Nachruf auf Prof. Dr. Manfred Röhrs

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Nachruf auf Prof. Dr. Manfred Röhrs
22. 9. 1927 – 10. 11. 2005
Harald Schliemann
Am 10. November 2005 verstarb Professor Dr. rer. nat. Manfred Röhrs im
78. Lebensjahr, ehemals Ordentlicher
Professor für Zoologie an der Tierärztlichen Hochschule Hannover, Haustierforscher und Wirbeltiermorphologe, dem
ein vertieftes Verständnis für die Veränderungen der Organismen während der
Domestikation zu danken ist.
Manfred Röhrs wurde am 22. September 1927 in Rotenburg an der Wümme
geboren. Nach der Schulzeit in Rotenburg
und Bremen studierte er an der Christian
Albrecht - Universität in Kiel Zoologie,
Botanik, Bakteriologie und Chemie. 1953
wurde er dort mit einer vergleichenden
Arbeit über das Hirn von Urodelen promoviert. Der Doktorvater war Wolf Herre,
ein Schüler von Berthold Klatt.
Im Institut für Haustierkunde der Kieler
Universität war er zunächst von der DFG
bezahlter Mitarbeiter, dann 1954 Wissenschaftlicher Assistent. Habilitation und
Erteilung der Venia legendi für Zoologie
und Vergleichende Anatomie folgten im
Jahr 1959. In diesen Kieler Jahren ergab
sich auch die Möglichkeit zu mehreren
Forschungsreisen nach Anatolien, Schweden und für ein ganzes Jahr nach Südamerika. 1959 wird ihm von Curt Kosswig
die Leitung der Säugetierabteilung am
Hamburger Zoologischen Staatsinstitut
und Zoologischen Museum angeboten; es
handelt sich um die Nachfolge von Erna
Mohr. Im Zoologischen Museum setzt
Manfred Röhrs den Wiederaufbau der
Säugetierabteilung fort, deren großartiges Skelettmaterial im Krieg durch Bombeneinwirkung verloren gegangen war.
Noch 1959 nimmt Manfred Röhrs für
über sieben Monate an der ausgedehnten Angola - Expedition des Zoologischen
Museums Hamburg teil. 1962 reist und
sammelt er acht Monate lang mit seinem
Lehrer und Freund Wolf Herre in Argentinien, Paraguay und Brasilien. Beide
Forschungsreisen, eher im Stil großer
Expeditionen der Vergangenheit, erbrachten reiches Material für die deutsche Säugetierforschung, das Hamburger
Zoologische Museum und das Kieler
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Institut für Haustierkunde. Eine weitere
Reise, nämlich 1971 für vier Monate auf
den Galapagos – Archipel, wiederum
zusammen mit Wolf Herre, diente dem
Studium verwilderter Haustiere. Es war
nicht seine letzte große Forschungsreise,
obwohl neue, umfassende Verpflichtungen ihn seit 1965 voll und ganz in
Anspruch nahmen.
Das Jahr 1965 war für den weiteren
beruflichen Werdegang von besonderer
Bedeutung: Ernennung zum Außerplanmäßigen Professor an der Universität
Hamburg, gleichzeitig das ehrenvolle Angebot auf eine attraktive Position am Field
Museum in Chicago und der Ruf auf den
neu eingerichteten Lehrstuhl für Zoologie
an der Tierärztliche Hochschule Hannover. Diesem Ruf folgte er und wurde
noch in demselben Jahr Ordentlicher
Professor für Zoologie an dieser Hochschule und ein Jahr später Honorarprofessor an der Technischen Universität Hannover. Die nächsten Jahre waren dem
Aufbau des neuen Instituts und der Wahrnehmung sich rasch einstellender weiterer Verpflichtungen gewidmet: 1974 bis
1976 Rektor der Tierärztlichen Hochschule, Vertreter Niedersachsens auf der
Westdeutschen Rektorenkonferenz, 10
Jahre lang Sprecher eines Sonderforschungsbereichs der DFG, Vorsitz im
Beirat des Göttinger Primatenzentrums,
um nur die wichtigsten Positionen zu nennen. Den Ruf auf die Nachfolge Herre an
der Christian Albrechts-Universität lehnte
er 1977 ab und bleibt in seinem Institut, in
der Tierärztlichen Hochschule in Hannover, bis zum Ende seiner offiziellen
beruflichen Verpflichtungen. Daß Manfred Röhrs es vorzog, in Hannover zu blei60
ben, ist nur zu gut verständlich, wenn man
sich die dort von ihm geleistete Aufbauarbeit vor Augen führt: Vor 1965 gab es
kein Zoologisches Institut und keinen
Lehrstuhl für Zoologie in Hannover. Zoologische Lehrveranstaltungen wurden für
die angehenden Tierärzte vom Institut für
Parasitologie aus durchgeführt und ursprünglich war das neue Institut für
Zoologie auch ausschließlich für die
Belange der Tierärztlichen Hochschule
gedacht. Bald aber meldeten die Medizinische Hochschule und die Technische
Universität ihre Wünsche für den Unterricht im Fach Zoologie an und ab 1966
wurden alle drei Hochschulen Hannovers
aufgefordert, gemeinsam ein Vollstudium
der Biologie zu planen und durchzuführen. Es galt, das neu gegründete Institut
für Zoologie in räumlicher, finanzieller
und personeller Hinsicht so auszubauen,
daß man diesen Anforderungen gerecht
werden und das Biologiestudium schrittweise einführen konnte. Fünf Jahre nach
Einrichtung des Lehrstuhls für Zoologie,
1970, gab es in Hannover über 400 Biologiestudenten, die ihr Diplom erwerben
oder Lehrer an Gymnasien bzw. Realschulen werden wollten. Sieben Jahre
später wurde ein für die Zoologie geplanter Gebäudeteil bezogen, und die Zoologen konnten ein etabliertes Institut mit
einem ansehnlichen Personalstand und
lebendiger Forschung vorweisen. In dieser spielten Domestikations- und Evolutionsforschung nicht die einzige aber
eine zentrale Rolle.
In dem Institut herrschte eine freundliche, kollegiale, ja fast familiäre Atmosphäre. Einstimmig wird berichtet, daß
Manfred Röhrs sein Institut mit lockerer
Hand führte und daß zwischen ihm und
allen Mitarbeitern ein vertrauensvolles
Verhältnis bestand. Er war der anerkannte, respektierte Chef, dem aber Wissenschaftler und Techniker wegen seiner
Toleranz, Großzügigkeit und persönlichen
Bescheidenheit zugetan waren. Bei Erfüllung der umfangreichen Lehr- und Prüfungsaufgaben half man sich gegenseitig
aus, die Hauptvorlesungen aber hielt er
selbst. Das Verhältnis zu den Studierenden wird als herzlich beschrieben, die
große Zahl der Staatsexamensprüfungen
und der von ihm betreuten Doktorarbeiten in den Fächern Zoologie und Veterinärmedizin haben sicher mit der freundlichen Atmosphäre in seinem Haus zu tun.
Drei seiner wissenschaftlichen Mitarbeiter können sich in Hannover habilitieren.
Die Zeit, in der Manfred Röhrs seiner
Hochschule als Rektor vorstand und Niedersachsen in der Westdeutschen Rektorenkonferenz vertrat, waren hochschulpolitisch heftig bewegt. Die Verdienste, die
er sich als Zoologe für die Tierärztliche
Hochschule in dieser Zeit erwarb, haben
seine Position in Hannover gestärkt und
ihm dankbare Anerkennung eingetragen.
Das Oeuvre von Manfred Röhrs verweist sehr deutlich auf seine Herkunft aus
dem Kieler Institut für Haustierkunde: Es
geht ihm vornehmlich um Fragen und
Probleme der Domestikation und der
Evolution, daher spielen Haustiere in seiner Forschung eine herausragende Rolle.
Das Gehirn von Haus- und Wildtieren,
insbesondere von Carnivoren, ist Gegenstand zahlreicher Untersuchungen und
Betrachtungen, häufig in Verbindung mit
dem zentralen Anliegen der Domestikationsforschung. Daneben gibt es Arbeiten,
die der Systematik der Säuger oder der
Variabilität einzelner Merkmale bei Haustieren und Wildarten gewidmet sind. Das
Material für seine Untersuchungen hatte
er zu einem guten Teil auf seinen Reisen
selbst gesammelt. Seine wissenschaftliche Arbeit und Publikationstätigkeit haben nicht nur die Kenntnisse über Haustiere vermehrt und verbreitet, sondern
die Veränderungen, die mit der Domestikation einhergehen, insbesondere solche
des Hirns, erklärt und verständlich gemacht. Vor allem kommt seinen quantitativen, allometrischen Forschungsansätzen
grundsätzliche Bedeutung für die Morphologie und die Evolutionsforschung zu.
Hier liegen große Verdienste der Domestikationsforschung im allgemeinen vor,
an denen Manfred Röhrs einen großen
Anteil hat.
Nach Beendigung seiner beruflichen
Verpflichtungen im Jahre 1993 hat Herr
Röhrs zwar noch wissenschaftlich publiziert, aber er lebte für seine Kollegen
deutlich zurückgezogener. Die Kollegen,
die ihn kannten und ihm verbunden
waren, werden in Dankbarkeit an ihn als
einen besonderen Menschen und großartigen Wissenschaftler denken.
Prof. Dr. Harald Schliemann
Zoologisches Museum
Martin-Luther-King-PLatz 3
D-20146 Hamburg
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