_______________________ Das Recht der Gleichnamigen 6. Juli 2014 Michael Goldmann 2 Gleichnamigenfälle vor 1896 als Anlass zur Gesetzgebung • Natürliches Recht zur Führung des eigenen Familiennamens • Pflicht zur Nutzung des eigenen bürgerlichen Namens bei der Firmenbildung von Einzelkaufleuten, OHG und KG (Art. 16, 17 ADHGB = §§ 18, 19 HGB a.F.) • Gesetzlicher Schutz älterer Firmen grds. nur gegen dieselbe jüngere Firma am selben Ort (Art. 20 ADHGB = § 30 HGB) • Resultat: Ausbeutung zufälliger Gleichnamigkeit durch Geschäftemacher mittels Strohmanngründung einer Gesellschaft = legal! Z.B. Fall "Knorr" Um der bekannten Konservenfabrik C.H. Knorr Konkurrenz zu machen, und durch Verwechslungen an deren Ruf zu schmarotzen, gründete ein Erbswurstfabrikant mit einem Tagelöhner namens Knorr eine Gesellschaft "Knorr & Co." Der Namensträger Knorr hatte "von einem kaufmännischen Geschäft nicht eine blasse Ahnung", war nur zweimal im Geschäft anwesend und schied bald aus der Gesellschaft aus (zit. bei Stegemann, 1894, Band I, S. 99). 3 Lösung des Gesetzgebers: § 8 UWG 1896 4 Verzicht auf das Vorsatzerfordernis im UWG 1909 • Bei übereinstimmendem Familiennamen in gleicher o. naher Branche i.d.R. Verwechslungsgefahr! • Meinungsstreit: Was ist mit dem Recht zur redlichen Führung des eigenen Familiennamens? Dieses Recht gibt es nicht mehr (Rosenthal). Dieses Recht gibt es nur als Kehrseite der Pflicht zur Namensführung in §§ 18, 19 HGB a.F. und zwingt zu einer gewissen Abrenzung (RG bis ca. 1936). Dieses Recht gibt ganz allgemein, es unterliegt aber einer Interessenabwägung und zwingt im Ergebnis zu einer gewissen Abrenzung (Breit und RG ab ca. 1940). • Resultat: Durch Interessenabwägung konturiertes Recht zur redlichen Führung des eigenen Familiennamens als ungeschriebene Schranke zu § 16 UWG 1909 5 Kodifizierung der Schranke in § 23 Nr. 1 MarkenG in Umsetzung d. Art. 6 Abs. 1 lit. a MarkenRL (alt) § 23 MarkenG - Benutzung von Namen und beschreibenden Angaben, Ersatzteilgeschäft Der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung hat nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr = aktuell rechtmäßig 1. dessen Namen oder Anschrift zu benutzen, geführter Familienname (Begr. RegE, BT-Drucks. 12/6581, S. 80) Problem: freigewählter "Handelsname" (Art. 8 PVÜ) lt. EuGH "AnheuserBusch" Tz. 78 Art. 14 I a MarkenRL (neu) sofern die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt. = "anständige Gepflogenheiten" Interessenabwägung und Abgrenzung – 6 "Schranken-Schranke" Interessenabwägung und Abgrenzung • Z.B. BGH GRUR 2013, 638, 641 Tz. 39 – Völkl „Zur Beurteilung der Fälle von Gleichnamigkeit, in denen eine geschützte Bezeichnung mit einer aus einem bürgerlichen Namen gebildeten Bezeichnung zusammentrifft, hat der BGH Grundsätze entwickelt, die im Rahmen des § 23 Nr. 1 MarkenG unverändert anwendbar sind. Danach muss der Inhaber des prioritätsälteren Kennzeichenrechts die Verwechslungsgefahr hinnehmen, die der Träger des prioritätsjüngeren Namensrechts dadurch hervorruft, dass er seinen Namen im Geschäftsverkehr führt, – wenn der Träger des prioritätsjüngeren Namensrechts ein schutzwürdiges Interesse an der Benutzung hat, – redlich handelt – und alles Erforderliche und Zumutbare tut, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen oder auf ein hinnehmbares Maß zu vermindern.“ . 7 Schutzwürdiges Interesse und Redlichkeit • Ein schutzwürdiges Eigeninteresse und Redlichkeit sind ist grundsätzlich zu bejahen, wenn der Namensträger – in Ausübung seines Rechts zur wirtschaftlichen Betätigung (Art. 12 GG) – allein oder in Gesellschaft – eine selbständige Tätigkeit aufnimmt. 8 Fehlende Redlichkeit • Strohmanngründungen BGH GRUR 1952, 511, 512 – Urköl’sch OLG Hamburg MuW XXIX, 350 f. – Gehrckens OLG Bremen MuW XXX, 203 – Upmann OLG Frankfurt WRP 1992, 718, 720 – Ferrari – In dem vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall "Ferrari" war der Strohmann Enrico Ferrari ursprünglich Gastwirt gewesen, bevor er sich mit einem nicht stimmberechtigten Geschäftsanteil von 1% des Stammkapitals an der beklagten Kosmetikgesellschaft beteiligte und noch am Gründungstag seinen Anteil an einen anderen Gesellschafter abtrat. • Evtl. zielgerichtete Namensänderung Vgl. LG Hamburg, Urt. v. 18. Februar 2014, Az. 312 O 573/12 – Deutschländer (zu Art. 12 Abs. 1 lit. a GMV). 9 Unterscheidende Zusätze • Regelmäßig Interessenüberhang beim Prioritätsälteren • Pflicht des Prioritätsjüngeren zur Abgrenzung durch unterscheidende Zusätze Die Hinzufügung eines Vornamens reicht in aller Regel nicht aus (BGH GRUR 1991, 475, 477 – Caren Pfleger), anders u.U. bei sehr häufigen Familiennamen (Ströbele/Hacker, § 23 MarkenG Rn. 36) und/oder bei sehr ungebräuchlichen und auffälligen Vornamen (LG Bochum, Urt. v. 31. August 2013, Az. I-12 O 190/14). Ein Bildzeichen als Zusatz ist nicht ausreichend. (BGH GRUR 1955, 42, 44 – rote Blume) Ebenfalls nicht ausreichend: Initialen (LG Hamburg, Beschl. v. 9. Oktober 2006, Az. 327 O 683/06 – O. Hagenbecks Haustierfutter), Rechtsformzusätze (BGH GRUR 1966, 623, 625 – Kupferberg), Branchenbeschreibungen (BGH GRUR 1998, 391, 394 – Dr. St. ... Nachf.), meist auch Ortsangaben (RG MuW XXIV, 13 – Oldenkott; OLG Hamburg GRUR-RR 2008, 342, 343 – powered by P & C), außer bei Verkehrsgeltung (z.B. "Aldi Süd ", "Aldi Nord"). Ausreichend z.B. Zusatz "Innovation", wenn der Prioritätsältere seinerseits den Zusatz »Original« nutzt (OLG Zweibrücken GRUR-RR 2002, 137, 138 – H. I. 10 Innovation). Aufklärende Hinweise • Statt unterscheidende Zusätze als milderes Mittel ggf. aufklärende Hinweise (BGH GRUR 2002, 706, 708 - vossius.de; BGH GRUR 2013, 397, 399 Tz. 26 – Peek & Cloppenburg III) Bei "spill over" von Werbung in den räumlichen Tätigkeitsbereich des anderen Namensträgers verlangt die Rechtsprechung nur aufklärende Hinweise, die deutlich machen, welchem Unternehmen die Werbung zuzuordnen ist. (BGH GRUR 2013, 397, 399 Tz. 26 – Peek & Cloppenburg III) Der Hinweis muß leicht erkennbar, deutlich lesbar, inhaltlich zutreffend, ohne weiteres erfaßbar und geeignet sein, einer unrichtigen Zuordnung der Werbung zum jeweils anderen Unternehmen zu begegnen: "Es gibt zwei unabhängige Unternehmen Peek&Cloppenburg mit ihren Hauptsitzen in Düsseldorf und Hamburg. Dies ist die Website der Peek&Cloppenburg KG in Hamburg. " Ist aufgrund der Eigenart einer Werbung (z.B. begrenzte Zeichenzahl bei einer Google-AdWord-Anzeige) die Schaltung eines ausreichend deutlichen Aufklärungstextes nicht möglich, muss von dieser speziellen Art der Werbung Abstand genommen werden; kein Anspruch auf die Verwendung bestimmter Werbeformen (LG Hamburg, Urt. v. 2. Juli 2015, Az. 327 O 18/14). Recht auf die Namensmarke? Wer ein prioritätsälteres Unternehmenskennzeichen hat, darf es auch nach Art einer Marke nutzen (BGH GRUR 1983, 764, 766 – Haller II). Die Grundsätze des Rechts der Gleichnamigen können es allerdings i.d.R. nicht rechtfertigen, dass der Name als Marke zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen verwendet oder gar als Marke eingetragen wird (RG MuW XXIV, 13 – Oldenkott; BGH GRUR 2011, 835, 837 Tz. 20 – Gartencenter Pötschke). Ausnahme: Wenn aufgrund schöpferischer Leistungen eine so enge Beziehung zwischen Produkt und Namen besteht, dass der Verkehr das Produkt ohnehin mit dem Namensträger identifiziert und es unzumutbar wäre, auf Benutzung des Namens als Marke zu verzichten (strenger Maßstab mit Blick auf Nr. 2 u. 3!). – Wohl (+): Künstler, bekannte Modedesignerin (vgl. BGH GRUR 1991, 475, 478 – Caren Pfleger) – (-): Gartencenter (BGH GRUR 2011, 835, 837 Tz. 22 ff. – Gartencenter Pötschke); Konfektionshaus (BGH GRUR 2011, 623, 627 Tz. 46 – Peek & Cloppenburg II); Ingenieurbüro (OLG Nürnberg, Urt. v. 17. März 2015, Az. 3 U 603/14 – Gauff). 12 Gleichgewichtslagen • Entsprechende Anwendung der Gleichnamigengrundsätze auf sog. "Gleichgewichtslagen" Koexistenzsituationen, die dadurch entstanden sind, daß die Rechte an verwechslungsfähigen Unternehmenskennzeichen jahrelang unbeanstandet nebeneinander bestanden haben (BGH GRUR 2010, 738, 741 f. Tz. 19 – Peek & Cloppenburg I; BGH GRUR 2011, 835, 836 Tz. 15 – Gartencenter Pötschke); Entstehung z.B.: – schlichte Untätigkeit des Prioritätsälteren (BGH GRUR 2011, 835 – Gartencenter Pötschke) – Verwirkung (RG MuW XXX, 183, 184 – Nordsee I) – Erstreckung von DDR-Rechten (BGH GRUR 1995, 754, 759 – Altenburger Spielkartenfabrik) – Abgrenzungsvereinbarungen (BGH GRUR 2010, 738, 742 Tz. 20 – Peek & Cloppenburg I) – Aufteilung eines Unternehmens (BGH GRUR 1987, 182 – Stoll) – Ausscheiden eines oder beider Unternehmen aus einem Konzernverbund (OLG Düsseldorf GRUR-RR 2008, 80, 81 – Mannesmann). Ende Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! ® 14