Rechtspopulisten in Europa II

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Anton Maegerle
Rechtspopulisten in Europa II
Nordeuropa, Ungarn, Spanien, Griechenland
I
m ersten Teil des Aufsatzes (Heft 202) wurde die rechtspopulistische Parteienlandschaft
in ausgewählten Ländern Westeuropas skizziert. Teil zwei stellt die Situation in Nordeuropa
sowie in Ländern in Süd- und Osteuropa dar. Für alle Länder gilt: Rechtspopulisten sind
fremden- und islamfeindlich ausgerichtet. Untereinander sind diese Parteien und Gruppierungen sehr gut vernetzt und kooperieren auf vielfältige Art und Weise miteinander. An den
Parteispitzen stehen zumeist junge und charismatische Führerpersönlichkeiten. Rechtspopulisten haben in zahlreichen Ländern Europas für eine nachhaltige Klimaveränderung in
Sachen Ausländerintegration und Migration geführt. Den erklärten Feinden einer offenen
Gesellschaft muss breit entgegengewirkt werden.
DIE »WAHREN FINNEN« - DRITTSTÄRKSTE KRAFT IM PARLAMENT
Fast jeder fünfte Wahlberechtigte gab im April 2011 bei der Reichstagswahl in Finnland
der rechtspopulistischen Partei »Perussuomalaiset« (PS; »Wahre Finnen«) seine Stimme.
Die »Wahren Finnen« haben mit 19,1 Prozent ihre Stimmenzahl im Vergleich zur letzten
Reichstagswahl im März 2007 (4,1 Prozent) fast verfünffacht und wurden zur drittstärksten
Kraft. Im Parlament in Helsinki sind sie mit 39 (bisher: sechs) von 200 Sitzen vertreten. Alle
im Parlament sitzenden Parteien des fünf Millionen Einwohner zählenden Landes verloren
bei der Wahl Stimmen an die »Wahren Finnen«. Parteichef Timo Soini (Jg. 1962), Interviewpartner der Rechtspostille »Junge Freiheit«, stilisierte den Wahlerfolg zu einen »historischen Tag für Finnland«. Im rechtsextremen deutschen Monatsmagazin »Zuerst!« war zu
lesen: »Jetzt scheint es tatsächlich einer der viel geschmähten ›Rechtspopulisten‹ in der
Hand zu haben, den Eurokraten in die Suppe zu spucken, und sein Land zurück zu mehr
Selbstbestimmung und traditionellen Werten zu führen.« Die NPD gab kund, Finnland habe
eine Wahl getroffen, »die den Brüsseler Aufsehern der EUdSSR noch Albträume bescheren
könnte.« Im Wahlkampf hatten sich die »Wahren Finnen« strikt gegen den EU-Stabilitätspakt und gegen Hilfszahlungen an überschuldete EU-Länder gestellt. Gefordert wurden Verschärfungen beim Zuwanderungsrecht, ein Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen, die Abschaffung des Schwedischunterrichts in finnischen Schulen sowie schärfere
Abtreibungsverbote und die Wiedereinführung der Finmark. Den Beitritt des Landes zur
NATO lehnen die »Wahren Finnen« ebenso wie Sex vor der Ehe und Frauen im Pfarramt ab.
Förderungswürdig soll nur noch die Kunst sein, die »etwas darstellt« und die »nationale
Identität fördert«. Die Basis der Partei ist weithin islam- und ausländerfeindlich eingestellt.
Der Ausländeranteil in Finnland liegt bei rund drei Prozent. Ein Kandidat der »Wahren Finnen« ließ im Reichstagswahlkampf vor gewöhnlichen Wohnbauprojekten Tafeln anbringen,
die den angeblichen Bau eines muslimischen Gotteshauses suggerierten. Als Scharfmacher
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seiner Partei und extremer Einwanderungskritiker gilt der Helsinkier Parlamentsabgeordnete Jussi Halla-aho (Jg. 1971), einer der bekanntesten Blogger des Landes. In einem Facebook-Eintrag erklärte er im Sommer 2011: »Gerade jetzt würde Griechenland eine Militärjunta benötigen, die sich keine Gedanken um ihre Beliebtheit machen müsste und die
Streikende und Krawallmacher mit Panzern im Zaum halten könnte.« Parlamentsabgeordneter der »Wahren Finnen« ist auch der Rassist Teuvo Hakkarainen. Dieser erklärte Schülern, wenn ein homosexuelles Paar ein Kind »bekomme«, werde es »doppelt schwul«. Öffentlich spricht Hakkarainen von »Niggern«, die nur das Wort »Asyl« kennen würden.
Von 2009 bis April 2011 gehörte der EU-Skeptiker Soini dem Europäischen Parlament als
Abgeordneter an. Mit 130.000 Stimmen wurde der Sozialwissenschaftler landesweiter Stimmenkönig der Wahl. Knapp zehn Prozent der finnischen Wähler votierten bei der EU-Wahl
für die »Wahren Finnen«, 2004 hatte die Partei lediglich 0,5 Prozent erreicht. Im Straßburger Parlament arbeitete Soini mit der italienischen »Lega Nord« und der dänischen »Fortschrittspartei« zusammen. Die »Wahren Finnen« entstanden 1995 aus der zuletzt von Soini
von 1992 bis 1995 geführten »Agrarpartei« (SMP). Die SMP mischte unter Soinis politischem Ziehvater Veikko Vennamo, einem militanten Antikommunisten, ab 1959 in der Politik mit. Soini trat der »Agrarpartei« bereits im Alter von 17 Jahren bei. Parteimitglied der
»Wahren Finnen« war auch zeitweilig der Neonazi Henrik Holappa (Jg. 1985). 2006 führte
Holappa, damals finnischer Korrespondent des NPD-Parteiorgans »Deutsche Stimme«, ein
Interview mit Pekka Kortelainen, einem Lokalpolitiker der »Wahren Finnen«. Kortelainen
erklärte, dass »die politische Klasse der Etablierten […] nicht mehr das Volk« vertritt, »sondern nur noch ihre finanziellen Interessen.« Den »etablierten Parteien« unterstellte Kortelainen »Korruption« und ein »System der Lüge«. Den Lesern der »Deutschen Stimme« rief
der »Wahre Finne« zu: »Ich möchte alle Nationalisten in Deutschland ermuntern weiterzumachen. Gott segne Euch alle!« Wegen eines fremdenfeindlichen Artikels von Holappa in
der geschichtsrevisionistischen Zeitschrift »Deutschland in Geschichte und Gegenwart«
(DGG) war der Tübinger Verleger Wigbert Grabert wegen Volksverhetzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Holappa fabulierte in dem Artikel von einer »speziellen
Methode von Völkermord« am finnischen Volk durch »Negerbanden«.
»EINWANDERUNGSBREMSE STATT RENTENBREMSE« FÜR SCHWEDEN
Erstmals seit 1991 zog im September 2010 eine rechtspopulistische Partei in den schwedischen Reichstag ein. Die fremdenfeindliche Partei »Sverigedemokraterna« (»Schwedendemokraten«) erzielte 5,7 Prozent. Bereits bei der EU-Wahl 2009 konnten die »Schwedendemokraten« das Ergebnis von 2004 auf 3,3 Prozent verdreifachen. Im Rahmen ihres
aggressiven Reichstags-Wahlkampfes schürte die Partei Angst vor Zuwanderung und Islamismus. Gefordert wurde ein Einwanderungsstopp, Sozialleistungen für Migranten sollten
rigoros gekürzt werden. In ihrem rassistischen Wahlkampfspot »Einwanderungsbremse statt
Rentenbremse« zeigten die »Schwedendemokraten« eine verschüchterte ältere Frau mit
Rollator. Die Rentnerin musste sich mit voll verschleierten Müttern und deren Kindern ein
Wettrennen um staatliche Gelder liefern. Im Hintergrund war zu hören: »Politik handelt von
Prioritäten. Jetzt hast DU die Wahl. Ziehe die Einwanderungs-Notbremse und nicht die der
Rentner.«
Politisch bemerkbar machten sich die »Schwedendemokraten« erstmals bei der Reichstagswahl 2006. Nur 60.000 Stimmen fehlten ihnen damals zum Sprung über die Vier-Pro-
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zent-Hürde. Die Partei, die zuvor landesweit immer unter einem Prozent lag, erzielte bei dieser Wahl – unerwartet von Parteienforschern – 2,93 Prozent. Dank der staatlichen Parteienfinanzierung wurde die Kasse der »Schwedendemokraten« mit 45,5 Millionen Kronen, gut
fünf Millionen Euro, aufgefüllt. In über 140 Kommunalversammlungen und drei Bezirksparlamenten sind die »Schwedendemokraten« vertreten. Damit ist die Partei in der Hälfte
aller schwedischen Kommunen erfolgreich. In etlichen Gemeinden in Südschweden ist sie
dritte Kraft und knüpft damit an liebgewonnene Traditionen an: Während des Nationalsozialismus waren dessen Anhänger in Südschweden besonders zahlreich gewesen; insbesondere in der südlichsten Provinz Schonen.
Vorsitzender der »Schwedendemokraten« ist seit Mai 2005 Jimmie Akesson (Jg. 1979).
»Alle Probleme fangen mit den Einwanderern an«, verkündete er. Parteimitglied ist Akesson seit seinem 15 Lebensjahr. Unter seiner Führung hat die 1988 aus der neonazistischen
Bewegung »Bewahrt Schweden schwedisch« (»Bevara Sverige Svenkst«) entstandene Partei weiter an einem modernisierten und moderateren Image gefeilt. Die flammende Fackel
als Parteisymbol wurde durch ein Buschwindröschen ersetzt und die übelsten rechtsextremen Ausfälle aus dem Parteiprogramm gestrichen. Bomberjacken und NS-Fetisch sind bei
Parteiveranstaltungen verboten. Am Streben nach »ethnischer Gleichheit« halten die
»Schwedendemokraten« jedoch fest. Im Herbst 2009 sorgte ein Artikel von Akesson auf der
Meinungsseite der konservativen schwedischen Boulevardtageszeitung »Aftonbladet« für
landesweiten Gesprächsstoff. Akesson bezeichnete in dem Blatt muslimische Männer »als
die größte Bedrohung von außen seit dem Zweiten Weltkrieg«. Seiner Auffassung nach ist
die »heutige multikulturelle schwedische Elite total blind gegenüber den Gefahren des Islams«.
Akesson erklärte nach dem Einzug in den Reichstag, er strebe eine Rolle wie die »unserer Schwesterpartei« in Dänemark an. Die »Dansk Folkeparti« (»Dänische Volkspartei«)
von Pia Kjaersgaard stützte über lange Jahre hinweg die Kopenhagener Minderheitsregierung von Rechtsliberalen und Konservativen. Die Partei, die bei der Parlamentswahl 2009
15,9 Prozent der Stimmen erzielte, hat mehrere Verschärfungen der Einwanderungs- und
Asylpolitik mit durchgesetzt. Kjaersgaard, großes Vorbild von Akesson, unterstützte selbst
den Reichstagswahlkampf der »Schwedendemokraten«. Kontakte pflegen die »Schwedendemokraten« auch zu Gleichgesinnten in Deutschland. So war deren Parteisekretär für internationale Angelegenheiten, Kent Ekeroth, Redner bei einer Demonstration von »Pro
NRW« im März 2010 im nordrhein-westfälischen Duisburg. In einem Interview mit »Zuerst!« machte Ekeroth aus seiner migrationsfeindlichen Haltung keinen Hehl. Er erklärte,
dass Schweden aus dem Mittleren Osten und Afrika am besten »niemanden aufnehmen«
sollte. Der »Pro NRW«-Vorsitzende Markus Beisicht begrüßte den Wahlerfolg der »Schwedendemokraten« als »sensationellen Durchbruch unserer Freunde«. Manfred Rouhs, Bundesvorsitzender von »Pro Deutschland«, teilte Akesson in einem Schreiben mit: »Sie machen uns Mut«.
NACHHALTIGE POLITISCHE KLIMAVERÄNDERUNG IN DÄNEMARK
Die 1995 aus einem Flügel der »Fortschrittspartei« des »Steuerrebellen« Mogens Glistrup gegründete »Dänische Volkspartei« (»Dansk Folkeparti«, DF) ist eine rechtspopulistische bürgerliche Partei, die die demokratischen Grundprinzipien nicht infrage stellt. Seit
ihrer Gründung wird die fremdenfeindliche Partei von Pia Kjaersgaard geführt. Zehn Jahre
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lang bis zur letzten Parlamentswahl im September 2011 tolerierte die »Dänische Volkspartei« die Mitte-Rechts-Minderheitsregierung und sorgte für eine nachhaltige Veränderung
des politischen Klimas. Sie schlug unter anderem massive Verschärfungen beim Familiennachzug von Zuwanderern vor, die Halbierung der Sozialhilfesätze für diese Gruppe und
immer neue Hürden für das Erlangen der dänischen Staatsbürgerschaft. Weitestgehend setzte sich die »Dänische Volkspartei« mit ihren Forderungen durch. Mindestens 20 Gesetzesverschärfungen gegen Migranten und Asylbewerber gehen auf das Konto der DF. Aus dem
traditionell liberalen Dänemark wurde so das Land mit dem schärfsten Ausländerrecht in
Westeuropa. Im Grundsatzprogramm der DF heißt es: »Dänemark ist kein Einwanderungsland und ist es nie gewesen. Wir wollen daher keine multi-ethnische Wandlung unseres Landes akzeptieren.« Hauptmerkmale der Partei sind neben der Polemik gegen Zuwanderer, vor
allem gegen Muslime, die populistische Kritik am politischen Establishment und Attacken
gegen die EU-Integration. Besonders stolz zeigte man sich nach der Wiedereinführung der
Grenzkontrollen im Frühjahr 2011, hatte die DF doch selbst verschärfte Kontrollen gefordert und die Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Lars Rasmussen die Pläne abgesegnet. Die Grenzkontrollen in die Bundesrepublik und Schweden begrüßte die NPD-Nachwuchsorganisation »Junge Nationaldemokraten« (JN) mit den Worten »Dänemark macht es
richtig!« Der dänischen Regierung wünschten die JN, »daß sie trotz des EU-Drucks und vorauseilenden Gehorsams bundesdeutscher Polit-Versager nicht einknickt und bei ihrer harten Linie gegen fremde und organisierte Kriminalität bleibt.« Der Höhenflug der auch im
Europäischen Parlament vertretenen Dänischen Volkspartei, die es bislang treffend verstand,
Ängste vor den Unwägbarkeiten der Zukunft zu schüren, wurde bei der Parlamentswahl im
September 2011 gestoppt. Die Partei erzielte 12,3, Prozent (2007: 13,9 Prozent) und ist seither statt mit 25 nur noch mit 22 Abgeordneten im Parlament vertreten. Dänemarks neue Regierung unter Führung der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Helle ThorningSchmidt schaffte in einer ihrer ersten Amtshandlungen die umstrittenen Grenzkontrollen
wieder ab.
NORWEGISCHE »FORTSCHRITTSPARTEI«
Am 22. Juli jährten sich erstmals die Terroranschläge von Anders Breivik. Breivik hatte
zunächst eine Bombe im Osloer Regierungsviertel gezündet und acht Menschen getötet.
Dann hatte er 69 meist jugendliche Teilnehmer eines Ferienlagers der regierenden Sozialdemokraten auf der Insel Utoya erschossen. Unmittelbar vor dem Massaker verschickte er das
1.518 Seiten starke Manifest »2083 – a European Declaration of Indepence« an rund 2.300
E-Mail-Adressen. Darin lehnt er Multikulturalismus und »Kulturmarxismus« entschieden
ab und spricht von einer vermeintlichen »Islamisierung Europas«. 39 Artikel des Kompendiums stammen von dem Pseudonymus »Fjordman«, der den bürgerlichen Namen Peder
Jensen trägt. Der Norweger »Fjordman« ist einer der Stars in der islamfeindlichen Blogsphäre, seine Texte erschienen auch auf der deutschsprachigen Seite »Politically Incorrect«,
einem internationalen Netzwerk von Islamhassern und einer Schnittstelle zwischen rechtspopulistischen Kleinstparteien. 2011 veröffentlichte der neurechte Verlag Edition Antaios
(Schnellroda, Sachsen-Anhalt) aus dem Umfeld der Rechtspostille »Junge Freiheit« das
Buch »Fjordman: Europa verteidigen«. Von 1999 bis 2006 gehörte Breivik der 1973 als
Anti-Steuer-Partei gegründeten »Fremskrittspartiet« (»Fortschrittspartei«, FRP) an. Die
FRP, seit 2005 zweitstärkste politische Kraft im Osloer Parlament, dem Storting, kam bei
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den Wahlen 2009 auf 22,9 Prozent. Geführt wird die stärkste Oppositionspartei seit 2006
von Siv Jensen (Jg. 1969). Diese beklagt gebetsmühlenartig eine »schleichende Islamisierung« des Landes und fordert härtere Regeln für Zuwanderer. Für die Politikerin sind die
meisten Flüchtlinge »identitätslose Kriminelle«. Im Sommer erregten rund 200 rumänische
Roma, die auf den Osloer Straßen bettelten, den Zorn von Jensen. Lauthals forderte die Politikerin die »Deportation« der Roma. Originalton Jensen: »Alle in Busse und ab damit.« Lediglich ca. sechs Prozent der 4,8 Millionen Einwohner Norwegens sind Einwanderer. Etwa
ein Fünftel der Migranten sind Muslime. Dies dokumentiert, dass die Angst vor Fremden gerade auch in Gesellschaften wächst, die wenig Berührung mit ihnen haben.
»CHRYSI AVGI«: GRIECHENLAND DEN GRIECHEN
Die Grenzen zwischen Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und Neonazismus sind
fließend und nicht scharf abgrenzbar. Dies dokumentiert beispielhaft die neonazistische Partei »Chrysi Avgi« (»Goldene Morgenröte«), die mit rechtspopulistischen Tönen bei der Parlamentswahl in Griechenland am 17. Juni 6,92 Prozent erzielte und mit 18 Abgeordneten ins
300 Sitze starke hellenische Parlament einzog. Hauptagitationsfeld der gewalttätigen Neonazi-Truppe im Wahlkampf war das Thema illegale Einwanderung. »Griechenland den Griechen« lautete die Losung von »Chrysi Avgi«. Stark ist die Partei vor allem im Großraum
Athen, in dem mehr als ein Drittel der Wahlberechtigten des Landes leben. Die griechische
Hauptstadt hat mehr als drei Millionen Einwohner, unter denen weit über 100.000 illegale
Migranten sind. Der Aufstieg der Neonazis wurde unter anderem deshalb möglich, weil die
etablierten Parteien soziale Fehlentwicklungen über Jahre hinweg ignorierten und der Verwahrlosung ganzer Stadtteile tatenlos zusahen. Hinzu kam die anhaltende massive Wirtschaftskrise. Die Einwanderungs- und Asylpolitik ist in Griechenland seit Jahren fehlgesteuert. In diesem Klima werden Athen und auch andere Orte seit 2011 von einer Welle
fremdenfeindlicher Gewalt überzogen. Neonazi-Gangs wie »Chrysi Avgi« greifen zunehmend Einwanderer an und gerieren sich als Retter von Recht und Ordnung. Migranten und
Asylsuchende trauen sich kaum noch auf die Straße, weil die Behörden nicht eingreifen. In
dem im Juli von Human Rights Watch veröffentlichten Bericht »Hate on the Streets: Xenophobic Violence in Greece« wird dokumentiert, dass weder die Polizei noch die Justiz die
Angriffe gegen Migranten verhindern oder bestrafen.
Gegründet wurde »Chrysi Avgi« als NS-treue Bewegung Ende der 1980er Jahre. 1993
wurde aus der Bewegung eine Partei. »Chrysi Avgi« kämpft für »Nation, Rasse und Volk«,
träumt von einem »Großgriechenland« und der »Herrschaft der weißen Rasse«. Das Logo
der Partei ist ein runenartiges Zeichen, lorbeerumkränzt, das an ein Hakenkreuz erinnert.
Gründer und Führer von »Chrysi Avgi« ist der Holocaust-Leugner Nikolaos Michaloliakos
(Jg. 1957), der Adolf Hitler einmal als »den Großen Mann des 20. Jahrhunderts« glorifizierte. Der studierte Mathematiker Michaloliakos vertritt seine Partei auch als Stadtrat in
Athen. Mehrfach sorgte er bei Stadtratssitzungen für einen Eklat, indem er den Arm zum
Hitlergruß erhob. Für einen Bombenanschlag in den 1970er Jahren auf ein Kino in Athen,
bei dem 40 Menschen verletzt wurden, war Michaloliakos zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. In den Jahren 1999 und 2000 war »Chrysi Avgi« für mehrere Anschläge gegen
jüdische Einrichtungen und Holocaust-Denkmäler verantwortlich. Die heute laut Eigenangaben ca. 10.000 Mitglieder starke Neonazi-Truppe hatte einst die antisemitische Hetzpostille »Die Bauernschaft« des deutschen Holocaust-Leugners Thies Christophersen unter
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ihrer Postfachanschrift im Athener Stadtteil Omonia abonniert. Christophersen war SS-Sonderführer in Auschwitz-Birkenau. Ende 2010 übersandte Michaloliakos den »deutschen Kameraden« der NPD »kameradschaftlichen Grüße«. Michaloliakos zufolge verbindet die
griechischen Neonazis mit der NPD der »Kampf für ein Europa freier und souveräner Volksstaaten«, der »Kampf gegen die Unterwerfung Europas durch den internationalen Kapitalismus und gegen den kulturellen und ideologischen Verfall durch den Liberalismus und die
elenden Überbleibsel des Marxismus«. In einem persönlichen Brief gratulierte der NPDParteivorsitzende Holger Apfel Michaloliakos zum Wahlerfolg und gab sich der Hoffnung
hin, dass es »nur eine Frage der Zeit« sei, »wann solche Wahlergebnisse angesichts der an
Dynamik zulegenden Krise auch hierzulande für Betroffenheit sorgen werden.« Die neonazistische »Aktionsgruppe Bayreuth« zeigte sich auf ihrer Homepage begeistert über die
fünftstärkste Kraft im Athener Parlament: »Der Druck auf die Straße wächst weiter. Chrysi
Avgi versteht es dabei vorzüglich, die verbrecherischen Machenschaften der herrschenden
Klasse so zu interpretieren, daß die Argumente auch bei den kleinen Leuten in Griechenland
ankommen. Dadurch bestimmen die Nationalsozialisten einen Teil der politischen Entscheidungen mit, ohne selbst an den Schalthebeln der parlamentarischen Macht zu sitzen. Ein
Beispiel auch für andere Länder Europas.«
SPANISCHE RECHTSPOPULISTEN: »PLATTFORM FÜR KATALONIEN«
Die bekannteste rechtspopulistische Regionalpartei in Spanien ist die katalonische »Plataforma per Catalunya« (»Plattform für Katalonien«; PxC). Deren Parteimitglieder und Anhänger marschierten am 2. Oktober 2011 in Barcelona für die »Freiheit der Meinungsäußerung«. Anlass des Aufmarsches der fremden- und islamfeindlichen PxC war ein vom
Obergericht von Katalonien erlassenes Demonstrationsverbot: Demonstriert werden sollte
gegen den Bau einer Moschee. Das Urteil des Obergerichts von Katalonien wurde von der
»Plattform für Katalonien« als »schändlich« bezeichnet. PxC preist sich als »einzige Partei« an, die »gegen Einwanderung auftritt, sich für unsere bodenständige Wirtschaft einsetzt, die ihre Hilfe und ihre Arbeit den Leuten widmet, die immer schon hier gelebt haben,
und die vor allem unsere westliche Kultur und katalanische Identität erhalten möchte.« Der
Anteil der Ausländer in Spanien liegt bei ca. zwölf Prozent, das empfanden bereits 2009
über drei Viertel der Bürger in Umfragen als »exzessiv«. Besonders in Katalonien, wo viele
Zugewanderte leben, macht sich Fremdenfeindlichkeit breit. Seit der Kommunalwahl vom
Mai 2011 verfügt die »Plattform« über 67 Stadt- und Gemeinderäte in 39 Kommunen.
Auch in Ripolles und Carr, den Landkreisen mit den niedrigsten Prozentsätzen an Einwanderern, ist die »Plattform« in den Kommunalparlamenten vertreten.
Gründer und Vorsitzender der 2002 ins Leben gerufenen PxC ist Josep Anglada (Jg.
1959). Dessen politische Karriere begann vor Jahren bei der neofaschistischen »Fuerza
Nueva«. Kontakte pflegt die PxC unter anderem zur bundesdeutschen »Pro«-Bewegung,
zur FPÖ und zum belgischen Vlaams Belang. Der Generalsekretär von »Pro NRW«,
Markus Wiener, führte im Dezember 2010 aus, dass PxC und die »Pro«-Bewegung
»nicht nur die gleichen Ziele [einen], sondern auch die Arbeitsweise. Nur von den regionalen Strukturen aus kann eine politische Neuausrichtung erfolgreich auf den Weg
gebracht werden.« Wenige Wochen vor Wieners Ausführungen reiste PxC-Generalsekretär Pablo Barranco eigens aus Barcelona zum Sommerfest von »Pro NRW« in Leverkusen-Schleebusch an.
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UNGARN KNÜPFT AN DIE PFEILKREUZLER AN
Im Juni hat der Holocaust-Überlebende und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel die
Auszeichnung der ungarischen Regierung, das Großkreuz des Verdienstordens der Republik
Ungarn, zurückgegeben. Wiesel teilte mit, er habe mit »Bestürzung und Entrüstung« erfahren, dass der ungarische Parlamentspräsident Laszlo Köver, Gründungsmitglied der seit
April 2010 regierenden rechtspopulistischen Regierungspartei »Fidesz«, an einer Gedenkfeier für den völkischen Autor Jozsef Nyirö (1889-1953) teilgenommen hat. Der ehemalige
katholische Priester Nyirö war ein Blut-und-Boden-Literat und bekennender Rassist und
Antisemit. In den 1940er Jahren hatte er die faschistischen Pfeilkreuzler unterstützt, auf
deren Konto die Deportation der ungarischen Juden in die Vernichtungslager geht. Eine Renaissance feiert in Ungarn auch der einstige »Reichsverweser« und Hitler-Verbündete Miklos Horthy (1868-1957). Unter seinem Regime wurde 1938 das erste »Judengesetz« verabschiedet. An vielen Orten in Ungarn wurden in den letzten Monaten Horthy-Statuen und
Gedenktafeln aufgestellt oder Plätze nach ihm benannt. Ministerpräsident und »Fidesz«Parteichef Viktor Orbán sieht in Horthy keinen Diktator. »Bezeichnet irgendjemand Horthy
als Diktator? Nein, nein, nein«, sagte Orbán in einem Interview.
Die nationalkonservative Partei »Fidesz« verfügt über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament und hat diese zwischenzeitlich weidlich genutzt, den ungarischen Rechtsstaat auszuhöhlen. Besonders fragwürdig ist der Umgang mit Minderheiten und Oppositionellen. Der
Rechtsextremismus ist sprichwörtlich in die Mitte der Gesellschaft gerückt, Geschichtsrevisionismus breitet sich im ganzen Land aus, völkischer Nationalismus durchdringt die aktuelle Kulturpolitik. Wahrer Motor der Regierungspolitik ist die 2003 von rechtsextremen Universitätsstudenten gegründete antisemitische Partei »Jobbik« (»Bewegung für ein besseres
Ungarn«). Die rechtspopulistische »Jobbik« ist extrem fremden- und Roma-feindlich sowie
militant schwulenfeindlich ausgerichtet. Die Partei versteht sich selbst als »christlich, patriotisch und konservativ«. Sie knüpft in ihrem Radikalismus an die Pfeilkreuzler an und
träumt von der Wiederherstellung Groß-Ungarns und der Angliederung der nach dem Ersten Weltkrieg durch das »Friedensdiktat von Trianon« verlorenen Gebiete. Im Juli 2009 verbot der Oberste Gerichtshof Ungarns letztinstanzlich den paramilitärischen »Jobbik«-Ableger »Ungarische Garde«. Diese »Bürgerwehr«, so »Zuerst!«, wollte für »Sicherheit und
Ordnung sorgen.« Zwischenzeitlich wurde die Schlägertruppe als »Neue Ungarische
Garde« wiedergegründet. Die »Neue Ungarische Garde« ruft zum »Aufstand gegen das
Juden-Regime« auf und will das »Zigeunerproblem« lösen. In einem Interview mit dem
NPD-Parteiorgan »Deutsche Stimme« im Mai 2008 hatte »Jobbik«-Parteichef Gabor Vona
(Jg. 1978), behauptet, dass das »internationale Judentum« die Massenmedien, das Parlament
und die Banken kontrolliere. Bei der Europawahl 2009 wurde »Jobbik« mit knapp 15 Prozent drittstärkste Kraft des Landes. Der damalige NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt richtete noch am Wahlabend eine Grußbotschaft an Vona und gratulierte zum »großartigen
Wahlerfolg«. »Inhaltlich«, so Voigt, »gibt es viel Übereinstimmung zwischen unseren Ländern und unseren beiden Parteien.« Mit dem Wahlerfolg von »Jobbik« beginne das ungarische Volk, sich »gegen den Ausverkauf, gegen die Ausbeutung durch Globalisierung, gegen
Imperialismus und den ›American-Way-of-Life‹ mit der geplanten multikulturellen Verschmelzung mit Fremden wirksam zu wehren.« Bei den Parlamentswahlen im April 2010 erreichte »Jobbik« erstmals mit 16,67 Prozent den Einzug ins Budapester Parlament, knapp
hinter den Sozialisten, und konnte so die Position als drittstärkste politische Kraft im Land
ausbauen.
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RECHTSPOPULISMUS STOPPEN!
Rechtspopulistisches Gedankengut ist auch in der Bundesrepublik weit verbreitet. Von
Seiten der Wissenschaft wird dies von dem Bielefelder Sozialforscher Wilhelm Heitmeyer
belegt. Demnach sympathisieren etwa zehn Prozent der Bundesbürger mit Rechtspopulisten.
Die hohen Verkaufszahlen der Bestseller von Thilo Sarrazin, dem gegenwärtig wichtigsten
Stichwortgeber des Rechtspopulismus im Land, sprechen Bände. Dennoch führen rechtspopulistische Parteien wie »Die Freiheit« ein Schattendasein. Das liegt unter anderem darin begründet, dass diese Parteien – zumindest bislang – nicht über charismatische und rhetorisch
brillante Führerköpfe verfügen, die sich öffentlichkeitswirksam als Retter des »kleinen
Mannes« aufspielen könnten.
Rechtspopulistische Parteien und Bewegungen, vielfach Ausdruck einer Vertrauens- und
Repräsentationskrise der demokratischen Politik, haben jedoch in vielen europäischen Ländern zu einem Rechtsruck in der politischen Sprache und einer Zunahme an populistischer
Rhetorik geführt. Konservative Parteien haben sich an eine Reihe von Inhalten und Argumentationsstilen der Rechtspopulisten angepasst. Der gesamte politische Diskurs wird so
mit weitaus nationalistischeren und ausländerfeindlichen Tönen geführt. Vielfach haben
rechtspopulistische Parteien, sei es in Regierungsverantwortung stehend oder von den Oppositionsbänken aus, Gesetzesverschärfungen gegen Einwanderer und Asylbewerber durchgesetzt. Sie haben für eine nachhaltige Klimaveränderung in Sachen Ausländerintegration
und Migration geführt. Den erklärten Feinden der offenen Gesellschaft muss breit entgegengewirkt, Rechtspopulisten darf keine Lücke im politischen Raum gelassen werden. Nationalismus und Rassismus müssen verurteilt, rechtspopulistische Politiker geächtet werden.
Die Gleichwertigkeit aller Menschen muss hergestellt und deren soziale Gleichheit verbessert werden. Demokratische Parteien müssen wieder den Mut finden, auch unangenehme
Themen und Fragen anzugehen und Visionen (»Mehr Demokratie wagen«) aufzuzeigen.
Volksparteien müssen im Parteienwettbewerb unterscheidbar sein und sich nicht bis zum
Verwechseln immer ähnlicher werden. Demokratiedefizite müssen behoben werden. Hier ist
zwingend angesagt, dass die Politik die wirtschaftspolitische Handlungsfähigkeit von den
Finanzmärkten und Lobbyisten zurückerobern muss. Eine Verlagerung bisheriger nationalstaatlicher Entscheidungen auf die Europäische Union darf nur dann umgesetzt werden,
wenn sie vollständig demokratisch legitimiert ist.
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