Zeitschrift Klima vor Ort

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Ausgabe 2
November 2012
2,90 €
Bauen • Sanieren • Energiesparen im Ostalbkreis
Strom auf Lager
Wie erneuerbare Energien
gespeichert werden können
Rathaus mit Vorbildfunktion
Der Verwaltungssitz in Oberkochen
wurde nach einem ökonomisch und
ökologisch sinnvollen Konzept saniert.
Wärme aus dem Wald
Wie man sein Zuhause mit Holz
umweltfreundlich heizt
Klimaschutz
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Wie isst man heute?
Eine Spurensuche mit Überraschungseffekten.
W
Drei Fragen zum Klimaschutz vor Ort
Auf der Ostalb zum
Klimaschutz beitragen
Bundesumweltminister Peter Altmaier wirbt leidenschaftlich für die
Energiewende: „Wenn wir zeigen können, dass die viertgrößte Energienation der Welt sich umstellen kann, wird das unsere Stellung
nicht schwächen, sondern stärken. Wir sind Vorbild. Andere werden
folgen“, so Altmaier. Doch in welchen Bereichen kann auf der
Ostalb aktiv zum Klimaschutz beigetragen werden? Dazu drei
Fragen an Landrat Klaus Pavel.
Herr Pavel, auch Sie waren
Mitte Oktober Zeuge dieses
Appells bei der Ordensverleihung im Gmünder Prediger. In welchen Bereichen
kann der Landkreis zum Klimaschutz beitragen?
Pavel: Direkt und sehr
wirkungsvoll sparen kann
der Kreis im Bereich der
Wärmeversorgung. Investitionen in den Kliniken,
die an 365 Tagen im Jahr 24
Stunden beheizt werden
müssen, oder in den Berufsschulenzentren
rechnen sich spürbar. CO2-neutrale Heizungen – Hackschnitzel oder Pellets – wie
wir sie inzwischen überall eingebaut haben, wirken sich positiv auf
die Umwelt aus.
Obendrein eignen sich die
riesigen Dachflächen hervorragend für die Photovoltaik. Kreiseigene Fahrzeuge, man denke
nur an die Straßenmeistereien, können zur
Verminderung des CO2-Ausstoßes beitragen.
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Das moderne Energiemanagement von becker steht für eine außergewöhnlich
hohe Energieeffizienz. Eine Anlage, die auf Ihre individuelle Wohnsituation
zugeschnitten ist, spart eben mehr Energie als Standardlösungen.
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Und wo sind die Bürger gefordert?
Die Bürger auf der Ostalb können die
Wärmedämmung ihrer Häuser verbessern
und in die energetische Sanierung investieren. Sie können Bus- und Bahn nutzen. Und vor allem können sie regionale
Produkte kaufen, Waren, die nicht vorher
durch die halbe Welt transportiert wurden.
Welchen Einfluss kann der Kreis dazu auf
seine Bürger nehmen?
Er kann sie vor allem beraten. Deshalb haben wird
gemeinsam mit der Kreishandwerkerschaft, den Architekten und Gemeinden
das EnergiekompetenzZentrum Ostalb gegründet. Dort
gibt es kostenlose Informationen für alle. Wir können
als Kreis die Bürger außerdem motivieren und Anreize
schaffen in Richtung Energiewende. Etwa durch günstige Tarife beim ÖPNV. Das
Firmen- und Semesterticket sind dafür Beispiele. Letzteres kommt bei den Studenten
übrigens super an.
Bis zum Jahr 2025 hat sich der Ostalbkreis das Ziel gesetzt, in den
Städten und Gemeinden 50
Prozent des gesamten Bedarfs über regenerative Energien zu decken. Lässt sich
dieses Ziel erreichen?
Wir arbeiten seit diesem Beschluss konsequent an einem Klimaschutzkonzept. Erst
in der jüngsten Sitzung wurden die Ergebnisse aus Potentialanalyse und Workshops
vorgestellt. Das Papier zeigt deutlich, dass
wir unser Ziel bei der Stromversorgung erreichen können. Allerdings müssten dafür
rund 100 Windkraftanlagen in der Region
gebaut werden. Beim Wärmebedarf wird es
eher schwierig. Aber auch da können wir
besser werden. 50 Prozent wären erst zwischen 2035 und 2040 möglich, da vor allem
die Industrie viel Wärme braucht.
Die Fragen stellte: Anke Schwörer-Haag
November 2012 | KLIMA VOR ORT
3
4
INHALT
INHALT
Titelbilder:
ideeone - istockphoto.de
jörn buchheim - Fotolia.com
6
5
43
öbel aus Pappe
M
Vom Zeitungsständer bis Doppelbett:
trendige Möbelkollektionen aus recyclebarem
Werkstoff.
Klimatisches Gleichgewicht
Ein Stuttgarter Speditionsunternehmen
fördert mit Unterstützung seiner Kunden Klimaschutzprojekte in aller Welt.
Inhalt
8
  7 TITELTHEMA Kimaschutz à la Carte
Herstellung, Transport und Verarbeitung von
Lebensmitteln haben einen erheblichen Anteil
an der weltweiten Produktion klimaschädlicher
Gase. Wie man sich ernährt, trägt also maßgeblich zum individuellen CO2-Fußabdruck bei,
den jeder von uns hinterlässt.
Klimafreundlich essen – ein Widerspruch?
  8 18 20 22 re
g
io
n
al
Vertrauenssache
Da die schrägen Dachfenster durch Gauben ersetzt
wurden, blieb vom vorhandenen Dach nicht mehr viel
übrig. So haben sich die Häuslebesitzer im gleichen
Zug zu einer kompletten Sanierung entschlossen.
Auf diesen Seiten
finden Sie Beiträge aus
dem Landkreis.
KLIMA VOR ORT | November 2012
T rocknen mit Pumpe
Neue Technik reduziert Energieverbrauch beim
Wäschetrocknen.
Regionale Wirtschaft innovativ
40 TITELTHEMA
16 27
Markttrends
27 32 36 43 limaschutz à la Carte
K
Können wir mit unseren Essgewohnheiten den Treibhauseffekt beeinflussen?
Energiesparen
macht Schule
An der Justus-von-Liebig-Schule in Aalen lernen zukünftige
Generationen von Köchen und Hotelfachpersonal den verantwortungsvollen Umgang mit Energie und Ressourcen.
T onnenweise in die Tonne
Lebensmittelverschwendung ist auch schädlich fürs Klima.
Energiespeicher
46 50 58 apazitäten gesucht
K
Wohin mit der Energie, wenn sie gerade nicht
gebraucht wird?
Strom auf Pump
Pumpspeicherkraftwerke – eine bewährte Technik und
ihre Perspektiven im Albvorland.
54 Bauen und Sanieren
achsanierung ist Vertrauenssache
D
Die energetische Sanierung hat nicht nur für niedrigere Heizkosten, sondern dank des Einbaus einer Dachgaube auch für
mehr Licht und mehr Wohnraum gesorgt.
Rathaus
mit Vorbildfunktion
Der Verwaltungssitz in Oberkochen wurde erst völlig entkernt
und anschließend nach einem ökonomisch wie ökologisch
sinnvollen energetischen Sanierungskonzept wiederaufgebaut.
istorische Bauten ökologisch saniert
H
Ein Ellwanger Architekt verwandelt unter Denkmalschutz
stehende Objekte in „Minimal-Energie-Häuser“.
62 trom aus der Region
S
Die Mitglieder der Energiegenossenschaft Virngrund eG
machen sich für Strom aus erneuerbaren Energien aus
der Region stark.
limaneutral umziehen
K
Die Kunden des Stuttgarter Logistik-Unternehmens
Christ können klimaneutral umziehen.
36
Das Vorzeigeobjekt von Architekt Wolfgang Helmle
ist sein eigenes Wohnhaus, das im Erdgeschoss auch
das Büro seiner Firma beherbergt.
Expertenrat
ärme aus dem Wald
W
Tipps für den umweltfreundlichen Einsatz von Holz
als Wärmelieferant.
partipps für die Weihnachtsküche
S
Wie der Stromzähler bei Anisplätzchen und
Weihnachtsgans im Zaum gehalten wird.
limafreundlich über den Tod hinaus
K
Bestattungsinstitute beschäftigen sich mit der
Klima- und Ökobilanz von Bestattungen.
Neue Berufe
F lugzeuge sollen leichter werden
Die German Aerospace Academy in Böblingen bildet
Luft- und Raumfahrt-Ingenieure zum Thema Leichtbau
aus und weiter.
42
Die Wasserkraftanlage Steingrubmühle an der Jagst
erzeugt 180.000 kWh pro Jahr. Das reicht für circa 50
Haushalte.
Service
Veranstaltungen
Kurz vor Schluss
64 66 66 L ängere Akkulaufzeit
Stromspartipps fürs mobile Telefonieren.
trom in Fülle aus Betonhülle
S
Glosse zur Pumpspeichertechnik: Ganz neue
Perspektiven für die gesamte Region.
Impressum, Ausblick
58
Biosarg zum Anfassen
Neue Ideen und Methoden sollen Bestattungen
klimafreundlicher machen.
November 2012 | KLIMA VOR ORT
MARKTTRENDS
riorPark
.com
MARKTTRENDS
Möbel aus Pappe
Bild: © Adrian Hillman - Fotolia.com
Bild: In
te
Text: Stephan Gokeler
N
den Red-Dot-Designpreis für ein Sofa
erhalten, das aus einem schlichten
Stahlrohrgestell und zwei aufblasbaren Papiersäcken als Sitzfläche und
Rückenlehne besteht.
Weitgehend aus Recyclingmaterial
hergestellte Pappmöbel sind auch ökologisch eine gute Wahl. Der Einsatz von
Kunststoffen oder Lacken zur Oberflächenbehandlung entfällt gänzlich.
Und muss das Möbelstück eines Tages
entsorgt werden, kann es einfach zur
Altpapiersammlung vor die Tür gestellt
werden. Allerdings sind die DesignerPappmöbel nicht ganz billig. Doch auch
für die schmale Geldbörse gibt es Abhilfe. Mehrere Do-it-yourself-Ratgeber
beschreiben, wie man Schritt für Schritt
aus Kartons Möbel bauen kann. Und
auch im Internet gibt es inzwischen auf
den einschlägigen Videoportalen jede
Menge Anleitungs-Filmchen für Kartonmöbel der Marke Eigenbau.
Trocknen mit Pumpe
Was die Möbel
aus Pappe neben
des auffälligen
Designs auszeichnet, sind
die flexiblen Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten.
Text: Stephan Gokeler
E
INFO
Design-Möbel aus Pappe kann man
sich unter anderem bei www.fashionforhome.de, www.interiorpark.com, www.
avandeo.de, www.pregia.it und www.
stange-design.de ansehen.
Ein und dasselbe Möbelstück: Das Sofa Flexible Love lässt sich ganz unterschiedlich formen.
KLIMA VOR ORT | November 2012
Kondensatbehälter
rneuerbare Energie
kann kaum direkter
genutzt
werden,
als wenn man frisch gewaschene Wäsche auf der Leine im Garten flattern und
sie dabei langsam trocknen
lässt. Doch nicht jeder hat
die Möglichkeit, Wind und
Sonne so kostenlos für sich
arbeiten zu lassen. Kein Garten, kein Balkon und auch
kein geeigneter Raum im Keller, um die Wäsche zu trocknen – in manchen Fällen gibt
es kaum eine Alternative zur
Anschaffung eines elektrisch
betriebenen Trockenautomaten.
In knapp 40 Prozent aller deutschen Haushalte
steht ein solches Gerät.
Bisher stellte sich bei der
Anschaffung lediglich die
Frage: Ablufttrockner oder
Kondensationstrockner? Energieschleudern sind beide
Gerätearten, mit rund 90
Cent schlägt ein Trocknungsvorgang zu Buche. Das macht
Wäschetrockner zu Großverbrauchern im Privathaushalt.
Inzwischen kommen immer mehr Trockner mit Wärmepumpe auf den Markt. Sie
nutzen die einmal produzierte Wärme für den Trocknungsprozess mehrfach aus.
In einem geschlossenen
Kreislauf wird die feuchte
Luft über einen Wärmetau-
scher heruntergekühlt und
entfeuchtet, bevor sie mit
der zuvor entzogenen Energie mithilfe einer Wärmepumpe wieder erhitzt wird.
Die Stiftung Warentest hat
jüngst die verschiedenen
Trocknertypen einem Vergleichstest unterzogen. Ob
mit oder ohne Wärmepumpe, alle Geräte trockneten
die Wäsche gleichermaßen
gut. Groß sind die Unterschiede allerdings im Energieverbrauch: Nur noch 40
Cent fallen als Stromkosten
für eine Trocknerladung an,
wenn das Gerät über eine
Wärmepumpe verfügt. In der
Anschaffung kosten solche
Wäschetrockner zwar noch
etwas mehr, doch wenn man
eine Lebensdauer von zehn
Jahren annimmt, hat die
Stiftung Warentest dank der
eingesparten Energie sogar
einen finanziellen Vorteil für
die neue Technik errechnet.
Für die wirtschaftliche wie
ökologische Gesamtbilanz
sind noch weitere Faktoren
von Bedeutung: Allen voran
die Restfeuchtigkeit, mit der
die Wäsche aus der Waschmaschine kommt. Diese
ist umso geringer, je höher
zuvor die Drehzahl beim
Schleudern war. Ob mit 1000
oder 1400 Touren geschleudert wird, macht anschließend beim Stromverbrauch
Prozessluft
Wärmepumpe
Kondensat
des Trockners einen Unterschied von 0,5 bis 1,5 Kilowattstunden aus.
Eine noch bessere Energiebilanz als WärmepumpenTrockner hätten gasbeheizte
Wäschetrockner, wie sie in
Skandinavien und den USA
verbreitet sind. In Deutschland allerdings sind diese
kaum erhältlich.
Und wie sieht es aus mit
den Waschtrocknern, jenen
Waschmaschinen mit integrierter Trocknerfunktion?
Diese etwas teureren Geräte
sind nur dort eine Alternative, wo es wegen räumlicher
Enge gar nicht anders geht.
Zwar gibt es auch erste Kom-
Quelle: Stiftung Warentest, Grafik: Köber
eu ist die Idee nicht: Sitzhocker aus Pappe kennt man
seit geraumer Zeit, auch Warenregale aus Karton zur Präsentation
von Schokoladentafeln und anderen
Süßigkeiten im Supermarkt sind längst
keine Besonderheit mehr. Sogar echte
Möbelklassiker wie der „Wiggle Side
Chair“ von Frank Gehry aus dem Jahr
1972, der heute noch von der Schweizer Firma Vitra vertrieben wird, sind
aus diesem Material entstanden. Doch
neuerdings interessieren sich vermehrt
junge Designer für den Werkstoff Pappe. Trendige Möbelkollektionen entstehen und erweitern die Einsatzmöglichkeiten. Vom Zeitungsständer bis
zum raumgreifenden Sitzmöbel oder
Doppelbett – kaum ein Einrichtungsgegenstand ließe sich nicht auch aus
Karton herstellen. Die richtige Materialwahl und raffinierte Falt- oder Stecktechniken verleihen allemal die nötige
Stabilität.
Was die Möbel aus Pappe neben ihrem auffälligen Design auszeichnet,
sind die flexiblen Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten. So lässt sich
das Sofa aus der Serie „Flexible Love“
mit wenigen Handgriffen in viele verschiedene Formen bringen. Wer Pappmöbeln eine persönliche Note verpassen möchte, kann mit praktisch jeder
Farbe oder beliebigen Materialien die
Oberflächen individuell umgestalten.
Noch einen Schritt weiter gehen die
polnischen Designer Agata Kulik-Pomorska und Paweł Pomorski. Mit ihrem Label „Malafor“ haben sie gerade
Bilder: flexiblelove.de
6
Kältemittelkreislauf
bi-Geräte mit Wärmepumpe, doch bei einem Defekt
fallen häufig beide Funktionen aus. Und wenn sich bei
einem Geräteteil eine Reparatur nicht mehr lohnt, muss
auch das andere – eigentlich
noch intakte – Teil durch ein
neues Gerät mit ersetzt werden.
Wichtiger Tipp: Auch bei
Trocknern mit Wärmepumpe entweicht ein Teil der
Feuchtigkeit in die Umgebung. Deshalb muss der
Raum, in dem der Trockner
arbeitet, unbedingt gut belüftet werden, um Schimmel
an den Wänden zu vermeiden.
November 2012 | KLIMA VOR ORT
7
TITELTHEMA KLIMASCHUTZ
à la Carte
KLIMASCHUTZ
à la Carte
TITELTHEMA
Klimaschutz
à la Carte
Können wir den Treibhauseffekt einfach abbestellen?
Herstellung, Transport
und Verarbeitung von
Lebensmitteln haben einen erheblichen Anteil an
der weltweiten Produktion klimaschädlicher Gase.
Wie man sich ernährt,
trägt also maßgeblich
zum individuellen CO2Fußabruck bei, den jeder
von uns hinterlässt. Aber
welche Nahrungsmittel
haben eine günstige,
welche eine schlechte
Klimabilanz? Eine Spurensuche mit Überraschungseffekten.
Grafik: Köber
8
KLIMA VOR ORT | November 2012
Text: Stephan Gokeler
November 2012 | KLIMA VOR ORT
9
à la Carte
KLIMASCHUTZ
H
err Sorglos hat es sich an
diesem Abend wieder einmal einfach gemacht. Auf
der Heimfahrt von der Arbeit hat er beim Discounter
auf der grünen Wiese einen Zwischenstopp
eingelegt und packt seine Einkäufe aufs
Laufband der Kasse: vier Tiefkühl-Pizzen
fürs Abendessen der Familie, dazu ein paar
Tomaten und einen Kopfsalat aus Holland
und für den gemütlichen Leseabend noch
eine Flasche vom chilenischen Rotwein. Für
Frau Nachhalt käme so ein Einkauf nicht
in Frage. Sie kauft stets frisch beim kleinen
Hofladen zwei Dörfer weiter ein. Ein Landwirt bietet dort seine eigenen Produkte und
etliche von Kollegen aus der Region zugekaufte Lebensmittel an. Milch, Käse, Mehl,
Eier und ein frisch geschlachtetes Huhn holt
sich Frau Nachhalt heute.
Ungefähr 20 Prozent aller Treibhausgase,
die statistisch jeder Einwohner Deutschlands verursacht, hängen mit Speis’ und
Trank zusammen. Die Produktion der Lebensmittel, ihr Transport, ihre Lagerung
und schließlich ihre Zubereitung sorgen damit für ebenso viel Emissionen wie alle Verkehrsströme im Land zusammen. Es lohnt
also, sich beim Blick auf den Klimaschutz
KLIMA VOR ORT | November 2012
Ungefähr 20
Prozent aller
Treibhausgase,
die statistisch
jeder Einwohner
Deutschlands
verursacht, hängen mit Speis’
und Trank zusammen.
auch mit der Ernährung zu beschäftigen.
An Ratgebern und Rezepten ist kein Mangel,
bei näherer Betrachtung produzieren einige
davon allerdings ziemlich ungenießbare
Klima-Menüs. Denn in Zeiten einer weitgehend industrialisierten und globalisierten
Nahrungsmittelproduktion sind die Auswirkungen auf Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit äußerst komplex. Unter bestimmten
Voraussetzungen kann der Einkauf im Hofladen eher zum Klimakiller werden als die
Tiefkühlpizza. Produkte aus regionaler und
ökologischer Produktion sind nicht automatisch klimaschonend. Und dass ausgerechnet Butter die schlechteste CO2-Bilanz
aller Lebensmittel hat, ahnen wohl nur wenige Kunden am Kühlregal.
Wiederkäuer schlecht fürs Klima
Gut zu wissen, dass es immerhin einige
Faustregeln gibt, denen alle Experten zustimmen. Eine davon ist: Obst, Gemüse,
pflanzliche Öle und Getreideerzeugnisse
verursachen prinzipiell sehr viel weniger
Klimaprobleme als Lebensmittel, die tierischen Ursprungs sind (siehe Grafik auf
Seite 15). Anstelle täglichen Fleischkonsums
„müssen wir zurück zum Sonntagsbraten“,
fordert deshalb nicht nur Thilo Bode vom
à la Carte
11
TITELTHEMA
Bild: Jerzy Sawluk / pixelio.de, Effekte: Rolf Köber
TITELTHEMA KLIMASCHUTZ
Bild: uschi dreiucker /pixelio.de
10
Verein „Foodwatch“. Auch die Deutsche
Gesellschaft für Ernährung (DGE) fasst ihre
Empfehlungen – übrigens auch unter gesundheitlichen Aspekten – ähnlich zusammen: „Ein- bis zweimal in der Woche Fisch.
Fleisch, Wurstwaren und Eier in Maßen.“
Eine überwiegend vegetarische Ernährung ist aber für sich genommen noch keine Klimaschutzversicherung. Gerade Milch
und manche Milchprodukte, allen voran
Butter, stehen in der Liste der Verursacher
klimaschädlicher Gase weit oben. „Milch
und Fleisch machen wirklich einen Unterschied“, sagt Alexander Popp vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung.
Wiederkäuer wie Rinder, aber auch Schafe und Ziegen erzeugen bei der Verdauung Methan. Weil für die Produktion von
Fleisch und Milch viel Futtermittel eingesetzt wird, wird auch viel Dünger benötigt,
der wiederum Lachgas freisetzt. Beide Gase
fördern den Treibhauseffekt noch viel stärker als Kohlendioxid (siehe Stichwort: CO2Äquivalent). Deshalb belastet zum Beispiel
Rindfleisch das Klima dreimal so stark wie
Schweine- oder Geflügelfleisch.
Damit ist ein Teil des Rätsels gelöst, weshalb der Einkauf von Herrn Sorglos im
obigen Beispiel unter Klimaschutzaspekten
Eine überwiegend vegetarische Ernährung ist aber für
sich genommen
noch keine Klimaschutzversicherung.
womöglich dem von Frau Nachhalt vorzuziehen wäre. Falls die von ihm gekauften
Pizzen keine Fleischanteile enthalten, fallen für deren Herstellung deutlich weniger
Emissionen an als für die tierischen und aus
Milch hergestellten Produkte im BeispielWarenkorb des Hofladens. Sollten also alle
Menschen Veganer werden und auf sämtliche Produkte tierischer Herkunft gänzlich
verzichten, um das Klima zu retten? So weitgehende Forderungen stellt kein Klimaforscher auf. Aber es gibt noch einige Überraschungen.
Regional nicht automatisch besser
Dazu gehört, dass regionale Lebensmittel
nicht generell ökologisch besser sind, weil
sie regional angebaut werden. So lautet das
Ergebnis einer Untersuchung des Instituts
für Energie- und Umweltforschung (IFEU)
in Heidelberg. In den Wintermonaten habe
zum Beispiel ein Kopfsalat aus Spanien
eine bessere Klimagas- und Energiebilanz
als ein regional im beheizten Gewächshaus
produzierter Salatkopf, hat das IFEU festgestellt. Elmar Schlich, Inhaber einer Professur für Prozesstechnik in Lebensmittel- und
Dienstleistungsbetrieben an der Justus-Liebig-Universität Gießen, hat den Begriff der
TITELTHEMA KLIMASCHUTZ
à la Carte
KLIMASCHUTZ
à la Carte
Bild: © Gina Sanders - Fotolia.com
»Lebensmittel aus
der Region sind nur
dann umweltfreundlich, wenn die dahinter
stehende Größe der
Produktions- und Transportbetriebe ausreichend bemessen ist.«
Elmar Schlich,
Professor für Prozesstechnik in Lebensmittelund Dienstleistungsbetrieben an der
Universität Gießen
„Ecology of Scale“ geprägt, also einer Ökologie des Maßstabs. Er kommt aufgrund
mehrerer Studien zu dem Ergebnis, dass
„Lebensmittel aus der Region nur dann
umweltfreundlich sind, wenn die dahinter stehende Größe der Produktions- und
Transportbetriebe ausreichend bemessen“
sei. Diese Aussage berücksichtige alle Aufwendungen für kontinentale oder globale
Transporte, die in aller Regel per Containerschiff, Bahn und Lkw durchgeführt würden.
„Die häufig vermuteten Vorteile der kurzen
Transportwege innerhalb einer Region können bei zu geringen Betriebsgrößen durch
Mängel in der Logistik und durch zu kleine
Transportmittel mit geringer Auslastung
sehr schnell zunichte gemacht werden“,
sagt Professor Schlich.
Kleine landwirtschaftliche Betriebe und
Direktvermarkter müssen aber trotzdem
nicht aufs Klimasünder-Bänkchen: „In allen untersuchten Fallbeispielen haben wir
einheimische landwirtschaftliche Betriebe
gefunden, welche die klimarelevanten Mindestbetriebsgrößen überschreiten. Und
für einzelne Betriebe, bei denen das nicht
der Fall ist, empfehlen wir die Bildung von
Genossenschaften und Vertriebskooperationen. Auch dafür gibt es hervorragende
Beispiele in deutschen Landen.“
KLIMA VOR ORT | November 2012
Rindfleisch belastet das Klima
dreimal so stark
wie Schweineoder Geflügelfleisch.
Flugware vermeiden
Deshalb ist für den Wissenschaftler der
Einkauf im Supermarkt tendenziell die
richtige Entscheidung. „Nach unseren
Feststellungen sind die vorgelagerten Prozessketten beim gut sortierten Lebensmittel-Einzelhändler immer von solcher Größe,
dass gute Logistik und hohe Effizienz dahinter stehen“, begründet er. Ausnahmen
stellen allerdings verderbliche Frischwaren
wie Fisch aus Südostasien oder Flugtee aus
Nepal dar, die per Flugzeug zu uns kommen
und eine erheblich schlechtere Klimabilanz
aufweisen. „Ich würde mir wünschen, dass
‚Flug-Lebensmittel’ als solche ausgezeichnet werden“, meint Schlich.
Um zu verdeutlichen, wie groß die Auswirkungen der individuellen Ernährungsweise
auf den Ausstoß an Treibhausgasen sind,
hat Foodwatch einen Vergleich mit Autokilometern errechnet. Danach entspricht
die Ernährung eines Menschen, der kein
Fleisch und keine Milchprodukte zu sich
nimmt und seine Lebensmittel aus bio-logischem Anbau bezieht, im Jahr einer Autofahrt von 281 Kilometern. Der „Allesfresser“, dessen Nahrungsmittel komplett aus
konventioneller Landwirtschaft stammen,
verursacht hingegen so viele Treibhausgase
wie 4758 Auto-Kilometer. Zugespitzt fassen
die Foodwatch-Autoren das Ergebnis so zusammen: „Veganer dürfen Porsche fahren.“
Die letzten Kilometer zählen
Doch nicht nur das Produkt, auch der
Endverbraucher entscheidet mit seinem
Verhalten über die Größe des CO2-Fußabdrucks, der mit dem Konsum einhergeht.
Die letzten Kilometer der Transportkette
bis in den heimischen Kühlschrank oder
in die Speisekammer spielen eine große
Rolle. „Laut Statistik nutzen 83 Prozent aller Endverbraucher den privaten Pkw für
den Einkauf und legen dabei im Schnitt
2.600 Kilometer pro Jahr zurück“, zitiert
Professor Schlich eine ganz aktuelle Studie. Aus Sicht des Klimaschutzes sei ein
Einkauf im Hofladen, auf dem Wochenmarkt oder beim Landwirt direkt nur dann
akzeptabel, wenn Fahrrad oder öffentliche
Verkehrsmittel zum Einsatz kommen oder
„die zurückgelegte Entfernung mit dem
Pkw weniger als fünf Kilometer, besser
noch weniger als zwei Kilometer“ betrage.
„Vorratseinkäufe in Kombination mit anderen Wegen wie die Fahrt zur Arbeit sind
grundsätzlich von Vorteil“, so der Forscher
aus Gießen.
Das bestätigt auch das IFEU-Institut.
13
TITELTHEMA
Bild: Wolfgang Dirscherl / pixelio.de
12
CO2- Äquivalent
Für den Klimawandel sind
vor allem die Treibhausgase Kohlendioxid (CO2),
Methan (CH4) und Lachgas (N2O) verantwortlich.
Dabei ist der Treibhaus-Effekt von Lachgas etwa 300
mal und der von Methan
rund 20 mal größer als der
von Kohlendioxid. Lachgas
und Methan entstehen
insbesondere bei intensiver
Viehhaltung. Ihre Wirkung
wird für Stoffstrom- und
Ökobilanzen nach ihrer Klimawirkung gewichtet, um
vergleichbare Ergebnisse
bei der Entstehung unterschiedlicher Gase während
eines Produktionsprozesses
zu erhalten. Umgerechnet entspricht dann zum
Beispiel ein Kilogramm
Lachgas 300 Kilogramm
Kohlendioxid-Äquivalent.
Das Gewicht des „ökologischen Rucksacks“
eines Lebensmittels entscheidet sich für die
Wissenschaftler aus Heidelberg sogar überwiegend auf der letzten Etappe. „Fährt der
Verbraucher ausschließlich zum Kauf des
Lebensmittels mit dem Auto zum Handel,
spielt die eigentliche Produktion des Lebensmittels nur noch eine untergeordnete
Rolle. Damit macht er letztlich alle Vorteile
einer ökologisch sinnvollen Erzeugung wieder zunichte“, lautet ihre Erkenntnis.
So betrachtet hat Herr Sorglos in unserem
Beispiel vieles richtig gemacht. Frau Nachhalt hingegen muss erkennen, dass auch
beim Klimaschutz gilt: Gut gemeint ist
nicht unbedingt gut gemacht. Allerdings
ist Klimaschutz nur ein Aspekt, wenn es
um Nachhaltigkeit geht – wenn auch ein
wichtiger. Wer beim Landwirt vor Ort kauft,
spart womöglich dadurch kaum CO2 ein,
unterstützt dafür aber den Erhalt der Kulturlandschaft und die regionale Wertschöpfung. Wer zu Bio-Lebensmitteln greift, tut
dies häufig auch, weil ihm an einer artgerechten Haltung von Tieren und an der
Vermeidung von Umweltgiften gelegen ist.
Diese Ziele gehören ebenso zu einem umfassenden Konzept der Nachhaltigkeit wie
der Klimaschutz.
November 2012 | KLIMA VOR ORT
TITELTHEMA KLIMASCHUTZ
à la Carte
KLIMASCHUTZ
à la Carte
15
TITELTHEMA
Bio oder konventionell?
I
m September hat das
Öko-Institut e.V. das
Ergebnis einer Klimabilanz-Studie zum Thema
Tiefkühlkost
veröffentlicht.
Bereichsleiter Carl-Otto Gensch fasst das Resultat so
zusammen: „Tiefkühlprodukte
gelten häufig als klimaschädlich. Die Ergebnisse der von
uns durchgeführten Studie
zeigen jedoch, dass die Klimabilanzen von Tiefkühlkost und
ihren Vergleichsprodukten auf
einem Niveau sind.“ Exemplarisch untersucht hat das ÖkoInstitut fünf Produkte, die sich
gut mit gekühlten, ungekühlten und selbst zubereiteten
Varianten vergleichen lassen:
Weizenbrötchen, Hühnerfrikassee, Erbsen, Salamipizza
und Kartoffelpuffer. Bei allen
Waren zeigte die Klimabilanz,
dass die Rezeptur und die Zubereitung beim Endverbraucher den weitaus größten
Einfluss auf die CO2-Bilanz
haben. Transport und Lagerung haben einen sehr viel
geringeren Anteil. Bei Hühnerfrikassee und Pizza liegt
er zum Beispiel bei lediglich
zwei beziehungsweise sechs
Prozent an der Gesamtbilanz.
KLIMA VOR ORT | November 2012
Ö
Klimabilanz von Tiefkühlprodukten
Produktkategorie Komplett-Fertiggerichte: Frikassee
Einflussfaktoren entlang
des Produktionsweges
(in Gramm Kohlendioxid-Äquivalente pro 100 Gramm Ware, g CO2-e
Distribution
= 5g CO2-e
2%
62%
31%
1% P
Produktion
= 3g CO2-e
einem Gutachten des Instituts für ökologische
Wirtschaftsforschung (IÖW) in Berlin eine ganz
andere Schlussfolgerung. „Größter Klimasünder:
der Bio-Rindfleisch-Esser“ lautet die FoodwatchSchlagzeile. Im Vergleich zur konventionellen
Landwirtschaft um mehr als 50 Prozent höher
sind nach dieser Studie die klimarelevanten Emissionen aus Bio-Betrieben bei der Rindfleischerzeugung.
Die unterschiedliche Beurteilung macht ein Methodenproblem von Klimabilanzen sichtbar. Auf
vielen Öko-Bauernhöfen ist die Fleischerzeugung
ein Nebenprodukt der Milchviehhaltung. Damit eine Milchkuh die gewünschte Milchmenge
liefert, bringt sie jährlich ein Kalb zur Welt. Die
männlichen Kälber und überzählige weibliche
Tiere werden gemästet und später geschlachtet.
Forscher, die eine Studie zur Klimabilanz machen,
müssen nun den Gesamtausstoß an klimaschädlichen Gasen auf die Milch- und die Fleischerzeugung verteilen. Zustande kommt der beispielsweise aus der extensiven Bewirtschaftung von
Grünflächen, dem Einsatz von Gülle zur Düngung
und die längere Mastdauer in der Biolandwirtschaft. Die Zuordnung kann allerdings anhand unterschiedlicher Kriterien vorgenommen werden
– womit sich auch das Ergebnis ändert.
Entscheidend ist auch, welche Überlegungen
überhaupt in die Rechnung einbezogen werden.
Das betont die Tierärztin Anita Idel, Mitgründerin der Gesellschaft für Ökologische Tierhaltung
und Autorin des im vergangenen Jahr erschienen Buches „Warum Kühe keine Klimakiller sind“.
Dauerbegrüntes Land, wie es für die ökologische
Landwirtschaft benötigt werde, speichere große
Mengen Kohlenstoff in den Graspflanzen, vor
allem aber im Boden, argumentiert sie. Nachhaltige Beweidung fördere zudem die Humusbildung, und jede Tonne zusätzlicher Humus im
Boden entlaste die Atmosphäre um mehr als 1,8
Tonnen CO2. „Bei näherem Hinsehen erweisen
sich manche Kuh und mancher Bauernhof mit
nachhaltiger Grünland-Nutzung plötzlich als lupenreine Klimaschützer“, ist sie überzeugt.
4%
Herstellung der
Verpackungsmaterialien
= 8g CO2-e
Rohwarenbereitstellung
= 139g CO2-e
Tiefkühlfrikasse im Vergleich mit
anderen Angebotsformen
224g
219g
bis
242g
tiefgekühlt ungekühlt
237g
Verbraucher:
Einkaufsfahrt, Zubereitung
Spülen = 69g CO2-e
23.794
22.089
Butter
13.311
Rindfleisch
11.374
8.512
7.951
Käse
7.631
7.106
Sahne
5.728
5.568
Pommes frites
tiefgekühlt
Geflügelfleisch
3.508
3.039
Schweinefleisch
3.252
3.039
1.929
1.804
Quark,
Frischkäse
selbst
zubereitet
CO2-Äquivalente in g je kg Produkt
nach Anbauweise
1.931
1.542
Eier
Konventioneller Anbau
Ökologischer Anbau
1.231
1.159
Joghurt
Milch
940
883
Teigwaren
919
770
Brot
768
653
Tomaten frisch
339
228
Kartoffeln frisch
199
138
Gemüse frisch
153
130
5 000
10 000
15 000
20 000
25 000
November 2012 | KLIMA VOR ORT
Quelle: Bundesministerium für Umwelt,Naturschutz und Reaktorsicherheit, Grafik: Köber
Kein
Frostschaden
fürs Klima
kologisch erzeugte Lebensmittel sind gut für
die Umwelt und damit
auch fürs Klima. Das denken
wohl die meisten Verbraucher,
wenn sie zu Bio-Nahrungsmitteln greifen. Das stimmt
zwar meistens, aber nicht in
allen Fällen. Gerade wenn es
um Klimaschutz-Fragen geht,
streiten sich die Experten über
diesen Punkt. Das Bundesumweltministerium
präsentiert
eine Gegenüberstellung von
konventionell und ökologisch
erzeugten Produkten, bei denen die Bio-Variante in Sachen
Treibhausgase überall besser
abschneidet – wenn auch in
den meisten Kategorien nur
knapp (siehe Grafik). Der Verein
Foodwatch hingegen zieht aus
Quelle: Öko-Institut, Grafik: Köber
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TITELTHEMA KLIMASCHUTZ
à la Carte
KLIMASCHUTZ
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Bild: Oliver Giers
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Energiesparen macht Schule
Die Energiepreise steigen und steigen – die Bereitschaft junger
Menschen, sorgfältig mit Ressourcen umzugehen, aber auch. An
der Justus-von-Liebig-Schule (Haus- und Landwirtschaftliche Schule) in Aalen wird die zukünftige Generation von Köchen und Hotelfachpersonal für dieses Thema sensibilisiert und lernt dort den
verantwortungsvollen Umgang mit Energie in Theorie und Praxis.
Text: Kathrin Stuba
KLIMA VOR ORT | November 2012
eim Betreten der großzügigen Schulküche schlägt
einem eine Wolke verführerischer Düfte entgegen. Die
Schüler der zweijährigen Berufsfachschule für Ernährung und Gastronomie sind gerade dabei, für ihr Projekt
„Provence“ ein mehrgängiges Menü
zu zaubern. Semmelknödel mit Champignonragout und Gemüsefrikassee
stehen heute auf dem Speiseplan, als
Nachtisch gibt es Zitronen-Joghurtcreme mit Apfelsalat. Und inmitten
ihrer Schüler steht Carmen Fehr, Technische Oberlehrerin und Herrin der
Küche. Die gelernte Köchin behält
auch in brenzligen Situationen den
Überblick und ist sichtlich stolz auf ihr
gepflegtes Reich.
„Die Ausstattung unserer Schulküche hat sich seit dem Neubau im Jahr
2006 gravierend verbessert“, erzählt
sie, während sie einen ihrer Schüler
anweist, den Deckel auf den Topf mit
dem Knödelwasser zu setzen. „Wir haben nun viel bessere Voraussetzungen,
um Energie einzusparen. Die alten
Elektrogeräte wurden nach und nach
durch neue ersetzt und haben einen
deutlich geringeren Stromverbrauch.
Ich achte beim Kauf auf Qualität, die
Energieeffizienzklasse A++ ist dabei
ein Muss.“
Dieses umsichtige Denken wurde
überall in der Küche umgesetzt. Neben der gewerblichen Spülmaschine,
die durch ihre sehr kurze Laufzeit der
Freund jedes Stromzählers ist, befindet sich ein neuer Umluftgefrierschrank, dessen Energieverlust bei
häufigem Öffnen deutlich gegenüber
den herkömmlichen Geräten reduziert
ist. Auch ein moderner Umluftofen
wurde angeschafft, bei dem kein Vorheizen mehr nötig ist und in dem bis
zu zehn Backbleche gleichzeitig ihren
Platz finden.
„Unsere neueste Anschaffung ist
eine Großwaschmaschine. Mit diesem
Gerät reicht ein einziger Waschgang
am Tag aus, um die gesamte Wäsche
der Schule zu waschen“, erklärt Carmen Fehr, während sie den Inhalt der
Töpfe kontrolliert. Die Knödel ziehen
inzwischen im Wasser und die Hauswirtschaftslehrerin erinnert ihre Schüler daran, sich langsam um das Beilagengemüse zu kümmern. Das wird
von ihren Schülern grundsätzlich „ a
Qualitativ hochwertige und saisonale
Lebensmittel aus
der Region zeichnen
sich letztendlich
nicht nur durch ihren
Geschmack aus,
sondern sparen auch
Energie.
la minute“ gegart. Dadurch wird der
Geschmack erhalten und Strom wird
durch unnötiges Warmhalten auch
nicht verschwendet.
Schon in der ersten Unterrichtseinheit am Anfang der Ausbildung beginnt
Carmen Fehr das Energiebewusstsein
der Schüler mit einem Test zu schulen.
„Wir vergleichen die Zeitspanne, die
eine bestimmte Wassermenge bis zu
ihrem Siedepunkt benötigt und zwar
auf dem Elektro-, dem Gas-und dem
Induktionsherd. Eindeutiger Sieger ist
dabei die Induktion.“
In der Zwischenzeit haben die Schüler damit begonnen, den Nachtisch
anzurichten. Die Äpfel für den Salat
stammen aus dem eigenen Garten
und wurden in einer Schüleraktion
gesammelt und fachgerecht gelagert.
Die Zitronenmelisse für die Dekoration des Nachtischs wächst im Kräu-
à la Carte
TITELTHEMA
terhochbeet nebenan. Was nicht aus
dem schuleigenen Garten stammt,
wird ausschließlich bei Erzeugern aus
der Region gekauft. „Wir legen großen
Wert auf regionale und saisonale Produkte“, stellt die engagierte Lehrerin
klar. „Die Schüler müssen lernen, dass
nicht nur ökonomische, sondern auch
ökologische Kriterien bei der Speisezubereitung für unsere Zukunft eine
große Rolle spielen.“
Diese Themen finden an der Hauswirtschaftlichen Schule nicht nur
in der Praxis ihre Anwendung, sondern sind auch ein wesentlicher Teil
des Lehrplans und am Ende sogar
prüfungsrelevant. „Wer bei der Abschlussprüfung Maßnahmen zum
Energiesparen außer Acht lässt und
verschwenderisch mit Rohstoffen umgeht, wird dies deutlich in seiner Benotung zu spüren bekommen.“
Nachdem auch der Hauptgang mit
den Knödeln und dem Gemüse seinen
Weg auf die Teller gefunden hat, zieht
die erfahrene Hauswirtschaftlerin Fehr
ihr Resümee. „Qualitativ hochwertige
und saisonale Lebensmittel aus der Region zeichnen sich letztendlich nicht
nur durch ihren Geschmack aus, sondern sparen auch Energie in der Produktion und durch kurze Lieferwege.
Und wer dann bei ihrer Zubereitung
noch einfache Regeln wie das Schließen von Kochgefäßen, das Vermeiden
von überflüssigem Warmhalten der
Speisen oder den unnötigen Betrieb
der Elektrogeräte vermeidet, wird dies
positiv bei der nächsten Stromrechnung zu spüren bekommen.“ Nach
dem gemeinsamen Essen liegt vor den
Schülern nun nur noch der Abwasch:
mit der sparsamen Spülmaschine, deren Warmwasser von den Solarzellen
auf dem Dach aufbereitet wird.
November 2012 | KLIMA VOR ORT
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TITELTHEMA KLIMASCHUTZ
à la Carte
KLIMASCHUTZ
Tonnenweise in die Tonne
à la Carte
TITELTHEMA
Wer wirft wie viel weg?
Rund ein Drittel der weltweit produzierten Lebensmittel werden weggeworfen. Allein in Deutschland landen jährlich elf Millionen Tonnen Lebensmittel
im Müll. Das ist nicht nur unter ethischen und sozialen Gesichtspunkten ein Skandal, sondern auch schädlich fürs Klima.
Text: Stephan Gokeler
W
Bild: © Patryssia - Fotolia.com
ürden nur halb so viele
Lebensmittel weggeworfen wie derzeit,
dann ließen sich dadurch ebenso viele Klimagase vermeiden wie dadurch, dass man weltweit jedes zweite Auto stilllegt. Das
behauptet zumindest Valentin Thurn
in seinem Kinofilm „Taste the Waste“,
der in diesem Jahr viel Aufsehen erregt
hat. Nahezu zeitgleich stellte Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner eine
aktuelle Studie über Lebensmittelabfälle in Deutschland vor, die von der
KLIMA VOR ORT | November 2012
Universität Stuttgart erstellt worden
war. Danach wandern hierzulande jedes Jahr 82 Kilogramm Lebensmittel
pro Person im Wert von 235 Euro in
Mülltonnen oder Komposter.
Das Ministerium für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz startete mit der Präsentation
dieser Studie eine Kampagne unter
dem Titel „Zu gut für die Tonne!“.
Umfangreiches Informationsmaterial
gibt es unter www.zugutfuerdietonne.
de. Dass Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist,
nicht automatisch weggeworfen werden müssen, ist dort ebenso nachzulesen wie Tipps zum sinnvollen Einkauf oder zur richtigen Lagerung von
Lebensmitteln. Die Kampagne rückt
Privathaushalte in den Fokus. Laut
Studie entstehen dort 61 Prozent der
vermeidbaren
Lebensmittelabfälle,
während Industrie und Großverbraucher für jeweils 17 Prozent und die
Einzelhändler für fünf Prozent verantwortlich sind. Zu dieser Sichtweise gibt
es allerdings auch kritische Stimmen.
Greenpeace weist zum Beispiel darauf
hin, dass die bereits beim Erzeuger
aussortierten Lebensmittel, die bestimmten Normen oder Vorgaben des
Handels nicht entsprechen, in der Studie nicht berücksichtigt wurden.
Regisseur Valentin Thurn hat es
nicht bei seiner cineastischen Mahnung belassen. „Innerhalb von nur
zwei Generationen haben wir uns zu
einem Volk von Verschwendern entwickelt“, klagt er und hat gemeinsam
mit Sebastian Engbrocks die Website
www.foodsharing.de ins Leben gerufen. Derzeit läuft die Seite noch im
Testbetrieb mit einem geschlossenen
Benutzerkreis. In Kürze kann hier jeder seine Lebensmittel, die zum Beispiel vor einer Urlaubsreise im Kühlschrank übrig sind, per Computer
oder Smartphone möglichen Interessenten kostenlos anbieten. Zunächst
richtet sich das Angebot an Privatpersonen, später sollen aber auch Landwirte und Supermärkte mitmachen.
Ein Bewertungssystem soll seriöse
und weniger seriöse Teilnehmer des
Projekts erkennbar machen.
Damit eine wirklich rege Kultur des Teilens über das Portal
entsteht, strebt Thurn eine
große Zahl von Nutzern an:
„Wir wollen mindestens eine
Million Foodsharer in Deutschland, denn wir brauchen eine lebendige Community, die ausstrahlt. Das
Projekt wird entweder ganz groß
– oder es funktioniert nicht“,
sagte er im Interview mit der
Zeitschrift Geo. Interesse
scheint jedenfalls vorhanden: Finanziert
wurde die 10.000
Euro teure Programmierung
der
Seite über Kleinspenden, die
über
das Crowdfunding-Portal „Startnext“
zusammenkamen.
Verteilung der Lebensmittelabfälle nach Bereichen der Nahrungsmittelkette
Quelle: Studie der Universität Stuttgart (2012), gefördert durch das
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV)
Was werfen wir weg?
Verteilung der vermeidbaren und teilweise
vermeidbaren Lebensmittelabfälle aus Haushalten
nach Produktgruppen
Quelle: Studie der Universität Stuttgart (2012), gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV)
November 2012 | KLIMA VOR ORT
19
ENERGIESPEICHER
ENERGIESPEICHER
erfordert jedoch das Anlegen größerer Seen, zwischen
denen ein nennenswerter
Höhenunterschied bestehen
muss. Topografisch sinnvoll
ist dies in Süddeutschland
sowie in den Alpentälern Österreichs und der Schweiz.
Genau dort wird derzeit in diese Methode investiert – und
es soll noch mehr werden: Im
Mai starteten die Wirtschaftsminister der drei Länder eine
gemeinsame Initiative zum
Ausbau der Pumpspeicherkraft. Inzwischen wird jedoch
auch in anderen Gegenden
mit den Vorzügen dieser
Technik geliebäugelt. Ließen
sich nicht auch ausrangierte
Bergwerke, etwa im Ruhrgebiet, auf diese Weise neu
nutzen? Erste Projektstudien
entstehen.
Bild: © SusaZoom - Fotolia.com
20
Kapazitäten gesucht
Sie werden immer mehr, und sie werden nicht
wieder verschwinden: Anlagen, die Energie aus
erneuerbaren Quellen gewinnen, liefern bereits
mehr als zwölf Prozent der Energie, die in Deutschland verbraucht wird – Tendenz kräftig steigend.
Doch wohin mit der Energie, wenn sie gerade nicht
gebraucht wird?
Text: Gerhard Schindler
KLIMA VOR ORT | November 2012
S
owohl Geothermie als
auch Biogas können
kontinuierlich produziert werden und zur so genannten Grundlast beitragen.
Doch Strom aus Wind und
Sonne ist starken Schwankungen unterworfen. Und ob
das höchste Angebot in die
Zeit des größten Verbrauchs
fällt, ist eher Zufall. Deshalb
wird die Rolle von Techniken
fürs Energiespeichern immer
wichtiger. Eine Auswahl.
Pumpspeicher
Die bislang einzige Technik, um Energie in größerem
Stil zu speichern, ist die der
Pumpspeicherkraftwerke (siehe Beitrag Seite 22). Sie ist seit
fast hundert Jahren erprobt
und funktioniert zuverlässig,
Wärmespeicher
Große
Wärmespeicher
dienen den Betreibern von
Fernwärmenetzen als Puffer.
Solange die Wärme nicht für
Heizung und Brauchwasser abgerufen wird, kann
sie im Fernwärmespeicher
zwischengelagert werden –
meist nachts, damit sie zur
Morgenspitze zur Verfügung
steht. Der größte und modernste Fernwärmespeicher
Europas steht auf dem Gelände des Erdgas-Kraftwerks
Theiß in Niederösterreich,
er fasst 50.000 Kubikmeter
Wasser. Der Versorger hat
daran gut 5.000 Haushalte
angeschlossen. Mit einem
Pumpspeicherkraftwerk
kann seine Kapazität dennoch nicht mithalten.
In kleiner Form hat manch
ein Bewohner einer älteren
Immobilie eine ähnliche
Technik noch in den Zimmern stehen: als Nachtspeicheröfen. In Zeiten, als es
noch flächendeckend günstige Nachtstromtarife gab,
um überschüssigen Grundlaststrom aus Kohle- und
Kernkraftwerken loszuwer-
Ob das höchste
Angebot in die
Zeit des größten
Verbrauchs fällt,
ist eher Zufall.
den, schienen sie eine sinnvolle Idee. Nachts mit billigem
Strom die Speicher aufheizen,
tagsüber Wärme haben –
dieses Prinzip gilt derzeit als
überholt.
Strom zu Gas
Das Problem, einen Überschuss an erzeugtem Strom
kurzfristig abspeichern zu
können, beschäftigt auch
jene Energieversorger, die
fernab jeglicher Pumpspeichermöglichkeiten zuhause
sind. Windräder drehen sich
auch bei ihnen, Fotovoltaik
liefert Sonnenstrom – und
beides muss laut Gesetz vorrangig ins Netz eingespeist
werden. Ein Dilemma. Eine
neuartige Methode nennt
sich „Power to Gas“. Dabei
wird zunächst Wasser per
Elektrolyse mit Öko-Strom
in Wasserstoff und Sauerstoff
zerlegt. In einem zweiten
Schritt kann der so gewonnene Wasserstoff durch Reaktion mit Kohlendioxid in
Methan umgewandelt werden. Beides kann dann in
ein bestehendes Erdgasnetz
eingespeist werden: Methan
ist nichts anderes als die
chemische Bezeichnung für
den Hauptbestandteil von
Erdgas; Wasserstoff kann in
einem Gasnetz bis zu einem
Anteil von fünf Prozent zugesetzt werden.
Gigantische Speicherkapazitäten tun sich hier auf: Bereits jetzt ist das Erdgasnetz
in Deutschland 450.000 Kilometer lang, 47 Gasspeicher
eingeschlossen. Die weltgrößte Pilotanlage, um Ökostrom in Methangas zu verwandeln, ging gerade erst
in Stuttgart-Vaihingen am
Zentrum für Sonnenenergieund Wasserstoffforschung
in Betrieb. In Frankfurt am
Main soll kommendes Jahr
eine Anlage zur Wasserstoffproduktion entstehen, die
dann erstmals tatsächlich
ins Erdgasnetz einspeist und
nicht nur zu Testzwecken
läuft.
Wiederaufladbare
Batterien
Ob für mobile Elektronikgeräte, abgasfreie Pkws und
Stadtverkehrsbusse oder als
Zwischenspeicher im Stromnetz: Batterien haben schon
jetzt ein breites Einsatzgebiet. Und sollen immer besser, kleiner, leichter, sauberer
und leistungsfähiger werden:
Nicht nur Wirtschaftsunternehmen investieren große
Summen in Neuentwicklungen und effizientere Fertigung, auch in der Grundlagenforschung werden neue
Wege beschritten.
An der Universität Ulm fiel
gerade erst der Startschuss
für den Neubau eines kompletten Forschungszentrums:
das Helmholtz-Institut für
elektrochemische Grundlagen der Energiespeicherung.
Die Entwicklung der nächsten und übernächsten Generation der Lithium-IonenBatterie hat man sich hier auf
die Fahnen geschrieben.
Unterdessen erprobt der
Darmstädter
Energieversorger HSE den Einsatz von
Batterien als Zwischenspeicher im Stromnetz. In einem
Hallenbad und einem Veranstaltungszentrum wurden
jeweils größere Batterien
installiert, die aus Fotovoltaik auf dem Dach und einem
Blockheizkraftwerk gespeist
werden. Voraussetzung für
den Praxistest: ein intelligentes Stromnetz („Smart
Grid“), in dem Erzeuger,
Speicher und Verbraucher
flexibel gesteuert werden
können.
Energiestein
Und dann gibt es da noch
den Energiestein. Den hat
Eduard Heindl erdacht. Der
Physiker lehrt an der Universität Furtwangen und ist immer
für ungewöhnliche Ideen gut.
Etwa diese: Wie viel Energie
könnte man wohl speichern,
wenn man aus Granitgestein
einen Zylinder mit 1000 Metern Durchmesser und 500
Metern Tiefe heraussägte und
darunter eine wassergefüllte
Kaverne errichtete, die mit
Druck den Energiestein anhebt?
Als Antwort hat Heindl
errechnet: 1.600 Gigawattstunden – so viel, wie in
Deutschland täglich an
Strom produziert wird und
40 Mal so viel, wie in allen
Pumpspeicherkraftwerken
des Landes zusammen. Inzwischen wirbt der Professor
Forschungsgelder ein, um die
Machbarkeit eines solchen
hydraulischen Lagespeichers
nachzuweisen.
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PUMPSPEICHERKRAFTWERKE
PUMPSPEICHERKRAFTWERKE
Oberbecken mit Aussicht:
Das Pumpspeicherkraftwerk
Glems zwischen Metzingen
und Reutlingen ist bislang
das einzige am Albtrauf. Das
könnte sich bald ändern.
Bild: Bildarchiv Fieselmann
22
Strom
auf Pump
Um Energie in großem Stil zu speichern, eignen sich Pumpspeicherkraftwerke nach wie vor am besten. Die Technik mit den zwei Wasserbecken
funktioniert seit fast 100 Jahren. In Zeiten der Energiewende wird sie immer
gefragter: Um Windenergie und Solarstrom aufnehmen zu können, werden neue
Pumpspeicher nötig. Doch nicht jeder will sie haben.
Text: Gerhard Schindler
KLIMA VOR ORT | November 2012
U
m ihren Albtrauf werden
die Schwaben von Flachlandbewohnern nicht nur
wegen der Aussicht beneidet: Die Kante des Schwäbischen Jura
bietet auch so manche Stelle, die sich
hervorragend für ein Pumpspeicherkraftwerk eignet. 300 bis 400 Meter
Höhenunterschied – das sind ideale
Voraussetzungen für neue Energiespeicher, wie sie für die Energiewende
dringend benötigt werden.
Pionierarbeit leistet hier der Regionalverband Neckar-Alb mit Sitz in
Mössingen. Als Planungsinstanz der
Landkreise Reutlingen, Tübingen und
Zollernalb hat er aktiv die Diskussion
um neue Pumpspeicherkraftwerke angestoßen. „Die Topografie ist bei uns
zwar nicht ganz so günstig wie in der
Schweiz oder in Österreich“, erklärt
Joachim Zacher, Sachgebietsleiter für
Energie und Verkehr. „Aber wir wollen
auch bei uns die Grundlagen schaffen,
um die Schwankungen im Energienetz
November 2012 | KLIMA VOR ORT
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PUMPSPEICHERKRAFTWERKE
Neue Pumpspeicher
am Alb-Rand:
Vier Vorschläge, die
bereits den Segen der
jeweiligen Gemeinderäte haben
1 Glems II:
Oberbecken (OB): drei
Varianten auf Gemarkung
Eningen u.A., St. Johann
und Metzingen
Unterbecken (UB): Vergrößerung des bestehenden UB bei MetzingenGlems oder Neubau
daneben
2 G
ielsberg:
OB: am Ende der Stuhlsteige bei SonnenbühlGenkingen
UB: drei Varianten im
Pfullinger Breitenbachtal
3 R
eichenbach:
OB: Himberg auf Gemarkung Burladingen und
Albstadt
UB: Reichenbachtal bei
Hechingen-Boll
4 A
lbstadt/Meßstetten:
OB: vier Varianten bei
Hossingen und Tieringen
UB: im Zerrenstalltal bei
Laufen
KLIMA VOR ORT | November 2012
PUMPSPEICHERKRAFTWERKE
auszugleichen.“ Ein Gebot, das aus der
steigenden Stromgewinnung durch
Wind und Sonne erwächst: „Wenn
man es nicht macht, müssen wir unser
Stromnetz ganz anders ändern.“
Fünf mögliche Standorte hatte der
Regionalverband identifiziert, drei davon sind nach den ersten Diskussionsrunden übriggeblieben, ein weiterer
neu hinzugekommen. Nicht überall
stoßen die großtechnischen Anlagen auf Gegenliebe. Im Ortschaftsrat von Salmendingen etwa brach
ein Sturm der Entrüstung los, als ein
mögliches Oberbecken vor der Haustür zur Debatte stand. Ganz anders
in Pfullingen und Sonnenbühl: positive, teils begeisterte Zustimmung,
die Pläne weiterzuverfolgen. In Glems
wurde ein weiteres Werk neben dem
bestehenden kontrovers diskutiert, die
Gemeinderäte von Albstadt und Meßstetten brachten dagegen selbst einen
weiteren Vorschlag ein. Wenn die Verbandsversammlung Ende November
beschließt, an welchen Stellen im Regionalplan Pumpspeicherkraftwerken
ein Vorrang eingeräumt werden soll,
stehen nun vier Standorte auf der Liste
(siehe Kasten).
Ob jedoch am Alb-Rand tatsächlich
jemals neue Speicherbecken gebaut
werden, steht völlig in den Sternen.
Denn Wünsche und Pläne allein reichen nicht. Es braucht auch Investoren und Betreiber. Die EnBW etwa,
die in Glems bei Metzingen bereits
seit fast 50 Jahren das bisher einzige
Pumpspeicherkraftwerk am Albtrauf
betreibt, hat dem Regionalverband
bereits eine Absage erteilt. Der Energieversorger investiert zwar in diese
Speichertechnik, aber anderswo: im
Schwarzwald und in den Vorarlberger
Alpen.
Dort sind ganz andere Dimensionen möglich. Im Hotzenwald bei
Herrischried etwa entsteht in den
nächsten Jahren das größte Pumpspeicherkraftwerk Deutschlands. Bekannt geworden ist der Standort unter
dem Namen des Weilers Atdorf. Sein
Oberbecken soll neun Millionen Kubikmeter Wasser fassen – zehn Mal so
viel wie das Oberbecken von Glems
neben der Eninger Weide. Mit 600
Metern wäre die Fallhöhe doppelt so
hoch wie am Metzinger Albtrauf. Und
statt einer Leistung von 90 Megawatt,
wie sie die Glemser Turbinen aus den
1960er-Jahren erbringen, soll sie in Atdorf bei 1.400 Megawatt liegen. So viel
erzeugt auch ein großes Kernkraftwerk
– mit dem Unterschied, dass die im
Schwarzwaldwasser gespeicherte Energie innerhalb von Sekunden bereitgestellt werden kann.
Neben Atdorf investiert die EnBW
auch im Nordschwarzwald in die
Pumpspeichertechnik. In Forbach
im Murgtal soll ein bestehendes Werk
ausgebaut werden. Eine neue Oberstufe mit 1,8 Millionen Kubikmetern
könnte die Leistung um 200 Megawatt
steigern. Und beim EnBW-Partner Illwerke in Vorarlberg steht mit dem Projekt Obervermunt II eine Erweiterung
um 360 Megawatt an.
„Mit diesen drei großen Projekten
sind wir für die nächsten Jahre auch
finanziell ausgelastet“, sagt Maria
Dehmer, Sprecherin der EnBW Kraftwerke AG. Doch nicht allein deshalb
erhielt die Alb eine Absage: Aus Sicht
des Energieversorgers wäre ein neuer
Speicher hier auch zu teuer. Zwar hat
die EnBW in einer Studie insgesamt
201 mögliche Standorte in BadenWürttemberg identifiziert, die technisch machbar wären. Zusammen
weisen sei ein Potenzial von 116 Gigawatt auf und kämen mit bestehenden
Schutzgebieten wenig in Konflikt – als
wirtschaftlich rentabel werden jedoch
nur 13 Standorte eingestuft. Nur einer
davon liegt an der Alb: im Bereich des
bestehenden Pumpspeicherkraftwerks
Glems, jedoch an anderer Stelle, als
vom Regionalverband geplant.
Die
EnBW-Ingenieurin
Claudia
Berger hat als Autorin der Studie auch
den Vorschlag Gielsberg untersucht.
Ihr Fazit: Auch zwischen Genkingen
und Pfullingen lohnt sich ein Pumpspeicherkraftwerk für die EnBW nicht
wirklich. Geprüft wurde dabei jedoch
eine Variante mit einem kleineren
Oberbecken. Neuere Pläne sehen
dort drei Millionen statt einer Million
Kubikmeter Wasser vor – und schon
könnte sich das Blatt der Realisierungschancen wieder wenden.
So hat sich etwa der Reutlinger Energieversorger FairEnergie bisher nicht
dazu geäußert, ob er ein solches Projekt umsetzen könnte. Dabei hat die
Stadtwerke-Tochter mit Pumpspeicherkraft Erfahrung: Ihr gehört eines
Sechs Stunden lang kann
das Speicherkraftwerk
Glems den Strombedarf von
Metzingen decken – rein
rechnerisch. Weil die im
Oberbecken gespeicherte
Energie aber nur zu Spitzenzeiten abgerufen wird,
erzielt der Strom Höchstpreise.
Die Turbinen, Generatoren
und Pumpen aus den
1960er-Jahren wurde erst
2008 generalüberholt.
Bilder: EnBW
24
der kleinsten und ältesten Kraftwerke
dieser Art: am Neckartalhang zwischen
Kirchentellinsfurt und dem Einsiedel,
Baujahr 1926, Leistung 1,3 Megawatt,
Fallhöhe 120 Meter.
Auch die Stadtwerke Ulm backen
kleinere Brötchen, die sich trotzdem
rechnen sollen: Am Blautal zwischen
Blaubeuren und Blaustein planen sie
ein 60-Megawatt-Speicherkraftwerk,
dessen Unterbecken einen Steinbruch
ausfüllen soll. Das Oberbecken soll 1,2
Millionen Kubikmeter fassen, der Höhenunterschied 162 Meter betragen.
Erste Untersuchungen laufen bereits:
Bohrungen und Pumpversuche ermitteln derzeit Auswirkungen auf das
Grundwasser im Blautal und geben
Aufschlüsse über die Bodenbeschaffenheit.
An der Sinnhaftigkeit ihres Vorhabens hegen die Projektpartner jedenfalls keinen Zweifel: Auch in kleineren
Dimensionen gelten Pumpspeicherkraftwerke als sinnvolle Anlagen, um
eingespeisten Öko-Strom so effizient
wie möglich zu nutzen. Einer ihrer
wenigen Nachteile ist, dass beim Bau
eventuell Schutzgebiete betroffen sind
und Biotope zerstört werden. Ihre Vorteile dagegen vereinen – neben den
energietechnischen – vielerlei Aspekte:
Sie stinken nicht und machen keinen
Krach, erzeugen keine Schadstoffe,
verursachen keine schnellen Bewegungen und sehen häufig natürlichen
Seen sehr ähnlich. Manchmal bieten
sie dann sogar einen gewissen Naherholungswert und werden Ausflugsziel.
Das Stauseehotel von Glems etwa gilt
seit Langem als eine der idyllischsten
Adressen am Albrand.
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PUMPSPEICHERKRAFTWERKE
BAUEN UND SANIEREN
Das Prinzip Pumpspeicher
Das Zauberwort heißt Lageenergie: Bei einem Pumpspeicherkraftwerk wird Wasser aus einem unteren in ein oberes
Becken hinaufgepumpt. Dadurch wird elektrische Energie in
mechanische umgewandelt. Das Wasser im Oberbecken speichert also den größten Teil der aufgewandten Energie durch
seine Lage in der Höhe. Um diese wieder abzurufen, lässt
man das Wasser zurück ins Tal fließen. Über Fallrohre treibt
es eine oder mehrere Turbinen an – die mechanische Energie
wird in elektrische zurückgewandelt.
Eingesetzt werden Pumpspeicherkraftwerke, um die Energie
im Stromnetz zu regeln und um kurzfristig Strom bereitzustellen. Wenn mehr Strom produziert wird als verbraucht,
wird mithilfe des überschüssigen Stroms Wasser nach oben
gepumpt und damit Energie gespeichert. In Zeiten, in denen
mehr Strom im Netz angefordert wird als eingespeist, kann
die gespeicherte Energie wieder abgerufen werden, indem
Oberbecken
das Wasser beim Rückfluss ins Unterbecken Strom erzeugt.
Damit sind Pumpspeicherkraftwerke äußert flexibel: Sie können innerhalb von Sekunden elektrische Energie bereitstellen
oder aufnehmen. Genau diese Fähigkeit macht sie ebenso
notwendig wie wertvoll. Mit ihnen können Netzbetreiber
nicht nur in Spitzen der Stromerzeugung Energie abspeichern
– sie liefern vor allem Regelenergie, um innerhalb von Sekunden Lastspitzen abzudecken, und können auch Energie für
den sogenannten Spotmarkt bereitstellen, die an der Strombörse tagesaktuell gehandelt wird. In beiden Fällen erzielt
der Strom ein Vielfaches des Preises als etwa bei Grundlastkraftwerken, die kontinuierlich laufen – ein wirtschaftlicher
Vorteil, der finanziell bei Weitem wettmacht, dass ein Viertel
bis ein Fünftel der Energie beim Pumpspeicherkraftwerk verloren geht. Positiv ausgedrückt heißt das: Der Wirkungsgrad
einer solchen Anlage liegt in der Regel zwischen 75 und 80
Prozent.
Wie viel Leistung ein Pumpspeicherkraftwerk erbringen
kann, liegt zum einen am Höhenunterschied, zum anderen
an der bewegten Wassermenge. Eine Studie des Energiekonzerns EnBW aus dem Jahr 2012 nennt eine Mindestfallhöhe
von 200 Metern als eine von mehreren Voraussetzungen, um
ein neues Pumpspeicherkraftwerk überhaupt wirtschaftlich
betreiben zu können. In Deutschland gibt es derzeit rund 30
Speicherkraftwerke mit einer installierten Leistung von sieben Gigawatt.
ges
Transformator
Motor / Generator
Dachsanierung
ist Vertrauenssache
Schritt für Schritt zum energetisch gedämmten Dach.
Unterbecken
Grafik: Köber
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KLIMA VOR ORT | November 2012
Turbine
Text: Hanna Meid
Pumpe
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BAUEN UND SANIEREN
BAUEN UND SANIEREN
Die neue Dachgaube über
der alten Dachfläche
Ein Dach über dem Kopf zu haben, ist nicht nur sprichwörtlich verstanden eines der Grundbedürfnisse des
Menschen, sondern auch eine Frage des Geschmacks, der
Energieeffizienz und der Nutzbarkeit bewohnbarer Flächen. Alle diese Aspekte berücksichtigt der Energieberater und Zimmermeister Michael Kessler aus Schwäbisch
Gmünd, wenn er zu einem Beratungsgespräch gebeten
wird. „Dachsanierung ist Vertrauenssache“, sagt er, „denn
viele Faktoren spielen bei den diversen Entscheidungen
mit und kein Angebot ist mit dem anderen direkt vergleichbar“. Wir haben ihn bei einer Dachsanierung in
Schwäbisch-Gmünd-Straßdorf begleitet.
W
as wollen wir mit den
zwei kleinen Zimmerchen hier unter dem
Dach anfangen, wir
brauchen mehr Licht und mehr Raum“,
klagte die Hausbesitzerin. So geht es
vielen: Ist das Häuschen erst einmal
in die Jahre gekommen, passt der Zuschnitt nicht mehr, Renovierungen
sind fällig oder Käufer haben andere
Nutzungsvorstellungen. 15 Quadratmeter mehr Nutzfläche, das könne er
rausholen, versichert Michael Kessler.
Dazu müsse er aber die schrägen Dachfenster durch Gauben ersetzen und die
Dachneigung der Dachgauben flach
halten, um eine möglichst große Standhöhe bis zum Fenster zu erreichen.
Zunächst machte der Fachmann eine
Das Dach vor Baubeginn
– nur wenig Licht fällt von
außen in das Zimmer
KLIMA VOR ORT | November 2012
Planung über die Wohnraumerweiterung, schrieb das Baugesuch und stellte
den Antrag zur Baugenehmigung. „Das
macht normalerweise ein Architekt
oder eben ein Meister im Bauhauptgewerbe“, erklärt er.
Die Kundin hatte er bereits darauf
hingewiesen, dass sich in diesem Fall
eine komplette Dachsanierung anbieten würde, da durch den Bau der Gauben von dem vorhandenen Dach nicht
mehr viel übrig bliebe. Ein Problem
bereiteten auch meist die Anschlüsse
der neuen Gauben an das vorhandene
Dach aus den 80er Jahren. Die Kundin
folgte dem Rat des Fachmanns und
stellte sich auf runde zwei Monate Umbauzeit ein.
In diesem Fall hatte Holzbau Kessler
die Gesamtleitung und koordinierte die
Arbeiten mit dem Flaschner. Man kann
auch die Gewerke einzeln an erfahrene
Handwerker vergeben, wichtig ist jedoch, dass die Bauleitung geklärt ist.
„Ich wollte vertrauenswürdige Handwerker aus der Nähe haben. Sie kamen
immer zur Abstimmung der Gewerke
auf die Baustelle und das war für den
reibungslosen Ablauf sehr wichtig“, bestätigte die Kundin. Handwerker übers
Internet zu beauftragen, war für sie keine Alternative.
Im ersten Schritt schlug Kessler wegen der flachen Dachneigung durch die
hohen Gauben ein Titanzinkblech mit
doppelter hinterlüfteter Schalung vor:
„Zum einen dient es dem Lärmschutz,
wenn Regen auf das Dach prasselt, und
Oben: Dachgaube mit
Unterspannbahn
Links: Dachgaube neu mit
Innenausbau
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BAUEN UND SANIEREN
BAUEN UND SANIEREN
Nicht nur 15 Quadratmeter mehr Nutzfläche bringt die neue Dachgaube, sondern auch mehr Licht.
zum anderen hat die doppelte Hinterlüftung das Ziel, die große Dichte des
Blechs außen der Dichte innen anzupassen“, machte er der Kundin deutlich.
Als zweiter Schritt folgte die Dachdeckung. Farbe und Oberflächenbeschaffenheit der Ziegel sind wichtige
Faktoren, denn im innerstädtischen Bereich gibt es oft Vorschriften über Form
und Farbe. Auch ist es nicht jedem Bauherren egal, ob er einen rauen Ziegel
hat, der schnell verschmutzt oder einen
mit unempfindlicher glatter Oberfläche
oder den glasierten, von dem Dreck
und Schnee abrutschen. Die Kundin
entschied sich für die Variante 'glatt'.
Im dritten Schritt wurden Dach und
Gauben mehrschichtig aufgebaut.
Das bedeutet Ausdämmung der Sparrenzwischenräume mit Mineralwolledämmung, die eine sehr gute Wärmeleitergruppe besitzt. Über den Sparren
werden vollflächig Holzweichfaserplatten verlegt, um einen besonders gu-
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»Die bessere
Wärmedämmung ist deutlich
zu spüren und die
Wärme des Schwedenofens bleibt im
Dachgeschoss. Ein
viel angenehmeres
Wohnklima und
geringere Energiekosten, das ist wirklich gelungen!«
ten Schall- und Sommerwärmeschutz
zu erreichen. Unterhalb der Sparren
kommt zuerst eine Dampfbremsfolie,
welche die Luftdichte der Konstruktion
nach der Energieeinsparverordnung
(EnEV) 2009 gewährleistet. „Dabei stoßen wir oft auf technische Herausforderungen, um die neue Konstruktion
luftdicht mit der vorhandenen zu verbinden“, erklärt Kessler der erstaunten
Kundin. „Wenn das nämlich nicht richtig ausgeführt ist, kann es bestenfalls
zu Schimmel und im schlimmsten Fall
zum Einsturz der Konstruktion kommen.“
Der vierte Schritt wird einmal nach
außen und einmal nach innen vollzogen. Zunächst kommt auf die Holzweichfaserplatte eine diffusionsoffene
Unterspannbahn, ähnlich einer Goretex-Membran, zum Schutz von eindringendem Regen oder Schnee. Darauf
kommen die Lattenkonstruktion für
die Ziegel und die Ziegel selbst. Nach
innen folgt auf die Dampfsperre die
Unterkonstruktion, welche den Gipskarton trägt, den man beliebig tapezieren oder verputzen kann. Fertig ist das
energetisch sanierte Dach. Das Fazit der
Kundin: „Die bessere Wärmedämmung
ist deutlich zu spüren und die Wärme
des Schwedenofens bleibt im Dachgeschoss. Ein viel angenehmeres Wohnklima und geringere Energiekosten, das ist
wirklich gelungen!“
Die Kosten, sagt Kessler, seien sehr
individuell. „Je nach Wünschen und
Anforderungen der Kunden hängen
sie von der Stärke der Dämmung und
des Dämmmaterials ab, von der Form
und der Qualität der Ziegel und auch,
ob ein Dach sehr verwinkelt ist oder
eine glatte, gerade Fläche hat, die natürlich einfacher zu decken ist.“ Bei
einem Haus mit etwa 120 Quadratmetern Dachfläche geht er von mindestens 30.000 Euro aus. „Es ist schwierig,
die Angebote zu vergleichen, weil jeder
Handwerker seine eigene Art hat, sie zu
erstellen und der Kunde sich selten mit
den Fachbegriffen auskennt. Daher ist
es wichtig, sich Handwerker empfehlen zu lassen oder auf sein Bauchgefühl
zu vertrauen. Leichtfertig sollte man
dieses Thema jedenfalls nicht behandeln“, rät der Energieberater. Übrigens
sind die Energieberater Handwerk im
Energiekompetenzzentrum Ostalb gelistet und bei der Handwerkskammer
zu erfragen.
Die Energieberater Handwerk beraten auch über staatliche Fördermittel
über die KfW-Bank und über die damit
verbundenen Auflagen und beantragen sie. Sie achten darauf, dass die Vorschriften nach der EnEV 2009 eingehalten werden, auch wenn beispielsweise
ein Hausbesitzer nur zehn Prozent an
der Fassade oder am Dach seines Bestandsgebäudes verändern will. Außerdem gibt es eine Sanierungspflicht für
ungedämmte Geschossdecken.
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BAUEN UND SANIEREN
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Das alte Rathaus aus den sechziger Jahren.
Vom alten Rathaus blieb nur
das Betonskelett übrig
Fassade und Energieeffizienz standen beim Neubau des
Oberkochener Verwaltungssitzes im Fokus.
Text: : Lothar Schell
D
as neue Rathaus passt zur
feinen Stadt Oberkochen.
Wir haben heute ein absolut
modernes, funktionales und ansprechend gestaltetes Rathaus, das auch
mit seinem energetischen Konzept
Vorbildfunktion aufweist“, sagt Bürgermeister Peter Traub. Das Aalener
Architekturbüro Kayser hatte den im
Jahre 2007 ausgeschriebenen Wettbewerb zur Konzeptentwicklung für
die Rathaussanierung gewonnen und
führte dann die Planung und Ausführung des Projekts durch. Das Oberkochener Rathaus war in den Jahren
1963 und 1964 von Architekt Professor
KLIMA VOR ORT | November 2012
Ludwig Schweizer errichtet worden.
Das Gebäude gliederte sich architektonisch in den zweigeschossigen Sockelbau mit weißer Putzfassade und den
darüber schwebenden fünfgeschossigen Turm, der sich aus horizontalen
Betonbrüstungsbändern und umlaufenden Fensterelementen zusammensetzte. Wesentlicher Grundgedanke
für das Entwurfskonzept war im Zusammenhang mit der Neugestaltung
des Eugen-Bolz-Platzes die Verlegung
des Gebäudeeingangs auf die Ebene
der Jenaer Straße. Hierdurch entstand
über einen großzügigen Windfang ein
zentraler behindertengerechter Zu-
gang und die beiden Foyer-Ebenen
wurden über eine großzügige Wendeltreppe im Luftraum verbunden. Ein
neuer Glasaufzug wurde im Foyer platziert, der alle Ebenen verbindet und
während der Fahrt den Ausblick auf
den Platz ermöglicht.
Im November 2009 wurde mit dem
Bau begonnen, nach eineinhalbjähriger Bauzeit hatte Oberkochen seinen
neuen Verwaltungssitz. 7,5 Millionen
Euro hat das neue Rathaus gekostet.
Von Bund und Land erhielt man aus
dem
Zukunftsinvestitionsprogamm
des Konjunkturpakets II rund 2,4 Millionen Euro sowie rund 920.000 Euro
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BAUEN UND SANIEREN
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Bild oben:
Viele Meter Kabel sind in
der Decke verlegt.
Bild unten:
Im Sitzungssaal wurde
die Lichtkuppel
geschlossen.
Der neue Aufzugschacht.
aus dem Sanierungsprogramm des
Landes. Zentral im Eingangsbereich
wurde das neue Bürgerbüro angeordnet. Eine Glaswand trennt die Räumlichkeiten vom Foyer. Das bestehende
Treppenhaus wurde ebenfalls bis in
die Eingangsebene fortgeführt und
dient nun als geschlossener Rettungsweg. „Nach der völligen Entkernung
lag das Augenmerk auf der Fassade
und der Energieeffizienz“, betont Projektleiter Johannes Thalheimer, der in
seiner Eigenschaft als Stadtbaumeister
eng mit Bauleiter Bernd Rentel vom
Architekturbüro Kayser + Kayser kooperierte. Während die Sockelgeschosse
mit einem Wärmedämmverbundsystem und neuen Aluminiumfenstern
in den bestehenden Öffnungen saniert
wurden, erhielt der Turm eine vorgehängte
Aluminium-Pfosten-RiegelFassade mit Alulisenen, die nun die
Geschosse verbinden. Die Betonbrüstungen des Bestands wurden auf der
Außenseite gedämmt.
Vorgeblendete Glasbrüstungspanee-
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»Mit der Fassade
wurde ein optimaler winterlicher
Wärmeschutz
und eine Reduzierung des Sonnenenergieeintrags im
Sommer erreicht.«
Johannes Thalheimer, Projektleiter
len mit integrierten Sonnenschutzlamellen bilden nun zusammen mit der
Verglasung der Aluminiumfenster die
wartungsfreie Außenhaut. Der Sonnenschutz wird mit Tageslichtlenkelementen abhängig vom Sonnenstand
gesteuert. „Mit der Fassade wurde ein
optimaler winterlicher Wärmeschutz
und eine Reduzierung des Sonnenenergieeintrags im Sommer erreicht“,
betont Projektleiter Johannes Thalheimer. Dosierte natürliche Belüftung
wird nun über schmale Lüftungsflügel
im Wechsel mit fest verglasten Elementen ermöglicht. Schließlich bot das
Fassadenraster optimale Anschlussmöglichkeiten für flexible Trennwände
und variable Raumgrößen. Eingriffe in
die Fassadenöffnungen erfolgten nur
im Sitzungssaal, der nun durch große
Fensterausschnitte vom introvertierten Raum mit Oberlicht zum bürgeroffenen, lichtdurchfluteten Raum
mit Ausblick umgewandelt wurde.
Für den neuen Verwaltungstempel
wurde ein ganzheitliches ökonomisch
und ökologisch sinnvolles energetisches Sanierungskonzept entwickelt.
Die Fassade des Altgebäudes hatte ihre
Lebensdauer längst erreicht. Durch die
undichte Fassade und den schlechten
winterlichen und sommerlichen Wärmeschutz wies das Gebäude vor der
Sanierung einen Gebäudeheizenergiebedarf von 256 Kilowattstunden pro
Quadratmeter und Jahr auf. Bei der
Sanierung wurde die Fassade komplett
erneuert und durch eine moderne Fassade mit gutem winterlichen und sommerlichen Wärmeschutz ersetzt. Die
Verglasung besteht nun aus Zweischeibenwärmeschutzverglasung
mit
einem U-Wert (Wärmedurchgangskoeffizient) von 1,1. Die Flügel der Fassade können geöffnet werden, so dass effektiv natürlich belüftet werden kann.
„Wir konnten durch die neue Fassade
den Gebäudeheizenergiebedarf auf
110 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr, also um 57 Prozent, reduzieren“, stellt der Projektleiter fest.
Neben der Fassade wurde auch die Gebäudetechnik energetisch optimiert.
Die alte Gasheizkesselanlage, die
auch das Hotel am Rathaus mit Wärme
versorgte, wurde komplett erneuert
und durch zwei Gasbrennwertkessel
kombiniert mit zwei Blockheizkraftwerken mit jeweils 12,5 Kilowatt thermisch ersetzt. Durch die optimalen
Betriebsbedingungen und dank der
Kraft-Wärme-Kopplung konnte damit
der Primärenergiebedarf nochmals um
weitere 23 Prozent reduziert werden.
Damit liegt das neue Rathaus vierzig
Prozent unter den Anforderungen
der Energieeinsparverordnung EnEV
2007 für modernisierten Altbau. Das
Rathausgebäude musste auch brandschutztechnisch komplett saniert werden. So wurden die Rettungswege neu
festgelegt, Brandschutzwände eingezogen und eine Brandmeldeanlage mit
Sicherheitsbeleuchtungen und Sicherheitsstrom installiert.
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BAUEN UND SANIEREN
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Das Vorzeigeobjekt von Architekt Wolfgang
Helmle ist sein eigenes Wohnhaus in Ellwangen,
das im Erdgeschoss auch das Büro seiner Firma
beherbergt.
Seine Ideen
bringen alten
Bauten neue
Effizienz
Seit 1991 ist Wolfgang
Helmle mit seinem Architekturbüro
in Ellwangen aktiv. Als Energie- und
Klimaberater legt er großen Wert
auf Energieeffizienz. Im reizvollen
Rahmen der historischen Ellwanger Bauten sucht er Funktionalität,
Ökologie und Ästhetik zu einen.
Dabei setzt sein Büro auf kreative
Lösungen und neue Technik.
Text: Benjamin Leidenberger
Ä
sthetik und Funktionalität verbinden und dabei „verantwortungsvoll bauen“:
Sein ausgeprägtes Ökologiebewusstsein
prägt Architekt Wolfgang Helmle. Als Berufener fühlt
er sich, wenn es darum geht, mit Rücksicht auf Natur
und Umwelt Neues zu gestalten. Mit seinem Büro will
er Ideen entwickeln. Helmle will Pionier sein, wenn
es um ökologisches, energieeffizientes Bauen geht:
„Mittlerweile sind alle soweit zu sagen, dass wir Energie sparen müssen. Ich sage, wir müssen Häuser bauen, die Energie produzieren und speichern.“
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BAUEN UND SANIEREN
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Vom Balkon des Hauses hat man einen schönen Blick auf das Schloss auf dem
Schönenberg.
Das Haus bekommt eine neue Innendämmung mit Wandheizung.
Durch die Panorama-Fenster hat man einen herrlichen Blick auf den Schönenberg.
Wer solche Ansprüche formuliert, braucht Authentizität. Weshalb
Helmles Vorzeigeobjekt sein eigenes
Wohnhaus ist, das im Erdgeschoss auch
das Büro seiner Firma beherbergt. 2007
hat er den 1753 von Johann Gottfried
Prahl in der Ellwanger Schlossvorstadt
errichteten Bau energetisch saniert. In
nur neun Wochen Bauzeit hat er das
unter Denkmalschutz stehende Objekt in ein „Minimal-Energie-Haus“
verwandelt. Passivhauskomponenten
wurden verbaut. Weil die Straßenfassade nicht verändert werden durfte,
hat Helmle sich für eine Innendämmung mit Wandheizung entschieden.
Dreifach verglaste Fenster wurden eingesetzt, eine 14 Quadratmeter große
Solarthermieanlage sorgt für warmes
Wasser. Eine kontrollierte Be- und Entlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung rundete das Sanierungspaket ab.
80 Prozent Energie- und CO²-Emission
wurden insgesamt eingespart. Das
Haus weißt einen Energiebedarf von
39 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr aus. Dafür gab es einige
Preise, darunter den ersten Preis des
Wettbewerbs „Deutschlands schönste
Effizienzhäuser“.
Bei der Innengestaltung hat Helmle viel Holz verbaut, um mit dem natürlichen Baustoff Akzente zu setzen.
Beispielsweise bei einem optischen
Dreiklang in den Büroräumen, wo eine
Holzakustik-Schiebewand von 2007
auf Ziegelmauerwerk eines Anbaus
von 1904 und das vom Putz befreite
Original-Sandsteinmauerwerk
von
1753 stößt. Helmle verweist hier spielerisch auf die reichhaltige Geschichte
des Objektes. Moderne hält Einzug ins
historische Gemäuer.
„In so einem Haus fühlt man sich
wohl“, sagt Helmle über Energiesparhäuser. Die Differenz der Wohntemperatur von 19 Grad gegenüber sonst
gängigen 21 Grad spüre man nicht, es
herrsche immer ein gutes Luftklima.
„Und man hat dabei noch ein gutes
Gefühl der Umwelt gegenüber.“ Durch
das Vorleben könne er die beste Überzeugungsarbeit leisten, neue Wege zu
beschreiten. Dies brauche es auch,
wenn aus dem gewachsenen ökologischen Bewusstsein unserer Gesell-
schaft ein echter Verhaltenswandel
resultieren soll. „Es sind immer nur
ein paar, die etwas anstoßen“, sagt
Helmle, „viele, die mitkommen und
ein paar, die immer dagegen sind.“
Helmle sucht weitere Herausforderungen für sein Architekturbüro.
„Wir machen gerade unsere Hausaufgaben und sind dabei, im Hinterkopf
neue Ideen zu entwickeln.“ Wir, das
heißt Wolfgang Helmle, der 52-jährige
Diplom-Architekt und zertifizierter
Energie- und Klimaberater, und seine vier Mitarbeiterinnen. „Wir sind
ständig am Schauen, nach neuen
Materialien, besserer Technik.“ Mehr
Entwicklung hat sich Helmle bei der
Technik im Heizungs-, Lüftungs- und
Sanitärbau erwartet. Aber solange
sich die Anlagen der heutigen Generation noch gut verkauften, fehle es
an Investitionen in Verbesserungen.
Brennstoffzellen seien beispielsweise
eine vielversprechende Technologie,
die noch wenig eingesetzt werde. So
wird das Ausreizen der Möglichkeiten
teuer. Für Plus-Energiehäuser und
andere innovative Effizienzkonzepte
KLIMA VOR ORT | November 2012
»Wir sind ständig am Schauen,
nach neuen Materialien, besserer Technik.«
Wolfgang Helmle,
Diplom-Architekt
bräuchte es solvente Partner. „Bauherren mit einem Faible dafür“, sagt
Helmle.
Bei „seinem“ eigenen Projekt wäre
Helmle gerne noch weiter gegangen.
Am liebsten hätte er ein Miniblockheizkraftwerk eingebaut und damit
sein eigenes Haus und die als Reihenhäuser angebauten Nachbarhäuser gleich mit Wärme mitversorgt.
Technisch wäre das möglich gewesen,
aber der Aufwand, die Nachbarhäuser
umzurüsten, war zu groß. Eine andere Idee konnte er gegen die Denkmalschutzbehörde nicht durchsetzen. „Ich
wollte unbedingt eine PV-Anlage“, erzählt Helmle. Auf dem Dach des denkmalgeschützten Hauses sei das nicht
genehmigungsfähig gewesen. Helmle
bewies Erfindergeist: Auf den Fensterläden hätte er gerne PhotovoltaikZellen angebracht. Damit die auch bei
geschlossenen Läden Strom hätten
liefern können, hätte er die Module
um 180 Grad schwenkbar befestigt.
Eine patente Idee – die keine Genehmigung fand. „Es wäre nur ein Kilowatt
Leistung gewesen“, relativiert Helm-
le selbst den Effekt. Die Kreativität
spricht dennoch für sich. Dass nicht
jede gute Idee umgesetzt werden könne, damit müsse man leben.
Der Reiz des Neuen, des Entdeckers,
der Pioniergeist sorgt dafür, dass
Helmle auch nach über 20 Jahren im
Beruf noch Grenzgänger bleibt beim
Thema ökologisches Bauen. Die unverputzte Backsteinwand seines Arbeitszimmers ziert eine Bordüre mit
einem Zitat von Karljosef Schattner,
der einst als Diözesanbauamtsleiter
in der Barockstadt Eichstätt moderne Bauten errichtete: „Die Gegenwart leugnen hieße die Geschichte
zu leugnen. Neues Bauen in alter
Umgebung ist etwas Selbstverständliches.“ Dieses Credo hat sich Helmle
zu eigen gemacht. Im „reizvollen Rahmen“ Ellwangens will er seine architektonischen Ideen umsetzen. Neu zu
bauen mache zwar Spaß, die große
Aufgabe sieht Helmle aber darin, den
Bestand energetisch zu ertüchtigen.
Dabei sei wieder Kreativität gefragt:
„Es gibt noch viele Sachen, die man
versuchen muss.“
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INNOVATIVE UNTERNEHMEN
INNOVATIVE UNTERNEHMEN
Die Photovoltaikanlage auf
dem Dach des Feuerwehrgebäudes hat eine Gesamtfläche
von circa 270 Quadratmetern
und eine geschätzte Leistung
von 42 kWP.
G
enossen sind im Allgemeinen
Menschen, die Interesse haben, am gemeinschaftlichen
Handeln, zu ihrem Wohl und dem der
Allgemeinheit. Energiegenossen, eine
Gruppe Ellwanger Bürger, die am 21.
Januar 2011 einen Zusammenschluss
gründeten, haben ein hohes Interesse am Ausbau erneuerbarer Energien
und dies möglichst regional. Des weiteren, so haben es sie in ihrer Satzung
festgelegt, soll Energieeffizienz sowie
Energieeinsparung und Klimaschutz
eines ihrer Ziele sein. 87 Bürger zeichneten bei der Gründungsversammlung 294 Geschäftsanteile mit einem
Volumen von 147.000 Euro. Die Anzahl
der Mitglieder ist seit der Gründungsversammlung konstant angestiegen.
Ende August 2012 hat die Genossenschaft bereits 204 Mitglieder mit 1036
Geschäftsanteilen. Ein Anteil beträgt
500 Euro. Es können maximal 40 Anteile erworben werden.
Den Vorstand der Energiegenossenschaft Virngrund eG bilden Willi Gresser (technischer Bereich) und
Kürzere Wege auch für
den Strom
Die Mitglieder der Energiegenossenschaft Virngrund eG
machen sich für Strom aus erneuerbaren Energien aus der
Region stark.
Text: Sabine Freimuth
KLIMA VOR ORT | November 2012
Friedrich Schluck (kaufmännischer
Bereich). Aufsichtsratsvorsitzender ist
Bürgermeister Volker Grab. Mit fast der
gesamten Familie gehören die Ellwanger Friedrich und Karin Böhme vom
ersten Tag der Genossenschaft an. Vater Paul Wolf dürfte mit 83 Jahren das
älteste Mitglied sein. Das jüngste ist
sicher Enkelin Rahel, die zur Taufe einen Anteil geschenkt bekam. Bei der
Begründung, warum sie der Genossenschaft beigetreten seien, war das
Ehepaar Böhme einer Meinung: „Wir
wollten sehen, was mit unserem Geld
Sinnvolles passiert. Energie sollte vor
Ort erzeugt werden. Wir wollten keine
Windräder an der Ostsee kaufen und
damit noch Stromautobahnen längs
durch Deutschland unterstützen. Von
unseren Aktivitäten profitiert auch die
heimische Wirtschaft.“
Nur logisch ist es für die beiden, dass
sie nicht nur ihr Geld arbeiten lassen,
sondern sich auch selber einbringen.
Karin Böhme ist im neunköpfigen
Aufsichtsrat. Zwischenzeitlich wurden
etliche Projekte realisiert. Mit dem Ka-
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INNOVATIVE UNTERNEHMEN
Willi Gresser beim Ablesen des Zählerstands der Photovoltaikanlage auf dem Dach
der Stadtwerke. Die Anlage gehört der Energiegenossenschaft Virngrund.
INNOVATIVE UNTERNEHMEN
pital wurden bisher mehrere, auf städtischen Gebäuden montierte, Photovoltaikanlagen finanziert.
Eine der Photovoltaikanlagen wurde
auf dem Dach des Feuerwehrgerätehauses montiert. Mit einer Spitzenleistung von bis zu 42 kWp und einem
Investitionsvolumen von 95.000 Euro.
Sie ging im Mai ans Netz. Im Juni wurde
auf den Dächern der Stadtwerke eine
Anlage mit 38 kWp Leistung in Betrieb
genommen. In dieses Projekt flossen
88.000 Euro. Eine dritte, 60.000 Euro
teure Anlage wurde auf dem Schuldach
in Rindelbach platziert. Inbetriebnahme war im Dezember 2011, die Anlage
hat eine Leistung von bis zu 30 kWp.
Die Anlage auf dem Dach der Kläranlage in Haisterhofen hat eine Leistung
von knapp 26 kWp und läuft seit März
2011. Die jüngste Anlage auf dem Dach
des Baubetriebshofes Ellwangen ist
circa 40 kWp stark und wurde im März
2012 in Betrieb genommen.
Zudem beteiligte sich die Genossenschaft bei der Finanzierung der
Wasserkraftanlage Steingrubmühle an
der Jagst. Hier gewährte die Energiegenossenschaft ein Darlehen in Höhe
von 80.000 Euro. Die Wasserschnecke
hat eine Leistung von 33 Kilowatt und
wurde im Oktober 2011 in Betrieb genommen. Alle Anlagen zusammengenommen erzeugen Strom für ungefähr
100 Haushalte. Weitere geplante Projekte sind eine Photovoltaik-Anlage in
Neuler mit circa 300 kWp und eine in
Ellwangen mit 350 kWp. Langfristig will
die Energiegenossenschaft auch in die
Windkraft investieren. Ein Bürgerwindrad sei ein „gesetztes Ziel“, sagt Gresser.
„Wir versuchen das eingezahlte Geld
möglichst schnell anzulegen, damit
es auch Ertrag bringt“, erklärt Gresser.
„Ein Ansparen für das Windrad wäre
nicht sinnvoll.“ Über die Verwendung
des Kapitals entscheidet der Aufsichtsrat, der zweimal im Jahr tagt. Wie dieses
Jahr, so werden die Genossen auch
beim kommenden Kalten Markt wieder
kräftig Werbung für ihre Sache machen.
INFO
Die Wasserkraftanlage Steingrubmühle an der Jagst erzeugt 180.000 kWh pro
Jahr. Das reicht für circa 50 Haushalte.
KLIMA VOR ORT | November 2012
Energiegenossenschaft Virngrund eG
Bahnhofstrasse 28, 73479 Ellwangen
Telefon: 07961-84610
Fax: 07961-84640
Email:
[email protected]
Bild: ClimatePartner Deutschland GmbH
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Bei dem Klimaschutzprojekt Poza
Verde handelt es sich um ein kleines
Laufwasserkraftwerk in der Gemeinde
von Pueblo Nuevo Viñas, im Department
Santa Rosa in Guatemala.
Klimaneutral umziehen
Das mittelständische Stuttgarter Logistik-Unternehmen
Christ bot als erstes in der Branche klimaneutrale Umzüge an.
Hier entscheiden die Kunden, ob sie einen zusätzlichen
Beitrag für den Klimaschutz leisten wollen.
Text: Frank Rumpel
2
184 Kilogramm Kohlendioxid werden frei gesetzt, wenn
ein 16-Tonner 60 mit Hausrat
gefüllte Umzugskartons von
Stuttgart ins 650 Kilometer entfernte
Hamburg fährt. Genau diese Menge an
CO2 können umweltbewusste Kunden
auf andere Art kompensieren, indem
sie beispielsweise in ein Wiederaufforstungsprogramm in Zentralindien,
den Bau eines Wasserkraftwerkes in
Guatemala oder in ein Biomasseprojekt in Brasilien investieren. Sie zahlen also etwas mehr für ihren Umzug
und die Firma Christ leitet diese Summe dann über die Klimaschutzberatung Climate Partner solchen nach
Umweltverträglichkeitsstandards zertifizierten Projekten zu.
Möglich gemacht hat diesen internationalen Austausch das 1997
auf dem Weltklimagipfel in Japan
beschlossene und 2005 in Kraft getretene Kyoto-Protokoll, nach dem
Unternehmen entstandene Treibhausgasemission durch entsprechende
Investitionen an anderer Stelle auf der
Welt wieder einsparen können. Dadurch soll der negative Effekt auf das
klimatische Gleichgewicht neutralisiert werden.
Die Firma Christ mit ihren rund
250 Mitarbeitern bietet diese klimaneutrale Dienstleistung seit 2008
an. „Nach dem heißen Sommer 2003
ist mir bewusst geworden, dass man
dringend was tun muss“, sagt Maximilian Baur, Bereichsleiter Logistik,
der das Thema auf den Weg brachte.
Das Unternehmen wurde 1914 als
Möbelspedition gegründet und hat
heute Niederlassungen in Stuttgart,
Heilbronn, Wiesbaden und Bern.
Die Dienstleistungspalette umfasst
Umzüge, Logistik und Messekonzepte. Christ gilt als Pionier in der
Umzugsbranche und gehörte mit zu
den ersten Unternehmen, die auch
klimaneutrale Logistik und Messekonzepte im Programm hatten. „Aber
damit“, resümiert Baur, „waren wir eigentlich etwas zu früh dran.“
Denn vieles von dem, was heute für
einen solchen Prozess standardisiert
zu bekommen ist, musste er noch
selbst entwickeln. Dazu gehörte etwa
die Festlegung der Kohlendioxidemissionen für die unterschiedlichen
Sparten des Unternehmens, das Programmieren eines CO2-Rechners oder
das entsprechende Marketing. „Das
war schon aufwändig“, sagt Baur.
Errechnet werden die CO2-Emissi-
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INNOVATIVE UNTERNEHMEN
onen bei Christ aus fixen und variablen Werten. Fix sind beispielsweise
Strom- oder Heizenergie für Lager
und Verwaltungsgebäude sowie die
An- und Abfahrt der Mitarbeiter. Beim
oben genannten Umzug von Stuttgart
nach Hamburg fallen so Emissionen
von 152 Kilogramm an. Der Rest, gut
2000 Kilogramm, sind variable, also
bei der eigentlichen Dienstleistung
frei gesetzte Treibhausgase. Dabei
spielt die Entfernung ebenso eine Rolle wie Art und Anzahl der Kartonagen
und der Transportmittel.
Um dies auszugleichen, müssen die
Kunden in der Regel etwa ein Prozent
der Auftragssumme berappen. Dafür bekommen sie eine Urkunde, auf
der die Menge des neutral gesetzten
Treibhausgases ebenso notiert ist wie
das Projekt, in welches das Geld fließt.
Daneben bezieht das Unternehmen
seit 2008 an allen Standorten Ökostrom, hat in Photovoltaikanlagen
auf eigenen und angemieteten Dächern investiert, die zusammen etwa
1,5 Millionen Kilowattstunden Strom
erzeugen, setzt im Betrieb energiesparende Leuchtmittel und Geräte
ein, wartet seinen Fuhrpark regelmä-
blockheizkraftwerk. Die Investitionen
in ein Energiesparprogramm sind
dabei zu verkraften, sagt Baur. „Die
Kosten amortisieren sich so, dass ein
Mittelständler damit leben kann.“
Das alles macht aus Christ freilich
noch kein klimaneutrales Unternehmen. „Aber das“, sagt Baur, „war und
ist auch gar nicht das Ziel. Im Speditionsbereich lässt sich nunmal nicht alles
reduzieren.“ Zwar will das Unternehmen durch Energieeinsparungen einen
Beitrag zum Umweltschutz leisten, mit
den klimaneutralen Dienstleistungen
aber auch bei den Kunden ein Bewusstsein für das Thema schaffen.
Das hat zunächst gut funktioniert,
wurde gleichermaßen von Privat-,
wie Geschäftskunden gut angenommen. Allerdings brach die Nachfrage
im Krisenjahr 2009 deutlich ein. Mittlerweile erledigt Christ wieder rund
ein Viertel der Aufträge klimaneutral. Vor allem im Messebereich zieht
die Nachfrage an, lässt sich dort das
Klima-Engagement doch unmittelbar nach außen kommunizieren. „Wir
hoffen“, sagt Baur, „dass das künftig
auch in den anderen Bereichen wieder anzieht.“
»Die Kosten
amortisieren sich
so, dass ein
Mittelständler
damit leben
kann.«
Maximilian Baur,
Bereichsleiter Logistik
ßig und schult die Fahrer. Am neuen
Standort in Stuttgart-Feuerbach – an
dem nun drei in und um die Landeshauptstadt angesiedelte Niederlassungen zusammengezogen werden –
hat Christ in einem Industriebau aus
den 50er Jahren unter anderem in ein
neues Dach und eine neue Heizanlage
investiert. Geheizt wird hier mit zwei
Holzpelletkesseln und einem Biogas-
Aufforstung Pendravan, Indien
Prakash Industries Ltd. betreibt ein Wiederaufforstungsprojekt im Bundesstaat Chhattisgarh in Zentralindien. Ziel
des Projektes ist die Wiederaufforstung von 282 Hektar degradierter Böden an fünf Standorten mit insgesamt 210.233
Bäumen. Dies führt zur Bildung von CO2-Senken, da die heranwachsenden Bäume durch den biochemischen Prozess
der Photosynthese Kohlenstoff binden.
Die nachhaltige Bewirtschaftung des Landes liefert zudemBrennmaterial wie Äste und Blätter, sodass in der Umgebung
weniger Wälder gerodet werden müssen. Über die Projektlaufzeit von 20 Jahren werden durch das Projekt pro Jahr etwa
10.000 Tonnen CO2-Äquivalente eingespart.
Bild: ClimatePartner Deutschland GmbH
Unterstützte Projekte
Biomasse Rio de Janeiro, Brasilien
Bilder: Christ
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Das Projekt umfasst die drei kleinen Keramikfabriken Arrozal, GGP Ceramics und Sul América Ceramics im Bundesstaat Rio de Janeiro. Bis 2006 wurde bei allen der fossile
Brennstoff Öl zur Produktion eingesetzt, dann erfolgte die
Umstellung auf Biomasse zur Beheizung der Keramiköfen.
Nun werden nachhaltig aufgeforstetes Holz, Holzreste wie
Holzspäne und Sägemehl plus Industrieabfälle (Paletten,
Holzverpackungen) verwendet. Nur in Ausnahmefällen wird
der Biomassebedarf über kultivierte Pflanzen wie Elefanten-
gras gedeckt. Es werden mehr als sechs Millionen Liter Heizöl pro Jahr eingespart. Die jährliche CO2-Reduktion beträgt
27.771 Tonnen CO2-Äquivalente.
Die Asche aus den Keramiköfen wird dem eigenen Kompostzugeführt. Die GGP Ceramics nutzt die Abwärme des
Ofens auch zum Trocken von Keramikeinheiten. Das Projekt
verfolgt bewusst auch soziale und weitere ökologische Zielsetzung, deren Fortschritt durch den Social Carbon Standard
kontinuierlich überwacht und bewertet werden.
November 2012 | KLIMA VOR ORT
EXPERTENRAT
EXPERTENRAT
mit Holz
Holz als Wärmelieferant erlebt eine Renaissance.
Es ist ein klimaneutraler und vergleichsweise preiswerter
Brennstoff. Holzöfen sorgen an kalten Herbst- und Wintertagen zudem für eine behagliche Atmosphäre. Wer ein paar
Tipps beim Heizen mit Holz berücksichtigt, tut Gutes für Umwelt und Nachbarschaft.
Text: Stephan Gokeler
J
KLIMA VOR ORT | November 2012
Bild: © SyB - Fotolia.com
46
eder fünfte Haushalt in Deutschland
heizt mittlerweile wenigstens teilweise mit Holz. Steigende Preise für Öl
und Gas haben dazu geführt, dass Holz als
Wärmequelle wieder attraktiver geworden
ist. Aber auch aus ökologischen Gründen
haben viele den Urbrennstoff der Menschheit neuerlich für sich entdeckt. Wenn Holz
verbrennt, setzt es so viel Kohlendioxid
frei, wie der Baum bei seinem Wachstum
aus der Atmosphäre aufgenommen hat
– und auch bei seiner natürlichen Verrottung wieder abgegeben hätte. Deshalb gilt
Holz als klimaneutraler Brennstoff. Diese
Rechnung geht aber unter ökologischen
Gesichtspunkten nur auf, wenn die Verbrennung möglichst optimal verläuft. Andernfalls drohen Feinstaub, Kohlenmono-
xid und Methan sowie giftige oder sogar
Krebs erregende organische Verbindungen
die Ökobilanz zu beeinträchtigen.
Dies lässt sich vermeiden, wenn einige
wichtige Regeln beachtet werden:
1 Den richtigen Brennstoff verwenden
Die Bundesimmissionsschutzverordnung
regelt klipp und klar, was in Privathaushalten zu Heizzwecken verbrannt werden
darf: naturbelassenes Scheitholz, Holzbriketts und -pellets sowie Holz-, Braun- und
Steinkohle. Alle anderen Brennstoffe sind
ausdrücklich verboten, also auch alle Arten
von beschichtetem, lackiertem und lasiertem Holz, Sperrholz, Span- und Faserplatten. Obwohl Baumärkte entsprechende
November 2012 | KLIMA VOR ORT
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EXPERTENRAT
E
EXPERTENRAT
O Tannenbaum…
in Leben als Christbaum ist kurz. Damit er
möglichst frisch aussieht und nicht direkt
nach dem Fest der Liebe seine Nadeln verliert,
kommt der Tannenbaum oft erst in den Tagen
vor Weihnachten in die gute Stube. Die Mission
der meisten Weihnachtsbäume endet bereits am 6. Januar,
wenn Kerzenschmuck und Lametta wieder in Schachteln
und auf Dachböden verstaut werden. Und dann?
Rund 29 Millionen Weihnachtsbäume wurden
vergangenes Jahr in Deutschland aufgestellt –
Tendenz steigend. Ob Nordmanntanne, Blauoder Rotfichte: In Berlin und einigen anderen Großstädten sind ausrangierte
Weihnachtsbäume eine gefragte Ware, die
von den zuständigen Entsorgungsbetrieben kostenlos abgeholt wird. Zu Holzhackschnitzeln
verarbeitet landet sie dann in Heizanlagen
öffentlicher Gebäude. Wer daheim
über einen Kachel- oder Kaminofen verfügt, kann das Holz
des ausgedienten Weihnachtsbaums
auch selbst in Wärme verwandeln. Das
behagliche Knistern des brennenden
Weihnachtsbaums als nachweihnachtliche Hintergrundmusik
sollte allerdings nicht
vom gerade erst abdekorierten Bäumchen stammen.
Denn das Holz ist noch zu feucht,
um es im selben Winter zu verfeuern.
Zersägt und mindestens ein Jahr
gelagert hingegen spricht
nichts gegen die thermische Zweitnutzung.
Wer über einen eigenen Kompost und einen
Häcksler verfügt, kann die Reste sei- nes Weihnachtsbaums auch auf diesem Weg wieder dem natürlichen
Kreislauf zurückgeben. Einerlei, ob aus dem Nadelbaum
Brennholz oder Kompost wird: Reste vom Christbaumschmuck sollten zuvor penibel entfernt werden. Lametta
zum Beispiel kann giftige Metallanteile enthalten oder aus
metallisiertem Kunststoff bestehen. Auch Engelshaar und
Deko-Schaum sollten weder verbrannt noch kompostiert
werden. Ein erst vor wenigen Jahren in Mode gekommenes
Ritual, das mancherorts aber schon als „Brauchtum“ gilt, bereitet in einigen Amtsstuben Kopfzerbrechen. Örtliche Vereine oder Feuerwehren laden die Bürger zum gemeinsamen
öffentlichen „Weihnachtsbaumverbrennen“ mit Glühwein,
Punsch oder Gulaschsuppe ein. Eigentlich gelten für Feuer unter freiem Himmel die Regeln der jeweils gültigen
lokalen Abfallverordnung. Und diese verbietet häufig,
Pflanzenreste überhaupt zu verbrennen, oder sie
beschränkt die Erlaubnis auf bestimmte Zeiten
im Jahr und raucharme Feuer. Die noch relativ frischen Weihnachtsbäume verbrennen
aber ganz und gar nicht raucharm. Zudem
herrschen in den Wintermonaten oft Inversionswetterlagen mit sowieso schon hoher Feinstaubbelastung. Ausnahmegenehmigungen
für das kollektive Christbaumfeuer
sind daher vielerorts notwendig.
Sie können zwar erteilt werden,
wenn es sich um eine Veranstaltung
zur Traditionspflege handelt – doch Umweltschützer könnten auf dieses neue
„Brauchtum“ gut verzichten.
Wer sich über die Entsorgung seines Weihnachtsbaumes überhaupt keine
Gedanken machen will, greift
am besten auf ein künstliches Exemplar zurück. Naturnah gestaltete
oder designorientierte, lediglich
noch die klassische Silhouette
nachahmende
Modelle gibt es
aus den verschiedensten Materialien.
Sie können immer wieder
aufgestellt werden und trotzdem von Jahr zu Jahr durch
neue Deko-Ideen anders aussehen. Von einer anderen,
scheinbar ökologischen Alternative raten Umweltschützer
hingegen eher ab: In Pflanzkübeln angebotene Tannenbäume, die nach dem Fest im Garten einen Platz finden sollen,
überleben den weihnachtlichen Wärmeschock im Wohnzimmer nur zu einem sehr kleinen Teil.
gor
Pressen für den Heimgebrauch verkaufen, ist das Verfeuern von Briketts
aus Altpapier ebenso untersagt wie
die Verbrennung von Haushaltsmüll
jeglicher Art. Selbst Obstkisten aus
Holz oder auch Nussschalen gehören
nicht ins heimische Feuer. Nadelholz
sollte nur in geschlossenen Öfen verfeuert werden, nicht in offenen Kaminen: Es hat einen höheren Harzgehalt,
weswegen Funkenflug droht.
2 Nur trockenes Holz verfeuern
Frisch geschlagenes Holz hat je
nach Art des Baumes und Jahreszeit
einen Wasseranteil von 45 bis 60 Prozent. Optimal für die Verbrennung ist
ein Wassergehalt von unter 22 Prozent. Dieser wird durch die richtige
Lagerung erreicht: Eine Holzbeige
im Freien, möglichst überdacht und
von allen Seiten durchlüftet, sorgt
im optimalen Fall dafür, dass dieser
Wassergehalt schon nach einem Jahr
Lagerung erreicht ist. Ohne Überdachung oder gegen eine Hauswand
gestapelt sollte Holz vor dem Verbrennen zwei Jahre gelagert werden.
Zu feuchtes Holz führt zu schwarzen
Ablagerungen im Brennraum und
an den Innenwänden des Kamins.
Dadurch kann ein Kaminbrand ausgelöst werden, der unter Umständen schwerwiegende Folgen hat.
Auch Feinstaub und unerwünschte
Gase treten vermehrt auf, wenn zu
feuchtes Holz verfeuert wird. Außerdem wird der Wirkungsgrad der
Holzheizung beeinträchtigt. Im Handel erhältliche gepresste Holzbriketts
sind trocken genug und müssen nicht
mehr gelagert werden, sind aber um
einiges teurer als Scheitholz.
3 Luftzufuhr sicherstellen
Wenn das Feuer zu wenig Verbrennungsluft erhält, sind die Folgen
ähnlich wie bei der Verbrennung von
zu feuchtem Holz. Ist die Luftzufuhr
regelbar, dann sollte sie so eingestellt
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werden, dass ein gleichmäßiges Feuer
brennt und das Holz nicht nur glostet. Kleinere Holzscheite verbrennen
besser als große; die Luftzufuhr funktioniert außerdem besser, wenn der
Brennraum nicht zu voll gepackt wird.
Also lieber öfter etwas Holz nachlegen.
4 Regelmäßig überprüfen
Jede Feuerstelle im Haus sollte einmal im Jahr, möglichst vor Beginn der
Heizsaison, von einem Fachbetrieb
inspiziert und bei Bedarf gewartet
werden. Der finanzielle Aufwand wird
zumindest teilweise wieder ausgeglichen, weil man so die Lebensdauer
erhöht und außerdem Kosten spart,
die anfallen würden, falls der Schornsteinfeger Mängel findet und Nachkontrollen ansetzt. Während der Heizperiode sollte der Besitzer auch selbst
immer wieder einen Blick ins Innere
des Ofens werfen. Dunkle Ablagerungen anstelle hellgrauer Flächen
sind meistens ein Hinweis, dass die
Verbrennung nicht optimal abläuft.
Auch ein Blick von draußen auf den
Rauch, der aus dem Kamin steigt, ist
von Zeit zu Zeit sinnvoll. Die Rauchfahne sollte möglichst hell sein – grauschwarzer Rauch deutet ebenfalls auf
Probleme hin.
Übrigens: Wer sich an diese Tipps
hält, tut nicht nur Gutes für sich, seine Nachbarn und die Umwelt. Auch
mit der Verwendung der feinen weißen Aschereste gibt es dann keine
Probleme. Sie können entweder dem
Kompost beigegeben oder als Dünger
in die Gartenerde eingearbeitet werden. Bei schlechter Verbrennung hingegen sind in der Asche dunkle Rußpartikel zu erkennen. Das bedeutet:
In der Asche können auch Krebs erzeugende polyzyklische aromatische
Kohlenwasserstoffe enthalten sein. In
diesem Fall muss sie über den Hausmüll entsorgt werden.
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KLIMA VOR ORT | November 2012
November 2012 | KLIMA VOR ORT
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EXPERTENRAT Energie sparen in der Küche
Energie sparen in der Küche EXPERTENRAT
der Monat mit dem höchsten Stromverbrauch.
Was tun? Ganz ohne Zimtsterne geht
es ja wohl nicht. Einige Dinge kann
man allerdings schon beachten, um den
Verbrauch ein bisschen nach unten zu
drücken. Zum Beispiel beim Plätzchenbacken:
Bild: © lunaundmo - Fotolia.com
50
Ob es weiße Weihnachten gibt, ist jedes jahr von Neuem fraglich. Zum Glück kann man diie Weihnachtsstimmung auch selbst
herbeiführen - beispielsweise beim gemeinsamen Plätzchenbacken mit der Familie.
Gewusst wie:
Spartipps für die Weihnachtsküche
Anisplätzchen, Bratäpfel, Weihnachtsgans, Zimtsterne: Die
Weihnachtszeit ist traditionell auch Schlemmerzeit. Und das kriegt nicht
nur der Hosenbund mit, sondern auch der Stromzähler. Grund genug, ein
paar Überlegungen anzustellen, wie man den Stromverbrauch in der
Küche senken kann – in der Adventszeit und auch während der übrigen
48 Wochen des Jahres.
Text: Veronika Renkenberger
W
eihnachtsgebäck gehört
in vielen Familien einfach dazu – ebenso wie
die langen Nachmittage
und Abende, an denen die Ausstecherle
großzügig mit allem beworfen werden,
was der Küchenschrank hergibt. Und an
denen Butter-S geformt und getrocknet
und Nussmakronen aufgehäufelt wer-
KLIMA VOR ORT | November 2012
den. Sofern die Backorgie nicht gerade
in den auch schon traditionellen Familienstreit mündet, endet sie vielleicht
ganz klischeehaft-wundervoll mit Adventstee im Kerzenschein und ersten
Versucherle vom Selbstgebackenen,
während die Wolke leckerer Backgerüche noch für Stunden in den Räumen
hängt. Wer mag da schon an den Strom-
zähler denken? Der hat, während der
Backofen sein Werk vollendet, allerdings
munter vor sich hin rotiert. Eine weitere
Sternstunde hat der Stromzähler an den
Feiertagen, wenn die Gans stundenlang
im Ofen vor sich hin brutzelt. Ist doch
der Backofen einer seiner gierigsten
Kunden. Und so gilt der Dezember, die
Energieversorger wissen das längst, als
Möglichst selten aufheizen.
Das bedeutet: Man sollte nicht jede
Sorte an einem anderen Tag backen,
wenn man zwischendurch mal ein
Stündchen frei hat. Sonst muss der Ofen
viele Male aufgeheizt werden, und ebenso oft verpufft nach wenigen fertigen
Plätzchen-Blechen die Restwärme. Lieber an einem oder zwei Terminen ein
bisschen mehr Zeit einplanen, vorab
mit einer großen Checkliste alle Zutaten
besorgen, schon im Vorfeld die Teige
vorbereiten – und dann möglichst viele
Sorten in rascher Abfolge nacheinander
weg backen.
Intelligent steuern.
Wer in Serie backt, kann noch weiter sparen: indem die Reihenfolge des
Backens an der Backtemperatur festgemacht wird. Die Plätzchen-Sorte, die
den heißesten Ofen braucht, kommt in
der Mitte dran. So wird der Ofen einmal
langsam erhitzt und kann ab dann wieder langsam abkühlen.
Nicht vorheizen.
Im Vorfeld schon den Ofen anzuwerfen, ist heute aus der Mode gekommen.
Vor allem moderne Öfen heizen so
schnell, dass das keine Rolle mehr spielt.
Wer seine Backwaren in den kalten oder
erst auf 100 Grad erhitzten Ofen schiebt,
muss die Backzeit aber vielleicht um
einige Minuten verlängern. Da hilft es,
wenn man ein bisschen Erfahrung hat
und weiß, wie die Plätzchen aussehen,
wenn sie fertig sind.
Restwärme nutzen.
Da der Backofen nicht binnen Sekunden auskühlt, kann man ihn schon
einige Minuten vor dem Ende der letzten Backzeit abschalten. Eine exakte
Regel gibt es für Plätzchen nicht. Bei
allen Backzeiten über 45 Minuten kann
man den Ofen bereits zehn Minuten
vor Schluss gefahrlos ausschalten. Doch
eine so lange Backzeit haben die aller-
Eine weitere Sternstunde hat der
Stromzähler an
den Feiertagen,
wenn die Gans
stundenlang im
Ofen vor sich hin
brutzelt.
wenigsten Weihnachtsplätzchen. Aber
auch hier kann man Pi mal Daumen einige Minuten vorher den Saft für Wärme
und Licht abdrehen.
Umluftherd auslasten.
Bis zu vier Bleche mit Plätzchen kann
man gleichzeitig in einen Umluft-Backofen schieben, ohne dass daraus irgendwelche Qualitätsverluste entstehen.
Da sehr viele Plätzchensorten ähnliche
Backtemperaturen haben, meist zwischen 180 und 200 Grad, finden sich
sicher sinnvolle Kombinationen. Hauptsache, man sorgt im Vorfeld dafür, dass
genügend Bleche zur Verfügung stehen.
Genau genommen müssten es mindestens acht Stück sein, damit man nach
den ersten vier Blechen nahtlos die
nächsten vier einschieben kann – denn
sonst sorgt die Wartezeit auf die Bleche
ja für neue Energieverschwendung. Das
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EXPERTENRAT Energie sparen in der Küche
Energie sparen in der Küche EXPERTENRAT
dürfte allerdings in den wenigsten Haushalten praktikabel sein.
Was die Großmutter noch wusste:
Reis kochen im Bett
D
ie guten alten Zeiten waren ja bekanntlich längst nicht immer nur
gut. Im Krieg und auch danach war
Energie knapp und der Strom oft abgestellt.
Damals wussten die Hausfrauen, wie man
mit geringsten Mengen an Hitze eine warme
Mahlzeit hinbekommt. Ein Beispiel: Reis
kann man auch im Bett kochen, zumindest
KLIMA VOR ORT | November 2012
fertigkochen. Dasselbe gilt für Hülsenfrüchte
und auch Kartoffeln. Dafür wird der Topf mit
seinem kochenden Inhalt gut eingewickelt
in Handtücher, Decken oder Zeitungspapier
und ins Bett gesteckt.
Wer sich heute im Internet auf die Suche
nach dieser Methode begibt, findet vieles.
Koch-Foren, in denen sich Menschen zusammentun, die Milchreis nur im Bett und nicht
anders zubereiten, weil er auf diesem Weg
niemals anbrennt – vorausgesetzt, man hat
zwei Stunden Zeit, aufs Essen zu
warten. Aber auch Sprüche darüber, wie das Bett aussieht, wenn
jemand unwissend hineinhüpft
und so ein Bettdecken-Garprojekt ausläuft. Es gibt Verweise auf
Militär-Kochbücher, in denen
ähnlich energiesparende GarPrinzipien zum Einsatz kommen. Wer nicht aufpasst und
diese einfach nachkocht, hat
schnell mal 100 Portionen auf
dem Tisch.
Vor allem aber findet man
Hinweise auf die Kochkiste
und deren abgewandelte Form,
den Kochsack: Das ist eine gut
isolierte Kiste (oder eben ein
Sack), in den ein Topf hineingepackt werden kann, damit
die Speisen fertig garen oder
warm bleiben.
Die Tradition ist Jahrhunderte alt, früher wurde mit
Stroh isoliert, heutige Heimwerker greifen meist zum
Styropor. Einige wenige Hersteller bieten auch Töpfe
mit millimetergenau angepassten Styropor-Übertöpfen an. ver
Umluft-Temperatur senken.
Es gilt die Faustregel: Ein Umluftherd
erzielt mit einer um 20 bis 30 Grad niedrigeren Temperatur dieselben Ergebnisse wie ein Ofen mit Ober- und Unterhitze. Manche Rezepte berücksichtigen
dies. Wenn nicht: Temperatur senken
und die Plätzchen im Blick behalten.
Backofentür geschlossen halten.
Auch wenn die kleinen und großen
Bäcker neugierig sind und hinter der
Glastür betörende Dämpfe aufsteigen:
Die Backofentür sollte während des Backens möglichst geschlossen bleiben.
Wird der Ofen zwischendurch geöffnet,
kann der Energieverbrauch um bis zu 20
Prozent steigen, weil der Ofen einströmende Kaltluft erst wieder aufheizen
muss. Deswegen gilt auch: Beim Beund Entladen des Ofens sollte man sich
ebenfalls beeilen.
Kühlschranktüre schlau bedienen.
Beim Backen geht die Kühlschranktür
ständig auf und zu. Zutaten rausholen,
fertigen Teig reinstellen, den von warmen Kinderfingern durchgekneteten
Rest-Teig wieder in eine brauchbare
Verfassung bringen – auch das braucht
Strom. Diesen Verbrauch kann man mit
etwas Nachdenken auch senken: Wenn
der Kühlschrank im Vorfeld bereits
durchdacht eingeräumt wurde, findet
man drinnen alles mit einem Griff, die
Tür ist schneller wieder zu. Wenn genügend Platz frei gehalten wurde für die
Teig-Portionen, dauert das Verstauen
nicht so lang. Manches muss vielleicht
auch gar nicht in den Kühlschrank: Wer
morgens Butter kauft und nachmittags
backt, kann die Butterstücke gleich draußen lassen, dann haben sie eine Temperatur, mit der sie für die meisten Rezepte
sowieso besser zu verarbeiten sind. Ach
ja: Die Adventszeit ist ja auch nur selten
von tropischem Klima geprägt. Möglicherweise findet sich ein kostenloser,
großer Kühlschrank ja auch direkt hinter
der Balkon- oder Terrassentür.
Weitere Verbraucher ausschalten.
Banal, aber wahr: Wenn gerade alle in
der Küche stehen, sieht sowieso keiner
die Lichterkette im Wohnzimmer. Und
während die Rührmaschine läuft, hört
Erst wenn der
Topf auf dem Herd
steht, wird eingeschaltet, alles
andere wäre Verschwendung.
passenden Deckel haben, sonst verpufft bis zum Vierfachen der eigentlich benötigten Energie wirkungslos.
Außerdem sollte der Topfboden eben
aufliegen, kippelnde alte Töpfe verschwenden Energie, am besten gleich
wegwerfen. Jeder Topf gehört auf eine
im Durchmesser möglichst identische
Herdplatte.
Weniger ist mehr.
Wer möglichst wenig Flüssigkeit zum
Kochen benutzt, der verkürzt die Garzeit.
Timing für die Herdplatten.
Erst wenn der Topf auf dem Herd steht,
wird eingeschaltet, alles andere wäre
Verschwendung. Wer nicht mit Gas oder
Induktion kocht, sollte die Nachwärme
nutzen und frühzeitig ausschalten – bis
zu zehn Minuten vorher, je nach Herd
und Gericht.
auch niemand die Weihnachtslieder, die
das Wohnzimmer beschallen. Einfach
mal ein paar Stecker ziehen und Schalter
drücken, auch das beruhigt den Stromzähler.
So, die Plätzchen wären geschafft. Aber
wenn man gerade schon so schön am
Stromsparen ist und den Blick durch die
Küche schweifen lässt: Welche EinsparPotenziale bieten sich hier eigentlich
sonst noch an, wenn man nicht gleich einen neuen Kühlschrank kaufen will?
Backofen möglichst aus lassen.
Der Backofen ist ein großer Gierschlund, was den Energieverbrauch
angeht. Wer nur ein paar Brötchen aufbacken will, kann ebenso gut auf den
sparsameren Toaster ausweichen. Wer
Fleisch zubereitet, kann vielleicht die
Zubereitungsarten variieren: Es heißt,
der Ofen lohnt sich nur bei Fleischstücken ab einem Kilo Gewicht.
Töpfe sinnvoll einsetzen.
Ein Topf sollte so klein wie möglich
gewählt werden und zudem einen gut
Schnellkochtöpfe benutzen.
In vielen Haushalten gibt es Schnellkochtöpfe, aber die Dinger sind groß
und unhandlich. Nicht selten steht der
Topf samt Ventil und Einsätzen irgendwo weit hinten im Schrank. Nicht gut
– denn da holt man ihn auch nur selten
raus. Dabei spart ein Schnellkochtopf
nicht nur bis zu 50 Prozent der Zubereitungszeit ein, sondern auch bis zu
40 Prozent Energie. Und dass mehr
Vitamine erhalten bleiben, ist ja auch
nicht zu verachten.
Für Wasser gibt es Wasserkocher.
Pasta muss „al dente“ sein, und zum
Kochen soll sie genügend Wasser haben, hört man in allen Kochsendungen.
Leider dauert es oft ewig, bis der große
Kessel voll Wasser zum Kochen gebracht
wurde. Das Mindeste ist, dabei den Deckel auf den Topf zu setzen. Energetisch
noch deutlich sinnvoller wird es, wenn
man anfangs nur eine kleine Menge
Wasser in den Topf gibt, die restliche
Menge mit dem Wasserkocher erhitzt
und nachschüttet.
Tasse oder Kännchen?
Wer nur eine Tasse Tee trinken will,
sollte den Wasserkocher auch nur mit
einer entsprechend geringen Menge
befüllt anwerfen. Wer immer einen halb
oder ganz vollen Wasserkocher anheizt,
vergeudet viel Energie.
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NEUE BERUFE
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NEUE BERUFE
E
Flugzeuge
sollen leichter
werden
ndlich Urlaub, mag sich
mancher denken, der da
in seinem Flieger nach
Mallorca, Los Angeles oder
Bali sitzt. Das Gefühl, diese
Reise verdient zu haben, will man sich
dabei nicht von schnöden Zahlen zerstören lassen. Dabei trug der weltweite
Flugverkehr 2005 laut dem Deutschen
Zentrum für Luft- und Raumfahrt 2,2
Prozent zu den durch Menschen verursachten CO2-Emissionen bei. Zudem
setzt ein Flugzeug unter anderem Stickoxide frei, die zur Bildung von Ozon
und dadurch zur Verstärkung des Treibhauseffektes beitragen. Das gilt auch
für Kondensstreifen, aus denen künst-
Die 2010 gegründete
German Aerospace Academy
in Böblingen schult Luft- und
Raumfahrt-Ingenieure
praxisnah zum Thema Leichtbau.
liche Schleierwolken mit ähnlicher Klimawirkung entstehen können.
Ganz konkret werden bei einem Flug
von Stuttgart nach Mallorca und zurück pro Passagier etwa 640 Kilogramm
CO2 freigesetzt. Nach Los Angeles sind
es 6.660 Kilogramm und nach Bali
10.020 Kilogramm. Zum Vergleich:
Fährt man mit seinem Mittelklassewagen 12.000 Kilometer im Jahr, erzeugt
das etwa 2.000 Kilogramm CO2. Diese
Werte stammen von einem Rechner
der Organisation „atmosfair“, die klimabewussten Reisenden Kompensationszahlungen für die beim Fliegen
angefallenen Emissionen anbietet,
indem sie das Geld in zertifizierte Pro-
jekte für erneuerbare Energie meist
in Ländern der so genannten Dritten
Welt investiert. Zwar gibt der Emissionsrechner nur den Ausstoß von
Kohlendioxid an, doch sind in dem
Ergebnis auch andere Emissionen und
Faktoren, wie etwa die Flughöhe und
der Flugzeugtyp, berücksichtigt.
Während nun jeder persönlich darüber entscheiden kann, ob er oder sie
eine solche Kompensationszahlung
leisten mag, sind die Ingenieure längst
dabei, das Problem auch von anderer
Seite anzugehen. So will die Branche
die Flugzeuge bis 2020 um 50 Prozent
sparsamer, 50 Prozent leiser und 80
Prozent sauberer machen. Erreicht
Bild: © Christian Nitz - Fotolia.com
Text: Frank Rumpel
Bild: © WimL - Fotolia.com
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NEUE BERUFE
NEUE BERUFE
Bild: © Nevermind - Fotolia.com
Das beim Verbrennen von Kerosin freigesetzte Kohlendioxid hat Auswirkungen auf das Klima. Deshalb arbeiten die Ingenieure ständig daran, die Effektivität von Triebwerken zu verbessern und deren Gewicht durch neue Materialien zu verringern.
"Jede neue Triebwerksgeneration", sagt Prof. Monika Auweter-Kurtz, "ist ein Quantensprung."
werden sollen diese Ziele unter anderem durch leichtere Werkstoffe, durch
effektivere Turbinen und neue Arten
von Treibstoff.
Bei den Werkstoffen will die 2010 in
Böblingen gegründete und an die pri-
»Ich darf beim
Flugzeug wegen
der Gewichtsreduzierung
keine Risiken
einbauen.«
Prof. Monika Auweter-Kurtz,
Leiterin der German Aerospace Academy
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vate, aber staatlich anerkannte Steinbeis Hochschule Berlin angeschlossene German Aerospace Academy
(ASA) mit Aus- und Weiterbildungen
von Ingenieuren aus der Luft- und
Raumfahrt ihren Teil beitragen. Neben
Bild: ASA
56
speziellen Kursen und Zertifikatslehrgängen starten dort im Mai kommenden Jahres zwei internationale MasterStudiengänge, die sich speziell mit
Leichtbautechnologien beschäftigen.
„Leichtbau“, sagt Professorin Monika
Auweter-Kurtz, Leiterin der Akademie,
„ist für die Luftfahrt essentiell.“ Dabei
geht es nicht nur darum, möglichst
viel Gewicht zu sparen. Das Material
ist extremen Belastungen ausgesetzt.
Zuverlässigkeit, sagt die 62-Jährige,
müsse deshalb an erster Stelle stehen.
„Wenn ein Auto stehen bleibt, ist das
ärgerlich. Es kann auch mal schrecklich sein, aber wenn beim Flugzeug ein
zentrales System versagt, ist es sofort
eine Katastrophe.“
Schon heute besteht ein Flugzeug
längst nicht mehr nur aus Leichtmetall
wie Aluminium. Viele auch tragende
Teile, wie der Rumpf oder die Flügel,
sind teilweise aus Faserverbundstoffen
hergestellt. Daneben kommen metallische, also aus verschiedenen Legie-
rungen bestehende Stoffe zum Einsatz,
beispielsweise zur Aufhängung von
Triebwerken oder auch in den Triebwerken selbst. Denn die dort verwendeten Materialien müssen sehr hohen
Temperaturen standhalten. Gasturbinen, erklärt Auweter-Kurtz, „sind
umso effizienter, je höher die Temperatur ist“. Deshalb wird in diesem Bereich momentan auch mit Werkstoffen
auf keramischer Basis geforscht.
Die Faserverbundmaterialien bestehen im Wesentlichen aus Kohlen- und
Kunststofffasern. Die große Herausforderung: „Die müssen die gleiche Festigkeit und die gleiche Lebensdauer haben
wie Leichtmetall“, sagt Auweter-Kurtz,
die als studierte Physikerin in Luft- und
Raumfahrt promovierte, sich habilitierte und lange an der Uni Stuttgart
lehrte. Diese neuartigen Stoffe müssen
so robust und so flexibel sein, dass sie
auch unter starker Belastung nicht ermüden. „Ich darf beim Flugzeug wegen
der Gewichtsreduzierung keine Risiken
einbauen“, sagt Auweter-Kurtz. Bei diesen Verbundstoffen entscheidet längst
nicht nur die Zusammensetzung über
die späteren Eigenschaften. Es kommt
auch darauf an, wie die Fasern miteinander verbunden sind, ob sie geflochten, gewoben oder gestrickt werden.
„Da steckt pro Flugzeugteil sehr viel
Entwicklung dahinter“, sagt die Professorin.
Das Besondere an den Aus- und Weiterbildungen in Böblingen ist einmal
der Praxisbezug (die ASA arbeitet viel
mit kleinen und mittelständischen
Betrieben aus der Region zusammen), aber auch die Konzentration auf
Leichtbau und virtuelles Engineering,
also die Entwicklung komplexer Systeme am Computer. Im Mittelpunkt,
sagt Auweter-Kurtz, stehe immer die
Kompetenzerweiterung. Für die beiden
Studiengänge heißt das: Die Studierenden müssen bei einem Unternehmen
beschäftigt sein und bearbeiten während ihrer Studienzeit mit Hilfe zweier
Mentoren (einer vom Betrieb, einer von
der Hochschule) ein konkretes Projekt.
Das kann beispielsweise die Entwicklung eines neuen Materials und neuen
Designs für Flugzeugsitze sein. „Das
hört sich banal an“, sagt Auweter-Kurtz.
Aber im Flugzeug gebe es nunmal viele
Dutzend dieser Sitze. „Da lässt sich
schon einiges an Gewicht einsparen.“
Die Studierenden
müssen bei einem
Unternehmen beschäftigt sein und
bearbeiten während
ihrer Studienzeit mit
Hilfe zweier Mentoren
(einer vom Betrieb,
einer von der Hochschule) ein konkretes
Projekt.
Durch solche Projekte wird das Gelernte direkt in die Praxis umgesetzt.
Das wiederum macht den Studiengang für Unternehmen interessant, die
schließlich für die Gebühren der Akademie aufkommen. Wie begehrt die
Plätze sind, mag sich auch darin spiegeln, dass einige Unternehmen bereits
jetzt, noch vor dem Start des Studiengangs, mit konkreten Entwicklungsaufträgen an die ASA herantreten.
Dabei ist Leichtbau nicht nur für die
Luft- und Raumfahrt, sondern auch für
die Automobilindustrie ein wichtiges
Thema. „Die Branchen befruchten sich
da gegenseitig“, sagt Auweter-Kurtz.
Zwar tragen neuartige Werkstoffe
und Technologien beim Flugzeug wie
beim Auto wesentlich zur Reduzierung
von Gewicht und damit dem Ausstoß
von Schadstoffen bei. Aber damit allein, sagt Auweter-Kurtz, seien die gesteckten Einsparziele wohl kaum zu
erreichen. „Das geht nur, wenn jeder
einzelne mehr Energie spart und sich
bei jedem Prozess fragt, ob das wirklich nötig ist.“
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EXPERTENRAT
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EXPERTENRAT
Den Bio-Sarg mögen die Kunden, weil sich das gewachste Nadelholz gut anfühlt, wenn man mit
der hand darüber streicht. Das weiß
Markus Höhn vom Tübinger Bestattungshaus Rilling und Partner.
Klimafreundlich über
den Tod hinaus
Wer gerade einen Angehörigen verloren hat und sich neben
aller Trauer auch noch um die Formalitäten der Bestattung kümmern
muss, dem mag so manches durch den Kopf gehen. Eines vermutlich
nicht: die Klima- oder Ökobilanz der bevorstehenden Bestattung.
In Fachkreisen allerdings ist das durchaus ein Thema.
Text: Veronika Renkenberger
KLIMA VOR ORT | November 2012
io-Sarg“ steht auf dem Schild
im Schauraum des Tübinger
Bestattungshauses
Rilling
und Partner. Was genau hier
mit „Bio“ gemeint ist, erklärt Geschäftsführer Markus Höhn: „Das ist Kiefer
massiv, nur mit Wachs behandelt, und
auch die Griffe sind aus Holz. Dieses Holz
kommt aus Süddeutschland, hergestellt
wird der Sarg auf der Schwäbischen Alb.
Kissen, Decke und Polsterung hinterlassen keine Schadstoffe.“ Gekauft werde
so ein Sarg von Menschen, die es mögen,
mit der Hand über Holz zu streichen
und die Maserung noch zu spüren. Aktiv
angesprochen werden Umweltbelange
bei Rilling und Partner allerdings nicht,
denn Trauernde haben andere Sorgen.
„Ökologie ist bei uns Unternehmensphilosophie, das findet im Kundengespräch
nicht statt.“
Im Internet finden sich unter den
entsprechenden Stichworten allerhand
Angebote für Urnen aus Kartoffelstärke, Bestattungswäsche aus Naturfasern
oder auch Papp-Särge. Doch das dürfte
Vielen zu exotisch sein. Welche der hierzulande üblichen Bestattungsmethoden
ist eigentlich die klimafreundlichere,
eine Erd- oder eine Feuerbestattung?
Diese Frage kann keiner auf die Schnelle klären – zu viele Faktoren spielen eine
Rolle. Beispiel Erdbestattung: Ist der Sarg
aus regionalem oder aus Tropenholz?
Wie weit muss der Verstorbene transportiert werden, in was für einem Fahrzeug?
Mit welchen Hilfsmitteln wird das Grab
ausgehoben? Wie ist die Bodenbeschaffenheit auf dem Friedhof, und wie wird
er bewirtschaftet?
Die Stadt Tübingen wäre vielleicht ein
guter Ansprechpartner. Schließlich hat
die Stadtverwaltung das bundesweit
erste ökozertifizierte Friedhofswesen
– entsprechend der europäischen Umweltrichtlinie EMAS (Eco-Management
Bild: Renkenberger
B
Bild: © line-of-sight - Fotolia.com
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and Audit Scheme) sollen die Tübinger
Friedhöfe zum Lebensraum für mehr
Pflanzen und Tiere werden. Doch all
das spielt sich überirdisch ab. Über Versickerung von eventuellen Giftstoffen,
Medikamenten-Rückständen
oder
auch Schwermetallen beispielsweise
aus Herzschrittmachern oder Implantaten ist hingegen nicht viel zu erfahren: Das sei kein Thema, denn es gebe
auch generell keinerlei Regelungen und
Vorschriften, die sich mit dem Grundwasserschutz auf Friedhöfen befassen.
Eine Erdbestattung sei insgesamt wohl
umweltfreundlicher als eine Feuerbestattung, heißt es, sie komme ja ohne
Brennstoffe aus und gebe auch keine
Schadstoffe in die Atmosphäre ab.
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) hat die Umwelt-Aspekte
von Erdbestattungen vor acht Jahren
untersucht und zahlreiche Daten zusammengetragen – Fazit auch dort: Es
gebe „Schwierigkeiten hinsichtlich der
Auswertbarkeit und Vergleichbarkeit des
vorhandenen Datenmaterials“, so dass
nun zwei Meinungen vorherrschen: „Die
eine, dass von Friedhöfen keine ausgehende Gefahr zu erwarten ist, und die
andere, dass gerade von diesen Flächen
Kontaminationen ausgehen können.“
Betreiber von Krematorien sehen
Erdbestattungen kritisch. Sie verweisen
darauf, dass bei einer modernen Verbrennungstechnik solche Schadstoffe
wie Quecksilber aus Zahnfüllungen gar
nicht erst in die Natur gelangen, son-
dern herausgefiltert und gezielt entsorgt
werden können (siehe hierzu „Asche zu
Asche“, Seite 60). Auch hier gibt es Unterschiede, je nach Baujahr des Krematoriums und seiner Filtertechnik. Tatsächlich wurde erst im Jahr 1997 durch
das Bundesimmisionsschutzgesetz eine
Regelung für die Rauchgase von Einäscherungsanlagen getroffen. So darf
der Stundenmittelwert pro Kubikmeter
etliche Grenzwerte nicht übersteigen,
eine ständige Überwachung muss dies
auch belegen. Für Kohlenmonoxid gilt
beispielsweise ein Wert von 50 Milligramm – zum Vergleich: Laut Euro-5Abgasnorm darf ein Dieselfahrzeug pro
Kilometer bis zu 500 Milligramm, ein
Benziner sogar 1.000 Milligramm Kohlenmonoxid ausstoßen.
Hierauf sind heute alle Anlagen in
Deutschland justiert. Wobei sie mit Problemen zu kämpfen haben, die aus einer
ganz anderen Richtung kommen. Das
Magazin Spiegel titelte im Frühjahr 2012
„Feuerwehr am Sarg“ und schilderte
etliche Beispiele dafür: Adipöse Körper
brennen wegen der großen Mengen an
Fett so heiß, dass sie viele Anlagen überlasten.
Mittlerweile sind 15 Prozent der
Deutschen zumindest übergewichtig,
Tendenz steigend. Was dann im Krematorium passieren kann: Brennendes
Fett läuft aus dem Ofen aus und verteilt
sich im Vorraum, Schornsteinanlagen
oder andere Bauteile schmelzen einfach
durch. Immer wieder kommt es auch
November 2012 | KLIMA VOR ORT
EXPERTENRAT
I
ns Krematorium Rutesheim bei Leonberg bringen sowohl das Tübinger
Bestattungshaus Rilling und Partner
wie auch das Stuttgarter Bestattungshaus Haller viele Verstorbene. Betriebsleiter Franz Hanelt erklärt die Prozesse:
In Rutesheim gibt es zwei Öfen, die mit
Gas betrieben werden. Normalerweise
werden die Abgase aufwändig gefiltert
und gereinigt. Ausnahmen davon seien
äußerst selten: Abgase werden nur dann
ungereinigt per Bypass abgeleitet, wenn
ein Stromausfall die gesamte elektrische
Regelungstechnik lahmlegt – und um das
zu vermeiden, ist das Gebäude eigens
zweifach ans Stromnetz angebunden.
Was mit den Abgasen genau geschieht,
erklärt Franz Hanelt für Laien so: Im Normalfall sorgt ein mehrstufiges Filtersy-
Nachbrennkammer
Schornstein
Hauptbrennkammer
Asche
zu
Asche
stem dafür, dass aus dem Schornstein
reiner Wasserdampf steigt. Die Rauchgase der Verbrennung werden in eine
Nachbrennkammer geleitet. Hier werden
bei rund 850 Grad Celsius nahezu alle
Schadstoffe verbrannt. Über den Kühlturm gelangen die abgekühlten Rauchgase in einen Zyklon, dort werden grobe
Partikel abgeschieden. Weiter geht es
in einen Feinstaubfilter mit 90 Filterstrümpfen, die noch feiner sind als Damenstrumpfhosen. Im anschließenden
Katalysator folgt eine Reinigung mit
Aktivkohle, die gegen sämtliche noch
verbliebenen Schadstoffe wirkt, gegen
Dioxine, Furane, Schwefel und Quecksilber. Die komplette Filtertechnik eines
solchen Ofens ist etwa so groß wie ein
Einfamilienhaus.
ver
Sicherheitsklappe
Kühler
Zyklon
zu Schadstoff-Spitzen im Abgas, weil
sich bei Notfällen je nach Ofen die sogenannten Bypass-Klappen öffnen und
die Abgase ungefiltert direkt in die Außenluft abgegeben werden.
Franz Hanelt ist Betriebsleiter eines
2003 errichteten Krematoriums in
Rutesheim bei Leonberg, dem ersten
privat betriebenen Krematorium in
Württemberg. Dort werden jährlich
KLIMA VOR ORT | November 2012
Staubfilter
Katalysator
etwa 6000 Verstorbene kremiert, etwa
einmal pro Monat ist derzeit jemand zu
schwer und wird deswegen in ein kooperierendes Krematorium gebracht.
„Bei uns im Haus haben wir ein Limit
gesetzt, der Verstorbene darf mit Sarg
maximal 210 Kilo wiegen.“ Um mit
schweren Verstorbenen besser klarzukommen, kann Franz Hanelt die Prozesse variieren: Eine solche Einäsche-
Grafik: Köber
Emissonsmessung
rung plant er gezielt am Tagesbeginn
ein, wenn der Ofen noch nicht voll auf
Betriebstemperatur ist.
Gibt es denn Alternativen? Andrea
Maria Haller ist studierte Theologin und
leitet gemeinsam mit ihrem Bruder und
ihrer Mutter das Bestattungshaus Haller
in Stuttgart. Sie befasst sich seit Jahren
auch mit dem Totenkult anderer Länder
und Kulturen und berichtet aus Tibet:
Dort gibt man einen Verstorbenen auf
eine sehr direkte Art und Weise zurück
in den natürlichen Kreislauf. Sein Körper wird in Stücke zerlegt, die man in
der Natur auslegt, oft an bestimmten
Bestattungsbergen. Dort dienen sie als
Nahrung für Vögel und Wildtiere. „Das
ist ökologisch vielleicht extrem positiv“,
sagt Andrea Maria Haller, „aber für unsere Kulturkreise doch etwas schwierig
anzunehmen.“
Komplett neue Lösungen werden andernorts bereits diskutiert und erprobt.
Szenenwechsel nach Südengland. An
der britischen University of Bath kann
man Bestattungswesen sogar studieren,
in Deutschland ist Bestatter dagegen ein
Ausbildungsberuf. „Unit Death and Dying“ heißt der Fachbereich in Bath und
gehört zur Fakultät für Soziologie. Wer
sich auf der dortigen Homepage umschaut, findet beim Studiengang „Funeral Services“, also Bestattungsdienste,
eine Liste mit neun Themenblöcken, von
denen einer „Green Issues“ heißt, locker
übersetzt Öko-Fragen. „Britische Bestatter arbeiten akademisch fundierter“, hat
Andrea Maria Haller beobachtet, die
in Bath bereits Seminare besucht hat.
Neue, ökologische Bestattungsvarianten
werden dort analysiert und diskutiert.
Kaltes Pulver
In Skandinavien hat das Unternehmen Promessa ein Verfahren entwickelt,
das entfernt an eine Feuerbestattung
erinnert. Äußerst entfernt – denn der
Leichnam wird zwar ebenfalls zu etwas
Pulverartigem, aber nicht mithilfe von
Feuer, sondern durch Kälte. Das Unternehmen selbst spricht auf seiner Internetpräsenz von einer „umweltangepassten Beerdigungsform“.
Minus 18 Grad Celsius hat die Kühlkammer, in welcher der Verstorbene eingefroren wird. Nach eineinhalb Wochen
taucht man den gefrorenen Körper in
flüssigen Stickstoff mit minus 196 Grad.
Das macht den Leichnam zerbrechlich.
Dann sorgen leichte Vibrationen dafür,
dass er in ein organisches Pulver zerfällt,
dem man anschließend in einer Vakuum-Kammer die Flüssigkeit vollends
entzieht. Übrig bleibt ein Pulver, aus
dem man alle metallischen Bestandteile
entfernen kann – Quecksilber, Zahngold, Titanschrauben und anderes.
Die sterblichen Überreste übergibt
Promessa in einem Gefäß aus Maisstär-
Bild: Deniz Saylan
EXPERTENRAT
Bild: Privat
60
Andrea Maria Haller vom gleichnamigen
Stuttgarter Bestattungshaus befasst
sich mit Bestattungstraditionen anderer
Kulturen.
ke an die Hinterbliebenen. Nach der
Beerdigung werden Gefäß und Inhalt
bereits binnen sechs bis zwölf Monaten
zu Kompost. Wer mag, kann an dieser
Stelle einen Apfelbaum oder Fliederbusch pflanzen, der von diesem Kompost genährt wird – ein Gedenkort an
den Verstorbenen, der zugleich auch die
irdischen Zyklen widerspiegelt.
Promessa kritisiert auf seiner Homepage den energetischen Aufwand von
Krematorien, macht aber keine Angaben über den Energieaufwand für das
eigene Verfahren.
Schnell durch Lauge
Ein anderes Verfahren, auch als alkalische Hydrolyse bekannt, verflüssigt
den Leichnam. Dafür wird nur etwa ein
Sechstel der Energie verbraucht, die für
eine Verbrennung im Krematorium nötig ist. Somit fällt der CO2-Fußabdruck
entsprechend kleiner aus. Die Firma
Resomation in Schottland hat sich
hierauf spezialisiert und für das laut
Homepage „würde- und respektvolle“
Verfahren eine Maschine namens „Resomator“ entwickelt. Die Zeremonie für
die Angehörigen gleiche der Feuerbestattung, verkündet die Homepage, nur
dass der Sarg anstatt in den Ofen in den
Resomator gleitet. Ähnlich wie in einem
Krematorium dauert der Vorgang dann
zwei bis drei Stunden.
Im Resomator wird der Leichnam in
eine Druckkammer gelegt, Wasser und
Kaliumhydroxid kommen hinzu, eine
stark alkalische Lösung entsteht. Nach
rund drei Stunden bei 330 Grad bleiben gebleichte Knochen übrig, die zu
etwas Ascheähnlichem zermahlen werden können, sowie eine Flüssigkeit, die
man angeblich in die Kanalisation leiten
kann.
Das Unternehmen Resomation sagt,
durch den Prozess würden etwa 35 Prozent weniger klimaschädliche Abgase
erzeugt als bei einer Kremation, der Energiebedarf betrage sogar nur ein Siebtel. Weitere ökologische Vorteile seien:
Mit der Resomation vermeide man zuverlässig, dass Quecksilber in die Natur
gelangt. Künstliche Hüftgelenke bleiben
nach dem Prozess offenbar spiegelglatt
gereinigt zurück, man könnte sie theoretisch sogar recyceln.
Riffkugeln
In den Vereinigten Staaten können
Tote auch Teil eines künstlichen Korallenriffs werden. Hierzu wird ihre Asche
bei der Herstellung von Betonformen
mit ins Material eingearbeitet, die anschließend auf dem Meeresboden verankert werden, um dort als Lebensraum
für die Meeresbewohner zu dienen. Auf
dem Schiff ist dann eine Bestattungszeremonie mit Familie und Freunden
möglich. Die Methode der „Riff Balls“
wird beispielsweise in den US-Bundesstaaten Florida und Texas angeboten.
Bloß nicht einbalsamieren!
Seit Jahrtausenden werden tote
Menschen in vielen Kulturen einbalsamiert, um ihre Körper haltbar zu machen. Was in Deutschland heute verboten ist, gehört in den USA noch zum
guten Ton. Auch, weil dort oft größere
Zeitspannen verstreichen zwischen
Tod und Bestattungsfeier – oder weil
die Verstorbenen über große Distanzen
transportiert werden. Unter Umweltschützern haben die modernen Methoden des Einbalsamierens zu Recht
einen schlechten Ruf: Hierfür werden
Substanzen verwendet, die Formaldehyd enthalten und krebserregend sind
– gefährlich ebenso für Bestatter wie
für die Umwelt. Hier lautet der Umwelt-Tipp also: Sofern keine internationalen Bestimmungen es erforderlich
machen, keinesfalls einbalsamieren.
November 2012 | KLIMA VOR ORT
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re
g
SERVICE
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SERVICE
Veranstaltungen 2012/2013
Saft fürs Telefonieren sparen
Energiekompetenzzentrum Ostalb (EKO)
Ein rotes Batteriesymbol leuchtet auf, die Nachricht „Batterie
schwach“ erscheint auf dem Display – der Akku des Handys ist beinahe leer. Wenige Minuten später ist der Saft vielleicht ganz weg. Doch
das kann Ihnen nicht nur passieren, wenn in Ihrem Mobiltelefon ein
alter Akku steckt. Wie im Haushalt gibt es auch beim Handy unnötige
„Stromfresser“, welche die Batterie schnell in die Knie zwingen.
Text: Alexander Hauber
D
urch Stromsparen lässt sich
die Akkulaufzeit deutlich verlängern. Wenn Sie folgende
einfache Tipps beachten, dann haben
Sie länger Freude an einer Ladung und
müssen ihr Mobiltelefon nicht so schnell
wieder zum „Tanken“ ans Netz stecken:
l Schalten Sie die Tastaturbeleuchtung
Ihres Handys tagsüber aus. Die Tasten lassen sich auch ohne Licht gut
erkennen.
NOVEMBER
28. November 2012
20 Uhr
In Zusammenarbeit mit dem
Programmkino Aalen lädt der
Energietisch der Lokalen Agenda
21 zum Film "Bauen mit der
Kraft der Natur" ein.
Der Film zeigt den Weg natürlicher Rohstoffe bis zum fertigen
Haus. Im Anschluss stehen
Experten des Energietisches
für Fragen und Diskussion zur
Verfügung.
Ort: Kino am Kocher
DEZEMBER
3. Dezember 2012
19 Uhr
EKO-Infoabend
Thema „Thermografie“
Referent: Michael Kessler,
KLIMA VOR ORT | November 2012
Firma Holzbau Kessler
Ort:
EKO - Energieberatungszentrum
Böbingen
JANUAR
6. Januar bis 9. Januar 2013
EKO- Infostand auf dem Kalten
Markt in Ellwangen
15. Januar
19.30 Uhr
Vortrag „Energieeffizientes
Bauen und Renovieren“
Willi Kruppa,
freier Architekt, Aalen
Ort: Rathaus Lauchheim, Sitzungssaal
26. Januar bis 27. Januar 2013
Infotage Energie
Ausstellung und Vorträge rund
um Themen wie Energiespa-
ren mit neuen Heizanlagen,
Wärmedämmung mit modernen
Systemen und Finanzierungsmöglichkeiten.
Ort: Foyer Rathaus Aalen
Veranstalter:
Energietisch-Projektgruppen
der Lokalen Agenda 21 und das
Grünflächen- und Umweltamt
der Stadt Aalen
FEBRUAR
7. bis 9. Februar 2013
CEB Stuttgart,
Messestand der regionalen
Energieagenturen Metropolregion Stuttgart
Ort: Messe Stuttgart
23. bis 24. Februar 2013
Handwerksmesse
Schwäbisch Gmünd
EKO-Infostand
MÄRZ
2. bis 3. März 2013
Gewerbeausstellung
Unterschneidheim
Mit EKO-Infostand
APRIL
13. bis 14. April 2013
Gewerbeausstellung in der
Gemeinde Jagstzell
Mit EKO- Infostand
MAI
5. Mai 2013
Gewerbeschau
„Rems Total“ in der Gemeinde
Böbingen
Mit EKO- Infostand
l Das Display muss nicht grell beleuchtet sein. Die Helligkeitsstufe können
Sie ruhig um einige Grade reduzieren. Das gilt besonders für Handys
mit Touchdisplay. Hier macht sich
das „Dimmen“ der Beleuchtung sehr
deutlich bemerkbar, da große Displays wahre Stromfresser sind.
l Außerdem können Sie die Hintergrundbeleuchtung des Displays zum
Beispiel so einstellen, dass sie sich
nach 30 Sekunden oder einer Minute automatisch ausschaltet, wenn Sie
keine Taste mehr gedrückt haben.
l Auf animierte Bildschirmschoner
sollten Sie ganz verzichten. Denn wenn
das Handy in der Hand- oder Hosentasche steckt, haben Sie sowieso nichts
von den bunten Flimmerfilmchen.
l Ein Stromspartipp hält sich noch
hartnäckig unter Handybenutzern,
obwohl er eigentlich das genaue
Gegenteil bewirkt. Angeblich soll
man das Handy beim Nichtbenutzen ausschalten, um Strom zu sparen. Das Gegenteil passiert jedoch:
Beim Einschalten des Handys wird
jede Menge Strom verbraucht, um
es „hochzufahren“. Und gerade bei
Smartphones, die ja so etwas wie Mini-Computer im Taschenformat sind,
laufen jede Menge Prozesse und kleine Programme im Hintergrund ab,
um das Handy startbereit zu machen.
Schalten Sie ihr Handy also besser
„offline“ oder in den „Flugzeugmodus“. Dann ist das Gerät nicht mehr
im Mobilfunknetz eingebucht, bleibt
aber hochgefahren und startbereit.
l Alle Smartphone-Besitzer sollten
Programme, die sie nicht mehr
brauchen, ausschalten. Warum den
Browser oder den Musikplayer ungenutzt im Hintergrund laufen lassen?
Das kostet nur Strom. Und wenn das
Handy viele Programme gleichzeitig
in Gang hat, benötigt es dafür auf
Dauer richtig viel Saft.
Bild: Alexandra H. / pixelio.de
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Bild: REECO GmbH
re
gi
o
na
l
io
l Wer es schafft, sich von seinem geliebten Vibrationsalarm losreißen zu
können, schenkt seinem Akku wieder etwas mehr Laufzeit. Denn der
kleine Motor, der die Vibration verursacht, frisst viel Saft aus dem Akku.
l Zudem sollten Sie nur Original- beziehungsweise Marken-Akkus in Ihrem Handy verwenden. Die sind zwar
teurer, aber Sie würden sich sicher
grün und blau ärgern, wenn das teure
Smartphone einen Totalschaden erleidet, weil der Billig-Akku aus Fernost darin ausgelaufen ist. Also lieber
ein paar Euro mehr investieren. Außerdem behalten die Originalakkus
auch länger eine hohe Ladekapazität
und gehen meist nicht so schnell kaputt wie die billigen Exemplare.
l Auch durch die Art und Weise, wie Sie
das Handy beim Telefonieren halten,
können Sie Strom sparen: Umschließen Sie das Handy nicht mit Ihrer
ganzen Hand, sondern fassen Sie es
am unteren Drittel an. Der Grund:
Die Antenne ist meist im oberen Teil
des Gehäuses verbaut. Verdecken Sie
die Antenne beim Telefonieren mit
Ihren Fingern, dann muss das Handy
die Sendeleistung erhöhen und das –
Sie haben es bestimmt schon erraten
– kostet auch wieder mehr Strom.
l Um Ihren Akku zu schonen, sollten
Sie ihn niemals ganz leer werden lassen und erst dann wieder aufladen.
Diese so genannte Tiefentladung
schadet dem Akku. Auf der anderen
Seite sollten Sie ihn auch nur aufladen, wenn es sich wirklich lohnt
– also zum Beispiel nicht, wenn ihr
Handy nur einen halben Tag ungenutzt herumlag. Denn Akkus vertragen nur eine bestimmten Anzahl an
Ladevorgängen, bevor sie das Zeitliche segnen.
November 2012 | KLIMA VOR ORT
na
l
KURZ VOR SCHLUSS
Erst denken, dann heizen
Altbau. Im Wohnbereich liege die Temperatur tagsüber
vernünftigerweise bei rund
20 Grad Celsius, in wenig frequentierten Zimmern bei 16
bis 18 Grad. Ein Thermostat
könne die Regelung überneh-
men. Sinnvoll sei auch, nachts
die Temperatur um etwa fünf
Grad abzusenken. Das Lüften mit gekippten Fenstern
verschwende zu viel Energie,
täglich mehrfach wenige Minuten Querlüften durch of-
fene Fenster mit Durchzug sei
effizienter. Die Türen sollten
geschlossen sein und gegebenenfalls abgedichtet werden.
Effizientes Heizen und Lüften
kann in einem Haushalt mit
90 Quadratmeter Wohnfläche
bis zu 250 Euro Heizkostenersparnis pro Jahr bringen, so
Claudia Rist. Wohlig warm sei
es dann in den vier Wänden
immer noch.
bpf
Was war noch mal…
… der Rebound-Effekt?
Text: Stephan Gokeler
W
ie viel Stromverbrauch eine LED-Leuchte
gegenüber einer herkömmlichen Glühbirne einspart, lässt sich exakt ausrechnen. Genauso die Einsparung beim Einsatz eines
neuen Kühlschranks im Vergleich zum alten Modell.
Kennt man dann auch noch die durchschnittliche
Lebensdauer eines bestimmten Stromverbrauchers und hat Daten über
das Verhalten der Konsumenten, wenn sie Ersatzgeräte kaufen, dann steht
einer ziemlich genauen Prognose über den sinkenden
Strombedarf in der Zukunft
eigentlich nichts mehr im
Wege – sollte man meinen.
Doch trotz umfangreicher
Datenbasis stimmen solche Vorhersagen häufig
nicht. Einer der Gründe ist
der sogenannte ReboundEffekt. Er beschreibt das
Phänomen, wonach ein Teil
der Einsparungen, die durch effizientere Technik
erreicht wurden, durch zusätzlichen Konsum wieder verloren gehen. Das hat eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie kürzlich mehr
als bestätigt: Sie ergab, dass auf diesem Weg 10 bis
80 Prozent der eigentlich möglichen Einsparungen
wieder aufgefressen werden. In den vergangenen 25
Jahren wurden mit Strom betriebene Geräte in Privathaushalten um 37 Prozent sparsamer. Der Stromverbrauch im privaten Bereich wuchs im selben
Zeitraum dennoch um 22 Prozent an – weil immer
mehr und größere Geräte Einzug hielten. Das gilt
nicht nur für den Stromverbrauch: Wer sich über
gesunkene
Heizkosten
seiner frisch gedämmten
Wohnung freut, gönnt sich
vielleicht eine um zwei
Grad höhere Raumtemperatur.
Weil viele Faktoren dabei eine Rolle spielen, lässt
sich der Rebound-Effekt
nicht berechnen. Er macht
bei großen Projekten wie
der angekündigten Energiewende die Planung der
benötigten
Kapazitäten
schwierig, vermiest aber
auch manchem Hausbesitzer oder Mieter die Laune, der sich nach einer Investition auf sinkende Nebenkosten eingestellt hatte.
Wenn diese nicht im erhofften und berechneten Umfang eintreten, war nicht immer ein Fehler in Planung
oder Ausführung schuld. Häufig ist ein Blick auf das
eigene Konsumverhalten eine gute Idee.
Bild: © rubysoho - Fotolia.com
Ganztägig 25 Grad Raumtemperatur, gekippte Fenster,
verdeckte Heizkörper – diese
Zustände sind in deutschen
Haushalten keine Seltenheit.
Unnötig hohe Heizkostenrechnungen sind die Folge
und auch die Klimabelastung
steigt. Verbraucher sollten
deshalb einige Regeln beachten, rät Claudia Rist vom
Landesprogramm
Zukunft
SERVICE
Bild: Zukunft Altbau
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Kostenlose Energieberatung?
Gibt es bereits!
Bundesumweltminister Peter Altmaier
forderte beim runden Tisch am 10. Oktober kostenlose Energieberatungen für
jedermann. Hintergrund ist die Debatte über die Belastung der Bürger durch
höhere Energiekosten, denen mit Energiesparen ein Schnippchen geschlagen
werden kann. Vertreter der Bundesregierung, von Sozialverbänden, der Kirchen
sowie Verbraucherschützer berieten darüber, wie Bewusstsein für sorgfältigen
Umgang mit Energie und mit Strom zu
schaffen ist.
KLIMA VOR ORT | November 2012
Hinsichtlich der kostenlosen Energieberatung muss der Bundesumweltminister nicht lange suchen. Die regionalen
Energieagenturen in Baden-Württemberg bieten bereits jetzt das, was der
Minister gerne hätte: Kostenlose Energieberatungen für jedermann – und
natürlich auch für jede Frau. Einzige Voraussetzung ist, dass der Bürger aus dem
jeweiligen Landkreis kommt. Beraten
wird zu allen Fragen der Energieeinsparung und auch zum Einsatz erneuerbarer
Energien im Haus. Die Energieberater
aus dem Energieberaternetzwerk gehen
dabei speziell auf die Fragen der Bürgerinnen und Bürger ein: Ob es nun um
Stromeinsparung geht, den richtigen
Umgang beim Heizen und Lüften oder
um die Umstellung einer alten Ölheizung
auf moderne Heizsysteme. Interessierte
Bürger können sich bei den KlimaschutzAgenturen ihres Landkreises zur Beratung anmelden. Die Agenturen sorgen
dafür, dass die kostenlosen Beratungen
neutral geführt werden und niemand zu
etwas gedrängt wird. bpf
November 2012 | KLIMA VOR ORT
65
SERVICE
Impressum
KLIMA VOR ORT, Jahrgang 1
www.klimavorort.de
Herausgeber:
SDZ Druck und Medien
GmbH & Co. KG
Bahnhofstrasse 65
73431 Aalen
Quelle: diezartwork / Grafik: Köber
66
Redaktion
Stephan Gokeler
Birgit Pflock-Rutten
Veronika Renkenberger
Gerhard Schindlert
Anke Schwörer-Haag
Kathrin Stuba
Hanna Meid
Lothar Schell
Benjamin Leidenberger
Sabine Freimuth
Andrea Kombartzky
Alexander Hauber
Traugott Kümmerle
Frank Rumpel
Titel, Gestaltung und Produktion
Rolf Köber
Anzeigen und Beilagen
Falko Pütz (verantwortlich)
Strom in Fülle
aus Betonhülle
Text: Traugott Kümmerle
W
ir leben in einer wirklich grünen Landschaft, was einem
komischerweise immer erst
dann bewusst wird, wenn man aus
dem Sommerurlaub irgendwo im Süden heimkommt ins Ländle. Das Grün
erschlägt einen fast, wenn man an die
traurig verdorrten Landschaften in den
Urlaubsgebieten zurückdenkt. Überall
gluckern Bäche, und Wasser gibt es genug. Warum es also nicht nutzen?
In Glems am Albtrauf wird das Wasser seit fast 50 Jahren dafür eingesetzt,
den Strom-Spitzenbedarf der Industrieregion Stuttgart abzusichern, und
das funktioniert. Das Wasser erzeugt
genau dann Strom, wenn er dringend
benötigt wird. Nachts, wenn mehr
Strom da ist als verbraucht wird, wird
das Wasser einfach wieder von unten
nach oben gepumpt. Ein ewiger Kreislauf. Auch die Staumauern aus Stahlbeton passen sich nach dieser langen
Zeit wunderbar in die Landschaft ein
und fallen praktisch nicht mehr auf.
KLIMA VOR ORT | November 2012
Schafft also nicht eines, sondern
zehn, nein hunderte Staubecken!
Sie können ja dann im Sommer als
Badeseen dienen, und ebenso der regionalen und umweltfreundlichen
Fischzucht. Seen auf der Alb und
im Albvorland allüberall, welch ein
Traum! Welch touristisch nutzbare
Ziele! Überall obere und untere Becken, überall Seen, warum nicht die
doppelte Württembergische Seenplatte verwirklichen, oben wie unten.
Langweilige Landschaft wird ersetzt
durch glitzernde Wasseroberflächen,
mit dem Tretboot umweltfreundlich
befahrbar. Das ergibt völlig neue touristische Dimensionen. Neue Hotels,
Strandbäder und Fachschulen für
Animateure. Mehr noch: Auch der
Straßenverlauf muss den neuen Seen
angepasst werden, die Navis der Autos müssen ständig aktualisiert und
sämtliche Wanderkarten neu aufgelegt werden. Ein Wirtschaftswunder
winkt.
Idee und Produktion:
Verlag Schwäbisches Tagblatt, Tübingen
Druck
Bechtle Druck & Service GmbH & Co. KG
Zeppelinstraße 116
73730 Esslingen
Mediadaten
www.klimavorort.de
[email protected]
Nächste Ausgabe
Mai 2013
Kontakt
Teamassistenz, [email protected]
Telefon 07361/ 594 223
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