"Schräger Vogel" (Schweizer Familie 04/2015)

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WISSEN
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Im Sonnenlicht:
Das schwarze Kleid
des Waldrapps
schillert in vielen
Farben.
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SCHRÄGER VOGEL
Sein Kopf ist fast kahl, bloss ein paar Federn stehen als wirrer Busch
vom Haupt ab. Er sieht aus wie ein Wesen aus einer anderen Zeit.
Das ist er auch. Vor 350 Jahren starb der WALDRAPP bei uns aus.
Wollen Sie sehen, wie der Vogel im Tierpark Goldau brütet und seine
Küken aufzieht? Dann gehen Sie auf die Website
der «Schweizer Familie».
Text Susanne Rothenbacher
S
horty? Der gehts prächtig. Sie lebt
jetzt mit sieben anderen Waldrap­
pen zusammen und ist fleissig am
Balzen. Ich bin sicher, dass sie dieses
Jahr zum ersten Mal Küken aufziehen
wird.» Stolz schwingt in der Stimme
von Johannes Fritz mit. Der 47-jährige
Biologe leitet das Wiederansiedlungs­
projekt von Waldrappen in Europa.
Und Shorty ist sein berühmtester
Schützling.
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Schweizer Familie 18/2015
Fotos: mauritius
Die junge Waldrappdame wurde 2012
zum Star, weil sie sich nicht darum scher­
te, was Johannes Fritz für sie vorgesehen
hatte. Wie ihre Gefährten hätte sie aus
der Nähe ihres deutschen Geburtsortes
Burghausen in die Toskana fliegen sollen,
um dort den Winter zu verbringen. Doch
Shorty kam vom Weg ab und strandete in
der Zentralschweiz. Und zwar nicht nur
2012, sondern zwei Jahre später noch­
mals. Mit ihrer ungeplanten Odyssee
(lesen Sie mehr darüber auf Seite 29) lenk­
te Shorty die Aufmerksamkeit auf eine
Vogelart, die etwas Werbung nötig hat.
Bis zu Shortys Reklameflug waren
Waldrappe in der Schweiz kaum be­
kannt. Wie auch? Aus unserer Land­
schaft sind die Schreitvögel vor 350 Jah­
ren verschwunden. Und in den Zoos
gelten sie nicht gerade als Hauptattrak­
tion. Ihr Handicap ist ihr Aussehen.
«Läck, sind die hässlich», ruft eine Frau, ➳
Schweizer Familie 18/2015
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WISSEN
Herausgeputzt: Die
braunen Federn auf
dem Kopf zeigen,
dass es sich um ein
Jungtier handelt.
Kolonievögel:
Waldrappe sind
gesellige Tiere.
Nähe ist ihnen
wichtig, auch
beim Fressen.
In Freiheit
brüten sie Flügel
an Flügel.
als sie sich mit ihrer Familie der WaldrappVoliere im Natur- und Tierpark Goldau im
Kanton Schwyz nähert. Tierpfleger Markus Mettler, 45, zuckt die Schultern und
schweigt. Er ist solche Reaktionen auf seine schwarzrockigen, kahlköpfigen Pfleglinge gewohnt.
«Sie können sehr schön aussehen»
21 Waldrappe wohnen in dem Gehege.
Die einen begrüssen sich mit nickendem
Kopf, die andern stochern mit ihrem
­langen und bis in die Spitze mit Nerven
vollgepackten Schnabel im Sand nach
Mehlwürmern. Manche hocken noch
schlaftrunken auf einer Holzstange. Ein
Pärchen schnäbelt zärtlich miteinander,
ein anderes zankt sich heftig um ein
Zweiglein. Direkt vor unseren Füssen breitet ein Tier seine Flügel aus und lässt sich
die Frühlingssonne aufs Gefieder scheinen. Plötzlich schillert sein schwarzes
Kleid auf wunderbare Weise in allen Farben. Markus Mettler lächelt und sagt:
«Also, ich finde, so ein Waldrapp kann
sehr schön aussehen.» Schade, ist die Frau
nicht stehen geblieben – sie hat dieses eindrückliche Schauspiel verpasst.
Den Leserinnen und Lesern der
«Schweizer Familie» wird die Chance geboten, in aller Ruhe die verborgene Schönheit dieser seltenen Vögel zu entdecken.
Denn zurzeit flirten zwei Pärchen heftig
miteinander, haben öfter Sex und sind dabei, ein Nest zu bauen. Bald werden die
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Schweizer Familie 18/2015
beiden Weibchen Eier legen. Dank einer
neu installierten Webkamera ist es möglich, über die Website der «Schweizer Familie» im Internet live zu verfolgen, wie die
Altvögel die Eier ausbrüten und ihre Küken
aufziehen (lesen Sie mehr auf Seite 30).
«Es sind immer dieselben zwei Paare,
die sich im Frühling jeweils zusammentun, um zu brüten», erzählt Markus Mettler. «Die andern begnügen sich damit,
Nistmaterial zu klauen und zu stören.»
Studien haben gezeigt, dass Waldrappe
recht wählerisch sind, wenn es darum
geht, den richtigen Partner zu finden. Oft
sind zwei, die einander gefallen, ungefähr
im gleichen Alter und haben einen ähnlich
hohen sozialen Rang. Selbst bei einer sorgfältigen Auswahl hält die Liebe kaum ein
Leben lang: Unter Waldrappen kommt es
häufig zu Scheidungen.
Trotz Streitereien ist den Kolonievögeln
Nähe wichtig. Ihr lateinischer Name Geronticus eremita – greisenhafter Einsiedler
– bezieht sich wohl eher auf ihr Aussehen
denn auf ihr Verhalten: Waldrappe sind
sehr sozial und brüten auch in Freiheit Flügel an Flügel. «Deshalb haben wir vor einiger Zeit die trennenden Wände aus den
Brutnischen entfernt», sagt Markus Mettler, der die Vögel im Natur- und Tierpark
Goldau schon seit 16 Jahren betreut.
Beim Brüten und später auch beim Füttern der Jungen wechseln sich die Eltern ab.
Die Küken interessieren sich sehr früh für
ihre Umgebung. Bereits mit zwei Wochen
beugen sie sich oft weit über den Nestrand
und spähen umher. Im Alter
von etwa einem Monat beginnen sie mit ersten FlugübunFEINFÜHLIG BIS IN DIE SPITZE
gen. Und sie sind erstaunlich
Verhornte
verspielt, fallen übereinander
Schnabelhaut
her, verfolgen sich, balgen sich
(Keratin)
und liefern sich, sobald sie
Blutgefäss
einigermassen fliegen kön­
nen, richtige Luftschlachten.
Nichts ist sicher vor ihnen,
alles muss erkundet und unKnochen
tersucht werden. «Die Jungen
sind sehr neugierig», bestätigt
Tastsinneskörper
Markus Mettler. «Im GegenEpidermis
satz zu älteren Waldrappen.
Die sind sehr konservativ und
Der ganze Schnabel des Waldrapps ist mit Nerven
beäugen alles Neue kritisch.» ➳
versehen. So findet er tief in der Erde sein Futter.
Fotos: Zoo Basel, Christian Falk; Illustration: Alpenzoo Innsbruck
STECKBRIEF DES WALDRAPPS
Verwandtschaft: Ibisse.
Körperlänge: ca. 75 cm.
Spannweite:
bis zu 125 cm.
Schnabellänge:
bis 14 cm.
Gewicht: bis 1,9 Kilo.
Alter: 15 bis 20 Jahre. In
Zoos können Waldrappe
sogar über 30 Jahre alt
werden. Der älteste
Waldrapp im Naturund Tierpark Goldau ist
29 Jahre alt.
Geschlechtsreife:
2 bis 3 Jahre.
Brutsaison:
April bis Juni.
Gelegegrösse: meist
2 bis 4, maximal 7 Eier.
Brutdauer:
26 bis 28 Tage.
Flüggewerden: nach
46 bis 51 Tagen, meist
Anfang Juni. Die Jungen
bleiben auch nach dem
Flüggewerden bei den
Eltern.
Lebensraum: Waldrappe
bauen ihre Nester auf
Simsen in Felswänden
und suchen ihre Nahrung
auf Äckern und in
Feuchtgebieten.
Lebensweise: in
Kolonien.
Nahrung: Würmer,
­Insekten, Schnecken,
kleine Wirbeltiere.
Gefährdung: Waldrappe
gehören zu den zwölf
­gefährdetsten Vogelarten
der Welt.
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WALDRAPP SHORTY – DER VOGEL MIT DEM CHAUFFEUR
Im Herbst 2012 war Shorty gut
drei Monate alt und hatte eine
grosse Reise vor sich: Die junge
Waldrappdame sollte erstmals
zum Überwintern von ihrem
deutschen Geburtsort Burghausen an der Grenze zu Österreich in die Toskana fliegen. Sie
kannte den Weg nicht. Deshalb
folgte sie einem erfahrenen
Führer: Domino. Shorty und
Domino sind Teil des von der
EU geförderten LIFE + Wiederansiedlungsprojektes von
Waldrappen in Europa. Seit
2002 ziehen Mitarbeiter des
Projekts junge Waldrappe auf
und geleiten sie im Herbst mit
Hilfe von Ultraleicht-Fluggeräten in den warmen Süden. Haben sie sich die Route einmal
eingeprägt, ziehen die Vögel in
den folgenden Jahren selbständig los und führen ihrerseits junge Artgenossen an.
Geschlüpft:
Die Waldrappmutter legt
meist zwei bis
vier Eier. Die
Nester befinden
sich auf Simsen
in Felswänden.
Domino flog also mit Shorty im
Schlepptau ab, wählte aber
eine Route über das Wallis.
Dort verlor er Shorty. Die Flug-
«Die Waldrappe haben schnell
gelernt,die Mäuse und Bibeli aus dem
Futterhäuschen der Käuze zu fischen.»
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Köpfe – ein Merkmal, das normalerweise
Aasfresser auszeichnet – stehen sie auf frische Kost und stochern in weichem Boden
nach Insekten und anderem Getier wie
Würmern, Schnecken oder Reptilien und
erhaschen sogar kleine Vögel oder Mäuse.
2013 wurde Shorty im Auto in
die Toskana gefahren. Die Biologen wollten damit die falsch
eingeprägte Route in ihrem
Kopf löschen. Vergeblich: Zwar
flog Shorty im Frühling 2014
brav nach Burghausen zurück,
doch im Herbst zog es sie nicht
in die Toskana, sondern wieder
an den Zugersee. Zur Freude
ihrer Fans trug sie dieses Mal
einen funktionierenden GPSSender auf sich, der mit der
App Animal Tracker von jedem
schwächt und hatte Verletzungen an den Flügeln, erholte
sich aber gut: Am 16. März
2015 wurde sie – sicher verstaut in einer Transportbox –
nach Burghausen gefahren.
Von nun an wartet ein bequemes Leben auf Shorty: Sie
Auf Odyssee:
Waldrappdame Shorty.
Smartphone abgerufen werden
konnte. Als Shorty vom Kälteeinbruch im Februar überrascht wurde, konnte sie
schnell geborgen und in die
Krankenstation des Natur- und
Tierparks Goldau gebracht
werden. Sie war sehr ge-
wird meistens in Freiheit leben.
Doch wenn es Zeit ist, in den
Süden zu dislozieren, wird sie
eingefangen und mit dem
Auto in die Toskana chauffiert
– was sie mittler­weile ja gewohnt ist.
www.waldrapp.eu
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Markus Mettler, Natur- und Tierpark Goldau
Im Winter finden die geselligen Vögel
mit dem skurrilen Aussehen nördlich der
Alpen nicht genug Nahrung. «Waldrappe
waren Zugvögel», betont der österreichische Biologe Johannes Fritz. Er wählt die
Vergangenheitsform, weil es zurzeit welt- ➳
Ein guter Ruf ist Tradition
und meine Motivation.
Fotos: Christiane Böhm, Tierpark Goldau
crbasel
Unterschätzen dürfe man sie trotzdem
nicht. In der Voliere der Waldrappe leben
auch zwei Steinkäuze. «Die Waldrappe haben ziemlich schnell gelernt, die Mäuse
und jungen Bibeli aus dem Futterhäuschen
der Steinkäuze zu fischen. Wir haben das
Futterhäuschen dann umgebaut.»
Ursprünglich stammen Waldrappe aus
dem Mittleren Osten und aus Nordafrika.
Vermutlich gelangten sie im Gefolge von
Menschen nach Mitteleuropa und verbreiteten sich, weil sie von Waldrodungen und
Ackerbau profitierten. Trotz ihrer nackten
elevin galt als verschollen. Der
Natur- und Tierpark Goldau,
der eng mit dem Team des
Waldrappprojekts zusammenarbeitet, rief an Weihnachten
2012 zu einer Suchaktion auf.
Überall waren Bilder von
Waldrappen zu sehen, Zeitungen veröffentlichten Steckbriefe, sogar ihre Laute (ChrupChrup) wurden wiedergegeben.
Der Hilferuf hatte Erfolg: Anfang Januar 2013 wurde Shorty
in Risch am Zugersee gesichtet. Mal zog sie mit Graugänsen rum, dann schloss sie sich
Kormoranen an – einfangen
aber liess sie sich nicht. Eine
Netzkanone musste unverrichteter Dinge wieder abgeräumt
werden. Im Sommer kehrte
Shorty auf eigene Faust nach
Burghausen zurück.
«Lobt ein Kunde unseren Laden,
könnte ich vor Freude jutzen.»
Manuela Burri, stv. Ladenleiterin Volg
Weisslingen (ZH)
Die tägliche Autofahrt zu ihrem Arbeitsort Volg Weisslingen – von den Einheimischen «Wislig» genannt –
beginnt für Manuela Burri oft mit einem Jutz. Übung
macht bekanntlich die Meisterin! Seit rund sechs Jahren ist Manuela Burri Mitglied im Jodelchörli am Pfäffikersee. Ein Freund nahm sie zu einer Probe mit und
ihr gefiel’s. «Wir sind ein jung gebliebener Chor und
ich finde es wichtig, Traditionen fortzuführen», sagt die
29-Jährige. Bei Auftritten trägt sie die blau-weisse Zürcher-Oberländer-Werktagstracht. Ebenfalls noch zum
Zürcher Oberland gehört Goldingen, obwohl das Dorf
bereits knapp ausserhalb der Kantonsgrenze liegt. Hier
widmet Volg-Kunde Ruedi Kühne seine Freizeit einer
besonderen Oldtimer-Landmaschine.
Ruedi Kühne aus Goldingen (SG)
besitzt einen AecherliCombi-Trac, ein Ein-AchserTraktor Jahrgang 1956.
Hoch über der Töss thront
das Ausflugsziel Schloss
Kyburg im gleichnamigen Dorf.
Volg. Im Dorf daheim.
In Weisslingen zuhause.
WISSEN
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www.schweizerfamilie.ch
Willkommen in der
Waldrappe-WG
SLOW
LIVE
TV
Die schrägsten aller Vögel erwarten Nachwuchs. Dank einer Kamera
­direkt im Nest können Sie beobachten, wie es bei den gefiederten
­Elternpaaren zu- und hergeht. Von der Brut übers Schlüpfen bis zur
­Auswilderung. Gehen Sie auf www.schweizerfamilie.ch
Ab ins Winterquartier:
Waldrappe teilen
sich beim Formationsflug die
kräftezehrende
Führungs­arbeit.
weit nur noch eine einzige freilebende
Kolonie von wilden Waldrappen gibt – in
Marokko. «Diese Vögel zeigen jedoch kein
Zugverhalten mehr.»
2002 gründete Johannes Fritz mit einer Handvoll Mitstreitern das Projekt
Waldrappteam. Ihr Ziel: Waldrappe in
Europa wieder anzusiedeln – und zwar als
Zugvögel. Die grosse Herausforderung ist,
ausgewilderten Tieren den Weg in den
Süden zu weisen. Seit 2007 werden deshalb junge Waldrappe von menschlichen
Zieheltern darauf trainiert, einer dieser
Bezugspersonen in einem UltraleichtFluggerät zu folgen. 2011 kehrte der erste
Waldrapp selbständig aus dem Winter­
gebiet in der Toskana in sein Brutgebiet
zurück. «Es war ein Weibchen namens
Goja», erzählt Johannes Fritz. «Im Herbst
zeigte sie dann dem Jungvogel Jazu den
Weg in den Süden.» Anders als die eigenwillige Shorty verirrte sich Goja nie und
Eine Kooperation
des Tierparks Goldau
und der «Schweizer
Familie».
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www.schweizerfamilie.ch
Klicken Sie auf unserer Website
den Button «Slow TV» an. Hier finden
Sie die brütenden Vögel.
SLOW
LIVE T V
Gab dem
Waldrapp
den Namen:
Der Zürcher
Arzt Conrad
Gesner (1516
bis 1565).
«Shorty gehts prächtig. Sie ist fleissig
am Balzen. Ich bin sicher, dass sie
nun erstmals Küken aufziehen wird.»
Johannes Fritz, Biologe, Projekt Waldrappteam
flog auf geradem Weg in die Toskana. Leider kann sie ihre Erfahrung nicht mehr
weitergeben: 2012 wurde sie in Italien illegal abgeschossen.
«Lieblich Fleisch und weich Gebein»
Waldrappe galten schon im Mittelalter als
Delikatesse und wurden gejagt. Das geht
aus der «Historiae animalium» des Zürcher Arztes und Naturforschers Conrad
Gesner (1516 bis 1565) hervor. 1555 beschrieb Gesner als Erster den Waldrapp
und gab ihm seinen bis heute gebräuchlichen deutschen Namen. Er erwähnt, dass
die Vögel «leichtlich aufferzogen und gezähmet werden» können und fügt an: «Ihre
Jungen werden auch zur Speiss gelobt und
für einen Schleck gehalten: Dann sie haben
ein lieblich Fleisch und weich Gebein.»
Schon damals wurden Jagdverbote erlassen und Wilderer bestraft, trotzdem
konnten die Waldrappe den Nachstellungen durch Menschen nicht standhalten.
Zudem zog die Kleine Eiszeit herauf – in
Mitteleuropa wurde es empfindlich kalt.
Mitte des 17. Jahrhunderts gabs auch für
den Klerus und den Adel keine WaldrappPastete mehr: Die kahlköpfigen Gesellen
Fotos: Waldrappteam, akg/Science Photo Library
waren aus Europa verschwunden. Der
Waldrapp geriet so sehr in Vergessenheit,
dass spätere Wissenschafter ihn gar für ein
Fabelwesen hielten, das gar nie existiert
hat. Erst zwischen 1828 und 1850 wurde
er in Algerien, Marokko und in der Türkei
«wiederentdeckt».
Heute leben noch etwa 2000 Wald­
rappe in Zoos – und einige paar hundert
in Freiheit. Obwohl die Vögel am Rand
des Aussterbens stehen, ist Johannes Fritz
­zuversichtlich, dass es gelingt, ihnen in
Europa wieder eine Heimat zu schaffen.
Und irgendwann wird ein Waldrapp zur
richtigen Jahreszeit in die Schweiz fliegen
– im Frühling, auf dem Rückweg aus dem
Wintergebiet, um die erste Schweizer
Brutkolonie zu gründen.
●
Mehr über Waldrappe
«Der Waldrapp», Christiane Böhm und Karin
Pegoraro, Neue Brehm-Bücherei, 52.30 Fr.
Zu sehen sind die Vögel im Tierpark Goldau SZ
www.tierpark.ch
Zoo Basel www.zoobasel.ch
Zoo Zürich www.zoo.ch
Ornithologischer Verein der Stadt Zug
www.voliere-zug.ch
Schweizer Familie 18/2015
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