KONFLIKTE IM KAUKASUS 1.Der Kaukasus – Geografie „Kaukasus“ ist im Deutschen ein Terminus mit zwei verschiedenen Bedeutungen. Im engeren Sinne bezeichnet er das 1500 km lange, bis 180 km breite und im Elbrus mit 5.633 m gipfelnde Faltengebirge. Im weiteren Sinne versteht man unter Kaukasus die ganze, ca. 440.000 qkm umfassende Landbrücke zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer von der Manytsch–Kuma–Niederung im Norden bis zu den Hochländern von Anatolien und Armenien im Süden. In diesem weiteren Sinn umfasst der Kaukasus sehr unterschiedliche Natur- und Kulturräume. Die natürliche Differenzierung beruht in erster Linie auf den unterschiedlichen Höhenlagen und der damit unterschiedlichen klimatischen Ausprägung. Die kulturräumliche Differenzierung ist Folge einer langen, wechselhaften Geschichte, in der aus unterschiedlichen Richtungen verschiedene Einflüsse wirksam werden konnten. Kaukasien kann in vier natürliche Großeinheiten gegliedert werden: das Kaukasusvorland, den Großen Kaukasus, die Transkaukasische Beckenzone und das Transkaukasische Bergland ( Kleiner Kaukasus ). Der Große Kaukasus erstreckt sich zwischen dem 40. und 44. Grad nördlicher Breite und dem 39. und 49. östlichen Längengrad, zwischen der ungeheuer großen Ebene im Norden, die sich bis zur Barentsee erstreckt und nur durch das WaldaiGebirge und einige andere kleinere Erhebungen unterbrochen wird und der Transkaukasischen Tiefebene, die im Süden den Großen Kaukasus vom Kleinen Kaukasus trennt. In südöstliche Richtung verlaufend weist der Kaukasus eine Länge von 1500 km auf von der Taman-Halbinsel am Schwarzen Meer bis zur Apscheron-Halbinsel am Kaspischen Meer. Während das Gebirge bei Noworossisk nur 30 km breit ist, erreicht es im Bereich des Elbrus mit rund 180 km seine größte Breite. Der Kaukasus gehört der alpidischen Faltungszone der Erde an. Der Elbrus, mit 5633 m der höchste Berg des Kaukasus, bildet die Grenze zwischen dem Westlichen Kaukasus, der sich bis zum Kasbek, dem zweithöchsten Berg dieses Gebirgszugs, erstreckt und dem Zentralen Kaukasus. Dieser wiederum bildet mit mehreren Fünftausendern den höchsten Teil des Kaukasus. Der Östliche Kaukasus ist mit vielen Gipfeln über 4000 m zwar niedriger als der Zentrale, aber höher als der Westliche Kaukasus. Von ausschlaggebender Bedeutung für das Klima des Großen Kaukasus ist seine Lage zwischen der gemäßigten und der subtropischen Zone und dem feuchtmaritimen Einflussbereich atlantisch – mediterraner Luftbewegung und der trocken – kontinentalen sibirisch – mittelasiatischen Luft. Die hohe Gebirgsschranke verschärft diese Unterschiede. Nur gelegentlich überfließt im Winter nördliche kalte Luft die beiden niedrigen Ost- und Westflügel des Gebirges. Entsprechend gliedert sich die natürliche Vegetation. Für den SW – Abhang des Großen Kaukasus sind die „kolchischen“ Wälder kennzeichnend, das Unterholz ist dicht und immergrün. Für die warm-feuchte Stufe ist der Anbau von Tee, Zitrusfrüchten, Wein und Tabakkulturen typisch. An die kolchischen Wälder schließt sich ein Laubwaldgürtel an, über 1900 m Fichten- und Tannenwälder. 1 Die wichtigsten Bodenschätze des Großen Kaukasus sind die randlichen Erdöllagerstätten im Kubangebiet, bei Grosnji, in Dagestan, vor allem aber am und im Kaspischen Meer. Steinkohlelager gibt es in Kutaisi und Manganerzlager in Tschiatura. Der Kleine Kaukasus besteht aus mehreren Gebirgsketten. Die höchste Erhebung ist der Gjamysch mit 3.322 m. Einerseits bildete der Kaukasus schon immer einen natürlichen Sperrriegel zwischen Vorderasien und Südosteuropa, andererseits kann er auch als Bindeglied zwischen europäischer und asiatischer Kultur angesehen werden. 2. Völker und Sprachen des Kaukasus Kaum eine Region der Erde ist als eine historisch gewachsene und in sich geschlossene geographisch-kulturelle Einheit so reich an Völkern, Sprachen und Kulturen wie der Kaukasus. Nicht wenige dieser Völker sind durch die Willkürherrschaft der sie umgebenden Großmächte, durch Kriege, Deportationen und nicht zuletzt durch Überfremdung vom Aussterben bedroht. Der Vergleich mit den nordamerikanischen Indianern drängt sich geradezu auf. Im ungefähr 400.000 Quadratkilometer großen Gebiet des Kaukasus oder Kaukasiens leben etwa 22 Millionen Menschen. Die Bezeichnung „Kaukasische Völker“ meint sowohl die im Nord- wie im Südkaukasus lebenden Ureinwohner ( Georgier, Armenier, Abchasen, Adygen, Kabardiner, Inguschen, Tschetschenen, die Völker Dagestans ) als auch die durch Zuwanderung und Assimilierung entstandenen Völker ( Osseten, Balkaren, Karatschaier, Aseris, Kumyken, Nogaier..). Sie alle haben eine eigene Lebensweise und Kultur, die sich in unterschiedlichsten Formen ( Dichtung, Kleidung, Tänze, Bräuche..) zeigen. Trotz unterschiedlicher Religionszugehörigkeit und eigenständigen Entwicklungen ist die gesamtkaukasische Verwandtschaft unverkennbar: etwa im Sitten- und Ehrenkodex, in der Verehrung des Gastes.. Der Kaukasus wird auch häufig „Berg der Sprachen“ genannt. Diese – ihre Zahl schwankt in der Literatur zwischen 45 und 200 – lassen sich in zwei Gruppen einteilen: in die genuin kaukasischen und in die von Zuwanderern eingeführten. Zu ersteren zählen die südkaukasischen oder kartwelischen Sprachen ( Swanisch, Migrelisch, Georgisch, Lasisch 9, die westkaukasischen oder abchasisch – adygeischen Sprachen ( Abchasisch, Abasinisch, Kabardinisch...) und die ostkaukasischen oder nachisch – dagestanischen Sprachen ( Tschetschenisch, Inguschisch, Lesgisch, Lakisch...) Durch Zuwanderung in den Kaukasus sind indogermanische Sprachen , iranische Sprachen ( Ossetisch, Kurdisch..), Turksprachen ( Turkmenisch, Aserisch..) und semitische Sprachen ( Neuassyrisch ) hinzugekommen. In Dagestan allein leben 32 ethnische Gruppen, deren größte die Awaren sind, gefolgt von den Darginer, den Kumyken und den Lesgiern. Transkaukasien ist politisch in die drei schon erwähnten unabhängigen Republiken Georgien, Armenien und Aserbaidschan eingeteilt. Einige andere Völker bekamen auf dem Gebiet dieser Staaten den Status der Autonomie. So die Abchasen und Osseten in Georgien, sowie die Aseri (oder Aserbaidschaner) in Armenien und die Armenier in Aserbaidschan. Einen Sonderfall stellt die Republik Berg-Karabach dar, die völkerrechtlich nicht anerkannt ist. 2 Im Nordkaukasus, den die Russen etwa seit dem 16. Jahrhundert besiedeln, sind die Autonomen Republiken Adygeia, Karatschajewo-Tscherkessien, KabardinoBalkarien, Nordossetien, Inguschien und Tschetschenien eingerichtet worden. Außerdem gibt es die autonome Republik Dagestan, in der viele verschiedene Völker zusammenleben (vor allem Awaren). 3. Religionen im Kaukasus In Georgien dominiert die georgisch-orthodoxe Kirche, die eine der ältesten christlichen Glaubensrichtungen ist. Daneben gibt es allerdings auch noch zahlreiche muslimische Minderheiten. In Armenien sind circa 90 % der Einwohner armenisch-gregorianische Christen. Armenien stellt den ältesten christlichen Staat der Welt dar. Im Nachbarland Aserbaidschan hingegen sind 80 % der Einwohner muslimischen Glaubens. Hinzu kommt, dass im Süden Transkaukasiens die sunnitische Türkei und der schiitische Iran angrenzen. Im Nordkaukasus sind die Russen Anhänger der christlich-orthodoxen Kirche, einige Völker haben sich dem muslimischen Glauben verschrieben und andere wiederum haben zum Teil den Glauben an ihre Naturgötter beibehalten. Die Islamisierung begann bereits im 7. Jahrhundert und dauert bis heute an. Mehrheitlich sind die Muslime Sunniten, gehören also der Mehrheitskonfession des Islam an. Das Christentum erreichte den Kaukasus bereits 400 Jahre früher. Aufgrund der Geschichte, der verschiedenen Religionen und Kulturen sowie der Machtinteressen Russlands ergeben sich viele Konflikte, die nicht immer friedlich gelöst werden konnten. So streiten sich zum Beispiel seit Jahren Armenien und Aserbaidschan um das Autonome Gebiet Nagorny-Karabach, andere Völker wollen die völlige Unabhängigkeit (zum Beispiel Tschetschenen und Abchasen), den Anschluss an eine andere unabhängige Republik (Südossetien), oder es geht ihnen um nationale Selbstbestimmung und strittige Grenzziehungen. Verschärft wird diese Situation noch durch zahlreiche Umsiedlungen, die seitens der Russen vorgenommen wurde, um den Kaukasus zu "befrieden“. 4. Russlands Eroberungen Im 16. Jahrhundert begann die Expansion des Russischen Reiches gegen Süden. Unter Zar Iwan dem Schrecklichen eroberten russische Truppen auf dem Weg Richtung Kaspisches und Schwarzes Meer Kasan an der Wolga, die Hauptstadt des Khanats Tatarien, ein Überbleibsel des Mongolenreiches. Im Vorkaukasusland , der neuen Grenze gegen die Perser und Türken, wurden Wehrsiedlungen der Kosaken errichtet. Die erste war der Stützpunkt Tarki an der Sunscha / Terek, der damaligen Nordgrenze des Siedlungsgebietes der Tschetschenen. Die Kontakte zwischen den Kosaken und Tschetschenen blieben lange Zeit friedlich. 3 Ende des 17. Jahrhunderts kämpfte Zar Peter I. im Norden des Russischen Reiches gegen die Schweden, die zur damaligen Zeit die Ostsee beherrschten. Zar Peter der Große wollte "das Fenster nach Europa öffnen" und so schlug er auch im Krieg gegen die Schweden nach mehreren Versuchen dessen König, Karl XI. Er gründete 1703 an der Mündung der Newa die Stadt St. Petersburg (später Petrograd und Leningrad), die ihm einen Zugang zur Ostsee eröffnete. Da der Finnische Meerbusen, an dem die Stadt liegt, im Winter stets zugefroren ist, musste Peter der Große einen Zugang zu einem Meer suchen, das nie vereist. Dieses Meer fand sich im Süden und so ging Zar Peter daran, das Gebiet am Schwarzen Meer, welches damals von den Osmanen beherrscht wurde, zu erobern. Mit seiner am Asowschen Meer aufgestellten Kriegsflotte hatte er allerdings kein Glück und so musste er gegen die osmanische Übermacht resignieren. Spätere russische Militärexpansionen konnten zwar mehr Erfolg verzeichnen, doch erst in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts setzte sich die Meinung in der fernen Hauptstadt Petersburg durch, dass der Kaukasus russisch werden sollte. Damals wurde das Reich von der Zarin Katharina II. (1729-1796) regiert, die sich, vielleicht aus familiären Gründen, nicht nach Westen wandte, sondern nach Süden orientierte. Mit ihrem Feldherrn, Fürst Potemkin, hatte sie im Kampf gegen das Osmanische Reich mehr Erfolg als ihr Vorgänger Zar Peter. Potemkin eroberte im Vorkaukasus wichtige Landstriche von den konkurrierenden Osmanen. Die systematischen, auf die Mitte und den Osten des Kaukasus zielenden Feldzüge setzten in den zwanziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts ein. Die Zaren besiegten auch die Perser (Iraner), die „Befriedung“ des Kaukasus sollte jedoch noch ein halbes Jahrhundert dauern. Als indirekte Wegbereiter der russischen Expansion spielten die romantischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts – Lermontow, Puschkin... , die den Kaukasus und seine Menschen in ihren Texten priesen – eine vielleicht unbeabsichtigte, so doch wesentliche Rolle. 5. Tschetschenien 5.1 Das Volk Die Tschetschenen selbst nennen sich Nochtschi (Menschen), sind eines der ältesten Völker des Nordkaukasus und wurden zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert unter georgischem Einfluss zum Christentum bekehrt. Im 16. Jahrhundert nahm das Volk, das nach der Vertreibung der Tscherkessen im 19. Jahrhundert das größte der Region war (und ist), den islamischen Glauben an. Aufgrund der sehr starken Zerklüftung des Kaukasus war eine Kommunikation zwischen den verschiedenen Sippen in den Tälern kaum möglich. Es gab deshalb viele verschiedene Stammesgruppen oder Clans, die ihre eigenen Gesetze und Rechte kannten. Diese Clans, im Tschetschenischen auch Teips genannt, werden in zwei Gruppen unterteilt: Zum einen in die Berg-Teips, die angesehenere, radikalere und militantere (und auch ärmere), sowie in die Teips der Terek-Ebene, die weit weniger angesehen sind. Die einzelnen Sippen lebten in einer Demokratie par excellence, es gab keinen Klerus, keine höhergestellten Gemeinschaftsmitglieder, keinen Adel oder Fürsten. Bei jeder Entscheidung wurde eine Volksversammlung einberufen, die die politische Gewalt besaß. 4 Traditionell lebten die Tschetschenen in Auls, kleinen Gebirgsdörfer. Ihren Lebensunterhalt erwirtschafteten sie mit Landwirtschaft, die zum Teil an den Abhängen des Gebirges möglich war und mit der Schafzucht, die sie auf den Plateaus betrieben. 5.2 Geschichte 1922 wurde das autonome Gebiet der Tschetschenen, 1924 das der Inguschen gegründet. Beide wurden 1934 vereinigt und 1936 zur Tschetscheno-Inguschischen ASSR erklärt. Während des 2. Weltkriegs erhoben sich die Tschetschenen – unterstützte durch die Wehrmacht – gegen die Sowjetmacht. Stalin setzte die Rote Armee ein, die aber kaum Herr der Lage wurde. Als Reaktion darauf ordnete Stalin die Deportation des gesamten Volkes nach Sibirien und Kasachstan an, bei der 40% der Bevölkerung vernichtet wurde. Erst 1957 unter Chruschtschow durften die Tschetschenen wieder zurückkehren. Mitte der 80er Jahre kam es durch Gorbatschow zu einer Liberalisierung der Außenwirtschaft in der Sowjetunion. Durch die damit verbunden offeneren Grenzen ergaben sich der "tschetschenischen Mafia" die Möglichkeiten zum illegalen Devisen-, Drogen-, Auto- und Waffenhandel sowie zur Prostitution. Die in Ansätzen zugelassene Privatwirtschaft ermöglichte der Mafia ihr Geld zu waschen. Auch der Druck von Falschgeld sorgte für Einnahmen der Mafia. Nach russischen Angaben soll die Wirtschaft Russlands durch diese illegalen Tätigkeiten um 15 bis 20 Milliarden Dollar geschädigt worden sein. Laut Kennern der russischen Mafiaszene sind Verbrechen solchen Ausmaßes nicht ohne ein weit verzweigtes System von Korruption und Beziehungen zu den russischen Behörden möglich. Die Tätigkeit der Mafia ist jedoch nicht nur in Tschetschenien ein Problem, denn auch in Russland wird ein guter Teil der Wirtschaft durch die russische Mafia kontrolliert. Das Sozialprodukt ging 1992 um 68 Prozent gegenüber 1991 zurück und das Realeinkommen verringerte sich auf ein Viertel. Die Produktionsanlagen im Land konnten nicht mehr gewartet werden, da die russischen Spezialisten nach Russland auswanderten. Die tschetschenische Regierung besserte ihr Republikbudget, das zu 57 Prozent aus dem russischen Haushalt finanziert wurde, mit dem eigenmächtigen Verkauf von rund 2 Millionen Tonnen Erdölprodukten auf, um damit Löhne, Gehälter und Pensionen der Beschäftigten der bankrotten Staatsunternehmen und der Staatsbediensteten zu bezahlen. Boris Jelzin bot im Jahre 1991 den Autonomen Republiken die Unabhängigkeit an, zwar nicht direkt gegenüber der ASSR Tschetschenien, sondern gegenüber Tatarstan, die Tschetschenen nahmen ihn trotzdem beim Wort. Gut ein Jahr vor dem Ende der Sowjetunion am 8. Dezember 1991 bildeten sich in der ASSR Tschetschenien Parteien und Vereinigungen, die nach Unabhängigkeit strebten, allen voran der Volkskongress von Dschochar Dudajew. Dieser Volkskongress hatte einen starken Rückhalt in der Bevölkerung , was vor allem dadurch bedingt war, dass die wichtigsten Vertreter der großen Clans in ihm vertreten waren. Nachdem in Moskau ein Putschversuch von Boris Jelzin gegen Michael Gorbatschow durchgeführt wurde, in dem Dudajew auf Seiten Jelzins stand, kam es auch in Tschetschenien zu einem Aufstand. Der Oberste Sowjet der ASSR Tschetscheniens, der mehrheitlich von der KPdSU beherrscht wurde, sich aber auch nicht eindeutig von den Putschisten distanzierte, wurde nach dem Rücktritt des 5 Vorsitzenden aufgelöst. Daraufhin übernahm Anfang Oktober 1991 der Volkskongress der Tschetschenen die Macht in der Kaukasusrepublik. Der Vorsitzende des Volkskongresses, Dudajew, konnte auf eine 62.000 Mann starke Nationalgarde zurückgreifen, die aus Selbstverteidigungsgruppen der Grünen Bewegung hervorging, um strategisch wichtige Orte in Grosny zu besetzen. Das waren zum Beispiel die Gebäude des Rundfunks und Fernsehens, die des KGB und die Ministerialgebäude. Der daraufhin vom Volkskongress gewählte provisorische Rat wurde von Boris Jelzin jedoch nicht anerkannt und er forderte, dass die Gebäude innerhalb von drei Tagen geräumt und die Waffen abgegeben werden müssten. Dudajew ordnete daraufhin die Generalmobilmachung des Landes an. Ende 1991 fanden dann die ersten Präsidentschaftswahlen in Tschetschenien statt, die Dudajew mit rund 85 Prozent der Wählerstimmen für sich entscheiden konnte. Die Moskauer Regierung erklärte diese Wahlen daraufhin für illegal. Im November des selben Jahres verhängte Boris Jelzin, gegen den Widerstand des russischen Parlamentes, den Ausnahmezustand über Tschetschenien. Russland entsandte etwa 2000 Soldaten in die Tschetschenische Hauptstadt Grosny, um die "Wiederherstellung der Ordnung“ sicherzustellen. Die Aktion endete mit einem schmählichen Rückzug der russischen Truppen. Dschochar Dudajew erklärte nun seinerseits den Ausnahmezustand für ungültig und verkündete stattdessen den Kriegszustand. Nun machten sich Tausende Tschetschenen auf den Weg nach Grosny, um die "Freiheit gegen die Russen" zu verteidigen. Gleichzeitig begann in Moskau eine groß angelegte Medienkampagne gegen das tschetschenische Volk, deren Jargon ("Schwarze", "Gangster", "Kriminelle", "Verbrecher", usw.) stark rassistisch war. Anfang 1992 wurde die Forderung der Inguschen nach einer eigenen Autonomen Republik erfüllt, die Republik der Tschetschenen und Inguschen getrennt und die Grenze, wie sie bereits 1934 existierte, gezogen. Am 12. März 1992 trat die neue Tschetschenische Verfassung unter Ministerpräsident Dudajew in Kraft. Knapp 3 Wochen später wurde in Moskau der Föderationsvertrag unterschrieben, dem Tschetschenien nicht beitrat, wohl aber die autonome Republik der Inguschen. Damit fühlte sich die Republik Tschetschenien nun endgültig unabhängig. Das Land wurde in der Folge auch von vier Staaten anerkannt: von der Türkei, vom Iran sowie von Estland und Litauen. Im Folgenden verhängte Russland eine Wirtschaftsblockade, die verheerende Folgen für Tschetschenien mit sich brachte. Tschetschenien wollte daraufhin den Föderationsvertrag unterschreiben und auch der GUS beitreten, verlangte aber eine Sonderregelung. So sollten nur die Bereiche der Außen- und Außenwirtschaftspolitik und die der Verteidigung bei Moskau bleiben. Dieser Vorschlag wurde jedoch von Moskau abgelehnt. 1993 kam es in Tschetschenien zu einer innenpolitischen Krise zwischen Dudajew und der Opposition, die von Moskau mit Waffen und Ausbildern unterstützt wurde. Sie brachte zwar den Norden des Landes unter ihre Kontrolle, nicht aber die Hauptstadt, so dass Russland schlussendlich direkt in den Konflikt eingriff. 5.3 Der 1. Tschetschenienkrieg Am 11. Dezember 1994 erteilte der russische Präsident Jelzin den Befehl zur militärischen Intervention: 40 000 Soldaten marschierten in Tschetschenien ein und nahmen nach zweimonatigen blutigen Kämpfen die Hauptstadt Grosny ein. Bis zum 6 April 1995 eroberte die russische Armee trotz scharfer internationaler Kritik rund 80 Prozent des tschetschenischen Gebietes. Die Anhänger Dudajews gaben sich gleichwohl nicht geschlagen: Im Juni 1995 brachten Freischärler unter Schamil Bassajew ein Krankenhaus im südrussischen Budjonnowsk in ihre Gewalt und verschanzten sich mit 1 000 Geiseln. Nach vergeblichen Versuchen, das Hospital zu stürmen, gingen die Russen auf die Forderungen der Rebellen ein und sicherten ein sofortiges Ende der Militäraktionen, den Beginn von Friedensgesprächen und freien Abzug zu. Unter der Schirmherrschaft der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) begannen in Moskau Verhandlungen, die mit der Unterzeichnung eines Militärabkommens am 30. Juli 1995 endeten. Es sah neben dem Verzicht auf weitere Kampfhandlungen die Entwaffnung der Tschetschenen einerseits, den Abmarsch der russischen Soldaten bis auf 6 000 Mann andererseits vor. Der am 2. August 1995 begonnene Waffenstillstand war nicht von Dauer, zumal tschetschenische Freischärler ihre Unabhängigkeitsansprüche mit neuen Terrorakten unterstrichen. So drangen sie am 9. Januar 1996 in das Krankenhaus von Kosljar ein und besetzten wenige Tage später das dagestanische Dorf Perwomaiskoje. Die russische Regierung, die sich offiziellen Beobachtern zufolge im Tschetschenien-Konflikt schweren Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hatte, beantwortete diesen Akt tschetschenischen Widerstandes abermals mit Gewalt: 5 000 Soldaten und 80 Panzer machten das Dorf dem Erdboden gleich und erhöhten damit die Bilanz des Schreckens, die seit Kriegsbeginn Zehntausende von Toten und 500 000 tschetschenische Flüchtlinge verzeichnet hatte. Der tschetschenische Rebellenchef Dudajew wurde am Abend des 21. April 1996 in der Nähe des Dorfes Gechi-Tschu getötet. Offiziellen Verlautbarungen zufolge wurde er während eines Telefonats mit Moskauer Politikern über Friedensverhandlungen durch eine russischen Rakete tödlich verletzt. Es gab allerdings auch Spekulationen darüber, dass Dudajew innertschetschenischen Machtkämpfen zum Opfer fiel. Vor den russischen Präsidentschaftswahlen am 16. Juni einigte man sich auf ein Waffenstillstandsabkommen, das aber von beiden Seiten zunächst nicht eingehalten wurde. Im August 1996 gelang es dann dem damaligen russischen Sicherheitsberater Alexander Lebed in Verhandlungen mit dem späteren tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow, ein Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen herbeizuführen. Während des 21-monatigen Krieges haben vermutlich 80 000 Menschen ihr Leben lassen müssen. Im Januar 1997 zogen die letzten russischen Truppen aus Tschetschenien ab. Auch Jahre nach Kriegsende hatte sich die Situation noch längst nicht normalisiert – das Zentrum der Hauptstadt war nach wie vor ein Trümmerfeld, zwei Drittel des Ackerlandes vermint, die Arbeitslosigkeit extrem hoch. Auch die wichtige Pipeline zum Schwarzen Meer konnte noch nicht repariert werden. 5.4 Der 2. Tschetschenienkrieg Tschetschenische Extremisten verübten – nach russischen Angaben – immer wieder Bombenattentate auf russische Militär- und Zivilziele. Rebellentruppen fielen auch in Dagestan ein um dort einen freien islamischen Gottesstaat zu proklamieren. Nach tschetschenischer Auffassung wurde dieser Krieg bewusst von Russland provoziert, indem Artillerie tschetschenisches Territorium beschoss und die Luftwaffe Dörfer und Verkehrswege bombardierte. Das folgende Eindringen islamistischer Rebellen in Dagestan und die Bombenattentate waren die Antwort auf die russischen 7 Provokationen. Obwohl die tschetschenische Regierung jede Mitwirkung an diesen Aktionen abstritt, nahm Russland unter Putin diese zum Anlass, um Tschetschenien im September 1999 erneut anzugreifen. Diesmal gingen die Regierungstruppen vorsichtiger vor, um ihren Gegner nicht noch einmal zu unterschätzen, die Luftüberlegtheit (Kampfhubschrauber, Flugzeuge) wurde ausgenützt. Erneut mussten Hunderttausende Zivilisten in die Nachbarprovinzen (vor allem Inguschetien) fliehen. Im Oktober versperrte die Armee sogar die Fluchtwege um ein „Aussickern von Rebellen zu vermeiden“. Russland verhängte auch eine absolute Mediensperre, Bilder von Massakern und Folterungen an Zivilisten tauchen nur selten auf und werden vom Kreml als Fälschungen abgetan. Über der Hauptstadt werden Flugblätter abgeworfen, auf denen es unter anderem hieß, dass jeder, der sich nach dem 12. Dezember noch in Grosny aufhält, als Terrorist und Bandit betrachtet und vernichtet wird. Georgien lehnte unterdessen eine Stationierung russischer Soldaten im Pankisital an der Grenze zu Tschetschenien ab. Anfang 2000 zogen sich die Rebellen aus Grosny zurück um sich im gebirgigen Süden des Landes zu verschanzen und „bis zum letzten Mann“ zu kämpfen. Während des gesamten Krieges blockierte Moskau jegliche Kommunikationsversuche mit Maschadow, den die russische Führung als Verbrecher bezeichnete. Der Krieg im Süden ging unterdessen weiter und dauert bis heute an. Schätzungen über Verluste beider Seiten variieren stark, da unabhängige Beobachter nicht zugelassen werden. Russland spricht z.B. von 2.500 eigenen Gefallenen, die Rebellen (und die Organisation der „Soldatenmütter“) hingegen beziffern die Zahl der russischen Toten auf ein Vielfaches. Auf tschetschenischer Seite sind laut Moskau rund 14.500 Kämpfer gefallen, wobei diese Zahl ebenfalls eine Übertreibung darstellen dürfte. Die Gründe für das militärische Engagement Russlands in Tschetschenien sind vielschichtige: Einerseits ist es die Furcht, die Loslösung Tschetscheniens könnte Signalwirkung für andere sezessionistische Kräfte haben. Mit Tschetschenien würde Russland auch die Kontrolle über andere Regionen des Kaukasus verlieren, in denen die USA und die Türkei immer stärkere Präsenz zeigen. Tschetschenien ist ein wichtiges Transitland nicht allein wegen der Erdölpipeline, sondern auch wegen seiner Straßen und Eisenbahntrassen. Auch soll der Welt bewiesen werden, dass die russische Armee – die sich hier auch rehabilitieren kann – noch zu militärischen Aktionen und Kriegen in der Lage ist. Für manche Beobachter ist die Tschetschenienpolitik aber auch ein Indiz für die „Sowjetisierung“ Russlands. 6. Georgien 6.1 Das Land Siebzig Prozent der heutigen Bevölkerung dieses Landes sind Georgier. Zu den Minderheiten gehören Armenier, Russen (deren Zahl immer weiter sinkt), Aseri, Osseten, Abchasen, Kurden, Ukrainer, Griechen und einige wenige Deutsche. Georgiens Hauptstadt Tiflis (oder Tbilissi auf Georgisch) hat ca. 1,3 Millionen Einwohner. Das Volk der Georgier selbst gliedert sich in mehrere regionale Stämme, zu denen die Kartlianer, Kachetier, Mingrelier, Gurianer und Imeretier gehören. Die Mingrelianer sprechen einen einzigartigen altertümlichen Dialekt. 8 Amtssprache ist Georgisch, viele Georgier beherrschen außerdem Russisch. Angehörige ethnischer Minderheiten sprechen neben Russisch oder Georgisch meist auch die Sprache ihres Volkes. Nach Russisch ist Englisch die am meisten gesprochene Fremdsprache, gefolgt von Deutsch, Französisch und Türkisch. König Parnavaz schuf im 2. Jahrhundert v. Chr. das georgische Alphabet, das zu den 14 ältesten der Welt gehört. Es besteht heute aus 33 Buchstaben und verwendet immer noch die ursprüngliche Schrift, die seit ihrem Bestehen nur geringfügige Veränderungen erfahren hat. 6.2 Geschichte Seit 600 vor Christus die Griechen einige Kolonien an der Schwarzmeer-Küste des Landes gründeten, wurden die georgischen Stämme immer wieder von wechselnden Großmächten unterdrückt. Zuerst eroberten die Perser das Land, nur um es zwei Jahrhunderte später an Alexander den Großen zu verlieren. Später gelangt das Gebiet unter römische Herrschaft und wird bei der Teilung des Reiches Byzanz zugesprochen. Die Staatsgrundlagen sind römisches Recht und Verwaltung, griechische Kultur und Sprache sowie der christliche Glaube, der sich seit 315 n. Chr. verbreitet hatte. Im 7. Jahrhundert gerät Georgien allmählich unter die Herrschaft der islamischen Araber. 1008 wird Georgien zu einem weitgehend selbstständigen Königreich, 40 Jahre später fallen jedoch bereits islamisch-türkische Rum-Seldschuken ein. In der Folge werden die Fremdherrscher verjagt, das georgische Reich kontrolliert beinahe den gesamten Kaukasus. Das „goldene Zeitalter“ Georgiens bricht an. Die Blütephase ist jedoch nur von kurzer Dauer, denn 1242 fallen die Mongolen ein. Ab 1500 streiten sich Osmanen und Perser um das Land. Die Georgier suchen bei den Russen Schutz. 1801 erklären die Zaren dann das gesamte Land zur russischen Provinz. Im Oktober 1917 stürzten die Bolschewiki in Petrograd die Provisorische Regierung. Propagandistisch setzten die Revolutionäre unter Lenin auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker, gleichzeitig versuchten sie auch in Georgien die Macht zu übernehmen. Dieser Versuch wurde niedergeschlagen, eine bürgerlich-nationale Regierung bildete sich, die die staatliche Unabhängigkeit des Landes proklamierte. Das Deutsche Reich anerkannte – aus wirtschaftlichen und militärischen Gründen – als erstes Land die Eigenstaatlichkeit Georgiens. Die Minoritäten hingegen erhoben sich, wobei sie von sowjetrussischen Truppen unterstützt wurden. Nach der Kapitulation Deutschlands und dem Rückzug der Briten gelang es der Sowjetregierung Aserbaidschan und Armenien, das kurz vor der Niederlage gegen die Türkei stand, unter seine Kontrolle zu bringen. Die Klammer um Georgien hatte sich geschlossen. Um – so die offizielle Lesart – die militärischen Auseinandersetzungen zwischen Georgiern und Osseten bzw. Armeniern zu beenden, marschierte die Rote Armee in Georgien ein. Entgegen dem Rat Lenins, Georgien als Sonderfall zu betrachten, kam es unter Stalin und Ordshonikidse zur blutigen Sowjetisierung des Landes. Georgien wurde zusammen mit Aserbaidschan und Armenien in die Transkaukasische Föderation gezwungen, die bis 1936 bestand. Alle ethnischen oder religiösen Nationalitätenkonflikte wurden in Georgien zugunsten der Minoritäten gelöst, die Autonome Sowjetrepubliken wurden. Auch musste das Land einige Gebiete an 9 Armenien und Aserbaidschan abtreten. Die Geheimpolizei, geleitet von Berija, führte blutige Säuberungen durch. Andererseits kam es zu einer forcierten Industrialisierung des Landes und die Landwirtschaft wurde zu einer der einträglichsten – vor allem in der Schattenwirtschaft – der Sowjetunion. Nach dem 2. Weltkrieg , der für Georgien äußerst verlustreich war, hatte Georgien faktisch einen Sonderstatus inne. Die Entstalinisierung unter Chruschtschow stieß aber im Lande auf starke Ablehnung, die bis heute spürbar ist. Vor dem Hauptpostamt in Tiflis kam es zu Demonstrationen, die von der Miliz gewaltsam aufgelöst werden mussten. Die 70er und 80er Jahre standen einerseits im Zeichen wachsender Korruption und Wirtschaftskriminalität, womit Schewardnadse – seit 1972 Führer der georgischen Kommunisten – einige Schwierigkeiten hatte, andererseits wuchs die Zahl der „Gorgassali“ d.h. die Dissidentenbewegung mit Gamsachurdia und Kostawa an der Spitze. Ende der 80er Jahre geriet die von Gorbatschow verkündete Politik von Glasnost und Perestrojka immer mehr außer Kontrolle. Die unterdrückten Spannungen entluden sich und verwandelten sich in extreme Erwartungen und Forderungen. Bereits 1988 gab es einen Hungerstreik für die Unabhängigkeit Georgiens. Die friedliche Großdemonstration im April des folgenden Jahres wurde von Spezialtruppen des Moskauer Innenministeriums aufgelöst, was 17 Tote und Tausende Verletzte zur Folge hatte. Allerdings hatten sich in die Forderung nach Unabhängigkeit auch nationalistische Untertöne gemischt, die sich mit ihren Ressentiments gegen Abchasen und Osseten richteten. In Zchinwali und Suchumi spitzte sich die Situation zu, wofür auch Gamsachurdia verantwortlich war, der anders als Kostawa – er sollte 1989 bei einem dubiosen Autounfall ums Leben kommen – einen radikalen Kurs verfolgte. Aus russischen Kasernen gelangten immer mehr Waffen in Umlauf, was die Situation weiter eskalieren ließ. Im Sommer 1990 erklärte das georgische Parlament die De–facto – Unabhängigkeit, im Oktober ging die Runde-Tisch-Allianz Gamsachurdias als Siegerin aus den ersten freien Wahlen hervor. 1991 wurde Swiad Gamsachurdia zum Präsidenten gewählt. Als solcher unterstützte er die Putschisten in Moskau, was ihm viele Sympathien kostete. Als er die Zensur verhängte, politische Gegner und Intellektuelle diffamierte, kam es zu Demonstrationen, auf die die Präsidentengarde das Feuer eröffnete. Schließlich wechselte deren Anführer, der Bildhauer Kitowani, die Fronten und schloss sich mit Iosseliani, einem Berufskriminellen und Anführer der „Mchedrioni“(Ritter) zusammen. Ende Dezember 1991 belagerten sie den Präsidentenpalast, wo sich Gamsachurdia, seine Minister und 3000 Kämpfer verbarrikadiert hatten. Gamsachurdia ging in der Folge zunächst ins Exil nach Armenien, später nach Tschetschenien, wo er unter unklaren Umständen zu Tode kam. Im März 1992 kehrte Schewardnadse aus Moskau nach Tiflis zurück und schloss sich mit Kitowani, Iosseliani sowie Tengis Sigua, dem Ex-Premier Gamsachurdias zusammen. Die kommunistische Vergangenheit Schewardnadses machte ihn aber in breiten Kreisen suspekt. Nachdem sich die Lage in Südossetien beruhigt hatten, verschärfte sich aber die Situation in Abchasien. Als im August 1992 georgische Truppen unter dem neuen Verteidigungsminister Kitowani in Abchasien einmarschierten, um die von Russland über Suchumi nach Georgien führende Eisenbahnlinie vor den permanenten Überfällen Krimineller zu schützen, wurden sie trotz einer entsprechenden Vereinbarung mit der autonomen Regierung von abchasischen Truppen 10 beschossen. Kitowani zog daraufhin nach Suchumi und gab die Stadt zur Plünderung frei. Damit begann ein Krieg, der die Region ein Jahr lang in Atem hielt und zu unbeschreiblichen Gräueln führte. Mit massiver russischer Unterstützung und verstärkt durch tschetschenische Freischärler besetzten abchasische Truppen 1992/93 die ganze Teilrepublik und vertrieben fast 300.000 Georgier. Mehr als 8000 Menschen kamen zu Tode. Schewardnadse konnte in letzter Minute flüchten. Erst mit der Unterzeichnung einer Vereinbarung zwischen Georgien, Russland und Abchasien beruhigte sich die Lage. Die UNO erklärte in der Folge die russische Truppenpräsenz zur UN-Friedensmission. Bis heute ist weder das Problem der Flüchtlinge noch das des Status von Abchasien geklärt. Unterdessen war Schewardnadse aus den Wahlen im Oktober 1992 als Sieger hervorgegangen. Als der Präsident im März 1993 den in Abchasien gescheiterten Kitowani absetzte, verbündete sich dieser mit Expräsident Gamsachurdia und fiel mit bewaffneten Freischärlern in Megrelien, der Heimat Gamsachurdias ein. Die Rebellen wurden – mit Hilfe der „Mchedrioni“ Iosselianis – geschlagen, Kitowani und Iosseliani, dessen Verbände marodiert hatten, der Prozess gemacht und zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt, bald aber freigelassen. Der Krieg hatte Georgien ruiniert. Erst allmählich begann sich die Lage einigermaßen zu stabilisieren. Die Annahme der Verfassung 1995 beendete die Übergangsperiode. Die folgenden Parlamentswahlen entschied die „Bürgerunion“ Schewardnadses für sich. Auch aus den Parlaments- und Präsidentenwahlen 1999 und 2001 gingen der Präsident und seine Partei als Sieger hervor. Die Lage in Georgien muss gegenwärtig als sehr gespannt bezeichnet werden. Das Land sieht sich einer Vielzahl von Problemen gegenübergestellt: Die 300.000 Flüchtlinge leben am Rand der Gesellschaft, bei schwindender Hoffnung auf Rückkehr in ihre Heimat. Zu ihnen gesellten sich Tausende Flüchtlinge aus Tschetschenien, die auch das Verhältnis zu Russland belasten. Über eine Million Georgier arbeiten in Russland, dennoch ist die Arbeitslosigkeit enorm hoch. Die soziale Schere öffnet sich mehr und mehr. Allein in Tiflis gibt es über 7000 Straßenkinder. Korruption – auch und gerade im Umkreis des Präsidenten – sowie Kriminalität sind omnipräsent. Entführungen von Mitarbeitern internationaler Organisationen und von Geschäftsleuten häufen sich. Die Presse ist einer immer stärkeren Pression ausgesetzt, wobei man auch nicht vor Mord zurückschreckt. Die ökologische Situation ist besorgniserregend. Schwierig gestalten sich auch die Beziehungen mit Russland. Im Zusammenhang mit dem Tschetschenienkrieg ist es vor allem im Pankisital zu mehreren Zwischenfällen gekommen, wobei russische Kampfbomber auch georgische Ziele angriffen. Die russischen Militärbasen in Georgien belasten die ohnehin schon gespannten Beziehungen zusätzlich. Betroffenheit löste auch eine Wortmeldung Schirinowskis aus, der sich offen für eine Zerschlagung und Aufteilung Georgiens ausgesprochen hatte. Die Stimmen in Georgien mehren sich, die für einen Ausgleich mit Russland – auch aus wirtschaftlichen Gründen – plädieren, was sich aber mit Schewardnadse – auch wegen der Anschläge auf ihn – nicht vorstellbar war. Durch die „Rosenrevolution“ kommt es – nach einem Wahlbetrug – im November 2003 zum Sturz Schewardnadses. Der westlich orientierte Saakaschwili geht aus den Präsidentschaftswahlen vom 4.1.2004 als Sieger hervor. Seither wächst der Einfluss der USA (Militär) und Russland sieht seinen Einfluss immer mehr schwinden. Geopolitisch hat Georgien in der letzten Zeit – auch als Transitland – eine große Aufwertung erfahren 11 6.3 Abchasien Die nordwestliche Provinz Abchasien mit der Hauptstadt Suchumi reicht von der Mündung des Flusses Inguri bis zur russischen Grenze zwischen Leselidse und Adler und umfasst damit den schönsten Küstenabschnitt Georgiens am Schwarzen Meer. Der Tourismus ist allerdings durch den Bürgerkrieg völlig zum Erliegen gekommen, seit dem Krieg mit der Zentralregierung ist diese Provinz in die Anarchie versunken. Die Geschichte dieser Sezession ist eine sehr komplexe. Beim Zerfall der Sowjetunion lebten 525.000 Menschen in Abchasien, nur knapp 18% davon waren Abchasier. 45% waren Georgier, der Rest setzte sich aus Armeniern, Russen, Balten, Griechen und anderen Ethnien zusammen. Diese Bevölkerungszusammensetzung war das Resultat einer jahrzehntelangen, planmäßigen georgischen Immigration. Die Abchasen sind ein überwiegend muslimisches nordkaukasisches Volk. Im Mittelalter war Abchasien ein eigenständiges Fürstentum, bevor es sich im 10. Jahrhundert mit Kachetien und Tao-Klardschetien zum georgischen Königreich zusammenschloss. Nach dessen Zerfall im 15. Jahrhundert wurde es wieder zu einem selbständigen Fürstentum. Bei der Bildung der Transkaukasischen Föderation im Jahr 1922 war Abchasien der Rang einer mit Armenien, Georgien und Aserbaidschan gleichrangigen Republik innerhalb dieser Föderation zuerkannt worden. Mit der Aufhebung dieser Föderation wurde es zur Autonomen Sozialistischen Republik innerhalb der Georgischen Republik herabgestuft. Schon während der Sowjetära gab es ständige Querelen zwischen Abchasen und Georgiern, die alles unternahmen, die abchasische Titularnation zu unterminieren. So erhielten die Abchasen von Moskau, nachdem die Georgier bereits in den 40er Jahren ihr Alphabet eingeführt und den muttersprachlichen Unterricht in Abchasisch abgeschafft hatten, eine eigene Universität und TV-Sendungen in Abchasisch zugebilligt. Auch gelang es ihnen, alle Führungspositionen in Partei, Wirtschaft und Staat mit Angehörigen der Titularnation zu besetzen. Die Spannungen eskalierten mit der Unabhängigwerdung Georgiens, als Tiflis ankündigte, die Autonomie Abchasiens aufzuheben. Abchasien reagierte mit der Proklamation seiner Unabhängigkeit. Den Abchasen gelang es – unterstützt von Freiwilligen aus den nordkaukasischen Republiken und Autonomiegebieten, vor allem aber mit russischer Militärhilfe – den von Georgien begonnenen Krieg für sich zu entscheiden und Schewardnadse zu demütigen. Über 250.000 abchasische Georgier wurden zu Flüchtlingen, die in tristesten Verhältnissen dahinvegetieren. Das Flusskraftwerk am Inguri liefert keinen Strom mehr nach Georgien, wodurch sich die Energieprobleme dieses Landes drastisch verschärft haben. Auch wurde die Eisenbahnverbindung zu Russland unterbrochen. Abchasien selbst – total verwüstet – ist in Anarchie und Gewalt versunken, Benzin- und Waffenschmuggel, vor allem aber der Drogenanbau und –transit prägen seine Ökonomie. Der Waffenstillstand von 1994 wird von russischen Truppen, die auch Checkpoints in Georgien errichtet haben, überwacht. UNO und OSZE leiten Verhandlungen, die aber bis heute kein greifbares Ergebnis erbracht haben. Immerhin hat es – von kleineren Zwischenfällen abgesehen – in den letzten Jahren keine größeren militärischen Auseinandersetzungen mehr gegeben. Eine friedliche Beilegung des Konflikts ist sehr schwierig, da Georgien auf der Rückkehr der Flüchtlinge bestehen muss und andererseits die warlords von diesem Zustand profitieren. Überdies bildet 12 für Moskau Abchasien eine Möglichkeit auf die georgische Politik einzuwirken, um die Neutralität gegenüber ihrer Tschetschenienpolitik ( Pankisi – Tal ) zu erzwingen. 6.4.Südossetien Die Osseten – ein indoeuropäisches Volk mit einer dem Farsi verwandten Sprache – litt schon in sowjetischer Zeit unter der verwaltungsmäßigen Trennung in zwei Republiken. Als Reaktion auf die georgische Nationalbewegung forderten die Südosseten bereits im Herbst 1989 die Aufwertung ihres Gebietes zur Autonomen Republik. Die georgische Nationalbewegung wehrte sich mit Massendemonstrationen vor Zchinwali gegen die vermeintliche südossetische Sezession, was zu mehrjährigen bewaffneten Auseinandersetzungen und zur Vertreibung der in anderen Gebieten Georgiens lebenden 100.000 Südosseten führte. Als die Hoffnung auf einen Zusammenschluss mit Nordossetien innerhalb der Russischen Föderation scheiterte, erklärte das südossetische Parlament in Zchinwali einseitig seine Unabhängigkeit, die aber nur von Nordossetien, Transnistrien und der Republik Gagausien anerkannt wurde. Mitte der 90er Jahre kamen Georgien und Südossetien – unter Vermittlung der OSZE – überein, auf Gewalt zu verzichten und die Differenzen friedlich zu lösen. Zwar hält Südossetien nach wie vor an seiner Unabhängigkeit fest, wirtschaftlich aber braucht es Georgien, da es ökonomisch allein nicht lebensfähig ist. Im „innerossetischen“ Grenzverkehr werden Benzin und andere Güter am georgischen Zoll vorbeigeschmuggelt. Zchinwali ist zur zoll-und steuerfreien Zone geworden. Der Großteil des gesamten georgischen Benzin kommt so auf illegalem Weg ins Land. An einer Beilegung des Konflikts sind somit weder die südossetischen noch die georgischen und russischen Profiteure von diesem „kleinen Grenzverkehr“, die zudem meist an einflussreicher Stelle sitzen, interessiert. Daran ändert auch die ständige Kritik des IWF wenig. 6.5.Adscharien Auch der Status der Autonomen Republik Adscharien, an der Südwestgrenze zur Türkei gelegen, ist umstritten. Ethnisch gesehen handelt es sich bei ihren Bewohnern zwar um Georgier, allerdings bekennen sie sich – seit der Zeit der türkischen Besetzung im 17. Jahrhundert – zum Islam. 380.000 Menschen leben in Adscharien mit dem Zentrum Batumi, einer Hafenstadt mit türkischer Ausstrahlung. Adscharien ist mit einer eigenen Partei im Parlament von Tiflis vertreten. Zwar gibt es keine sezessionistischen Tendenzen, ökonomisch hat sich Adscharien aber weitestgehend von Georgien abgekoppelt. Dies war vor allem das Werk von Präsident Aslan Abaschidse, der mit seinem Familienclan die Region beinahe absolutistisch regiert. Die Beziehungen zur Türkei sind äußerst eng. Saakaschwili gelang es im Mai 2004 Adscharien wieder an Georgien zu binden, Abaschidse ging ins russische Exil. 6.6.Weitere Minoritäten in Georgien Weitere ethnisch sensible Gebiete liegen im Süden und Südosten Georgiens, an der Grenze zu Armenien und zu Aserbaidschan. Zwar sind keine zentrifugale Tendenzen spürbar, nachdem sich der georgische Nationalismus spürbar leiser 13 geworden ist. Noch unter Präsident Gamsachurdia bestand die Absicht, in Georgien lebende Armenier und Aseris auszuweisen. Da aber die geplante – und mittlerweile sich in Bau befindliche – Ölpipeline Baku/Ceyhan durch das Gebiet der armenischen Minderheit führen soll, sind zukünftige Probleme nicht auszuschließen. 7. Armenien 7.1 Das Land Die Bevölkerung Armeniens ist im Hinblick auf ihre ethnische Zugehörigkeit in hohem Maße homogen. So sind über neun Zehntel der Einwohner dieser Republik Armenier. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Dieser Zuwachs lässt sich durch die Abwanderung von Aserbaidschanern und den Zuzug armenischer Flüchtlinge aus Nagorny-Karabach erklären. Die nächstgrößeren Bevölkerungsgruppen sind Kurden und Russen, wobei nur eine geringe Minderheit aller Bewohner Armeniens diesen Völkern angehört. In geringer Anzahl leben in der Republik auch Ukrainer, Georgier und Griechen. Das Land besteht größtenteils aus Gebirge, und nur kleine Flächen sind von Ackerland bedeckt. Die Menschen leben hauptsächlich in den Flusstälern, wobei sich die meisten Ansiedlungen entlang des Hrazdan erstrecken. An diesem Fluss liegt auch Jerewan oder Jerevan oder Erevan oder Eriwan, die Hauptstadt und mit 1,3 Millionen Einwohnern größte Stadt des Landes. Mit 69 Prozent lebt ein sehr großer Teil der Bevölkerung Armeniens in städtischen Gebieten. Amtssprache ist Armenisch, die Sprache besitzt ein eigenes Alphabet mit 38 Buchstaben, wie in Georgien sprechen aber auch viele Armenier Russisch. 7.2 Geschichte Ab 2000 vor Christus siedelten sich im Gebiet des heutigen Armenien die indogermanischen Hethiter und die semitischen Hurriter an. Wie Georgien wurde auch Armenien 550 v. Chr. von den Persern und später von Alexander dem Großen erobert. Kurz vor Christi Geburt eroberten die Römer das Land, zusammen mit ihnen können die Armenier die Perser 301 vorläufig vertreiben – als erster Staat der Welt erklärte Armenien das Christentum zur Staatsreligion. Ab dem 9. Jahrhundert erlebte Armenien als selbstständiges Königreich seine geschichtliche Blütezeit. Zehnmal so groß wie heute umfasste es auch den Osten der heutigen Türkei, 200 Jahre später wurde das Land jedoch wieder von den Byzantinern annektiert. In den folgenden Jahrhunderten wurde Armenien abwechselnd von diversen islamischen Großmächten (Türken, Perser, Mongolen,...) überrannt, bis 1878 die Russen das Land einnahmen – die armenische Sprache wurde verboten, armenische Schulen und Kirchen geschlossen. Bis zum 1. Weltkrieg verübten Türken immer wieder Massaker an der christlicharmenischen Minderheit in Ostanatolien, denen 300.000 Armenier zum Opfer fielen. 14 Nach dem Sturz des despotischen Herrschers Abdül Hamid durch die „Jungtürken“ hofften die Armenier auf eine Verbesserung ihrer Lage. Da die „Jungtürken“ aber ihre panturanischen Pläne hegten, sahen sie in den christlichen Armeniern eine Bedrohung derselben. Zudem war auch sozialer Neid im Spiel, da die Armenier besonders in den Städten die gebildete und reiche Oberschicht bildeten. Der Erste Weltkrieg bot – unter dem Vorwand, die Armenier würden mit den Russen paktieren – die günstige Gelegenheit, das „Armenierproblem“ endgültig zu lösen. In der Nacht vom 24. auf den 25. April 1915 (Nationalfeiertag) wurden 600 armenische Intellektuelle in Istanbul verhaftet und später ermordet. Damit begann – ermuntert durch die deutschen Verbündeten – der erste Genozid des 20. Jahrhunderts, der in vielem dem späteren Holocaust ähnelte. Nicht einmal die Einsprüche europäischer und amerikanischer Politiker konnten die Türken von diesem Völkermord abhalten, dem 1,5 Millionen Armenier zum Opfer fielen. Das geschwächte armenische Volk konnte sich nur in Ostarmenien behaupten, indem es sich durch einen raschen Zusammenschluss zu einer transkaukasischen Union im November 1919 die Hilfe der beiden Nachbarstaaten Georgien und Aserbaidschan sicherte. 1918 waren nämlich türkische Truppen gegen Erewan vorgerückt, bis sie in der Schlacht von Sardarapat gestoppt werden konnten. Obwohl die Türkei im Vertrag von Sevres gezwungen wurde, Armenien anzuerkennen, griff sie wenige Wochen später erneut Armenien an, während gleichzeitig im Südosten die Rote Armee angriff. Im Zangengriff der damals vorübergehend verbündeten Sowjetrussen und Türken, ohne Aussicht auf Hilfe von den westlichen Alliierten, entschied sich die armenische Regierung für das kleinere Übel und trat in der Nacht vom 2. zum 3. Dezember 1920 die Staatsgewalt an ein prosowjetisches Regierungskomitee ab. Allerdings behielt Sowjetarmenien noch bis Ende 1922 einen halbautonomen Status. Dann vereinigte Stalin „zur Unterdrückung des regionalen Nationalismus“ Armenien, Georgien und Aserbaidschan zu einer Föderativen Sozialistischen Transkaukasischen Sowjetrepublik, obwohl ein derartiger Verbund am Interessengegensatz dieser Völker schon einmal gescheitert war. Das Volk macht unter der Sowjet-Herrschaft in etwa das Gleiche durch wie die georgischen Nachbarn. Armenien wurde erst 1936 wieder eine eigene Sowjetrepublik. Von Beginn an prägten Unterdrückung und Terror das Sowjetregime. Zunächst waren es echte oder vermeintliche Anhänger der alten Regierung, die diesem zum Opfer fielen. In den 20er Jahren wurden sogenannte „bürgerliche Spezialisten“ verfolgt. In den Jahren des stalinistischen Terrors zwischen 1936 und 1939 wurden Zigtausende angeblicher „Volksfeinde“ deportiert oder ermordet. Auch die sowjetische Außenpolitik brachte den Armeniern nur Enttäuschungen. Über die Köpfe der Betroffenen hinweg verzichtete Sowjetrussland auf Westarmenien und sogar auf die Gebiete von Kars und Ardahan. Die kommunistische Marionettenregierung Armeniens schloss sogar auf Geheiß Moskaus ein Freundschaftsabkommen mit der Türkei. Noch unverständlicher und schmerzhafter waren die innenpolitischen Grenzziehungen, denn die Kommunisten zerstückelten Ostarmenien noch stärker als vor ihnen die Zaren. Auf türkischen Wunsch unterstellten sie Nachitschewan der aserbaidschanischen Verwaltung, was die Vertreibung der dort lebenden Armenier zur Folge hatte. Noch gravierender war der Anschluss Berg-Karabachs an Aserbaidschan. Vergeblich versuchten die Armenier während der „Tauwetterperiode“ unter Chruschtschow die Rückgabe der 1923 von Moskau an Aserbaidschan angeschlossenen Regionen Berg-Karabach und Nachitschevan zu erreichen. 1965 15 führten Massendemonstrationen immerhin dazu, dass die Erlaubnis zur Errichtung des Völkermordmahnmals in Erewan und der Gedenkstätten bei Sardarapat. Das wachsende Selbstbewusstsein fand seinen vollen Ausdruck in der Gorbatschow – Ära. Die wachsenden Proteste entzündeten sich an der ökologischen Ausbeutung des Landes, für die die Namen Medsamor (AKW) und Sewan-See stehen. Die Proteste galten vor allem aber der Situation der Armenier in Berg-Karabach und der Vertreibung und Ermordung von Armeniern in Aserbaidschan. Während sich im Winter 1988789 Flüchtlingsströme in beide Richtungen zwischen Armenien und Aserbaidschan bewegten, wurde Nordarmenien am 7.12.1988 von einem schweren Erdbeben verwüstet. Obwohl Seismologen seit dem Frühjahr vor einem solchen gewarnt hatten, hatte die Moskauer Führung nichts unternommen. Nach inoffiziellen Schätzungen wurden bei diesem Beben 50. – 80.000 Menschen getötet. Bald tauchten verschieden Gerüchte auf und die mangelhafte Hilfe aus Moskau sowie die Ausweitung des Ausnahmezustandes in Armenien führte zum endgültigen Legitimationsverlust der Moskauer Zentrale.1990 erklärte sich Armenien für unabhängig, Ter-Petrosjan wurde zum Parlamentspräsidenten und 1991 – nach Auflösung der Sowjetunion – zum ersten Staatspräsidenten gewählt. Die Anfangsjahre des neuen Armenien waren äußerst schwierige. Der Karabach Konflikt führte zum Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan. Die Wirtschaft brach durch die Grenzblockaden und die fehlende Energiezufuhr beinahe zusammen. Zwar konnte Armenien den Krieg für sich entscheiden, die Probleme aber blieben. Dem Land war keine Stabilität beschieden. 1997 kam es zu einem schweren Attentat – fünf mit Maschinengewehren bewaffnete Männer drangen in das Gebäude des armenischen Parlaments in Eriwan ein und erschossen den Ministerpräsidenten, Parlamentspräsidenten sowie sechs weitere Politiker. Die übrigen 50 anwesenden Parlamentarier und Minister wurden von den Attentätern als Geiseln genommen. Anführer der Geiselnehmer war Nairi Unanjan, ein Nationalist, der zuletzt als Journalist arbeitete. Als Bedingung für die Freilassung der Geiseln erzwang er von Präsident Robert Kotscharjan die Ausstrahlung einer Erklärung im staatlichen Fernsehen, in der Unanjan die Regierung u.a. einer zerstörerischen Wirtschaftspolitik beschuldigt. Nach 18 Stunden wurden die Geiseln freigelassen, und die Attentäter ergaben sich den Sicherheitskräften. Neuer Regierungschef wurde der Bruder des ermordeten Ministerpräsidenten. Die Hauptprobleme Armeniens sind gegenwärtig die immer noch vorhandene Isolation. Zwar sind die Beziehungen zum Iran gut und mit Moskau besteht ein Verteidigungsbündnis, das Verhältnis zu Aserbaidschan und zur Türkei ist immer noch ein sehr gespanntes. Die Zahlungsbilanz ist eine negative und ohne ausländische Hilfe – vor allem der armenischen Diaspora – könnte das Land nicht überleben. Eine große Schwierigkeit ist auch der Exodus vor allem junger, hochqualifizierter Männer, die der Wirtschaft des Landes in einigen Jahren fehlen werden. Die soziale Lage ist eine angespannte, leben doch 45% der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Auch innenpolitisch ist das Land instabil, es gibt politische Gefangene und die Macht ist in den Händen einer kleinen Oligarchie. 7.3 Der Konflikt um Nagorny-Karabach Nagorny-Karabach ist ein 4 400 Quadratkilometer großes, ehemals autonomes Gebiet der Volksgruppe der Bergkarabachen im Südwesten der Republik Aserbaidschan, am Ostrand des Kleinen Kaukasus. Etwa 80 Prozent der ca. 16 190 000 Einwohner sind Armenier, rund 20 Prozent bis zum Krieg Aserbaidschaner. Hauptstadt des Gebiets ist Chankendy /Stepanakert mit circa 60 000 Einwohnern. Entscheidend für den späteren Konflikt war, dass Karabach im Zuge der russischen Eroberungen ca. 20 Jahre vor Rest-Armenien besetzt wurde – dadurch fiel es unter aserbaidschanische Verwaltung. 1926, als die Armenier noch 89% der Bevölkerung stellten, war ihnen das Gebiet von der aserischen Führung angeboten worden, was Moskau jedoch aus außenpolitischen Gründen nicht akzeptierte. Um das Verhältnis zur Türkei, der man gerade andere Teile Armeniens abgetreten hatte, weiter zu verbessern, wurde der aserischen Unionsrepublik nicht nur Nachitschewan, sondern auch Berg-Karabach zugesprochen. In der Folge wurden die Armenier diskriminiert: In den Schulen wurde keine armenische Sprache/Geschichte gelehrt, auch kulturell und religiös wurden sie benachteiligt. Der Lebensstandard war ein äußerst niedriger, es gab fast keine Industrie, weil Investitionen fehlten, die Infrastruktur war völlig unterentwickelt, Ausbildungsmöglichkeiten für die Jugend fehlten – worunter wiederum Armenier am meisten leiden mussten. Inzwischen weist Moskau sämtliche den Zusammenschluss betreffenden Forderungen und Bitten Armeniens oder der Region zurück. So forderte die armenische Bevölkerung Berg-Karabachs bereits 1988 den Anschluss an Armenien und begann mit der Vertreibung von Aseris. Massaker an Armeniern in Sumqait und Baku (mindestens 1.000 Tote) folgten. Armenien, für das sich der Karabach-Konflikt als Katalysator der nationalen Unabhängigkeitsbewegung erwies, unterstützte die Sezession und geriet dadurch in eine totale Isolation. Schließlich kam es kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan um NagornyKarabach, den Moskau auch durch starken Militäreinsatz und Sonderverwaltung nicht unter Kontrolle bringen konnte. 1990 besetzen russische Truppen sogar Baku, um die bürgerkriegsähnlichen Zustände dort zu beenden. Anfang 1991 schloss Aserbaidschan wegen der Auseinandersetzungen um BergKarabach die Grenzen zu Armenien und verhängt ein Wirtschaftsembargo über das Nachbarland. Dadurch geriet Armenien, das auf ausländische Erdöl- und Ergassowie Nahrungsmittellieferungen angewiesen ist, in akute Versorgungsschwierigkeiten, die sich noch verschlimmerten, nachdem auch die mit Aserbaidschan verbündete Türkei sich dem Handelsembargo anschloss und der Bürgerkrieg in Georgien die russisch-armenischen Transportwege kappte. Nur der Iran belieferte weiterhin Armenien. Die UdSSR hatte Aserbaidschan aus folgenden Motiven unterstützt: - das Land war für die Erdöllieferung und –ausrüstung wichtig - bei den Wahlen 1990 hatten die Kommunisten in Baku einen Sieg errungen - Baku war bereit, mit der UdSSR einen neuen Unionsvertrag zu unterzeichnen 1992 kam es zum offenen Krieg zwischen der Republik Aserbaidschan und Nagorny-Karabach, das im Dezember 1991 einseitig seine Souveränität erklärt hatte. Armenien erkannte diese zwar offiziell nicht an, unterstützte die Rebellen aber mit Waffenlieferungen und Truppen. Mit dem Ende der Sowjetunion änderten sich Russlands Interessen radikal: In Aserbaidschan war inzwischen eine Islamisch-Nationalistische Volksfront an die Macht gekommen, man schlug einen Moskau-feindlicheren Kurs ein. Außerdem drohte das Land mit dem Austritt aus der GUS, was Armenien nicht tat, und Jelzin war in Moskau auf die christlich-orthodoxen Kräfte angewiesen. Zudem wollte man verhindern, dass sich Armenien an einem Pipeline-Bau durch den Iran in die Türkei beteiligte, mit dem man die russische Machtsphäre umgehen wollte und man sah 17 sich durch die Ausschaltung russischer Ölkonzerne im „Jahrhundertvertrag“ durch die Aseris brüskiert. Dies alles bewog Russland nun dazu, sich auf die Seite Armeniens zu schlagen, um damit den Druck auf Aserbaidschan zu verstärken. Dem diente nicht zuletzt das 1996 abgeschlossene Militärabkommen und umfängliche Waffenlieferungen. Aserbaidschan hingegen erhielt Unterstützung von der befreundeten Türkei. Aufgrund der Blockade bzw. wegen des Bürgerkriegs in Georgien war die Wirtschaft Armeniens inzwischen vollkommen zusammengebrochen. Die Regierung musste den Notstand ausrufen und Grundnahrungsmittel rationieren. Internationale Hilfslieferungen an die hungernde und frierende Bevölkerung über Georgien erreichten nur sehr sporadisch ihr Ziel. Trotzdem gelang es den Armeniern große Teile des Südwestens von Aserbaidschan zu erobern und den Korridor von Litschin einzurichten. Eine Millionen Aserbaidschaner flüchteten. Nun schaltete sich Russland auch militärisch in den Konflikt ein, indem es mehrere Militärstützpunkte auf aserbaidschanischem Gebiet errichtete. Im Mai 1994 kam durch UN-Vermittlung zwischen Armenien bzw. NagornyKarabach und Aserbaidschan ein Waffenstillstandsabkommen zustande. In der Folge kam es – wohl auf Betreiben Erewans – zur Gründung der Republik BergKarabach, die jedoch international keine Anerkennung findet. Als der armenische Präsident Ter-Petrosjan versuchte, um die außenpolitische und wirtschaftliche Isolation seines Landes, aufzubrechen, Kompromisse in der Karabach-Frage einzugehen, wurde er abgewählt. Nachfolger wurde mit dem früheren Präsidenten von Berg – Karabach, Robert Kotscharjan, ein ausgewiesener Hardliner. Dies markierte das vorläufige Ende aller Kompromissbereitschaft. Der Konflikt um das Gebiet ist nach wie vor ungelöst. Noch immer halten Armenier die auf aserbaidschanischem Territorium liegende Region besetzt, der Waffenstillstand wird jedoch weitgehend eingehalten. Seit 1988 sind in dem Krieg, dem ersten zwischen zwei ehemaligen Unionsrepubliken, mindestens 20.000 Menschen, überwiegend Aserbaidschaner, ums Leben gekommen. „Ethnische Säuberungen“ haben Hunderttausende zu Flüchtlingen gemacht. Für Aserbaidschan ist ein Verzicht auf dieses Gebiet – gerade innenpolitisch – nicht hinnehmbar. Der Verbleib Karabachs bei der Republik Aserbaidschan – unter Wahrung einer de – facto – Unabhängigkeit – wäre die einzige Lösungsmöglichkeiten dieses Konflikts, ist aber bei den nationalistischen Kräften aller drei Seiten nicht durchsetzbar. Dieser Konflikt hat zudem weitreichende Auswirkungen auf die Stabilität im ganzen Kaukasus, aber auch auf die Groß- und Regionalmächte Russland, USA, Türkei und Iran. 8. Aserbaidschan 8.1 Das Land Das muslimische Aserbaidschan ist mit beinahe 8 Millionen Einwohnern die bevölkerungsreichste Republik im Südkaukasus. Auch ist die Hauptstadt Baku oder Baki, die im 19. Jahrhundert dank ihrer Erdölvorkommen einen rasanten Aufschwung erlebte, mit knapp 1,9 Millionen Einwohnern die größte Stadt der drei südkaukasischen Länder. 18 Die heute übliche Sprache Aseri (Aserbaidschanisch) lässt sich auf Albaner und Türken zurückführen, die das Land bereits sehr früh besiedelten. Die größte türkische Einwanderungswelle in den Kaukasus bildeten im 11. Jahrhundert die Seldschuken. Da sie die Region in solch großer Zahl besiedelten, übernahmen die Bewohner ihre Kultur, Religion und Sprache. Aseri gehört zur ogusischen Gruppe der Turksprachen und ähnelt dem heutigen Türkisch. In den zwanziger Jahren wurde die arabische Schrift durch die lateinische, und diese in den dreißiger Jahren wiederum durch die kyrillische Schrift ersetzt. Heute kehrt man wieder zum lateinischen Alphabet zurück. Während der Sowjetzeit waren Russisch und Aseri die Amtssprachen, wobei man sich bei Regierungsangelegenheiten hauptsächlich des Russischen bediente. Heute wird in allen Bereichen Aseri verwendet. Viele Aseris beherrschen aber Russisch, und zahlreiche Veröffentlichungen des Landes sind in Russisch verfasst. Erlasse der Regierung erscheinen in beiden Sprachen. Die meisten Einwohner Aserbaidschans sind heute Aseri. Abgesehen von ihnen leben hier aber auch russische, tatarische, georgische, ukrainische, vor dem Krieg auch eine armenische, lesgische und kurdische Minderheiten. Manche dieser Gruppen, wie z. B. die Talysh, leben schon seit sehr langer Zeit in diesem Gebiet. Andere kamen erst im ausgehenden 19. Jahrhundert, als die Nutzung der reichen Ölfelder von Baku begann. Baku, die Hauptstadt Aserbaidschans ist eine weltoffene Stadt. Infolge eines Vertrags aus dem Jahr 1828 ging der nördliche Teil Aserbaidschans an Russland und der südliche Teil an den Iran. Seitdem sahen sich die so getrennten Aseri verschiedenen Schicksalen gegenüber. Heute leben im Iran mehr Aseri als in Aserbaidschan. Zu Sowjetzeiten war es für Angehörige dieses Volkes oft schwierig, ihre Verwandten auf der anderen Seite der Grenze zu besuchen. Diese Lage hat sich aber in jüngster Zeit geändert, und die Menschen können wieder engere Beziehungen pflegen, wenn auch Spannungen zwischen den beiden Staaten bestehen. 8.2 Geschichte Das Gebiet von Aserbaidschan war Teil des persischen Großreiches. Im 7. Jahrhundert nach Christus wurde es nach heftigen Kämpfen von den Arabern erobert. In späteren Jahrhunderten kam es zur Invasion von Turkstämmen, die im 11. und 12. Jahrhundert dieses Gebiet beherrschten. Es folgte die Herrschaft der Tataren, bevor Aserbaidschan im 17. Jahrhundert wieder unter die Kontrolle der Perser geriet. Nach zwei Kriegen ( 1813 und 1828 ) musste der nördliche Teil an Russland abgetreten werden, während der südliche Teil – die heutige iranische Provinz Aserbaidschan – bei Persien verblieb. 1918 riefen nationalistische islamische Kräfte die unabhängige Republik Aserbaidschan aus, die sich jedoch nur zwei Jahre behaupten konnte, bis sie von Truppen der Roten Armee besetzt wurde. Im Jahre 1920 wurde die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik Aserbaidschan ausgerufen, die wenig später mit Georgien und Armenien zur Transkaukasischen Föderativen Sowjetrepublik vereinigt wurde. Nach deren Auflösung wurde das Land als Aserbaidschanische Sozialistische Sowjetrepublik Bestandteil der UdSSR. Die wirtschaftliche Bedeutung Aserbaidschans für die UdSSR lag vor allem in ihrem Ölreichtum. Schon seit dem Altertum war das in der Umgebung von Baku vorkommende Öl für medizinische und religiöse Zwecke („Feueranbeter“) verwendet 19 worden. 1848 waren auf der Halbinsel Apscheron erste Ölbrunnen gebohrt und später die erste Raffinerie errichtet worden. Nachdem die Nutzungsrechte – ursprünglich auf zwei Jahre begrenzt - freigegeben wurden, begann der explosionsartige Aufstieg Bakus, für den die Namen Nobel und Rothschild stehen. Baku wurde zum Ölzentrum der Welt. Bis in den Zweiten Weltkrieg hinein hatte das aserbaidschanische Öl auch eine besondere strategische Bedeutung, was das Interesse der Wehrmacht, in diesen Raum vorzustoßen, erklärt. Als sich aber die alten Ölfelder erschöpften und gleichzeitig Anfang der 70er Jahre neue Ölvorkommen in Westsibirien und Kasachstan entdeckt wurden, setzte der Niedergang der aserbaidschanischen Ölindustrie ein ( 1950 – 39% der sowjetischen Ölproduktion, 1980 – 2,4% ). Zurück blieb eine völlig devastierte Landschaft, vor allem in den Außenbezirken von Baku. Das Land blieb aber einer der Hauptproduzenten für Ölbohrausrüstungen. Die Off-shore-Reserven waren sträflich vernachlässigt geblieben, erst der Ausfall des iranischen und irakischen Öls im Gefolge der Golfkriege, neue Explorations- und Fördertechniken sowie das Absehbare Ende des Nordseeöls weckten das Interesse am Öl aus dem Kaspischen Meer. Das Engagement westlicher Ölkonzerne, das sich bereits während der Perestrojka gezeigt hatte, wurde aber verzögert durch den Karabach-Krieg, die innenpolitischen Krisen und die Konkurrenz der westlichen Ölkonzerne. Zwar gab es – begrenzt aber auf intellektuelle Schichten – auch in Aserbaidschan den Wunsch nach Selbständigkeit, trotzdem gehörte die Bakuer Regierung zu den relativ zuverlässigen der Moskauer Zentrale, bis armenische Gebietsansprüche als Katalysator der Ausbreitung einer nationalistischen Bewegung wirkten. Eine Radikalisierung war die Folge, die am Jahreswechsel 1989/90 zu Grenzdurchbrüchen von Nachitschewan in den Iran führte. Übergriffe auf russische und armenische Bewohner Bakus und die Bildung von paramilitärischen Milizen schufen eine Situation, in der die Nomenklatura vor Ort und die Moskauer Zentrale einen militärischen Einsatz befürworteten. Am 19.1.1990 marschierten sowjetische Truppen in Baku ein, bei den folgenden Kämpfen kamen 131 Menschen zu Tode. Die folgenden Massenaustritte führten zum Zusammenbruch der Kommunistischen Partei. Am 22.1.1990 übernimmt Mutalibow die Macht – er sollte sich durch ein Referendum im September 1991 bestätigen lassen - , während Gejdar Alijew sich zum Präsidenten der Exklave Nachitschewan wählen ließ. Mutalibows Programm sah die Machtstabilisierung, einen kontrollierten Übergang zur Marktwirtschaft und die territoriale Integrität des Landes vor. 1991 wurde Aserbaidschan nach dem Zerfall der Sowjetunion unabhängig, trat aber noch im Dezember des gleichen Jahres der GUS bei. Durch eine enge Zusammenarbeit mit ausländischen Ölkonzernen versuchte er eine Art „nation building“ zu erreichen und die internationale Position seines Landes zu verstärken. Der Konflikt um Karabach und Massendemonstrationen stärkten aber die oppositionellen Kräfte. Auf den Versuch Mutalibows, Russland aus dem Konsortiumvertrag zu drängen, reagierte Moskau mit einer Unterstützung Armeniens und militärischen Drohgebärden. Um einen Bürgerkrieg zu vermeiden trat Mutalibow im März 1992 zurück. Nach einem zweimonatigen Chaos, in dem es den Armeniern gelang, die bedeutende Stadt Susa zu erobern, wird Eltschibey von der „Volksfront“ erster demokratisch gewählter Präsident Aserbaidschans. Demokratie, Turkismus und Islam wurden zu den obersten Prinzipien des Landes erklärt. Statt demokratischer Reformen und einem ökonomischen Aufschwung gab es nur pantürkische Visionen und einen stramm nationalistischen Kurs, der den Krieg in Karabach vorantrieb. Das 20 Parlament wurde aufgelöst, alle oppositionellen Parteien verboten, Mutalibow ins Moskauer Exil geschickt. Als der Putsch gegen Alijew in Nachitschewan fehlschlug, gründete dieser eine eigene Partei „Neues Aserbaidschan“. Die militärische Niederlage im Karabach-Konflikt führte zum innenpolitischen Chaos: Armenier wurden vertrieben, zigtausende Flüchtlinge strömten ins Land, Minderheiten wie Lesgen und Kurden formierten sich und ein gescheiterter Oberst des geschlagenen Karabach-Korps wagte unterstützt durch russische Söldner und Waffen den Aufstand. Eltschibey musste im Juni 1993 zurücktreten. Alijew – der ebenso wie Schewardnadse aus dem KGB kommt – festigte zunächst seine Macht, indem er die Führer der „Volksfront“ Eltschibeys verhaften ließ. Unter OSZE – Aufsicht ließ er in der Folge ein recht eigenwilliges Referendum durchführen, bei dem 97% der Aseris die Frage, ob sie noch Vertrauen in Eltschibey hätten, verneinten. Im Oktober 1993 ließ sie Alijew mit 98,8% - bei zwei Gegenkandidaten – zum Präsidenten wählen, nachdem ihm zuvor das Parlament auch die Exekutivgewalt übertragen hatte. Eine erste Säuberungsaktion wurde durchgeführt, der – nachdem Alijew einen Putsch gegen sich im Fernsehen angekündigt hatte – eine zweite folgte. !998 wurde er – diesmal mit 76% der Stimmen – in seinem Amt bestätigt, in Wahlen, die laut internationalen Beobachtern weder frei noch fair waren. Unter seiner Führung hat sich Aserbaidschan trotz 1,5 Millionen Flüchtlingen des Karabach Krieges, des Verlustes von einem Viertel des Staatsgebietes und schwierigen ökonomischen Verhältnissen erstaunlich stabilisiert. Eine nennenswerte Opposition existiert nicht, sein Clan – Alijews Sohn Ilham ist Vizepräsident der SOCAR – sitzt in allen wichtigen Machtpositionen. Das Verhältnis zu Moskau ist etwas entspannter und durch eine stärkere Anlehnung an den Westen gelang es Aserbaidschan sich etwas von der Türkei zu emanzipieren, gleichzeitig aber an der Achse Baku – Ankara – Tel Aviv zu arbeiten. Die Absicht, über das Öl den Karabach-Konflikt zu Bakus Gunsten zu beeinflussen, hat sich zwar noch nicht erfüllt, die armenische Lobby in Washington verliert aber immer mehr Boden gegeüber der aserbaidschanischen. Die soziale Situation ist – bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von etwa 60$ - eine problematische, Korruption, Prostitution und andere Formen der Kriminalität prägen die aserbaidschanische Gesellschaft. Die Hoffnung, das neue Kuwait zu werden, hat sich nicht erfüllt. Kurz vor dem Tod von Hejdar Alijew gewann sein Sohn Ilham – nach problematischen Wahlen – die Präsidentschaft. 9. Die Wirtschaft in den Ländern des Südkaukasus Über ein Jahrzehnt nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist die Anfangseuphorie, mit der man noch bis vor kurzem den Kapitalismus amerikanischer Prägung als einzige Alternative zum rigiden System der zentralen Planwirtschaft betrachtet hat, verflogen. Der radikale Übergang zur freien Marktwirtschaft durch eine sofortige Liberalisierung der Preise, des Handels und das Einführen freier Wechselkurse hat sich – aus heutiger Sicht – als überhastet, sogar kontraproduktiv erwiesen. Die unabgefedert durchgeführt „Transformation“ führte zu einer sozialen Katastrophe. Entsolidarisierung, Werteverfall und eine Kriminalisierung der Gesellschaft waren die Folge. Diese Entwicklung war aufgrund der schlechten geopolitischen Lage, einer unterentwickelten Infrastruktur, einer kaum konkurrenzfähigen Industrie, ethnischen Konflikten und Kriegen in den 21 südkaukasischen Ländern eine noch drastischere. Heute gehören Georgien, Armenien und Aserbaidschan zu den ärmsten Ländern der GUS. Nur in einigen Staaten Zentralasiens und in Moldawien ist das reale Pro – Kopf – Einkommen niedriger. In den Jahren 1991 bis 1994 ging die Wirtschaftsleistung um mehr als die Hälfte zurück. Dabei verfügt der Südkaukasus über wertvolle Rohstoffe, gute klimatische Bedingungen für die Landwirtschaft und große touristische Möglichkeiten. Das Bildungsniveau seiner Bevölkerung ist ein sehr hohes. In sowjetischer Zeit lag die Lebensqualität – besonders in den „Musterrepubliken“ Georgien und Armenien – weit über dem sowjetischen Niveau. Für die ökonomische Krise nach dem Zerfall der Sowjetunion war zu einem großen Teil die politische Instabilität verantwortlich. Hinzu kam noch, das in der UdSSR quasikoloniale Strukturen bestanden hatten nach dem Zentrum – Peripherie – Modell. Der Zerfall der zwischenstaatlichen Arbeitsteilung führte zu einer Verschärfung der ökonomischen Situation. Korruption, Schattenwirtschaft – in Georgien bis 40% des BIP - , illegaler grenzüberschreitender Waffen- und Drogenhandel sowie mafiose Strukturen wurden zum Teil schon in sowjetischer Zeit grundgelegt. Ein ineffizienter Umgang mit der billigen Energie hatte katastrophale ökologische Konsequenzen. Die Arbeitslosigkeit ist eine enorm hohe, die Entfaltungsmöglichkeiten für den einzelnen sind gering. Die ausländische Investitionsbereitschaft ist – angesichts der politischen Instabilität außer im Ölgeschäft eine sehr niedrige. Der inzwischen weitgehend deregulierte Handel mit niedrigen Zöllen fördern den Import ausländischer Konsumgüter, ohne dass dieser durch ein entsprechend hohes Exportvolumen gedeckt oder durch konkurrenzfähige heimische Qualitätsprodukte gedämpft werden könnte. Der Verfall wiederum der Rohölpreise hat sich im Falle Aserbaidschans verheerend ausgewirkt. Es gibt allerdings seit 1995 auch positive ökonomische Trends zu vermelden: etwa die erfolgreiche Privatisierung der Landwirtschaft in Armenien oder die höhere Budgetdisziplin aller drei Regierungen. Entscheidend für den weiteren wirtschaftlichen Aufstieg wäre aber eine enge Kooperation der südkaukasischen Staaten und eine Beilegung der ethnischen und zwischenstaatlichen Konflikte. Der wirtschaftliche Austausch mit der Russischen Föderation müsste verstärkt und die Währungen stabilisiert werden. Ohne westliche Hilfe wird dieser Nachholprozess aber noch Jahrzehnte dauern. 9. 1. Südkaukasien und die Erdöl-Problematik Durch das Engagement der westlichen Ölkonzerne bei der Exploration des Offshore-Ölvorkommens im Kaspischen Meer beginnt sich das Interesse der Weltöffentlichkeit stärker auf die Region des Südkaukasus hin zu orientieren. Neben den ethnischen, sozialen und historischen Gegensätzen beginnt das Öl zu einem weiteren Konfliktstoff zu werden. Dies gilt besonders für Aserbaidschan, das über besonders reiche Vorräte verfügt, aber auch für andere Staaten, sei es aufgrund ihrer Öl- oder Gasvorkommen, als Transitländer oder wie bei Armenien, das wegen dieser Entwicklung international isoliert zu werden droht. Um das Kaspische Meer herum scheint eine „neue Region“ zu entstehen, da das Meer, das bisher die Kaukasusregion von Zentralasien getrennt hat, die beiden Teile zu einem großen 22 euroasiatischen Wirtschaftsraum mit der Kaspischen Region im Zentrum verknüpfen wird. Begleitet wird diese Entwicklung von einer heftigen Renaissance geopolitischen Denkens, dessen Auswirkungen vom Balkan bis nach China reichen. Schon ist von einer Neuauflage des „great game“ die Rede. Wechselnde Allianzen, Spannungen und Rivalitäten werden aus diesen Entwicklungen resultieren. Neben die traditionellen Akteure – Russland, Türkei und Iran – sind die multinationalen Konzerne und ihre nationalen Regierungen getreten. Zusätzliche Komplikationen ergeben sich aus der ungeklärten Eigentumsfrage und der Ungewissheit um das Volumen der Öl- und Gasvorräte in diesem Raum. Das Kaspische Becken gilt als größte unerforschte Ölregion der Welt und könnte nach dem Persischen Golf zum zweitwichtigsten Gebiet für Hydrokarbonreserven der Welt aufsteigen. Der vermutlich langfristig wachsende Bedarf und die Unsicherheiten im Nahen und Mittleren Osten könnten diese Perspektiven unterstützen. Die Schätzungsbandbreite der gesamten Off-shore-Reserven des Kaspischen Meeres schwanken zwischen 20 und 200 Milliarden Barrel. Die gesicherten Reserven liegen etwas unterhalb von denen der Nordsee. Diese stark divergierenden Zahlen resultieren aus den unterschiedlichen Interessenlagen. So betonen russische und iranische Stellungnahmen die relative Bedeutungslosigkeit der Vorräte, während amerikanische Berater wie Brzezinski offensichtlich mit überhöhten Zahlen das US – Engagement stärken wollen. Während der britische Außenminister Cook von 10% der Weltreserven in diesem Raum spricht, schätzt das Londoner Institut für strategische Studien diese auf 3%. Auch ungeklärte Rechtspositionen und Eigentumsverhältnisse dämpfen die Hoffnungen auf eine baldige wirtschaftliche Prosperität dieses Raumes. Unklarheit herrscht darüber, ob die sowjetisch – iranischen Verträge von 1921 und 1940, welche das Kaspische Meer als See betrachten und durch das Prinzip der mittleren Linie geteilt haben, noch Geltung haben. Für diesen von Moskau vertretenen Standpunkt spricht die Gründungserklärung von Alma Ata (1991), in der die Nachfolgestaaten der UdSSR die Gültigkeit der von der Sowjetunion abgeschlossenen Verträge anerkannt haben. Aserbaidschan hat aber inzwischen seine Position gewechselt. Nach internationalem Recht können die Anrainerstaaten durch Übereinkunft aller einem Gewässer einen besonderen Status zubilligen. 1996 wurde ein Vertrag unterzeichnet, durch den den Anrainern exklusive Rechte innerhalb einer 45 Meilenzone zugebilligt wurden. Wichtige Ölfelder Aserbaidschans liegen aber außerhalb dieser. Während der russische Präsident noch zu weiteren Zugeständnissen bereit war, wurde dies von der Duma abgelehnt. Ein möglicher Kompromiss wäre ein Anteil von je 20% am Kaspischen Meer pro Anrainerstaat. Dem aber widersetzt sich der Iran, der eine enge Beziehung zu Turkmenistan eingegangen ist. Was die Russische Föderation aber unter keinen Umständen akzeptieren will, ist eine transkaspische Pipeline von Turkmenistan und Kasachstan nach Aserbaidschan. Mittlerweile haben die ungeklärten Eigentumsverhältnisse schon zu ersten Zwischenfällen geführt. Erschwert wird die Situation auch durch fehlende Exportwege, da die Länder des Kaspischen Beckens als einzige bedeutende Energieregion von den Weltmeeren abgeschnitten sind. Die Pipelinefrage ist deshalb seit mehreren Jahren eines der Hauptstreitobjekte der Region. Die bisher vorgeschlagenen Exportrouten würden – auf einer Karte dargestellt – ein unüberschaubares Geflecht von Transportwegen ergeben. Gemeinsam ist ihnen aber, dass sie durch politisch instabile Gegenden führen und einen hohen finanziellen sowie technischen Aufwand erfordern, wobei es 23 vor allem drei Problembereiche geht: den ökonomischen, sicherheitspolitischen und strategischen. Die benötigten Pipelines werfen nicht nur die Frage nach ihrer Finanzierbarkeit auf, sondern auch die nach der Konkurrenzfähigkeit des kaspischen Öls, speziell bei einem fallenden Energiepreis. Zudem amortisieren sich diese Investitionen erst auf lange Dauer hin, was eine politische Stabilität in dieser Region voraussetzen würde. Statt dessen werden vermutlich die gewählten Pipelinestrecken Konflikte in Zukunft geradezu provozieren. Dies zeigt sich etwa am Beispiel der Pipeline Baku – Noworossijsk, die eine der Ursachen für den Tschetschenienkonflikt darstellt. Auch verweisen die Erfahrungen im Nahen Osten, dass Pipelines außer Betrieb genommen werden mussten. Die Hoffnung auf eine Stabilisierung der Region – etwa durch die „Friedenspipeline“ von Aserbaidschan über Armenien in die Türkei oder der Vorschlag einer Pipeline von Supsa nach Abchasien – erwiesen sich als illusorisch. Pipelines schaffen keine Stabilität, sondern setzen eine solche vielmehr voraus. So könnte auch eine Stärkung der aserbaidschanischen Position aus westlichen ökonomischen Interessen zu einer Radikalisierung auf armenischer Seite führen. Die Entscheidung über die Ölroute ist somit wegweisend für die zukünftige Gestaltung der Kaukasusregion. Da dem Transitland damit ein gewaltiger Einfluss zufällt, muss der Ölexporteur mindestens zwei alternative Routen zur Verfügung haben. Außerdem zeigt der Streit um die Hauptpipeline für das aserbaidschanische Öl, dass strategische und ökonomische Interessen nicht immer kongruent sind. Dieser Konflikt um die möglichen Pipelines Baku – Noworossijsk / Baku – Supsa / Baku – Ceyhan war letztlich auch einer um die Einflusssphären zwischen Russland und der Türkei, hinter der die USA stehen. Die Entscheidung für die Linie Baku – Ceyhan, die längste und kostspieligste Version – auf Betreiben Clintons und Cillers war denn auch eine politische. Die Türkei hatte sogar mit der Sperrung des Bosporus für den Öltransit gedroht. Die Frage nach der Weitsichtigkeit dieser Politik werden die kommenden Jahre beantworten. Zwar ist die Türkei politisch aufgewertet worden und die Eindämmungspolitik der USA gegenüber dem Iran war aus ihrer Sicht erfolgreich. Sollten sich die Hoffnungen auf reichliche Ölressourcen im Kaspischen Meer nicht in dem Ausmaße erfüllen, wie erhofft – und bisher wurden vor allem Gaslager entdeckt – oder sollte nach einem Ende des Irak-Embargos noch mehr Öl auf dem Weltmarkt angeboten werden, so wird diese Region wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Die ökonomische und politische Zukunft Aserbaidschans, das über 70% seiner Investitionen in die Ölbranche leitet, wäre eine äußerst düstere. Auch wird Russland nicht so einfach auf seinen Einfluss im Südkaukasus verzichten können und wollen. Zwar ist der Handlungsspielraum Moskaus hier kleiner geworden, aber es ist noch immer in der Lage auf diesen Raum Einfluss zu nehmen: etwa durch das Anheizen separatistischer Tendenzen, die Diskussion um den rechtlichen Status des Kaspischen Meeres, die Schließung der Grenzen... Da sich auf dem Energiesektor sowohl ökonomische wie strategische Interessen treffen, bleibt der Südkaukasus als „Nahes Ausland“ im Interessenbereich Moskaus. Militärbasen in Armenien und Georgien bilden die logistische Voraussetzung für eine Wiederbelebung der militärpolitischen Drohpolitik etwa gegenüber Aserbaidschan. 24 10. Regionale Kooperationen im Südkaukasus Während die GUS einen Bedeutungsverlust hinnehmen musste, sind die NUS eigenständiger geworden und gehen auch neue Partnerschaften ein. Die GUAM – die Allianz von Georgien, der Ukraine, Aserbaidschan und Moldawien – beinhaltet nicht nur eine Kooperation in Energiefragen, sondern auch eine militärische Zusammenarbeit. Sie ist vor allem als Gegengewicht zur Militärpräsenz der Russischen Föderation gedacht und tendiert zur NATO. Großes Gewicht kommt dabei der Ukraine zu. Auch besteht in Georgien – die Zusammenarbeit mit der US – Armee ist bereits eine sehr enge – und in Aserbaidschan auf einen Beitritt zur NATO und eine engere Kooperation mit der EU. Indirekt wird diese Allianz durch das Projekt der TRANSECA / TRACECA – als „neue Seidenstraße“ – unterstützt, durch die Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Aserbaidschan, Georgien und die Ukraine durch Straßen, Eisenbahntrassen und Pipelines miteinander und mit der EU verbunden werden sollen. Die Bedeutung Georgiens als Transitland würde gewaltig wachsen und zum wichtigsten Wirtschaftssektor werden. 11. Entwicklungsperspektiven Seit nun schon mehr als 10 Jahren ist der Kaukasus von einer wachsenden Unrast erfüllt. Nationalistische Strömungen, die eine gänzliche Befreiung von russischer Kontrolle anstreben, zeigen sich auf unterschiedliche Weise. Da wären zum Beispiel die Rückbesinnung auf die jeweilige Religion nach 70 Jahren atheistischer Erziehung und das Wiedererstarken des Fundamentalismus, die Zurückdrängung der russischen Sprache in allen Bereichen des Lebens (Familie, Staatssprache, einsprachige Verkehrstafeln,...) oder eine stärkere Wertlegung auf die eigene Geschichte. So wie die oben erwähnten Republiken Unabhängigkeit von Russland anstreben, gibt es auch in diesen Ländern wiederum kleinere Regionen, die ebenfalls separatistische Tendenzen aufweisen (wie zum Beispiel Südossetien). Diese Bestrebungen werden oft unterdrückt, genauso wie Russland noch vor kurzem selbst die kaukasischen Republiken behandelte. Was wird nun mit dem Kaukasus passieren? Wird Russland Kompromissbereitschaft zeigen und den nordkaukasischen Republiken weitreichende Autonomien zugestehen? Und werden die abtrünnigen Provinzen sich damit begnügen? Oder zeigt sich Moskau unnachgiebig und dazu entschlossen, kein weiteres Stück Land mehr zu verlieren – diese Haltung ist nicht unwahrscheinlich, zwei Tschetschenienkriege sprechen jedenfalls dafür, und die Angst vor dem Dominoeffekt ist auch in Moskau existent. Eines gilt jedenfalls als sicher: Völker, die in Wohlstand leben, neigen weniger dazu, ihre Konflikte durch Kriege zu lösen als solche, die schon nichts mehr zu verlieren haben und aufgrund mangelnder Bildung leicht zu beeinflussen sind. Allein schon deshalb sollte Russland einen weniger restriktiven Kurs gegen die ihm verbliebenen Republiken einschlagen. 25 26