Der Konflikt Aserbaidschan und Armenien

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Der Konflikt Aserbaidschan und Armenien
Asker KARTARI
I. Einleitung
Um den Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan über die Herrschaft des
aserbaidschanischen autonomen Gebiets Berg-Karabakhbesser zu verstehen, muss
man erst die Faktoren des Einflusses über diesen Krieg herausarbeiten. Der Aufbau
dieser Arbeit basiert auf diesen Faktoren: die geschichtlichen Hintergründe, die
innenpolitische Situation beider Länder und die Rolle anderer Länder, die direkt oder
indirekt in diesem Konflikt beteiligt sind.
Aserbaidschan und Armenien liegen im einem der strategisch, wirtschaftlich und
politisch wichtigsten Teile von Eurasien. Transkaukasien besteht aus georgischen,
armenischen und aserbaidschanischen Territorien. Aserbaidschan hat 86.000 qkm
Territorium und seine Bevölkerungszahl beträgt nach der Volkszählung der
ehemaligen UdSSR im Jahre 1989 7,2 Mio. Armenien hat 29.800 qkm Landfläche
eine und Bevölkerungszahl von 3,4 Mio. Personen (Roland Götz/Uwe Halbach:
Daten zu Geographie, Bevölkerung, Politik und Wirtschaft der Staaten der GUS,
S.1-15).
Das Konfliktspektrum im Raum Armenien-Aserbaidschan ist mehrdimensional;
Ausgangpunkt des Konfliktes war der Versuch, die mehrheitlich von Armeniern
bewohnte Enklave Berg-Karabakhaus der Republik Aserbaidschan herauszulösen und
in die Republik Armenien einzugliedern. Kennzeichneten Streiks,
Massendemonstrationen, Blockaden, gegenseitige Übergriffe, wechselseitige
Fluchtbewegungen sowie massive Sicherungseinsätze von Militär und
Sondereinheiten des Innenministeriums das Konfliktbild der Jahre 1988/1989, so
eskalierte der Konflikt zu Jahresbeginn 1990 zum regelrechten "Bürgerkrieg" (Archiv
der Gegenwart vom 29.1.1990, S. 34180).
II. Der geschichtliche Zusammenhang
Das Wort "Karabach" ist aserbaidschanisch-türkisch und heiβt "schwarzer Obstgarten".
Das Gebiet war zuerst ein Teil von Klein-Media, unter dem Stadthalter von Alexander
d.Gr. Atropat. Das war im 4. Jahrhundert v.Ch. Nach seinem Tode (323 v.Ch.) hat
Atropat Klein-Media zu einem selbständigen Land gemacht. Nach Meinung der
Historiker stammt der Name Aserbaidschan von dessen Namen. Nachfolgend war es
Kaukasisch-Albania, was nichts mit dem heutigen Albanien zu tun hat. Herodot,
Strabon, Plinius und Ptolemaeus erwähnten Kaukasisch-Albanien als einen Teil des
heutigen Aserbaidschans; eines Teils Südaserbaidschans, welches das Gebiet bis
nordkaukasischen Ebene umfaβt. Das Gebiet war ein eigenständiges Staatsgebiet, das
weder mit dem heutigen,noch mit dem antiken Armenien im Zusammenhang steht. Die
Bevölkerungsstruktur von Albanien war sehr unterschiedlich. Den gröβten
Volksstamm bildeten die Albanier. Sie beherrschten sogar die Fluβmündung ins
Kaspische Meer. Antike Historiker zählten in Kaukasisch-Albanien 26 Volksstämme.
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Seit der Antike ist die Geschichte Aserbaidschans bzw. Karabachs fest mit der
Südaserbaidschans verbunden.
Seltschuken kamen Anfang des 11. Jahrhunderts nach Azerbaidschan (vgl.Bohdan
Nahaylo/Victor Swoboda: Soviet Disunion, S.11-12). Ein Teil zog dann in das heutige
Anatolien, ein anderer Teil hat sich im 12. Jahrhundert im heutigen Nachitschewan
nidergelassen und hat das Ildenisenreich gegründet, welches das jetzige
Südaserbaidschan und das heutige Aserbaidschan umfasst. Die Hauptstadt war Täbris,
die heute noch das politische und kulturelle Zentrum von Persisch-Aserbaidschan ist.
Dann kamen die Mongolen und danach wurde das Land von den Timuren besetzt. Als
dieses Reich zerfiel, kamen zunächst die Akkojunlu-, später die Karakojunlu
Dynastien an die Macht.
Micheal M. Gunter schreibt, dass nach dem Jahr 900 verschiedene armenische
Königreiche für kurze Zeit autonom existiren konnten, die in der Mitte des 11.
Jahrhunderts allerdings ins Byzantinische Imperium eingegliedert wurden (Micheal
M. Gunter: Transnational Armenien Activism, S.2). Das hieβe, dass
Berg-Karabakhseit dieser Zeit niemals Teil eines armenischen Staates war und die
Aseris das Gebiet weder von den Armeniern noch von einem armenischen Staat erobert
hatten. Deshalb wäre es unrecht, die "Wiedervereinigung Berg-Karabachs" zu fordern.
Im 15. Jahrhundert übernahmen die Safewiden die Staatsgewalt. Schach Ismail war
ein groβer Dichter und schrieb unter dem Pseudonym Chatai in aserbaidschanischer
Sprache.
Es folgte die Kadschar Dynastie, die die Safewiden stürzte und ungefähr 300 Jahre lang
Persien und Aserbaidschan beherrschte. Mitte des 18. Jahrhunderts war das persische
Reich sehr geschwächt. Die einheimischen Fürsten zogen daraus Nutzen, sagten sich
in den fünfziger Jahren des 18. Jahrhunderts von Persien los und gründeten neun
Chanate (Fürstentümer). Von diesen 9 Chanaten war eines Karabach, ein anderes
"Irewan" (bis Ende des 2. Weltkrieges hieβ die heutige Hauptstadt Jerewan "Irewan").
Schuscha war die Hauptstadt von Karabach. "Als sich die armenische Kirche in
Persien immer stärker für die Selbstständigkeit der Armenier einzusetzen begann,
verschärfte Persien den Druck auf die gregorianischen Cristen. Auswanderung war
die Folge" (Eva-Maria Auch: "Ewiges Feuer" in Aserbaidschan..., S.13).
Russland versuchte teils durch provizierte Zwistigkeiten, teils durch Intrigen, diese
Chanate auf seine Seite zu ziehen. Zarenvertreter versprachen den Fürsten Privilegien,
wie die russische Staatsbürgerschaft und Unterstützung gegen Persien und die
Osmanen. Durch List und Bedrohung gewann die zaristische Regierung einen Fürsten
nach dem anderen für sich, nur die Fürsten von Karabakhund von Gence waren
entschlossen, Widerstand zu leisten und zu kämpfen. Ende des 18. Jahrhunderts griff
der persische Schach A a Muhammed Kadschar das Gebiet Karabakhan. Der Chan
von Karabach, Ibrahim Chalil Chan, wurde ermordet, etwas später auch A a
Muhammed Schach. Russische Armeeeinheiten überschritten den Fluβ Arax und
besiegten die Perser. Infolge dieses Krieges eroberte Russland weite Gebiete im
Transkaukasus, darunter Karabakhim Jahre 1805. "Eine neue Einwanderungswelle von
Armeniern nach Karabakhsetzte 1809 ein" (Auch: ibid, S.14).
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1813 wurde der Vertrag von Gülistan vom Iran akzeptiert; damit wurden Daghestan,
das nördliche Aserbaidschan und andere Gebiete von Russland anektiert (Bohdan
Nahaylo/Victor Swoboda, ibid.S.11-12; Tadeuzs Swietochowski: Russian Azerbaijan
1905 - 1920..., S.23-24).
Die Armenier des heutigen Karabachs wurden seit Anfang des 19. Jahrhunderts durch
Begünstigung des zaristischen Russlands aus Iran und der Türkei dorthin umgesiedelt.
Im zweiten Krieg gegen Persien fielen auch Irewan und Nachitschewan an Russland.
Die in dem Türkmentschei-Abkommen 1828 festgelegte Grenze entlang des Araxes
teilte das Siedlungsgebiet der Aseri in einen Nord- und einen persischen Südteil.
Zugleich erhielten die Armenier Persiens die Möglichkeit, in den russisch
beherrschten Norden umzusiedeln (Eva-Maria Auch: Aserbaidschan Wirtschaftsprobleme, soziale Verwerfungen, politischer Nationalismus..., S.259; Uwe
Halbach: Die Armenier in der Sowjetunion..., S.518).
Nach der vorhandenen Literatur verteilte sich der Anteil armenischer und
aserbaidschanischer Bevölkerung dieser Gebiete wie folgt:
Zeitraum Region
Aseri %
Armenier %
------------------------------------------------------------------------------------------------------1823 - 1827
Karabakh
91
8,4
Nachitschewan
86,5
13,5
Irewan
76
24
1830 - 1834
Karabakh
64,8
34,8
Nachitschewan
50,6
49,4
Irewan
46,2
53,8
------------------------------------------------------------------------------------------------------Quelle:Süleyman Alijarow: Açıg Mektub, In: Azerbaycan, Nr.8, 1988. S.180-185.
Eva-Maria Auch merkt zur armenischen Bevölkerungsentwicklung an: "Lebten 1846
Transkaukasien ca. 200.000 Armenier, so waren es 1915 bereits 1,68 Mio, die in 12
der 13 kaukasischen Verwaltungseinheiten als Minderheit siedelten" (Auch: ibid,
S.259).
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde durch die revolutionäre Bewegung einerseits und
andereseits durch die Niederlage im Krieg mit Japan die Position Russlands im
Kaukasus, insbesondere in der Industriestadt Baku (in der sich 75% der Ölproduktion
konzentrierte), sehr geschwächt. Russland suchte Wege und Mittel, um seine Macht
wieder zu stärken und verwendete dabei die Methode "Spalte und regiere", - oder
"teile und herrsche" -. Dazu wurden von Russland in Aserbaidschan, speziell in den
gröβen Städten, nationale Massaker zwischen Aserbaidschanern und Armeniern
angezettelt. Erst nach groβen Menschen- und Materialopfern konnte mit Hilfe der
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Intelligenzia auf der einen wie der anderen Seite das gegenseitige Töten beendet und
die Konflikte abgeschwächt werden (Swietochowski: ibid, S.73-74; Hüseyin
Baykara: Azerbaycan ⁄stiklal Mücadelesi Tarihi, S.107-112).
Ein aserbaidschanischer Dramatiker, Cefer Cabbarly, schrieb über dieses Thema ein
Bühnenstück mit dem Titel "Im Jahre 1905". Es wurde bis in die jüngste Zeit auch auf
armenischen Bühnen gezeig ("Cabbarlı, Cefer", In: Azerbaycan Sovet
Ensiklopedijası, Band X., S. 387). Aus der neueren Geschichte des
armenische-aserbaidschanischen Konflikt sind im Zusammenhang mit dieser Arbeit
besonders folgende Daten relevant.
Lenin setzte nach der Oktoberrevolution Stepan Schaumian, -ein aktiver, armenischer
Bolschewik-, für den Kaukasus als auβerordentlichen Kommissar ein und übertrug ihm
alle Macht. 1918 riss der Internationalist Stepan Schaumian mit einer handvoll
Revolutionären in Baku die Macht an sich und proklamierte den sogenannten
"Bakunischen Rat der Sowjets".
Die Regierung Schaumians bestand einschlieβlich Schaumians aus 26 Kommisaren,
deshalb ist seine Zeit auch als die "der 26 Kommisare" in die aserbaidschanische
Geschichte eingegangen. Alle national denkenden Politiker lehnten Schaumians
Regierung ab und verweigerten ihre Mitarbeit. Von den 26 Kommissaren waren nur
zwei bedeutungslose Aserbeidschaner (Swietochowski: ibid, S.144-149). Ein Mann
namens Ezizbejow war auf dem Papier Schaumians Stellvertreter.
In dieser Zeit gab es ständig Aufruhr und Schieβereien. Die Verhältnisse waren
chaotisch, denn Schaumian saβ nicht fest im Sattel und seine Lage war sehr ernst. So
beschloβ er genauso zu handeln, wie die zaristische Regierung im Jahre 1905.
Mit Hilfe seiner Anhängern provozierte er wieder ein aserbaidschanisch - armenisches
Massaker. In diesem Völkermord spielten die Armenier aus Karabakhdie Hauptrolle
(Mecid Musazade: Einige
Auszüge aus der reichen Geschichte von Qaraba , S.6;
Halbach: ibid, S.519).
Nach den in der Literatur vorhandenen Informationen wurden im Jahre 1918 allein im
Gebiet von Karabakh25.000 unschuldige Menschen, d.h. 20% der Gesamteinwohner
von Karabach, hingemordet. Ein groβer Teil dieser Opfer waren Aserbaidschaner.
Schuscha und 45 Dörfer wurden zerstört, niedergebrannt und Tausende flüchten. Nach
Angaben der aserbaidschanischen Zeitungen waren in Baku und Schamachy etwa
25-30.000 Opferzu beklagen (Musazade: ibid, S.7). Nach sowjetischen
Presseberichten forderte dieser Bürgerkrieg beide Völker 70-80.000 Menschenleben
und wurde am 31. März 1918 beendet. Die sowjetischen Propagandisten versuchten,
die Schuld an dem von Schaumians Clique inszenierten Völkermord auf die Engländer
zu schieben. Das war bislang unbekannt. Man nimmt an, dass auch Stalin mitgemischt
haben könnte. Er war in dieser Zeit Nationalitäten-Kommissar (Musazade: ibid, S.6-7;
Baykara: ibid, S.131-132).
Am 28. Mai 1918 erklärten Aserbaidschan, Georgian und Armenien ihre
Selbständigkeit. Weil Baku von Schaumians Clique besetzt war, wurde
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dieUnabhängigkeitserklärung in Gendsche proklamiert (Baykara: ibid. S.259). In
dieser Zeit marschierte eine deutsche Einheit durch die Türkei in Georgien ein. Das
beunruhigte die Engländer, die in Persien stationiert waren. Deshalb drangen englische
Einheiten in das Freie Aserbaidschan ein und besetzten die Hauptstadt Baku. Die
englischen Truppen blieben nur kurze Zeit dort. Auf ihrem Rückzug führten sie
Schaumian und seine Leute mit und erschossen sie in Karakorum. Die
aserbaidschanische Regierung kam erst im Sommer 1918 nach Baku.
Während der Unabhähgigkeit waren nicht nur Berg-Karabach, sondern auch Sengesur
(heute eine Region in Armenien) Bestandteile des aserbaidschanischen Territorium.
Die aserbaidschanische Republik bestand nur 23 Monate. Sie wurde von der Roten
Armee am 27.
April 1920 besetzt und am 28. April 1920 wurde Aserbaischan
SSR gegründet (Nahaylo/Swoboda, ibid, S.45; Swietochowski, ibid, S.242-243).
Schaumians sogenannte "heroischen" Verdienste wurden auf Anweisung des Obersten
Sowjet in Aserbaidschan durch Errichtung von Denkmälern geehrt und die Haupstadt
von Karabach, Chankendi, auf seinen Namen in Stepanakert (Dorf von Stepan)
umbenannt ("Stepenakert", In: Azerbaycan Sovet Ensiklopedijası, Band IX, S.34).
In November 1920 wurde Armenien von der Roten Armee besetzt. Am 29. November
1920 wurde in Armenien die Sowjetrepublik Armenien ausgerufen .
Die Region Sengesur mit einer Fläche von 9.000 qkm wurde von Aserbaidschan
abgetrennt und die Schenkung an Armenien als ein Akt internationaler Groβzügigkeit
bezeichnet (Sülejman Alijarow, ibid, S.184). Dadurch wurde Aserbaidschans
Territorium auf 86.000 qkm verkleinert. In dem Territorium Sengesur, -zwischen
Nachitschewan und dem übrigen Aserbaidschan gelegen-, lebten mehrere
hunderttausend Aserbaidschaner. Viele von ihnen wanderten später nach
Aserbaidschan ab. Am 21. März 1921 einigten sich die Türkei und Russland SFR auf
den Status von Nachitschewan (Sinan O an: Azerbaycan..., S.3; vgl. Auch:"Ewiges
Feuer" in Aserbaidschan..., S.19; Halbach: ibid, S.521).
Um die territoriale Frage endgültig zu klären, kam schlieβlich am 4. Juli 1921 das
Plenum des Kaukasischen Büros zusammen. Nach zweitägigen Konsultationen kam
das Plenum am 5. Juli 1921 zu dem Ergebnis, dass Berg-Karabakhmit dem neuen
Status "Autonome Region Berg-Karabach" weiterhin bei Aserbeidschan verbleiben
soll. Zuerst wurde im Jahre1923 derName Karabakhbei der Autonomisierung in
Da lyg-Karabakh(Nagornyj-Karabach) umbenannt ("Da lıg-Garaba ", In:
Azerbaycan Sovet Ensiklopedijası, Band.III, S.3O8-309; Uwe Halbach: ibid, S.513).
Zu Beginn des 2. Weltkrieges wurden mehr als 10.000 Aseri aus Armenien nach
Aserbaidschan in den Raum Gendsche zwangsumgesiedelt. Sie wurden in die Häuser
der deutschen Kolonie Hellendorf und Agstafa einquartiert, deren Bewohner im
Sommer1941 nach Mittelasien deportiert und verbannt worden waren. Nach und
während des 2.Weltkrieges, insbesondere 1948, lebten in den zwangsweise an
Armenien angegliederten Gebieten ungefähr 250.000 Aserbaidschaner, der gröβte Teil
von ihnen wurde mit einem Federstrich Stalins nach Aserbaidschan abgeschoben, aber
kein Armenier zwangsweise nach Armenien geschickt (Musazaade: ibid, S.9).
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IV. Die Argumentation beider Seiten
1. Armenische Argumentation
Uwe Halbach fasste die armenische Argumentation in seiner Studie "Ethno-territoriale
Konflikte in der GUS" folgendermaβen zusammen:
"Armenische Argumentation bezieht sich auf die demographische Situation in
Berg-Karabach, wo 1989 eine armenische Bevölkerungsmehrheit von 75% bei einer
Gesamtbevölkerung von 188.000 (4.400) qkm lebte, und auf die nationalen
Existenzrechte dieser Bevölkerung. Die Armenier behaupten, dass Baku in Karabakh
eine Politik der gezielten "Entarmenisierung" betrieben habe und verweisen auf das
Beispiel Nachitschevans, aus dem armenische Bevölkerung ebenfalls systematisch
verdrängt wurde. Die Armenier in Karabakhbeklagen sich über gezielte
sozialökonomische, kulturelle und infrastrukturelle Vernachlässigung und
Unterentwicklung und Behinderung ihrer nationalen Rechte. Als Anfang 1988 die
ersten Massendemonstrationen für die Vereinigung in Eriwan und in Stepanakert
aufgenommen wurden, waren keine armenische Kirche und keine armenische Schule
in Berg-Karabakhmehr geöffnet. Die armenische Regierung lieβ im Verlauf des
Konflikts erkennen, dass es ihr mehr als um Angliederung des Gebietes an Armenien
um seine administrative Ausgliederung aus Aserbaidschan gehe. Von entscheidender
Bedeutung bei der armenischen Wahrnehmung des Konflikts ist seine historische
Einordnung in die Geschichte türkischer Gewalt an Armeniern und insbesondere die
Erinnerung an den bis heute in der Türkei offiziell geleugneten Genozid von 1915"
(Uwe Halbach: Ethno-territoriale Konflikte in der GUS, BIOS, 31/1992, S.19; vgl.
Halbach: Die Armenier in der Sowjetunion, S.520).
2. Die Aserbaidschanische Argumentation
Aserbaidschan betrachtet Berg-Karabakh als "integralen Bestandteil seiner Territorialund Kulturgeschichte" (Halbach, ibid, S.19). Was die historischen Argumente der
Armenier betrifft, so besteht kein Zweifel, dass das Gebiet Berg-Karabakh zu keinem
Zeitpunkt Bestandteil eines Armenischen Staates gewesen sei (Ahmed Omid Yazdani:
Geteiltes Aserbaidschan, S.83).
Von 1747 bis 1822 existierte in dieser Region das Chanat Karabakh, ein
aserbaidschanischer Feudalstaat, der aufgrund der bilateralen Übereinkunft vom 14.
Mai 1805 zwischen Ibrahim Chalil Chan und dem Kommandeur des russischen Heeres,
D. Siotianov, an Russland angegliedert wurde. Die von der russischen Regierung
eingesetzte Verwaltungsadministration für diese Region hatte keinerlei Bindung an
Armenien. Später, bis 1920, gehörte Karabakh zum Gouvernement Jelizavetpol
(Gendsche), einer der beiden wichtigsten Verwaltungseinheiten Nord-Aserbaidschans.
Schlieβlich wurde Karabakh1918 Bestandteil der Aserbaidschanischen
Demokratischen Republik, danach Aserbaischanische SSR. Es war also ganz
offensichtlich, dass Berg Karabakh in seiner Geschichte niemals ein Bestandteil
Armeniens gewesen sei (Yazdani, ibid, S.84).
Nach Sülejman Alijarow schrieb der Armenier Anastas Mikojan, damaliger Erster
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Sekretär des Revolutionskomitees von Baku, in einem Brief vom 22. Mai 1920 an
Lenin und das Zentralkomitee der bolschewistischen Partei: "Die Daschnaken streben
nach der Vereinigung von Berg-Karabakh mit Armenien. Aber sollte dieser Wunsch
tatsächlich in die Wirklichkeit umgesetzt werden können, würde die Bevölkerung von
Karabakh, die zu keiner Zeit eine Verbindung zu Eriwan gehabt hatte, von ihrer
Lebensquelle Baku abgeschnitten werden. Die Vertreter der Armenier haben deshalb
auf dem fünften Kongress der Partei die Vereinigung von Berg Karabakh mit
Aserbaidschan akzeptiert" (Alijarow, ibid, S.185).
"Die armenischen Vorwürfe, die Autonomie der Karabakh-Armenier sei eingeschränkt,
werden mit dem Fehlen solcher Autonomierechte für über 245.000 Aseris in
Armenien abgewiesen" (Auch: Aserbaidschan..., S.261).
3. Die Hauptgründe des Konflikts
Wie andere national-territoriale Konflikte, wird auch der Karabakh-Konflikt durch
bestimmte Faktoren beeinflusst. Armenier wie auch Aseris erheben Ansprüche auf
Karabakh. Beide Nationen behaupten, dass sie früher als andere in diesem Gebiet
lebten und deshalb müsse dieses Gebiet unter ihrer Macht verbleiben (David
Hamburg: Ethnische Konflikte..., S.116).
Sie verweisen nahezu auf dieselben schriftlichen und archäologischen Quellen als
Beweismaterial für ihre Behauptungen. Aber sie vergessen, dass Transkaukasien in
der Geschichte immer ein zentrales Durchzugsgebiet zwischen dem Nahen Osten,
Mittelasien, Russland, Persien und Anatolien war. In diesem Gebiet trafen sich viele
verschiedene Ethnien wie Araber, Perser, Ibero-Kaukasier und die Türkvölker. Auch
verschiedene Religionen entwickelten in diesem Gebiet ihre Glaubensgemeinschaften,
nämlich Christentum, Judentum und Islam. Ein Grund des Karabakh-Konflikts besteht
meiner Meinung nach in den Grenzziehungen und der Umsiedlungspolitik von
Russland und der ehemaligen UdSSR. Nachitschevan, Zengesur und Karabakh waren
zwischen 1918 und 1920 die integralen Bestandteile der Aserbaidschanischen
Republik, die mit Armenien und Georgien verbündet war.1920 wurden zunächst
Nachitschevan und Zengesur an Armenien angegliedert. Karabakh war noch
aserbaidschanisches Territorium (Uwe Halbach: Die Armenier in der Sowjetunion...,
S.519). Im selben Jahr wurde dann Zengesur an Armenien angeschlossen. 1921 wurde
Nachitschevan mit dem Status einer Autonomen Republik an Aserbaidschan
angegliedert. Ein Teil Karabakhs mit dem Namen Berg-Karabacher hielt im Jahre 1923
den Status eines autonomen Gebietes. Die Bevölkerung der Gebiete von
Nachitschevan bis Berg-Karabakh wurde nach 20-jährigem Kriegszustand noch 3
Jahre lang in Angst und Schrecken gehalten, indem die Feindschaft zwischen beiden
Völkern verschärft wurde.
Während der sowjetischen Herrschaft wurde die Bevölkerung nur mit den Mitteln der
Bestrafung, Umsiedlung und Verbannung unterdrückt.
In der kaukasischen Geschichte fällt auf, dass kaum ein Konflikt zwischen den
vielfältigen Völkern politisch gelöst wird. Die alltäglichsten Konflikte verwandelten
sich ganz leicht in blutige Kämpfe. In diesem Konflikt dachten Armenier und Aseris
nicht daran, dass "es zwischen totaler Unterwerfung einerseits und totaler
Unabhängigkeit andererseits verschiedene Zwischenstadien gibt (zum Beispiel
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Autonomie und bundesstaatliche und föderale Vereinbarungen)" (Elizabeth Fuller:
Konflikte im Transkaukasus: Wer könnte vermitteln?, S.193-194).
Ein anderer Grund für die Eskalation des Konflikts ist in der "Untätigkeit" der
herrschenden Organe zu suchen. Wenn zum Beispiel die Regierung der UdSSR im
Jahre 1987 und später die Regierung Aserbaidschans im richtigen Zeitpunk richtige
Entscheidungen über Karabakh getroffen hätte, wäre der Konflikt nicht eskaliert.
Zu Beginn des Jahres 1988, "zögerte Führung der Sowjetunion hinsichtlich
Berg-Karabakh irgendwelche Zugeständnisse an Armenien zu machen, aus Angst,
damit die Büchse der Pandora vergleichbare territorialen Ansprüche zu öffnen. Als
andere Völker dennoch dem Beispiel der Armenier folgten, indem sie
Grenzberichtigungen oder Autonomie forderten, reagierte Moskau, indem es
ihnen kurzfristige und weitgehend ineffektive politische Lösungen aufzwang. Als
diese versagten, zog sich das Regime auf brutale Gewalt zurück (wie etwa bei der
blutigen Intervention sowjetischer Truppen in Tiflis im Jahr 1989 und Baku 1990). In
der Folge hat über mehrere Jahre hinweg die Spirale der Gewalt und Gegengewalt
den gegenseitigen Hass und das Misstrauen geschürt, bis zu einem Punkt, an dem es
nahezu unmöglich geworden war, ein vernünftiges Gespräch zustande zu bringen,
ohne dass es stecken geblieben wäre bei gegenseitigen Vorwürfe und dem
besessenen Bedürfnis, Schuld zuzuweisen.
So hat der Vorsitzende des abchasischen Parlaments, Wladislaw Ardsinba,
kürzlich bemerkt: 'Es wird schwierig, in gutem Glauben mit einem gegenüber zu
verhandeln, der seine Absicht, dich als Nation zu stören, erklärt und gezeigt hat'
(UNPO Okt.-Nov.1992). Die Aufteilung der Hinterlassenschaften der früheren
Sowjetarmee, in deren Folge Armenien, Aserbaidschan und Georgien erhebliche
Mengen an hoch entwickelten Waffen und Rüstungsgütern erhielten, hat ebenso
zur Eskalation der Feindseligkeiten beigetragen" (Füller, ibid, S.194; vgl. Gerhard
Simon: Die Nationalbewegungen und das Ende des Sowjetsystems, S.775-776,
785-786).
Infolge des Misstrauen gegenüber Moskau waren die an dem Konflikt beteiligten
Seiten nicht bereit, Moskaus Lösungsvorschläge ernst zu nehmen. Jede Seite
fürchtete, dass der Lösungsvorschlag Russlands die andere Seite bevorzugen würde.
Hinzu kommt, dass die internationalen Organisationen sich zu spät an den
KonΞiktlösungsstrebungen beteiligten.
V. Zur Innenpolitik beider Seiten
1. Das Verhältnis zwischen armenischer Regierung und Opposition.
Armenien betrachtet man die als politisch-stabilste Republik des Kaukasus. Aber die
regierende armenische pannationale Bewegung, die im Sommer 1990 an Macht
gekommen ist, wird von der Opposition zunehmend kritisiert. Die Opposition
behauptet, dass die Regierung sich an die ehemalige kommunistische Nomenklatur
anschlieβe, gegen wirtschaftlichen Zusammenbruch machtlos sei und durch
Abschwörung der Forderungen der "vorigen armenischen Länder", einschlieβlich
Berg-Karabachs verratete (Elizabeth Fuller, Transcaucasia: Ethnic Strife Threatens
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Democratization, S.17). "Die Wähler, die für die AAB-Liste (Armenische Allnationale
Bewegung) votiert und im Mai 1990 die kommunistische Herrschaft bei den
Parlamentswahlen gestürzt haben, würden heute für die AAB - nach den jüngsten
Meinungsumfragen lediglich 25 % der Stimmen abgeben" (Aschot Manutscharjan,
Zur politischen Situation in Armenien, S.2) Manutscharjen schrieb, dass das
innenpolitische Klima durch die kritischen Stellungnahme der
wissenschaftlich-technischen und der geistwissenschaftlichen Intelligenzija
gegenüber der regierenden Armenischen Allnationalen Bewegung und der Regierung
aufgeladen würde.
Die nicht an der Macht beteiligten Kreise dieser Intelligenzija warfen sowohl der
Regierung als auch AAB "Neobolschewismus" vor. Manutscharjan betonte, dass oben
genannte Intelligenzija einen groβen EinΞuβ auf die Bildung der öffentlichen Meinung
habe. Diese Intelligenzija, die der AAB mit ihrem Einsatz für Berg-Karabakh zu
ihren Wahlerfolgen verholfen habe, sammelte nunmehr gegnerische Kräfte und
beteiligte sich aktiv an der Arbeit der Opposition. Als Folge dieser oppositionellen
Aktivitäten verlor die unter Präsident Ter-Petrosjan regierende "Armenische
Nationale Bewegung" in der Bevölkerung beständig an Rückhalt (Archiv der
Gegenwart vom 6. Juni 1993, S.37915; Manutschurjan, ibid, S.2). Sieben Parteien der
armenischen Opposition hatten sich vor einem Jahr, nämlich Ende Juni 1992, zu einer
Union, der Nationalen Allianz, zusammengeschlossen. Diese Union hat seit dieser Zeit
die Mehrheit im armenischen Parlament inne. Ihre Hauptforderungen seien der
Rücktritt Ter-Petrosjans, die Gründung einer nationalen Armee und die Anerkennung
der Unabhängigkeit Barg-Karabachs. Innerhalb der Opposition im Parlament habe die
Daschnak-Partei besonders Gewicht (siehe Michael M. Gunter: Transnational
Armenien Activism, S.15-21).
Vor allem die Fraktion des radikalen Daschnak-Verbandes im armenischen Parlament
übte Druck auf den Präsidenten aus; dieser verurteilte die Haltung der Daschnak. Er
sagte sie, betreibt Krieghetze ((Archiv der Gegenwart von dem 10. September 1992,
S.37140)).
Die Armenische Regierung behauptet, dass ihre Streitkräfte am Krieg in
Berg-Karabakh nicht teilnehmen würden. Aber nach den militärischen Rückschlägen
in Berg-Karabakh im Sommer 1992 kritisierte das armenische Parlament die
Regierung sehr hart und es demonstrierten zwischen 14. und 17 August täglich
zehntausend Menschen in Jerewan für den Rücktritt des als "Verräter" beschimpften
Präsidenten Ter-Petrosjans und seiner Regierung. Demonstranten warfen den
Regierenden vor, dass deren "katastrophale Politik" zu den letzten militärischen
Rückschlagen geführt habe.
Die Protestaktionen wurden von den nationalistischen Oppositionskräften im
Parlament organisiert.
Am 16. Oktober 1992 trat der Auβenminister Armeniens, Howanissjan zurück. Der
Grund war seine harte Politik gegen die Türkei. Am 20. Oktober 1992 entlieβ
Ter-Petrosjan den Verteidigungsminister Sarkissjan und ernannte stattdessen einen der
Führer der Oppositionsparteien, Manukjan, zum neuen Verteidigungsminister. Die
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Berufung eines Verteidigungsministers aus der Opposition, der zudem ein Konzept
für den Aufbau einer einheitlichen Nationalarmee besitzt und ein härteres Vorgehen an
der Grenze zu Aserbaidschan befürwortet, wurde als Konzession des Präsidenten an
die oppositionelle "Nationale Allianz (Union)" interpretiert (Archiv der Gegenwart
vom 6. Juni 1993, S.37915).
Am 2.Februar 1993 entlieβ Präsident Ter-Petrosjan Ministerpräsident Arutjunjan. Er
war seit Juli 1992 im Amt gewesen. Meinungsverschiedenheiten seien über den neuen
Wirtschaftsreformsplan entstanden. Arutunjans Nachfolger war Wirtschaftsminister.
Die wirtschaftliche Lage Armeniens bewog die Regierung, harte Maβnahmen zu
ergreifen. Die erhöhte Besteuerungen sowie zusätzliche Produktionssteuern führten zu
steigenden Produktions-kosten, die viele der neuen Unternehmer zur Betriebsaufgabe
zwingen (Manutschurjan, ibid, S.2).
Die aserbaidschanische Blockade spielt auch eine wichtige Rolle bei den
wirtschaftlichen Schwierigkeiten Armeniens.
Die armenische Kirche unterstützt aber die Regierung Armeniens (Vigen Guroian:
Faith, Church And Nationalism In Armenia, S.35-36).
Trotz aller Diskussionen zwischen der armenischen Regierung und der oppositionellen
Fraktion kann man feststellen, dass in Armenien über den Konflikt mit Aserbaidschan
ein Grundkonsens besteht.
2. Die Innenpolitik Aserbaidschans
Die Innenpolitik Aserbaidschans spielt meiner Meinung nach beim Karabakh-Konflikt
eine gröβere Rolle als die übrigen Faktoren. Jeder Machtwechsel in Aserbaidschan
hatte Auswirkung auf den Karabakh-Konflikt wie auch umgekehrt. Nach jeder
Niederlage wurden in Baku die regierenden Personen gestürzt und als Folge des
Machtwechsels eskalierte der Konflikt, wobei Aserbaidschan wiederum einen Teil
seines Territoriums verlor.
Nun möchte ich die innenpolitischen Ereignisse und ihre Folgen auf den
Karabakh-Konflikt chronologisch darstellen.
Nach den Massendemonstrationen in Berg-Karabakh und Jerewan ging erst im
Sommer 1988 aus dem "Klub der Wissenschaftler der Stadt Baku" eine Initiativgruppe
hervor. Von dieser Gruppe wurde die Volksfront Aserbaidschans gegründet. Die
Volksfront Aserbaidschans konnte in kurzer Zeit landesweit eine Organisation
aufbauen und die Massen "aus Anlass des Karabakh-Konfliktes für die Herstellung
staatlicher Souveränität und die Sicherung der territorialen Integrität" mobilisieren
(Auch: ibid, S. 262; Mark Saroyan: The "Karabakh Syndrome" and Azerbaijani
Politiks“, S. 22).
Am 23.9.1989 wurde das Gesetz "Über die Souveränität Aserbaidschans"
verabschiedet. Wegen Unzufriedenheit mit der Regierung zettelte die
aserbaidschanische Opposition erfolgreiche Streikaktionen an. Zwischen 3. und 11.
September 1989 fand in Aserbaidschan ein Generalstreik statt, durch den auf
aserbaidschanischan Gebiet die Transportwege für die Lebensmittelsorgung
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Berg-Karabachs und Armeniens blockiert wurden.
Wegen Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Volksfront führten ihre örtlichen
Abteilungen eigenständige Aktionen durch: "die Machtergreifung in Lenkeran,
Grenzdurchbrüche im Dezember/Januar 1990 in Nachitschevan, die Abspaltungen
radikaler Gruppen unter N. Penachov und die anti-armenischen Pogrome am 13. bis
16.1.1990, auf die hin die sowjetische Armee in Baku (19.-20. Januar 1990)
intervenierte" (Auch; ibid, S. 263; vgl. Saroyan: ibid, S. 28).
Als Gegenmaβnahmen auf die Aktionen der oppositionellen Volksfront löste die
Kommunistische Partei Abdulrahman Wasirow ab und ersetzte ihn am 24.1.1990
durch den linientreuen Ajaz Mutalibow. Dieser wurde am 27. Januar 1990 zum
Regierungschef ernannt. Nach der Wahl wollte Mutalibow der Bevölkerung
Aserbaidschans zeigen, dass er den Konflikt in kurzer Zeit lösen könne (Arnold
Hottingen: Zukunftsfragen für Zentralasien, S. 399).
Ab April begannen die OMON-Truppen neue Angriffe gegen armenische Stützpunkte
in Berg-Karabach. Auβerdem erließ Mutalibow für zwei Monate den
Ausnahmezustand, wodurch die Lage in Baku stabilisiert und das
Verteidigungspotential gegen die "armenische Aggression" mobilisiert werden sollte.
Demonstrationen und Versammlungen wurden verboten, die Bewegungsfreiheit im
Land wurde eingeschränkt. Im Sommer 1991 kämpften sowjetische Truppen, die in auf
aserbaidschanischen Territorium stationiert waren, zusammen mit
aserbaidschanischen Einheiten gegen armenische Verbände.
Zur Zeit des Putschversuchs gegen Gorbatschow machte Mutalibow in Teheran einem
Staatsbesuch und wies darauf hin, dass er die Putschisten unterstützen werde.
Im August 1991 erklärte Aserbaidschan seine Unabhängigkeit. "In den
Parlamentswahlen vom Sommer/Herbst 1990 trat die Volksfront innerhalb des Blocks
'Demokratisches Aserbaidschan' zusammen mit über 40 Gruppierungen in 132 von
349 Wahlbezirken an. Die gemeinsame Wahlplattform lautete: Politische und
ökonomische Souveränität Aserbaidschans auβerhalb der Union, Sicherung der
Menschenrechte, ökonomischer und politischer Pluralismus" (Auch: ibid, S. 263). Nur
31 Kandidaten des Blocks wurden Abgeordnete, während 21 Parlamentssitze von
offiziellen Vertretern der Nationalisten besetzt waren. Die neue Zusammensetzung
des Parlaments mit insgesamt 166 Sitzen zeigte, dass die aserbaidschanischen
Kommunisten ihre Mehrheit mit 104 Sitzen bewahren konnten. Nach den Wahlen
wurde die alte KP Aserbaidschans am 14. Oktober 1991 aufgelöst.
Mutalibow erzielte eine Vereinbarung über den Waffenstillstand zwischen Armeniern
und Aseris in und um Berg-Karabakh (23. Oktober1991 in Schelesnowodsk) und die
Aufhebung des autonomen Status Berg-Karabakhs. Durch diese Maβnahmen erhielt er
Bestätigung durch die Bevölkerung Aserbaidschans. Daraufhin reagierte
Berg-Karabakh mit der Erklärung seiner Unabhängigkeit. Das aserbaidschanische
Parlament hob den autonomen Status Berg-Karabakhs auf (Archiv der Gegenwart vom
25.11.1991, S.36356). Im Dezember 1991 nahm Mutalibow an der Alma-Ata
Konferenz teil und Aserbaidschan wurde Mitglied der GUS, aber bis heute wurde diese
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Entscheidung noch nicht durch das aserbaidschanische Parlament bestätigt. Die
aserbaidschanische Opposition akzeptierte auch den Eintritt in die GUS nicht.
Nachdem Jelzin den russischen Streitkräften den Rückzug aus dem Gebiet
Berg-Karabakhs befohlen hatte und nach Absturz eines aserbaidschanischen
Hubschraubers, begann eine neue Gewaltspirale. Nach Angaben der
aserbaidschanischen Presse wurde der Hubschrauber, in dem sich bekannte
aserbaidschanische Militär-Kommandeure und andere Politiker befanden, von
Regierungstruppen abgeschossen. Präsident Mutalibow stellte Berg-Karabakh unter
direkte Verwaltung durch Baku.
Am 19. Januar erklärte Berg-Karabakh erneut seine Unabhängigkeit von
Aserbaidschan.
Am 26. Februar besetzten die armenischen Truppen die Stadt Chodschalı. Nach
Angaben auch der westlichen Presse gab es hierauf ein blutiges Massaker. Die
armenischen Truppen töteten in einigen Stunden mehr als 1.000 Aseris. Andere
Einwohner der Stadt konnten fliehen. Innenpolitisch gesehen, war die Besetzung
Chodscalıs sehr wichtig. Die Opposition machte der Präsidenten und seine Regierung
dafür verantwortlich und forderte ihren Rücktritt. Die Volksfront Aserbaidschans
organisierte Massendemonstrationen in Baku.
Am 6. März 1992 wurde Mutallibow durch das Parlament zum Rücktritt gezwungen.
Der Dekan des medizinischen Instituts Bakus, Jakub Mamedow, wurde zum amtierten
Präsidenten gewählt (Fuller, Azerbaijan After the Presidential Elections, S. 2). Die
Volksfront akzeptierte keine Beteiligung an de Koalition.
Am 7. Juni sollten Präsidentschaftswahlen stattfinden. Am 8. Mai einigten sich
Aserbaidschan und Armenien unter der Vermittlung Irans auf eine Waffenruhe, aber
am 9. Mai griffen die armenischen Einheiten die Stadt Schuscha an und besetzten sie.
Das war das Ende Mamedows. Die Anhänger des ehemaligen Präsidenten Mutalibows
begannen in der Hauptstadt Baku zu demonstrieren und belagerten am 12. Mai das
Parlamentsgebäude. Die Abgeordneten wurden gezwungen, innerhalb weniger Tage
die Chodschalı-Tragedie erneut zu behandeln. Für den 14. Mai war dies das erste
Thema der Debatte und das Parlament beschloss, Mutalibow dazu einzuladen, um
seine Erklärungen zu hören. Mutalibow kam und sprach. Die Mehrheit der 240
Abgeordneten befürworteten eine Resolution zur Annullierung des Rücktritts
Mutalibows. Mutalibow wurde wieder zum Präsidenten gewählt. Am Tag nach der
Wiedereinsetzung Mutalibows demonstrierten in Baku Zehntausende von Anhängern
der Volksfront und anderer Regierungskritiker und forderten Demokratie, Freiheit und
die Durchführung der vorgesehenen Präsidentschaftswahlen. Mit Hilfe der Armee
Aserbaidschans stürmten sie den Präsidentenpalast sowie das Parlament und besetzten
weitere zentrale Gebäude der Stadt, darunter den Rundfunk- und Fernsehsender. Die
Volksfront forderte den Rücktritt Mutalibows, der hielt sich seit Beginn der Proteste
versteckt hielt. Am16. Mai fanden Verhandlungen im Nationalrat statt, wobei sich die
Ex-Kommunisten und die Volksfrontangehörigen auf die Bildung einer
Koalitionsregierung einigten.
Die Maβnahmen und Beschlüsse Mutalibows wurden für ungültig erklärt. Zu den
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Forderungen der Volksfront gegenüber der Regierung zählte auch die Intensivierung
des Kampfes gegen Armenien. Am 18. Mai bestimmte das Parlament einen der
Mitbegründer der Volksfront zum neuen Interimpräsidenten, Isa Gamberow. Die
Präsidentschaftswahlen sollten wie geplant am 7. Juni stattfinden. Die
nationalistisch-muslimische Volksfront hatte in den Auseinandersetzungen mit
Armenien immer wieder für ein hartes Vorgehen plädiert und Mutalibows Haltung als
zu zurückhaltend kritisiert. Sie hatte Mutalibow im März vorgeworfen, die Aseri in
Berg-Karabakh nicht mit allen militärischen Mitteln gegen armenische Angriffe zu
schützen. Nach dem Sturz Mutalibows wurde deutlich, dass es innerhalb der
Volksfront einander widersprechende Gruppierungen gibt; während manche für die
Errichtung eines demokratischen, weltlichen Staates eintraten, kämpfen andere für
eine islamische Republik Aserbaidschan. Am selben Tag wurde Latschın von
armenischen Einheiten besetzt und den Armeniern gelang es, einen Korridor zwischen
Berg-Karabakh und dem Armenischen Staatsgebiet herzustellen. Die Anhänger
Mutalibows und die Ex-Kommunisten machten dafür die Volksfront verantwortlich.
Aber sie konnten die Regierung nicht stürzen.
Am 1. Juni sagte Aserbaidschans neuer Interimpräsident Gamber: "Es wird von
Armenien abhängen, ob (Anm: die Lösung des Konflikts) dies auf friedlichem Weg
oder durch einen bewaffneten Kampf erfolgen werde. Die Republik hält nach wie vor
an einer friedlichen Lösung des Problems fest" (Archiv der Gegenwart vom 23. Juni
1993).
Bei den ersten freien Wahlen in Aserbaidschan am 7. Juni 1992 errang der " für seine
pantürkische Visionen bekannte" intellektuelle Ebulfes Eltschibej mit 60 Prozent der
Stimmen einem klaren Sieg (Neue Zürcher Zeitung, 7. Juli 1993). Nach der Wahl
begann die aserbaidschanische Armee eine neue Groβoffensive gegen armenische
Einheiten in Berg-Karabakh und brachte in den folgenden Tagen weite Gebiete im
Nordosten unter ihre Kontrolle, darunter die Stadt Ağdere (Mardakert) und die Stadt
Görenboj (Schaumjan). An diesen Kämpfen nahm auch Süret Hüssejnow als
Kommandeur seiner eigenen Streitskräfte teil und er wurde von Präsident Eltschibej
zum Volkshelden erhoben. Er war der Vertreter Eltschibej im Kampfgebiet. Als die
Armenier Anfang Februar 1993 eine neue Groβoffensive starteten, verlor die
aserbaidschanische Armee Ağdere und Görenboj wieder an den gegnerischen Truppen.
Für diese Niederlage machte Präsident Eltschibej seinen Helden Hüssejnow
verantwortlich und entlieβ ihn. Er zog seine Einheiten, die von ihm persönlich
finanziert und bewaffnet worden waren, in die Stadt Gendsche zurück. Die
armenischen Verbände konnten mit Hilfe ihrer modernen Waffen die
aserbaidschanischen Widerstände brechen und am 3. April 1993 ging die Stadt
Kelbedscher in die Hände der Armenier über. Rund 40.000 Aseri wurden von den
armenischen Streitkräften eingeschlossen. Die aserbaidschanische Opposition griff die
Regierung mit heftigen Vorwürfen an und forderte deren Rücktritt. Der Chef der
oppositionellen Partei Istiglal (Unabhängigkeit), E'tibar Mamedow teilte mit, dass sie
am 31. Mai in Baku eine Massendemonstration gegen die Regierung geplant hätten.
Die Regierung erklärte daraufhin den Ausnahmezustand und schickte Armeeeinheiten
aus Berg-Karabakh nach Baku.
Auch Suret Hüssejnow kritisierte die Regierung und kündigte an, dass er die
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Verwaltungsbeamten der Stadt Gendsche entlassen werde. In Gendsche waren bei
dem Versuch, die Truppen des aufständischen Suret Hüssejnow zu entwaffnen, 70
Personen getötet und über 200 verletzt worden. Hüssejnow machte für die blutigen
Ereignisse Präsident Eltschibej verantwortlich und bestand auf dessen Rücktritt. Er
brachte mit seinen Truppen einen groβen Teil Aserbaidschans unter seine Kontrolle.
Eltschibej rief zur Vermittlung den Parlamentschef Nachitschevans, Hajdar Alijew,
nach Baku, der dann zum Parlamentschef Aserbaidschans gewählt wurde.
Am 18. Juni verlieβ Präsident Eltschibej die Stadt Baku und floh nach Nachitschevan.
Er erklärte, dass die Armee nicht in der Lage wäre, ihn zu verteidigen und er sich
deshalb nach Nachitschevan begeben würde, um das Blutvergießen zu vermeiden.
Die Bevölkerung Aserbaidschans unternahm nichts, um den frei gewählten
Präsidenten zu verteidigen. Nach Meinung westlicher Politiker könne man die
Bevölkerung verstehen, weil Eltschibej und seine Regierung es nicht geschafft hatten,
die schweren Wirtschaftsprobleme des Landes zu bewältigen. Die Einführung einer
eigenen Währung, des Manats, geriet zu einer ökonomisch äuβerst schädlicher
Hängepartie. Inflation und Rubel-Knappheit brachten Industrie und Landwirtschaft an
den Rand der Katastrophe. Eltschibej unternahm auch keinerlei Initiative, um
Wirtschaftspläne zu entwickeln. Die wichtigen Wirtschaftsbeziehungen zu Russland
wurden abgeschnitten. Eltschibej sagte nach der Entmachtung des Parlaments, es sei
sein Ziel, eigentlich Aserbaidschan schneller als die beiden Nachbarrepubliken
Armenien und Georgien aus der Wirtschaftskrise zu führen. Er konnte dies aber nicht
schaffen. Eltschibej konnte weder den Konflikt mit Armenien lösen, noch die von
armenischen Einheiten besetzten Territorien zurückgewinnen; ganz im Gegenteil:
während seiner Herrschaft verlor Aserbaidschan wichtige Landteile, wie Kelbedcher.
Die Korruptions-Vorwürfe gegenüber seinen Amtskollegen füllten immer noch die
Zeitungsseiten.
Am 20. Juni stoppten die Aufständischen ihren Marsch nach Baku 16 Kilometer vor
der Hauptstadt, wo inzwischen Parlamentschef Hajdar Alijew praktisch die
Amtgeschäfte des Präsidenten führte. Alijew erklärte, dass Eltschibej nach wie vor der
demokratisch gewählte Präsident Aserbaidschan sei. Eltschibej erklärte, dass er der
legale Präsident Aserbaidschans sei und die neuen Machthaber nicht anerkennen werde.
Er betrachtete seine Entmachtung durch das Parlament als verfassungswidrig. Der
Präsident werde in Aserbaidschan schlieβlich nicht vom Parlament, sondern vom
Volk gewählt. Sein Sturz sei die "Rache des sowjetischen Reiches". Aserbaidschan
habe nämlich versucht, schneller als die anderen kaukasischen oder zentralasiatischen
Republiken dem EinΞuβ Moskaus zu entkommen.
Nach den Gesprächen zwischen Alijew und Hüssejnow ernannte das aserbaischanische
Parlament Hüssejnow zum Premier Aserbaidschans. Dieser übernahm auch die Ämter
der Verteidigungs-, Innen- und Sicherheitsministerien und nach einigen Tagen rückte
er mit seinen Truppen ins Kampfgebiet Karabakh. Er forderte, die ehemaligen
Regierungsmitglieder oder die Offiziere, die für Ereignisse verantwortlich zu sein
schienen, zu finden und zu bestrafen. In kurzer Zeit klärte das Untersuchungskommitee
die Schuldfrage, demzufolge der ehemalige Parlamentschef Issa Gamber, der
Verteidigungsminister und der Innenminister verhaftet wurden. In dieser Zeit
protestierten die Anhänger der Volksfront gegen die Regierung, aber sie konnten keine
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groβe Resonanz finden. Die Polizei intervenierte und verhaftete die Demonstranten.
Die Regierung zensierte die aserbaidschanische Presse und die Zeitung der
Oppositionspartei "Istiglal" wurde mit unbedruckten Seiten publiziert.
Die Anhänger der Volksfront wurden aus ihrem staatlichen Ämternentlassen und die
neue Regierung begann mit der Verfolgung früherer Staatsbediensteter.
Nach dem Verlust Ağdams am 23. Juli 1993 erklärte Eltschibej als Begründung für die
Niederlage, dass die regierenden Kräfte die National-Armeeeinheiten als
"Volksfrontsmänner" bezeichnet und sie entwaffnet hätten. Diese falsche Behauptung
ist auch ein Grund dafür, dass sich Aserbaidschan wegen innerpolitischer
Ungereimtheiten nicht auf den Konflikt und den Krieg mit Armenien konzentrieren
kann.
VI. Die Haltung anderer Länder
1. Die wichtigen Beteiligten am Konflikt
a. Russland
"Die Russen waren bei Konflikten mit den muslimischen Völkern im Kaukasus und in
der Türkei traditionell die Bundesgenossen der ebenfalls christlichen Armenier"
schrieb Thomas Urban (Süddeutsche Zeitung, 12. Januar 1993). Bei dieser weit
verbreiteten Meinung in der Weltöffentlichkeit, folgerte die Presse, dass auch in Baku,
Jerewan oder Chankendi (Stepanakert) die eigentlich Schuldigen für die eigene
Niederlage sofort gefunden seien: die Russen (vgl. Burkhard Bischof,
Selbstbestimmungsrecht kontra territoriale Integrität, Die Presse, 16. April 1993).
Auch nach der jüngsten Niederlage behauptete Baku, russische Armeeeinheiten hätten
sich am armenischen Vormarsch beteiligt. Nach Bischofs Meinung, glaubten die
westlichen Beobachter nicht, dass es eine eindeutige Parteinahme Russlands und
einen Einsatzbefehl Moskaus für die regulären Truppen gebe, auf armenischer Seite
zu kämpfen. Unbestritten aber sei, dass russische Söldner auf beiden Seiten kämpfen,
mehr auf der Seite der Armenier, weil diese durch Diaspora-Hilfe mehr Devisen in
ihrer Kriegkasse hätten. Unwidersprochen sei ferner, dass die ehemaligen
sowjetischen Streitkräfte Unmengen von Waffen an Armenier und Aseris lieferten.
Sicher ist, dass die Sympathie der Russen in diesem Konflikt eher den christlichen
Armeniern als den muslimischen Aseris gehört.
Das hat historische, aber auch aktuelle politisch-strategische Gründe. Die durch die
Staatsgrenzen der Türkei, Aserbaidschans, Irans und Georgiens und Blockaden der
Türkei und Aserbaidschans isolierte Republik Armenien ist ein aktives Mitglied der
GUS, während das aserbaidschanische Parlament bisher die Mitgliedschaft der GUS
nicht bestätigte. Armenien ist auch in den Augen Moskaus ein strategischer
"Sperr-Riegel" gegen "groβtürkische" Bestrebungen, einen Korridor zum Kaspischen
Meer und von dort nach Zentralasien zu öffnen. Aber der armenische Abgeordnete
Aschot Nawasardjan sieht das anders: Moskaus eigentliche Absicht sei es, sich den
gesamten Kaukasus wieder einzuverleiben. Er glaube daran, dass Moskau Jerewan
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eine Gendarmenrolle zugewiesen habe, damit es seine Nachbarn Georgien und
Aserbaidschan in das russische Imperium zurücktreibt. Russlands Beziehungen zu
Aserbaidschan wurden nach dem Zerfall der ehemaligen Sowjetunion durch die
Erklärungen der aserbaidschanischen leitenden Politiker bestimmt. Erst waren die so
genannten Exkommunisten an der Macht, nämlich Wesirow und Mutalibow, die immer
ihre Loyalität gegenüber Russland äuβerten.
Nach dem zweiten Machtwechsel in Baku beschuldigte de Interimspräsident
Aserbaidschans, Jagub Mamedow, den russischen Präsidenten Jelzin, einseitig für
Armenien Partei zu ergreifen. Nach der Präsidentschaftswahl am 7. Juni 1992
verkündete der neu gewählte Präsident Aserbaidschans seine Ansicht über die
Nachbarstaaten. Ebülfes Eltschibej, "der sich nicht als Anhänger eines
fundamentalistischen Islam sieht, hatte zuvor geäuβert, er wolle keinen streng
islamischen Staat schaffen, sondern einen demokratischen, der sich zur Türkei, aber
auch zu Iran und Russland orientiere" (Archiv der Gegenwart vom 23 Juni 1992,
S.36897).
Nach den Berichten der Associated Press Agentur am 24. Juni sagte Tamara Dragadze
aus Slovanic and East European Studies School at the University of London: "There
are very active forces in Russia who want to keep Azerbaijan within their sphere of
influence, because (they) are vengeful about the collapse of the former Soviet Union".
Trotz dieser Äuβerungen "grenzte (Präsident Eltschibej) gleich nach dem Wahlsieg
Aserbaidschan von seinen Nachbarstaaten Russland
und Iran ab, wies (...) die Mitgliedschafts-Baku in der GUS zurück und machte sein
Schicksal vom Wohlwollen der Regierung in Ankara anhängig" (Neue Zürcher
Zeitung, 7. Juli 1992).
Die westliche Presse veröffentlichte Berichte über die Gefechte am 30. April 1991,
dass Aserbaidschans OMON Truppen und die sowjetischen Armeeeinheiten mit
Panzern und Radfahrzeugen armenische Siedlungen entlang der armenisch
aserbaidschanischen Grenze angegriffen hätten. Dies war der Grund für die Eskalation
des Konflikts durch eben die Beteiligung der Sowjetischen Truppen. (Elizabeth Fuller:
What Lies Behind the Current Armenian-Azerbaijani Tensions?, S.1).
In der jüngsten Zeit warfen die europäischen Zeitungen Russland vor, dass "der
aserbaidschanische Rebellenführer Husseinow von den russischen Einheiten mit
schweren Waffen ausgerüstet worden" sei (Handelsblatt, 23. Juni 1993). Tatsächlich
teilten Hüssejnows eigene Truppen in Gendsche die Armeebasis mit der russischen
709. Division. Diese Division sollte bis zum Ende1994 Aserbaidschan verlassen, aber
tatsächlich verlieβen sie die Stadt bereits Anfang Mai 1993 und hinterlieβen ihre
schwere Waffen nicht der Nationalen Armee Aserbaidschans, sondern Hüssejnows
Truppen; im Wissen, dass er vom Präsidenten entlassen worden war. Nach Angaben
militärischer Informanten in Aserbaidschan, kaufte Hüssejnow russische Waffen, als
er in Berg-Karabakh Kommandeur war.
Marcus Warren schrieb: "In both Transcaucasian conflicts, Muslims (Aseris and
Abkhazians) are fighting Christians (Georgians and Armenians), but the roots of the
trouble lie in territory and the old 'divide and rule' tactics of the Bolshevics" (The Daily
Telegraph, 6. Juli 1993).
Der von Russland indirekt unterstützte Rebellenaufstand durch Suret Hüssejnow hatte
zwei wichtige Folgen: Erstens wurde der nationalistisch-orientierte Präsident
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Eltschibej entmachtet, zweitens wurde der Ex-KP-Chef Aserbaidschans, Hajdar
Alijew, zumindest vorläufig an die Macht gebracht. Nach dem Machtwechsel sagte
Alijew: "Wir wollen gute Beziehungen mit allen Ländern in der Region haben, und
Russland muss eines von ihnen sein" (Türkiye, 24. Juni 1993).
Während und nach dem Putsch schwieg Russland. Laut der britischen Zeitung "The
Sunday Times" vom 28. Juni 1993 gab ein russischer Sicherheitsoffizier zu, Moskau
habe den Regierungswechsel in Aserbaidschan "durch Nicken und mit dem Wink"
gefördert.
Am Ende Juli 1993 berichtete die Presse, dass ein russischer Vertreter mit einer
Friedensmisson nach Baku und Jerewan ging. Nach dessen Reise verlor Aserbaidschan
die Stadt A dam. Deshalb hat die aserbaidschanische Bevölkerung kein Vertrauen zu
Russland mehr.
Auch in Armenien genieβt Russland weniger Vertrauen. "Die armenische Regierung
erhob den Vorwurf (im Jahre 1992), dass die abziehenden Soldaten der ehemaligen
Sowjetarmee den weitaus gröβten Teil ihrer Waffen Aserbaidschan übergeben,
dagegen die Abgabe an Armenien aber immer wieder verzögert hätten. Auf diese
Weise heize Russland den Konflikt zusätzlich an. Zahlreiche Offiziere der frühere
Sowjetarmee seien als Söldner in die aserbaidschanischen Streitkräfte eingetreten"
(Archiv der Gegenwart vom 10. September 1992, S.27142).
Russland genieβt weder in Aserbaidschan noch in Armenien Vertrauen, aber beide
Republiken sind, zumindest ökonomisch und militärisch, vom Russland anhängig.
Man kann sie vorstellen, dass Russland, - wie schon in Georgien und Tadschikistan
-, versucht, Moskaufreundliche Führungen in den unabhängig gewordenen
Nachbarrepubliken zu installieren. Die Russen gaben bisher nicht auf, diese
Republiken in ihrer Einflusssphäre zu belassen. Z.B. warnte
der Verteidigungsminister Russlands, Pawel Gratscov, die Türkei, so berichteten die
türkischen Zeitungen, vor allzu groβem Engagement in Baku (Milliyet vom 18. Mai
1993). Er sagte bei einem Besuch in Ankara im Mai: "Lassen Sie die Hände von
unserem Aserbaidschan".
b. Iran
Iran hat direkten Zugang zu Armenien über die neue Brücke von Meghri, die
Hauptstadt Baku ist auf Wegen entlang der kaspischen Küste erreichbar. In Iran leben
ca. 250.000 Armenier, während ein Fünftel der iranischen Bevölkerung aus Aseris
bestehen.
Die Wiederannäherung zwischen Iran und Aserbaidschan fand nach dem Tod
Ajatollah Chomeini im Juni 1989 statt, als der Präsident Irans, Ali Akbar Haschemi
Rafsandschani, Moskau und Baku besuchte. Trotz der iranischen Besorgnis wegen des
Wiedererstehens eines aserbaidschanischen Nationalismus, der auch Nationalgefühle
bei den Aseris wecken könnte, besuchten eine Reihe von Regierungsvertretern Baku
und beschlossen verschiedene Abkommen über Handel, Reiseverkehr und kulturelle
Zusammenarbeit. Iran zögerte aber, Aserbaidschans Unabhängigkeit anzuerkennen,
bis die Sowjetunion zerfallen war (Elizabeth Fuller: Nagorno-Karabakh: Internal
Conflict Becomes International, S.1).
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In Iran pochte man nachdrücklich auf die Gleichwertigkeit derNachbarn Aserbaidschan und
Armenien. Mit beiden Ländern strebt Iran demnach gleiche Beziehungen an. Kommt die Rede auf
Hilfeleistungen, so zitiert man Präsident Rafsandschanis Ausspruch: Aserbaidschan müsse so viel
unterstützt werden wie Armenien und umgekehrt. Der aserbaidschanische Präsident Eltschibej
und auch die iranischen Aseris behaupteten, dass Iran Armenien durch Waffen- und
Energielieferungen unterstütze. Laut "Neue Zürcher Zeitung" sagten die iranischen Armenier
in Täbris überschwänglich, Armeniens militärische Hauptversorgungsroute führe durch Täbris
(Neue Zürcher Zeitung 2.Juli 1993).
Der neugewählte Präsident Aserbaidschans, Eltschibej, sprach im Juni 1992 von der
Wiedervereinigung des geteiltes Aserbaidschans und beunruhigte den Iran. Nach Berichten
aserbaidschanischer Zeitungen sandte Iran tausende "Mullas" nach Aserbaidschan, um die
schiitisch-muslimische Bevölkerung "aufzuwecken". Die Mullahs fanden in Aserbaidschan
einige Anhänger für die Gründung eines Religionsstaates.
Der Iran will offensichtlich in seiner Nordflanke keinen demokratischen Staat nach dem Vorbild
der Türkei. Im Iran befürchtet man, dass eventuell die iranischen Aseris auch ihre Souveränität
fordern könnten. Solange der Kampf zwischen Armenien und Aserbaidschan anhält, verschärft
der Iran auch die Spannung zwischen Jerewan und Ankara. Da die iranischen Aseris sehr passiv
und die iranische Armenier sehr aktiv in Wirtschaft und Politik Irans vertreten sind, ist die
iranische Haltung gegenüber diesen Republiken von inneren Rücksichten und staatlichen
Interessen geprägt.
Man betrachtet den Iran als den regionalen Gegner der Türkei, weil Irans regionaler EinΞuβ auf
Kosten der Türkei wächst.
Irans Vermittlerrolle beim Karabakh-Konflikt führte zu territorialen Gewinnen der Armenier.
Deshalb traut der
gröβte Teil der aserbaidschanischen Bevölkerung dem Iran nicht mehr. Am
16. Februar erklärte der damalige
Präsident Mutalibow, dass er eine Vermittlertätigkeit des Irans begrüβe. Am 25.
Februar 1992 meldete Radio Teheran, dass sich Aserbaidschan und Armenien auf
eine weitere 72-stündige Feuerpause geeinigt hätten, um den Weg für Verhandlungen
unter der Vermittlung der iranischen Regierung zu ebnen. Am 26. Februar1992
besetzten armenische Einheiten die Stadt Chodschaly. Die Armenier hätten
Greueltaten an der Bevölkerung begangen.
c. Türkei
Die Türkei hat lange Grenzen mit Georgien und Armenien. Sie hat mit der Autonomen
Republik Aserbaidschans, Nachitschevan, nur sechs Kilometer gemeinsame Grenze,
und von dort führt wegen des Krieges um Berg-Karabakhk ein Landweg in die
Mutterrepublik Aserbaidschan. Die Türken stehen den Aseris in jeder Hinsicht sehr
nahe. Ankara hat deshalb im Herbst 1991 als erster Staat die Unabhängigkeit
Aserbaidschans, sowie die der anderen unabhängig gewordenen ehemaligen
Sowjetrepubliken anerkannt und engagiert sich seitdem politisch, wirtschaftlich und
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kulturell in Baku.
Das Verhältnis Ankaras zu Armenien ist andererseits historisch schwer belastet.
Bisher versuchte die Türkei den Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien
friedlich zu lösen. Die Lösungen müssten nach Meinung der Türkei auf internationale
Ebene gefunden werden. Deshalb unterstütze sie immer die Bemühungen der KSZE
und der UNO. "Die Türkei setzt - trotz gelegentlicher harscher Worte des verstorbenen
Präsidenten - immer wieder auf Gespräch und Vermittlung, sei es bilateral, sei es im
Zusammenhang mit der KSZE" (Günter Lerch: Wirren in der "Stadt der Winde",
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. Juni 1993).
Die Auffassung des türkischen Präsidenten wird vorwiegend von der Opposition und
der öffentlichen Meinung unterstützt, während die türkische Regierung einen sehr
vorsichtigen Kurs
einschlägt, um den aserbaidschanisch-armenischen Konflikt
friedlich zu lösen. "Nicht zuletzt der armenische Präsident Ter-Petrosjan hatte dies
honoriert, als er zur Trauerfeier für Özal Mitte April 1993 in Istanbul erschien
"(Günter Lerch: Wirren in der "Stadt der Winde", Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.
June 1993).
Im April 1993 arbeitete die Türkei mit den Vereinigten Staaten und Russland
zusammen, um einen Friedensplan zur Lösung des Karabakh-Konflikts zu erstellen.
Ihr Plan wurde erst von Aserbaidschan und Armenien akzeptiert, aber nicht von den
Armeniern Berg-Karabachs. Sie protestierten gegen die Beteiligung der Türkei an den
Friedensbemühungen und gegen die verringerten Sicherheitsmaβnahmen nach dem
Rückzug der armenischen Armeeeinheiten aus dem von ihnen besetzten Territorium.
Die zweite Version des tripartiten Friedensplans wurde auch von den Armeniern
Berg-Karabachs nicht akzeptiert, trotz der Befürwortung des Vertreters der KSZE,
Mario Rafaelli.
Nach der Besetzung Kelbedscher durch armenische Einheiten wurde die türkische
Politik gegenüber Armenien schärfer. Sie forderte den Rückzug der armenischen
Armeeeinheiten und Verbände aus dem aserbaidschanischen Territorium. Sie erklärte
die Beteiligung der armenischen Armee auf aserbaidschanischen Territorium für
unakzeptabel und rief die internationalen Organisationen zur Intervention auf.
Der Machtwechsel in Aserbaidschan hatte in Ankara bittere Folgen, weil die Türkei
vor der Gefahr stand, ihren Einfluss auf Aserbaidschan und die mittelasiatischen
Republiken zu verlieren. Doch der neue Präsident Hajdar Alijew sagte, dass die
türkischen Interessen in Aserbaidschan während seiner Amtzeit gewahrt werden
würden.
d. USA
In den ersten Jahren der Unabhängigkeit Aserbaidschans berücksichtigte die USA
dieses Land fast gar nicht. Nach den türkischen Bemühungen um Einflussnahme im
mittelasiatischen Raum, begann auch die USA sich mehr für dieses Gebiet zu
interessieren. Sobald es um Fragen der Erdölförderung ging, tauchten amerikanische
Erdölfirmen auf und schlossen mit türkischen und britischen Firmen
Kooperationsverträge. Der Hauptanteil der Förderung fiel an die Amerikaner. Trotz
aktiver Handelsabkommen zwischen aserbaidschanischen und amerikanischen
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Firmen, half die Regierung der Vereinigten Staaten immer nur Armenien unter dem
Namen "Humanitäre Hilfe". Man weiß heute, dass in der ehemaligen Sowjetunion
auch das Mehl als Waffe benutzt werden kann. Wenn man Mehl zu Geld macht, kann
man mit den erhaltenen Geldern alle Art von Waffen auf dem "Schwarzen Basar"
kaufen. Am diesen Grund hatte die Türkei nach der Besetzung der
aserbaidschanischen Stadt Kelbedscher durch die Armenier die Hilfsmittellieferung
durch ihr Gebiet gestoppt.
Die Vereinigten Staaten verurteilten die Besetzung der Stadt A dam durch
armenische Einheiten und erklärten, dieser Akt könne nicht als Selbstverteidigung
bewertet werden.
In jüngster Zeit erklärte die USA, dass Eltschibej der gesetzliche Präsident
Aserbaidschan sei. Seiner Vertreter sprach aber mit dem neuen Machthaber Alijew in
Baku.
Die USA nahm auch mit der Türkei und Russland an der Friedensbemühungen teil,
hatte aber kein Erfolg.
2. Internationale Organisationen
Bei jeder Eskalation des Konfliktes zwischen Aserbaidschan und Armenien
appellierten beide Seiten an die UN. Beide Republiken klagten über die Angriffe des
Gegners. Aserbaidschan wollte den Konflikt nicht auf die internationale Ebene
bringen. Aber Armenien bemühte sich immer, dies zu erreichen. Doch die UN
reagierte sehr langsam.
Die KSZE bemühte sich um Frieden in Berg-Karabakh seit dessen Gründung Anfang
1992. Am 12. Februar 1992 reiste eine KSZE-Beobachtermission nach Armenien,
Aserbaidschan und Berg-Karabach, um dort mit örtlichen Vertretern über die
Beendigung der nationalen Konflikte zu verhandeln. Der Leiter war der
tschechoslowakische Chef der Präsidialkanzlei, Karl von Schwarzenberg. Am 15.
Februar 1992 führten der aserbaidschanische und armenische Auβenminister in
Moskau ein kurzes Gespräch. Beide Seiten bekräftigten ihr Festhalten an der KSZE.
Sie einigten sich auf sofortige Einstellung der Kämpfe in Berg-Karabakh und die
Aufhebung der Blockade der Straβen, Verkehrwege und die Verhinderung der
Lieferung humanitärer Hilfe.
Am 26. Februar 1992 besetzten Armenier die Stadt Chodschalı. Am 4. März schrieb
der aserbaidschanische Auβenminister Hüssejnağa Sadıchow an UN-Generalsekretär
Butros-Ghali und teilte ihm die Situation in Chodschaly mit. Das Ziel der KSZE ist es,
eventuell eine Konferenz über
das Thema ‚Aserbaidschan-Armenien Konflikt’ in Minsk abzuhalten.
Ende August 1992 traf sich der KSZE-Unterhändler Rafaeli mit den Präsidenten
Aserbaidschans und Armeniens und erklärte, dass die Friedensbemühungen in eine
Sackgasse geraten seien. Er hatte Ter-Petrosjan einen Vorschlag für eine Feuerpause
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als Voraussetzung für weitere Friedensverhandlungen unterbreitet; doch der
armenische Präsident hatte Vorbehalte geäuβert und vertrat die Ansicht, ein
Abkommen müsse zwischen Aserbaidschan und Berg-Karabakhdirekt geschlossen
werden; Armenien könne nicht für Berg-Karabakh mitstimmen, sondern nur für sich
selbst (Archiv der Gegenwart vom 12. September 1992, S.37142-37143).
Eine weitere Runde der KSZE-Gespräche in Rom vom 7. bis zum 10. September
endete, ohne dass ein Termin für die Fortsetzung der Vorverhandlungen festgelegt
werden konnte. Nach der Besetzung der Stadt Kelbedscher forderte der
UN-Sicherheitsrat am 30. April mit der Resolution 822, "fremde
und örtliche" bzw. "reguläre und unreguläre" armenische Kräfte sollten sich aus dem
besetzten aserbaidschanischen Territorium zurückziehen, die Feindlichkeiten in und
um Berg-Karabakhstoppen, und sie sollten die Wiederaufnahme des Friedenprozesses
und der humanitären Hilfelieferungen nicht verhindern.
Am 25.Juni 1993 akzeptierte Armenien diese UN-Resolution. Der so genannte
"tripartite" Friedensplan wurde am 3. Mai 1993 verabschiedet. Aserbaidschan
akzeptierte ihn am 6.Mai 1993. Berg-Karabakh lehnte ihn ab, weil er keine
Möglichkeit enthielte, aserbaidschanische Angriffe zu verhindern. Die zweite Version
des Plans wurde zwischen dem 14. und 15. Mai vorbereitet und am 18. Mai
verabschiedet. Diese neue Version forderte, alle armenischen Truppen innerhalb des
Zeitraums
29. Mai - 3. Juni aus dem aserbaidschanischen Territorium
zurückzuziehen und am 1.Juni Waffenruhe zu schaffen. Dennoch verschärften die
armenischen Einheiten ihre Angriffe gegen aserbaidschanische Siedlungen und
besetzten die Stadt A dam.
Wenige Tage später einigten sich die Militärs Aserbaidschans und Berg-Karabachs auf
eine Feuerpause, doch liegt nach Angaben der Medien die Stadt Fisuli noch unter dem
Feuer der Armenier.
VII. Zusammenfassung
Die Innenpolitik Aserbaidschans und Armeniens spielen beim Karabakh-Konflikt eine
bedeutende Rolle. Beide Länder haben radikal national-denkende politische Gruppen,
nämlich die Daschnaken in Armenien und "rechtsradikalen" in Aserbaidschan. Diese
Gruppen haben einen groβen Einfluss auf die Politik der Regierungen.
Jedem Machtwechsel in Aserbaidschan folgt stets eine Eskalation des
Karabakh-Konflikts, wie jede Niederlage einen Machtwechsel in Baku zur Folge hat.
Die demokratischen Kräfte konnten in Aserbaidschan als auch in Armenien die
ehemalige Nomenklatur nicht beseitigen. Ehemalige Parteifunktionäre, wie Alijew,
haben gute Beziehungen zu Moskau, und wie wir in der jüngsten Zeit in
Aserbaidschan gesehen haben, versucht Moskau immer, die alten Kommunisten in
diesen Ländern an die Macht zu bringen. Moskau unterstützt diese Bemühungen sehr.
Die anderen Länder, wie die Vereinigten Staaten und die EG Länder, wollen durch
humanitäre Hilfe den Menschen in der bedrohten Region helfen. Doch erreicht die
humanitäre Hilfe nur wenige Menschen, weil die Transkaukasier auf den gut
funktionierenden "schwarzen Bazars" Hilfsgüter gegen Waffen eintauschen und mit
diesen weiterkämpfen.
Der Iran will den Konflikt ebenfalls nicht lösen, weil er erstens einen gröβeren
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Machteinfluss der Türkei befürchtet, zweitens sich ein freies Aserbaidschan zu einem
reichen und demokratischen Staat entwickeln könnte und drittens sich die iranischen
Aseris dann auch für eine Selbständigkeit zu Wort melden würden.
Die Türkei kann keine Vermittler-Rolle übernehmen, da die Armenier Berg-Karabachs
und die Daschnaken von Armenien die Einmischung der Türkei nicht akzeptieren.
Die internationalen Organisationen versuchen den Konflikt friedlich zu lösen. Aber die
Armenier nutzen die Bemühungen dieser Organisationen aus und nach jeder
Feuerpause besetzen sie ein weiteres Stück des aserbaidschanischen Territoriums.
Aserbaidschan hat keine Kontrolle über seine Verbände, weil sie untereinander nicht
koordiniert sind.
Auch wenn die Schluβbemerkung nicht befriedigen kann, muss leider festgestellt
werden, dass die seienden diffusen und unstabilen politischen wie militärischen
Verhältnisse auch in mittlerer Sicht keine dauerhaftige Lösung des Gesamtkonflikts
erwarten lassen.
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