Energie, Honig und blühende Landschaften

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29.09.2016 10:31 Hanspeter Walter
Bodenseekreis: Durchwachsene Silphie:
Energie, Honig und blühende Landschaften
Die "Durchwachsene Silphie" ist auf dem Vormarsch. Der Korbblütler liefert Biomasse und
ist eine Bienenweide. Landwirte und Imker sind gleichermaßen begeistert.
"Die Pflanze hat viele Qualitäten und ist ein guter Ersatz für den Mais als Energiepflanze":
Landwirt Ralf Brodmann aus Ostrach hat in den vergangenen Jahren mit seinem Partner
Thomas Metzler Erfahrungen im Anbau der "Durchwachsenen Silphie" gesammelt und
produziert auch Saatgut. Bilder: Hanspeter Walter | Bild: Hanspeter Walter
"Das ist ein wahrer Segen": Der Überlinge Imker Siegfried Wehrle ist begeistert, dass seine
Bienen auf diesem Feld bei Denkingen noch Ende September Nektar und Pollen finden. |
Bild: Hanspeter Walter
Denkingen/Überlingen – Die Biogasanlagen riefen nach Futter. Was kam, waren oft
Maiswüsten, die für die Landschaft ebenso trostlos sind wie für Insekten. Da es auch sonst
immer weniger Blütenpflanzen auf Äckern und Wiesen gibt, leiden auch Bienen längst
Hunger. Die Insektenvielfalt ist dramatisch zurückgegangen, klagen Biologen, der Rückgang
der Schmetterlinge ist dafür nur ein sichtbarer Indikator. Einen Ausweg aus dem Dilemma
sehen innovative Landwirte wie Ralf Brodmann und Thomas Metzler aus Ostrach, die seit
zwei Jahren mit der "Durchwachsenen Silphie" (Silphia perfoliata) in größerem Maßstab
blühende Landschaften schaffen, die Energie und Honig liefern.
Der Korbblütler aus Nordamerika mit seinen leuchtend gelben Blüten scheint das Zeug zum
Tausendsassa zu haben. 2007 wurde die Kulturpflanze auf wenigen Hektar erstmals
systematisch angebaut. In den vergangenen Jahren wurden die Qualitäten so richtig erkannt
und die Flächen haben deutlich zugenommen. Denn die produktive Pflanze vereint mehrere
Vorzüge. Nicht nur als Energiepflanze kommt "Silphie" auf ähnliche Werte bei der relevanten
Trockenmasse wie der Mais, auch die Blüten der bis zu drei Meter hohen Pflanze sind sowohl
eine Augenweide als auch eine Weide für die Bienen. Darüber ist der Überlinger Siegfried
Wehrle, Vorsitzender des Bezirks-Bienenzuchtvereins, ganz besonders erfreut.
"Die Pflanze ist ein wahrer Segen", sagt Wehrle voller Begeisterung. Einige seiner Völker
schwärmten noch Mitte September bei Denkingen aus, um Nektar und Pollen zu sammeln.
Mit ihrer Hauptblüte zwischen Juli und September passt Silphie bestens in den
Nahrungskalender der Bienen und schließt quasi eine Lücke. Die fleißigen Insekten finden
länger Nektar und liefern Honig, zudem können sich die Winterbienen fit für die kalte
Jahreszeit machen.
"Der Anbau funktioniert inzwischen gut", erklärt Landwirt Ralf Brodmann, der mit seinem
Kollegen im August zum ersten Silphie-Fest nach Hahnennest geladen hatte, um über die
Vorzüge zu informieren. Im ersten Jahr wird die Pflanze noch mit Mais ausgesät und bildet
am Boden unter dem schützenden Dach eine kräftige Rosette aus. Die Wurzeln wachsen bis
zu zwei, drei Meter weit in die Tiefe und im zweiten Jahr gehört das Feld dann ganz der
Durchwachsenen Silphie. Ihr weiterer großer Vorteil ist, dass sie mehrjährig ist und weniger
Stickstoffgaben benötig als der Mais. Im Herbst wird sie abgeerntet, im Frühjahr treibt sie
wieder aus.
Die Probleme, die andere Neophyten wie die kanadische Goldrute oder das indische
Sprinkgraut durch ihre rasante Verbreitung und Verdrängung einheimischer Pflanzen mit sich
bringen, macht "Silphie" nicht. Das sogenannte Invasionspotenzial wird daher als gering
eingeschätzt. "Es gibt keine Vermehrung über unterirdische Rhizome", sagt Bauer Brodmann:
Auf der anderen Seite seien auch andere Kulturpflanzen wie die Kartoffel oder die Tomate
schließlich einmal importiert worden, gibt er zu bedenken.
Das große Potenzial von Silphie haben Brodmann und Metzler längst erkannt, empfehlen die
Pflanze weiter und beraten inzwischen viele Kollegen. Bundesweit seien in diesem Jahr schon
rund 700 Hektar im Anbau gewesen, sagt Ralf Brodmann, davon allein 480 Hektar in BadenWürttemberg, zum größten Teil initiiert von dem Duo aus Ostrach. Derzeit sind die beiden
dabei, Anbau und Ertrag möglichst effizient zu gestalten. Dazu gehört zum einen die
Gewinnung von Saatgut, zum anderen muss die "Dormanz" oder Samenruhe aufgebrochen
werden, der bei Silphie ein relativ hoher Prozentsatz unterliegt. "Hier ist uns eine gute
Keimstimulation von bis zu 90 Prozent gelungen", erklärt Brodmann.
Auf welche Weise das gelingt, bleibt allerdings sein Betriebsgeheimnis. "Am Anfang mussten
wir 2012 rund 8000 Euro pro Hektar investieren", beschreibt der Landwirt die rasante
Entwicklung. "Inzwischen liegen wir bei etwa 1000 Euro."
Die Pflanze
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Die "Durchwachsene Silphie" kommt ursprünglich aus Nordamerika. Vor einigen
Jahrzehnten wurde der Korbblütler über Russland in die damalige DDR eingeführt und
sollte dort als Futterpflanze dienen, wofür sie allerdings nicht gut geeignet war. Der
deutsche Name für Silphium perfoliatum kommt vom Habitus, dass der bis zu drei
Meter hohe Stängel durch die paarigen Blätter zu wachsen scheint. Dass diese quasi
einen regelrechten Becher bilden, führte zum englischen Namen "Cup plant" und
befähigt die Pflanze, darin regelrecht Regenwasser zu sammeln. Dies macht sie auch
für trockenere Standorte geeignet. Dass sie wenig Stickstoff benötigt und Nitrat gezielt
aufnehmen kann, macht sie auch für Strandorte im Bereich von Wasserschutzgebieten
tauglich.
Im Anpflanzjahr bildet Silphie nur eine bodenständige Rosette. Daraus treiben ab
dem zweiten Standjahr im April bis Mai 1,80 bis drei Meter hohe, vierkantige Stängel,
die mit ungeteilten, an der Basis verwachsenen Blättern besetzt sind. In Abhängigkeit
vom Platz und Alter bildet jede Pflanze drei bis zehn Stängel aus. Im Juli beginnt die
Silphie zu blühen. Die leuchtend gelben rund sechs bis acht Zentimeter breiten
Blütenköpfchen stehen einzeln und endständig. Die Samenreife setzt im September
ein. Sowohl Blüte als auch Reife erstrecken sich über einen relativ langen Zeitraum.
(hpw)
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