch Stiefel und Kleidung. • Wenige und verschmutzte Liegeboxen. • Spaltenbreite und Boxenabtrennungen sind nicht altersgerecht. • Stallklima und Belüftung sind mangelhaft. • Futterreste vom Milchvieh und verschimmelte Silage verfüttern. • Unausgeglichene Ration mit Mineralstoff-Mangel. • Zu wenige Kontrollen und keine Reinigung der Klauen. • Erste Klauenpflege findet erst nach dem Kalben statt. R 28 top agrar 12/2014 Fotos: Fiedler onsequente Klauenpflege bei den Jungtieren zahlt sich aus: Wer hier eine Infektion mit Mortellaro-Erregern verhindert, kann seinen gesamten Bestand sanieren. Denn eine Studie der amerikanischen Universität Wisconsin beweist: Auch nach einer erfolgreichen Behandlung der Mortellaroschen Krankheit (Digitale Dermatitis) ist ein Rückfall wahrscheinlich. In der Untersuchung zeigte sich, wenn Tiere schon vor der ersten Kalbung an Mortellaro erkranken, steigt das Risiko für eine Infektion während der Laktation um das Vierfache. Wichtig ist Mortellaro bei Jungtieren frühzeitig zu erkennen: Erstes Anzeichen ist das Entlasten der Klauen und das steile Aufsetzen der Gliedmaßen. Mortellaro-Erreger ist in jedem Lebensalter möglich. So können bereits Fresser mit vier Monaten deutliche Läsionen aufweisen. Größtes Problem: Erkrankte Tiere werden häufig zu spät erkannt. Denn eine Überwachung über die Leistung ist nicht möglich. Daher fallen Fruchtbarkeitsprobleme oder gar Kümmern oft viel zu spät auf. Flammt die Digitale Dermatitis aber im Jungviehbereich auf, sind schnell viele Tiere betroffen. Dies zieht sich dann durch den gesamten Bestand bis hin zu den Färsen. Häufig sind die Betriebe betroffen, die Jungtiere und laktierende Kühe in einem Stallgebäude unterbringen. Dort werden Infektionskeime von den Kuh-Abteilen schnell auf die Jungvieh-Buchten übertragen. Stehen Jungtiere mit den Kühen auf dem gleichen Schiebergang, ist eine konstante Übertragung über den Mist möglich. Hier werden Erreger hin- und hergeschoben. Aber auch auf der anderen Seite des Fut- tertisches kann die Infektion über z. B. Stiefel oder Gerätschaften erfolgen. Hinzu kommt, dass bei der Unterbringung des Jungviehs häufig gespart wird: Liegematten sind nicht vorhanden oder es wird nicht eingestreut, Boxenabtrennungen sind nicht altersgemäß, Spalten fallen zu groß aus, usw. Auch bei der Hygiene (Entmistung, Belüftung, etc.) und Fütterung (keine spezielle Ration, Futterreste vom Milchvieh, verschimmelte Silageanteile, Wasserversorgung, etc.) sparen viele Betriebe. Diese Faktoren reduzieren die körpereigene Abwehr und machen die Tiere anfällig für eine Infektion durch die Mortellaro-Erreger. Erkrankungen verhindern:Die wich- tigste Prophylaxe-Maßnahme ist daher die Stärkung der körpereigenen Abwehr. Das lässt sich durch eine optimale Aufstallung und Fütterung erreichen. Die Tiere müssen altersgerecht unterbracht werden, möglichst in einem ge- sonderten Stallgebäude. Übertragungswege lassen sich verhindern, zum Beispiel mit zusätzlichen Stiefeln für den Jungviehstall. Stallklima, Lauf- und Liegeflächen müssen altersgerecht sein. Wie auch bei Kühen ist insbesondere der Liegekomfort (ausreichend große, eingestreute und saubere Flächen) entscheidend. Ein geringer Liegekomfort verkürzt die Liegezeit und verlängert die Standzeiten in den Laufgängen, die Klauen trocknen kaum ab. Aber auch eine ausbalancierte Ration ist wichtig. Häufig werden Reste aus dem Milchviehbereich verfüttert. Die Zusammensetzung der Ration sollte regelmäßig durch Futterproben überprüft werden. Eine gute Mineralstoff-Versorgung ist besonders wichtig. Denn eine Unterversorgung mit Spurenelementen und Mineralstoffen kann die körpereigene Abwehr massiv verschlechtern. Außerdem sind leere Futtertische beim Jungvieh ebenso tabu wie bei den Laktierenden. Klauenbäder sind im Jungviehstall kaum realisierbar. Doch es gibt andere Möglichkeiten, die Klauen sauber zu halten. Ist ein Fressgitter mit Fixiermöglichkeit vorhanden, können die Füße mit einem Wasserschlauch vorgereinigt werden. Anschließend lässt sich mit der Rückenspritze ein registriertes Biozid, das zur Anwendung an der Klaue vorgesehen ist, einsetzen. Hier sind Produkte, die für Klauenbäder verwendet werden, ebenso geeignet wie spezielle für die lokale Anwendung vorgesehene Mittel. Regelmäßig kontrollieren:Bricht Mor- tellaro dennoch bei den Jungtieren aus, ist eine schnelle Behandlung notwendig. Deshalb ist es wichtig, Infektionen frühzeitig zu erkennen. Erstes Anzeichen ist, dass Tiere eine Gliedmaße (meist Hinterfuß) deutlich steiler aufsetzen als die andere Seite. Schont ein Jungtier seinen Fuß, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit Mortellaro im Anmarsch. Denn im Gegensatz zu laktierenden Kühen sind Rehen oder Geschwüre bei ihnen selten. Es kommen durchaus Tiere vor, die auf beiden Hintergliedmaßen mit „Bockhufen“ deutliche Schmerzen haben. Sie laufen gewissermaßen auf der Spitze, um den Druck auf den schmerzhaften hinteren Bereich zu reduzieren. Dort sitzt eine deutlich sichtbare Hautläsion. Beim bloßen „Drüberschauen“ über den Jungviehbestand fällt dies von vorne vom Fressgitter nicht auf. Daher sind wöchentliche Kontrollen auf lahme Jungtiere wichtig. Das geht Mortellaro beim ersten Melken zu entdecken, ist viel zu spät. Daher sind auch bei Jungtieren regelmäßige KlauenKontrollen wichtig. zum Beispiel bei einer neuen Futtervorlage: Bleiben einzelne Tiere liegen, machen sie sich „verdächtig“, dass etwas nicht stimmt. Zusätzlich sollten die Gliedmaßen aller Tiere regelmäßig auch von hinten kontrolliert werden. Richtig pflegen und behandeln:Die erste Klauenpflege sollte idealerweise mit neun Monaten erfolgen. Hier wird kaum geschnitten, aber in jedem Falle kontrolliert. Spätestens erfolgt die erste Klauenpflege sechs bis acht Wochen nach der Besamung. Ein halbes Jahr später, also sechs bis acht Wochen vor dem ersten Abkalben, sollte wieder gepflegt werden. So gehen die Färsen mit gesunden Klauen in die erste Abkalbung. Fallen infizierte Jungtiere schon vorher auf, sollten sie direkt und gezielt behandelt werden. Vor einer Behandlung werden zunächst die Klauen gepflegt. Je Schnell gelesen • Erkranken Jungtiere an Mor- tellaro, steigt die Wahrscheinlichkeit für eine erneute Infektion in der Laktation. • Deshalb ist es wichtig, der Krankheit bei den Jungtieren vorzubeugen. • Jungvieh nicht auf dem glei- chen Schiebergang mit den Kühen aufstallen. • Auf altersgerechte, saubere Liegeboxen und Spaltenböden achten. • Belüftung und Stallklima nicht vernachlässigen. • Keine Schimmel-Silage füt- tern und Mineralstoff-Mangel vermeiden. jünger das Tier, desto weniger muss oft korrigiert werden. Hier ist zu beachten, dass die Länge der Innenklaue oft dem normalen, altersgemäßen Maß entspricht und nicht noch mehr gekürzt werden darf. Bockhufe müssen wieder der normalen Form zugeführt werden. Anschließend wird behandelt. Bei kleineren Läsionen und Verdachtsstadien (wie Zwischenklauenund Zwischenballenbereich) wird gründlich gereinigt, getrocknet und dann ein geeignetes, antibiotika-haltiges Spray aufgetragen (Wirkstoff Tetrazyklin). Die Behandlung sollte nach 24 Stunden wiederholt werden. Wichtig ist eine trockene und saubere Aufstallung während der Behandlung. Ist die Erkrankung schon weit fortgeschritten („Bockhuf“), reicht das Spray oft nicht aus. Als sehr wirkungsvoll hat sich die Verwendung von Novaderma-Paste erwiesen. Diese keratolytische („hornlösende“) Paste wird auf die gereinigte und trockene Läsion aufgebracht, wenn nötig wird auch der Zwischenklauenspalt berücksichtigt. Der Verband, der gut unterpolstert sein muss, wird nach spätestens drei Tagen entfernt. Neben der lokalen Behandlung ist eventuell eine systemische Antibiose sinnvoll. Penicillin-Präparate sind hier durchaus wirkungsvoll. Pflege rentiert sich.Der beschriebene Zeitaufwand zur Erhaltung der Klauengesundheit wird sich doppelt und dreifach auszahlen. Herden mit massivem MortellaroBefall können so langfristig sogar saniert werden. Die Krankheit wird nicht völlig verschwinden, aber über die gesunde Nachzucht zurückgedrängt. Problemkühe mit chronischen Läsionen werden weitgehend der Vergangenheit angehören. top agrar 12/2014 R 29