ESSay e s say Die Astronomie – der Blick aufs Ganze 8 MUM 01 | 2009 Der gestirnte Himmel über uns ist die größte ­Herausforderung an den menschlichen Intellekt. Die Vorgänge im Kosmos sind nicht direkt erforschbar, denn Experimente wie im Labor sind nicht möglich. Die Objekte astronomischer Forschung geben sich den Astronomen nur durch ihre elektromagnetische Strahlung zu erkennen. Trotzdem ist es gelungen, durch strikte Anwendung von auf der Erde bekannten physikalischen Erkenntnissen die kosmischen Prozesse so weit nachvollziehbar zu machen, dass heute die über knapp 14 Milliarden Jahre alte Geschichte des Universums in groben Zügen bekannt ist. Prof. Dr. harald lesch Harald Lesch ist Professor für Theoretische Astrophysik an der LMU. Als herausragender Wissenschaftskommunikator moderiert er unter anderem die Sendung „Abenteuer Forschung“ im ZDF. Die nachgerade abstruse Unanschaulichkeit astro­ nomischer Entfernungen, Zeitskalen und Prozess­ abläufe verlangt ein hohes Maß an Phantasie und intellektueller Hartnäckigkeit, denn das Universum ist alles, was ist. Das Universum ist das „Ganze“ und Astronomen arbeiten deshalb heute an nichts Geringerem als der Physik des Ganzen, denn mo­ derne Astronomie ist die Physik des Universums. Angesichts einer bemerkenswerten Verbesserung und Erweiterung der Beobachtungstechniken im gesamten elektromagnetischen Spektrum erlebt die Astronomie momentan ein „goldenes Zeitalter“. Heute sind fundamentale Fragen zur Struktur und Entstehung der materiellen Welt Gegenstand der Astronomie: Entstehung und Entwicklung von Ster­ nen, Galaxien, ja des gesamten Kosmos. Es scheint, als ob, wie im 16. Jahrhundert, die Astronomie zum Motor einer wissenschaftlichen Revolution wird. Waren es damals die neuartigen Möglichkeiten der Planetenbeobachtung, die die philosophische Be­ wegung der Aufklärung und damit die modernen Naturwissenschaften begründeten, so sind es heute die Beobachtungen der gesamten kosmologischen Entwicklung, die nach völlig neuen theoretischen Zugängen verlangen. Ich möchte hier an drei grundlegenden Fragestel­ lungen die Perspektiven moderner astronomischer Forschung darstellen: 1. Was ist die Welt? 2. Sind wir allein im Universum? 3. Was kann man über das Universum wissen Was ist die Welt? Die Spannbreite moderner physikalischer Forschung, von der Struktur der Materie auf der Ebene der Ele­ mentarteilchen bis hin zur Entstehung und Entwick­ lung des ganzen Universums, macht die Frage, was die Welt hinsichtlich ihrer materiellen Konstituenten (Teilchen und Felder) sei, zum Gegenstand natur­ wissenschaftlicher Forschung. Die Astronomie, als Wissenschaft vom Universum, seiner Entstehung und Entwicklung, benötigt diese gesamte Spann­ breite von 10-16 Metern (Radius eines Atomkerns) bis zum Radius des sichtbaren Universums 1028 Metern. Die Welt wird hier verstanden als alles, was ist. Die Erde ist einer von zehn Planeten des Sonnensystems, in dessen Zentrum als Leben spendende Strahlungs­ quelle und dominante Masse die Sonne steht. Die Sonne ist einer von wenigstens hundert Milliarden Sternen in der Milchstraße. Die Milchstraße ist mit einer Ausdehnung von ca. 100.000 Lichtjahren eine typische Galaxie, von denen es im sichtbaren Uni­versum wenigstens hundert Milliarden gibt. Durch­ musterungen in verschiedenen Bereichen des elek­ tromagnetischen Spektrums entwerfen ein inte­ ressantes Bild der Verteilung leuchtender Materie: Etwa 75 Prozent des kosmischen Volumens beste­ hen aus Leerräumen, an deren „Wänden“ sich die leuchtende Materie in Form von Galaxienhaufen bzw. Galaxiensuperhaufen strukturiert. Auch un­ sere Milchstraße ist Mitglied einer kleinen Gruppe von rund 30 Galaxien, die sich ihrerseits im Anzie­ hungsbereich eines größeren Galaxienhaufens von einigen hundert Galaxien befindet, der wiederum von einer noch gewaltigeren Materieansammlung von 100.000 ­Galaxien angezogen wird. Das Licht des nächsten größeren Nachbarn unserer Milchstraße, der Andromeda-Galaxie, brauchte 2,25 Millionen Jahre, um die Detektoren irdischer Teleskope zu erreichen. Die Distanzen von sehr Sind wir allein im Universum? Eine ganze Branche der Literatur und der Filmindustrie lebt von dem Traum, dass es auf anderen Planeten ebenfalls intelligente Lebewesen geben könnte. Science-Fiction Geschichten, gedruckt oder auf Zellu­ loid, erfreuen sich seit langem eines sehr breiten Interesses. Für die Autoren dieser Geschichten ist alles Denkbare erlaubt. Welche Voraussetzungen für die Entwicklung von Lebewesen auf einem Planeten erfüllt sein müssen, kümmert wenig. Gerade aber die physikalischen Grundbedingungen für die Entstehung von Leben auf einem fremden Planeten stehen im Mittelpunkt moderner astro­ nomischer Forschung. Das Thema außerirdisches Leben ist aus der Literatenklause in die Astrophysik gewandert und wird dort heute als eines der wichtigsten Themen intensiv untersucht. e s say Der heiSSe Anfang Die Hypothese eines heißen Anfangs, eines Urknalls, ist die etablierte Theorie zur Entstehung des Universums: Aus einem sehr dichten, sehr heißen, sehr homogenen anfänglichen „Energiebrei“ ist alles entstanden, was ist! Die wichtigsten Grundpfeiler dieser Theorie stellen drei Prognosen dar, die alle durch Beobachtungen bestätigt wurden: ­erstens, die gleichmäßige Expansion und Materieverteilung, zum zweiten die chemische Zusammensetzung des intergalaktischen Mediums sowie drittens, die Existenz einer gleichmäßigen kosmischen Hintergrundstrahlung. Ab Entfernungen von einigen hundert Millionen Lichtjahren gibt es keine Unterschiede mehr in der Materieverteilung. In jeder Richtung erkennt man die gleichen Strukturen – große Leerräume umgeben von Galaxien. Der Ort der Milchstraße ist durch nichts ausgezeichnet. In der Nähe der Milchstraße spielt die lokale Schwerkraft der Galaxien noch eine Rolle. Die Andromeda-Galaxie bewegt sich auf die Milchstraße zu und wird in einigen Milliarden Jahren mit ihr verschmelzen. Aber auf größeren Entfernungen ist die Expansion des Universums homogen und isotrop, also gleichmäßig. Genau wie es die Theorie vom Urknall vorhersagt. Diese sagt ebenfalls voraus, dass das Gas im Universum zunächst fast nur aus Wasserstoff (75 Prozent) und Helium (24,5 Prozent) besteht. Das Modell geht davon aus, dass im frühen expandierenden Kosmos in den ersten drei Minuten sich eine Kette aus dem Labor bekann­ ter quantenmechanischer Prozesse abgespielt hat, die zu dieser so­ genannten primordialen Nukleosynthese geführt haben. Die Anzahl der noch zur Verfügung stehenden Neutronen entscheidet über die Menge an synthetisiertem Helium. Mittels der Labormesswerte war es also möglich, eine quantitative Prognose der Häufigkeit primordialen Heliums zu berechnen. Da sich durch die Expansion das Universum ständig abkühlte, war eine Synthese von schwereren Elementen als Helium kaum mehr möglich. Alle weiteren Elemente des Perioden­ systems, namentlich Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff wurden in Sternen synthetisiert – doch davon später. Messungen zeigen, dass die Urknalltheorie die Zusammensetzung des noch nicht von Sternen prozessierten intergalaktischen Mediums mit einem Höchstmaß an Übereinstimmung qualitativ und quantitativ erklärt. Ein weiterer Eckpfeiler der modernen Kosmologie stellt die Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung dar. Laut Theorie entstand sie etwa 400.000 Jahre nach dem Beginn, als das Universum sich soweit abgekühlt hatte, dass die positiv geladenen Wasserstoff- und Helium­ kerne die sich noch frei bewegenden, negativ geladenen Elektronen einfingen. Das Universum bestand zum ersten Mal aus neutralem Gas. Zwischen den Atomen konnte sich die thermische Strahlung zum er­ sten Mal frei bewegen, denn die Stosspartner für die Photonen, die Elektronen, waren gebunden. Es entstand die kosmische Hintergrund­ strahlung mit einer Temperatur von ca. 4.000 Grad, die sich aufgrund der kosmischen Expansion seit damals auf 2,73° Kelvin abgekühlt hat. Sie ist bis auf winzige Schwankungen vollkommen homogen und iso­ trop. Die Schwankungen entsprechen den ersten Gasverdichtungen und -verdünnungen, aus denen sich später unter dem Einfluss der ­eigenen Schwerkraft die ersten Galaxien bildeten. Die Bestätigung der Urknallhypothese anhand dreier grundlegender astronomischer Beobachtungstatbestände macht es möglich, die ­ eschichte der Welt in groben Zügen zu erzählen: Es gab einen sehr G heißen Anfang, der eine fast perfekt homogene Materieverteilung in einem sich abkühlenden, expandierenden Kosmos hervorbrachte. Winzigen Abweichungen von der Homogenität ist es zu verdanken, dass Materie sich von der allgemeinen Expansion entkoppelt hat und unter ihrem eigenen Gewicht zusammengefallen ist. So entstanden die Galaxien. Der wirkliche Grund für die Entstehung von Galaxien war jedoch nicht die Schwerkraft der leuchtenden Materie. Sie alleine wäre gar nicht in der Lage gewesen, sich gegen den Druck der Strah­ lung im frühen Kosmos zu verdichten, denn die Strahlung drückte jede Verdichtung wieder auseinander. Nur eine Materieform, die nicht mit elektromagnetischer Strahlung wechselwirkt, war fähig, früh genug so stark zu verdichten, dass die kosmische Expansion diese Verdich­ tungen nicht wieder aufgelöst hat: die Dunkle Materie. Die Temperaturschwankungen in der Hintergrundstrahlung geben nur die Verdichtungen in der sichtbaren Materie an. Der bei weitem überwiegende Teil von ruhemassebehafteten Teilchen befindet sich in einer unsichtbaren Komponente, die Dunkle Materie genannt wird. Sie macht sich nur durch ihre Masse, also Schwerkraftwirkung auf die leuchtende Materie, bemerkbar. Viele Deutungen verschiedener Beobachtungen bestätigen die Hypothese von der Dunklen Materie als Saatkeime für durch die Gravitation gebundene Systeme leuchtender Galaxien oder Galaxienhaufen. Ohne diese fremde Materieform gäbe es keine Galaxien, keine Sterne, keine Planeten und damit auch keine Lebewesen. Eine noch viel größere Herausforderung an Theorie und Beobachtung ist die erst seit wenigen Jahren bekannte beschleunigte Expansion des Universums. Seit ca. acht Milliarden Jahren erhöht sich seine Expan­ sionsgeschwindigkeit kontinuierlich. Man spricht von Dunkler Energie, deren wesentliche Eigenschaft in ihrer Antischwerkraftwirkung auf die im Universum versammelte Materie besteht. Was sie ist, ist unbekannt. Eines ist aber ganz offensichtlich: Die Dunkle Energie ist eine Eigen­ schaft des ganzen Universums und zwar auch dann, wenn keine Ma­ terie vorhanden ist. Sie verweist auf Eigenschaften, insbesondere auf die Energie des Vakuums, wie sie in der Quantenmechanik theoretisch vorhergesagt und in vielen Experimenten nachgewiesen wurde. Aller­ dings besteht eine enorme Diskrepanz zwischen theoretischer Vorher­ sage und beobachtetem Wert. Es wird deshalb eine Theorie benötigt, die Quantenmechanik und Allgemeine Relativitätstheorie vereinigt. Grundsätzlich aber finden sich in der beobachtenden Kosmologie Fun­ damentaltheorien der Physik – die Quantenmechanik als Theorie der Materie und die Relativitätstheorie als Theorie der Gravitation – im Rahmen des Urknallmodels wieder, was dem Weltbild der modernen Astronomie eine besondere innere Konsistenz verleiht. Was also ist die Welt? Nach allem, was wir bis heute beobachten kön­ nen, viel mehr als das, was wir durch Strahlung entdecken. Die leuchtende Materie ist ein winziger Anteil der gesamten Materie, die von der Dunklen Materie dominiert wird. Der massebehaftete Anteil des Universums stellt aber nur rund ein Drittel des Energieinhaltes dar, den Rest repräsentiert die Dunkle Energie, die die Expansion des Uni­ versums maßgeblich bestimmt. Die Astronomie des 21. Jahrhunderts wird geprägt sein von der Suche nach rund 95 Prozent des Energie­ bestandes des Universums. 9 MUM 01 | 2009 weit entfernten Galaxien ergeben sich aus der Rotverschiebung ihrer Spektrallinien. Die Rotverschiebung kommt durch die Expansion des Universums zustande. Je weiter ein Objekt von uns entfernt ist, umso schneller bewegt es sich von uns weg. Oder andersherum formuliert: Je weiter die Linien in den Bereich größerer Wellenlängen verschoben sind, umso weiter entfernt ist das Objekt. Dieser, seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts von Edwin Hubble entdeckte Zusammenhang stellt einen wichtigen Eckpfeiler moderner Astrophysik dar. Das Gesetz, dass sich Galaxien umso schneller von uns entfernen, je weiter sie von uns entfernt sind, begründet die zentrale Theorie der modernen Kosmologie, dass das Universum expandiert und deshalb einen Anfang gehabt haben muss – den Urknall. e s say MUM 01 | 2009 10 Beginnen wir mit der Hypothese, dass Leben nur auf einem Planeten entstehen kann, der in einer wohldefinierten Entfernung seinen Stern umkreist. Die Definition dieser Lebenszone hängt mit dem Aggregatzu­ stand des wichtigsten Moleküls für die Entwicklung organischer Struk­ turen zusammen, dem Wasser. Wasser muss flüssig sein, damit sich Moleküle zu Lebewesen entwickeln können. Die Lebenszone ist deshalb durch den Temperatur- und Druckbereich definiert, der Wasser flüssig sein lässt. Ist der Planet zu nahe am Stern, verdampft das Wasser, bei zu großem Abstand, gefriert es zu Eis. Ein Planet mit Leben benötigt eine Atmosphäre, was wiederum mit seiner Masse zusammenhängt. Ist er zu klein, kann er keine Atmosphäre an sich binden. Ist er hingegen zu groß ist der Atmosphärendruck zu hoch für Lebensentwicklung. Der Planet muss sich drehen, nicht zu schnell, denn dann sind die Wind- und Wetterverhältnisse zu stürmisch für Lebensentwicklung – aber auch nicht zu langsam, denn sonst wird eine Seite „gegrillt“, die andere „gefrostet“. Seit Immanuel Kants „Theorie des Himmels“ aus dem Jahr 1755, ist bekannt, dass erdähnliche Planeten in Scheiben um Sterne durch das Aufsammeln von und Zusammenstoßen mit kleineren Felsen entste­ hen. Da Planeten um Sterne herum existieren, hängt die Planeten­ entstehung mit der Sternentstehung zusammen. Erdähnliche Planeten bestehen aus schweren Elementen. Deshalb greift das Problem der Entstehung von Planeten sehr weit in die Entwicklungsgeschichte des Universums hinein, denn Planeten mit fester Oberfläche und mit Was­ ser bestehen aus Elementen, die viel schwerer sind als Helium. Denken wir an die Erde, deren Körper aus Eisen, Nickel, Aluminium, Silizium und vielen anderen schweren Elementen besteht. Woher kommen diese chemischen Elemente, denn anfangs wurden nur Wasserstoff und Helium im Kosmos erzeugt? Alle schweren Elemente werden in Sternen durch die Verschmelzung leichter Atomkerne erzeugt. Sterne sind Kernreaktoren der besonderen Art. Während in irdischen Kernkraftwerken Energie durch die Spaltung sehr großer Atomkerne freigesetzt wird, wird in Sternen Bindungsenergie frei, wenn kleine Atomkerne zu größeren Kernen verschmelzen. Hierbei wird Energie in Form von Gammastrahlung frei, die auf dem Weg zur Sternoberfläche durch Zusammenstöße mit den Elektronen Energie verliert und so den Druck aufbaut, der den Stern gegen seine eigene Schwerkraft stabilisiert. Dass es überhaupt Sterne gibt, hängt mit dem Gewicht großer Gasmassen zusammen. Wenn sich eine große Gasmenge zu einer Wolke verbunden hat, und wenn diese Gaswolke durch Strahlung Energie verliert, dann wird sie irgendwann unter ­ihrem eigenen Gewicht zusammenfallen und es entstehen Sterne. Aber schwerere Sterne als die Sonne sind für die Entstehung von Pla­ neten und von Lebewesen trotzdem von großer Bedeutung. Sie liefern die chemischen Elemente, die schwerer sind als Helium! Die Sonne ist mit ihrem Alter von viereinhalb Milliarden Jahren ein Stern der dritten Generation, d.h. sie enthält bereits schwerere Elemente als Helium. Die Gaswolke, aus der sie entstand, enthielt demnach schon schwere Elemente. Woher kamen die? Sterne mit mehr als acht Sonnenmas­ sen durchlaufen Brennphasen bis hin zu Eisen, dem Element mit der größten Bindungsenergie pro Kernbaustein. Danach explodieren sie als Supernova. Die Synthese aller schwereren Elemente als Eisen liefert keine Energie mehr, sondern verbraucht Energie. Deshalb entstehen sie während der explosiven Phase einer Supernova. Supernova-Explosionen sind die wichtigsten Lieferanten für den groß­ en kosmischen Materiekreislauf. Die Sternexplosionen pressen die in ihnen erbrüteten Elemente ins interstellare Medium. Dort kühlt sich das heiße Gas ab und bildet neue Gaswolken, aus denen sich wiede­ rum neue Sterne bilden. Damit überhaupt Planeten mit festen Ober­ flächen um Sterne herum entstehen können, muss in einer Galaxie der ­Materiekreislauf über etliche Milliarden Jahre das interstellare Medium mit schweren Elementen anreichern. Je später in einer ga­ laktischen Scheibe ein Stern entsteht, umso höher ist sein Anteil an schweren Elementen. Es verwundert deshalb nicht, dass die seit etwas mehr als zehn Jahren durchgeführte Suche nach extrasolaren Planeten nur bei solchen Sternen erfolgreich war, deren Gehalt an schweren ­Elementen mindestens dem der Sonne entsprach. Aus den Verzer­ rungen der Strahlungsspektren lassen sich die Masse und der Abstand der ­extrasolaren Planeten einwandfrei ableiten. Inzwischen sind über 150 Systeme in der Milchstraße als Planetensysteme bekannt. Leider ist die Detektionsempfindlichkeit noch nicht groß genug für erdähn­ liche Planeten. Die Massenuntergrenze beträgt zurzeit noch etwa zehn Erdmassen. In einigen Jahren werden die ersten erdähnlichen Planeten gefunden werden. Ob diese Objekte auch Leben entwickelt haben, wird erst ­ermittelt werden können, wenn es gelingt, planetare Atmosphären genau zu analysieren. Sollte es Außerirdisches Leben geben, dann erwarten wir durchaus, dass es so ähnlich aufgebaut ist wie das Leben auf der Erde. Diese Erwartung wird gestützt durch die Beobachtungen von Kohlenwas­ serstoffmolekülen im interstellaren Gas. Hier zeigt sich, dass die Bin­ dungsfähigkeit des Elementes Kohlenstoff selbst unter den ungünstigen Bedingungen des Kosmos (intensive UV-Strahlung, schnelle Teilchen, niedrige Dichten) so stark ist, dass sich lange Kettenmoleküle bis hin zur einfachsten Aminosäure zwischen den Sternen bilden können. Die Frage: „Sind wir allein im Universum?“ ist zwar noch nicht be­ antwortet, aber ihre Antwort gerät langsam in den Bereich der Mög­ lichkeit. Was kann man über das Universum wissen? Die Physik ist als grundlegende Wissenschaft von der Natur durchaus mit ihren eigenen Grenzen beschäftigt und zwar auf unterschiedliche Art und Weise. Einerseits sind Theorien solange Gegenstand der For­ schung, solange sie sich als nicht falsch erwiesen haben. Sind aber Phä­ nomene entdeckt worden, die von einer Theorie nicht mehr abgedeckt werden, d.h. sind die Grenzen der Theorie erreicht und überschritten worden, muss eine neue, erweiterte Theorie gefunden werden, die die Ergebnisse der alten Beschreibung enthält und über sie hinausgeht. Ein typisches Beispiel ist die Relativitätstheorie, die die Physik Isaak Newtons komplett enthält und zudem bis zu Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit erweitert. Die Relativitätstheorie wurde not­ wendig, weil die Experimente mit der Newtonschen Physik nicht mehr erklärbar waren. Newton war falsifiziert worden. Dieses Verfahren der Falsifikation hat sich als sehr erfolgreich erwie­ sen. Grenzüberschreitungen sind also gewissermaßen der Motor für die Bildung neuer Theorien. Zwei Probleme wurden bereits angesprochen, die möglicherweise die Bildung neuer Theorien nötig machen könnten: die Existenz der Dunklen Materie und die Wirkung der Dunklen Ener­ gie. Die neuen Ergebnisse der beobachtenden Kosmologie konnten bis heute noch nicht in eindeutiger Weise in einem allgemein akzeptierten Standardmodell der Materie zusammenfassend dargestellt werden. Es gibt zwar eine ganze Reihe von Ansätzen, aber eben noch keinen „neu­ en Einstein“, der eine Theorie für Alles formuliert hätte. Andererseits aber setzen die bis heute noch nicht falsifizierten The­ orien, die Quantenmechanik und die Relativitätstheorie, der astrono­ mischen Forschung durchaus sehr konkrete Grenzen. „Grenzen“ bedeutet hier vor allem den Zusammenbruch der Kausalität, d.h. eines eindeutigen Ursache-Wirkungs-Zusammenhanges. Wenn keine Informationen mehr aus einem bestimmten Objekt entweichen können, dann kann man darüber nichts mehr wissen. Die zentrale wissenschaftstheoretische Forderung, dass theoretische Vorhersagen über die Eigenschaften eines kosmischen Objektes zumindest im Prin­ zip beobachtbar sein müssen, kann natürlich nur dann erfüllt werden, wenn aus einem Objekt Informationen überhaupt in irgendeiner Form entweichen können. Die Faszination der modernen Astrophysik ist zugleich ihre Perspek­ tive. Der gestirnte Himmel über uns ist quantitativ erforschbar, er hat zwar nach mühevoller Kleinarbeit bereits viele seiner Geheimnisse offenbart, aber wie es sich für eine dynamische Naturwissenschaft ­gehört, ergibt jede neue Antwort mindestens zwei neue Fragen. Die Astronomie ist eine sehr vitale Wissenschaft mit kaum wirklich überblickbaren Zukunftsperspektiven. Sie ist Grundlagenforschung par excellence! Was kann man mehr von einer Wissenschaft verlangen, als diese sich immer wieder aufs Neue aus sich selbst stimulierende Neugier?