Mehr Sicherheit geht einfach nicht Ehec hat im vergangenen Jahr eine ganze Branche auf den Kopf gestellt. Wir haben führende Experten dazu befragt. Ihre Einschätzung: Obst und Gemüse ist so sicher wie nie zuvor. Einziger Schwachpunkt: die Kommunikation. // Franziska Zieglmayer 46 besser verkaufen 05 |12 Sortiment Herr Weist, wie sicher ist unser Obst und Gemüse wirklich? Weist: Lebensmittel waren noch nie Welche Maßnahmen ergreifen Sie in Sachen Qualitätssicherung konkret? Weist: Die Maßnahmen beginnen bei der so sicher wie heute. Es gelingt uns aber nicht, dies zu vermitteln. Die Kühlketten sind sicherer, die Kontrollen engmaschiger geworden. Das Paradoxe ist allerdings, dass viele Verbraucher denken, dass unsere Erzeugnisse heute weniger sicher sind als noch vor zehn Jahren. Sortenauswahl und reichen über Bodenund Anbauproben bis hin zu Wareneingangskontrollen und Abklatschproben bei den Mitarbeitern. Wir kontrollieren auf jeder Stufe. Ein kleines Restrisiko können wir dennoch nie ganz ausschließen. Schneider: Wir haben Experten in den Ländern vor Ort auf jeder Stufe – von der Plantage über die Verschiffung bis hin zur Lieferung. Nur so können wir sicherstellen, dass unsere Qualitätsansprüche auch eingehalten werden. Rensch: Wo es sinnvoll ist, versehen wir die Produkte zusätzlich mit Schutzverpackungen, damit sie auch im Markt selbst noch geschützt sind. Im vergangenen Jahr erschütterte eine weitere Krise das Vertrauen der Verbraucher – Ehec. Die Folge: Umsatzeinbußen von bis zu zehn Prozent. Welche Lehren ziehen Sie daraus? Weist: Wir müssen sicherlich noch intensiver an unserem Krisenmanagement arbeiten und transparenter werden. Ich kann mich aber nur noch einmal wiederholen: Das von uns angebotene Obst und Gemüse ist sicher. Brügger: Ein Problem ist, dass man sich in Deutschland während der Ehec-Krise nicht auf das Wissen unserer Branche verlassen hat. Die Behörden haben nebenstatt miteinander gearbeitet, und der Wirtschaft gegenüber ist ein großes Misstrauen entstanden. Hier müssen wir ansetzen. Weist: Grundlegende Änderungen in den Betriebsabläufen im Frisch-Frucht-Segment wird es aber nicht geben. Bei Convenience-Produkten dagegen besteht entlang der Prozesskette Optimierungsbedarf. Herr Schulte, kann die Obst- und Gemüsebranche von anderen Branchen in Sachen Qualitätssicherung lernen? Schulte: Qualitätssicherung bei Obst und Gemüse ist professionell und umfassend. Bei Naturprodukten ist das Risiko naturgemäß etwas größer als bei vorverpackten Lebensmitteln, bei denen Prozesse leichter zu standardisieren und messbar sind Herr Brügger, ist Qualitätssicherung und Produktsicherheit in Ihrem Verband ein Thema? Brügger: Ja. Früher haben wir uns vor allem mit agrarpolitischen Themen ausein- Round Table ROUND TABLE Der RUNDSCHAU-Beirat Ernst Schulte, Geschäftsführer, Chiquita Deutschland Stephan Weist, Geschäftsführer, Landgard Obst & Gemüse Michaela Schneider, Marketingmanagerin Kontinentaleuropa, Fyffes Christoph Göring, Projekt Manager, Fruit Logistica Kaasten Reh, Projektleiter, Fruchthandel Magazin Matthias Rensch, Geschäftsführer Vertrieb, SanLucar Andreas Brügger, Geschäftsführer, Deutscher Fruchthandelsverband andergesetzt, heute geht es verstärkt um die Qualitätssicherung. Sind Bio-Produkte sicherer als konventionell erzeugte Waren? Schulte: Bio ist aus meiner Sicht eine Glaubensfrage. Insofern zeichnen sich Bio-Produkte vor allem dadurch aus, dass Händler damit mehr Geld verdienen können – was durchaus legitim ist. Unabhängig davon sind Bio-Produkte nicht sicherer als konventionell erzeugte Produkte. Das �� besser verkaufen 05 |12 47 Round Table �� Sortiment deutsche Lebensmittelrecht schützt die Verbraucher. Auch deshalb sind unsere Lebensmittel per se sicher. Mit Bio oder Nicht-Bio hat das nichts zu tun. Viele Verbraucher denken allerdings, Bio sei sicherer ... Reh: Das ist ein Klischee. Kontrollen gibt es sowohl bei Bio-Ware als auch bei konventioneller Ware. Brügger: Bei der konventionellen Produktion etwa mit geschlossenen Wasserkreisläufen und aufeinander abgestimmten Produktionsverfahren gibt es so gut wie keine Risiken. So gesehen ist der konventionelle Anbau sogar sicherer als Bio. Weist: Bio, fair und konventionell sind einfach unterschiedliche Philosophien. Das Unterscheidungsmerkmal dabei ist nicht das Thema Sicherheit. Es sind vielmehr Anbaukulturen mit unterschiedlichen Zielgruppen und Risikoprofilen. Schneider: Es gibt immer schwarze Schafe – sowohl im konventionellen Anbau als auch bei Bio. Daher ist es für jeden Marktteilnehmer wichtig, dass er vertrauensvoll mit den Produzenten zusammenarbeitet und dabei die Kontrollen nicht vergisst. 48 besser verkaufen 05 |12 Weist: Eine Profilierung mit immer noch geringeren Rückständen etwa von Spritzmitteln, die immer weiter unter den gesetzlichen Standards liegen, geht an den jektiv betrachtet nicht. Zwar ist man bei Bedürfnissen des Verbrauchers vorbei. regionalen Produkten näher an der RückDas kann ein Kunde gar verfolgbarkeit, die Risinicht einordnen. Positiv ken allerdings bleiben bei Obst und Gemüse auch hier. Lebensmittel waren ist, dass sich viele der Schulte: Regionalität ist nie sicherer, aber es Unsicherheitsfaktoren ein intelligentes Markegelingt uns nicht, das optisch auf der Ware tingkonzept und spielt auch zu vermitteln. widerspiegeln. mit Emotionen. RegioStephan Weist, nale Produkte bieten Geschäftsführer Landgard ein Stück „Heimat“. Welche Rolle spielt Ist die regionale Herkunft eines Produktes ein Qualitätssicherungsgarant? Weist: Emotional gesehen sicherlich. Ob- Über eine bessere oder schlechtere Produktion sagt eine regionale Herkunft nichts aus. Rensch: Regionalität ist in meinen Augen emotional geprägt. Dabei sind regionale Produkte nicht grundsätzlich qualitativ besser oder sicherer. Wie lässt sich Qualitätssicherung am Point of Sale kommunizieren? Brügger: Wir sollten zunächst deutlich machen, dass Qualitätssicherung und Produktsicherheit nicht dasselbe ist. Vollkommen unbelastete Produkte können qualitativ schlecht sein. Schulte: Ich halte es nicht für zielführend, Qualitätssicherung am Point of Sale zu dramatisieren. Das sät nur Zweifel. Ein gewisser Standard sollte einfach selbstverständlich sein – und auch von den Kunden als solcher wahrgenommen werden. der Preis in Sachen Qualität? Brügger: Wenn wir über Qualität sprechen, dann sollten wir auch über das Thema Preis reden. Die Rechnung ist einfach: Je höher der Preis, desto besser die Qualität. Im preisgetriebenen Deutschland wird vieles über ähnlich niedrige Preise vermarktet. Dass diese Preispolitik zulasten der Qualität geht, ist logisch. Schneider: Einige Kaufleute versuchen inzwischen das Thema Produktqualität mehr in den Vordergrund zu stellen. Dort sieht man, dass auch die deutschen Konsumenten durchaus bereit sind mehr zu bezahlen – wenn Geschmack und Qualität wirklich überzeugen. Weist: Mit hochpreisigen Marken gelingt es vielen Händlern auch ihr Profil zu schärfen. Inzwischen zählt nicht mehr nur „Hauptsache billig“. Diese Konzepte errei- �� Round Table �� Sortiment größen sind kosten- und materialintensiver – das geht in die falsche Richtung. Weist: Wir setzen auf Category Management. Damit entschärfen wir den Spagat zwischen weniger Regallücken und bedarfsgerechten Anliefermengen. Zudem achten Unsere Erzeugnisse wir bei unseren LieferJeder Bundesbürger sind sicher. Das hat betrieben darauf, dass wirft jährlich 82 Kilo mit Bio oder Nichtdie Kühlkette lückenlos Lebensmittel weg – Bio nichts zu tun. eingehalten wird. ein Großteil davon ist Obst und Gemüse. Schneider: Wir müssen Ernst Schulte, Was sagen Sie dazu? eine größere WertschätGeschäftsführer Chiquita Schulte: Ich finde es zung für all unsere Produkte generieren. Das ist gut, dass das Problem ein langfristiger Prozess. thematisiert wird. Die Art und Weise ist übertrieben. Mir fehlen in dieser Diskussion konkrete Lösungsansätze. Ihre persönliche Empfehlung: Wie lässt sich Qualität in der Obst- und GemüseWeist: Auch hier ist das Grundproblem abteilung noch besser vermarkten? die Wertigkeit unserer Lebensmittel. Wenn Weist: Jeder Kaufmann sollte das Geein Salat nur 19 Cent kostet, ist es klar, dass mehr gekauft als benötigt wird. schmackserlebnis, etwa durch Verkostungen, an die Kunden kommunizieren – und Schneider: Der Appell an die Industrie, den Gegenwert dafür einfordern. kleinere Verpackungen zu produzieren, ist nicht zielführend. Kleine VerpackungsSchulte: Die Kaufleute sollten ihr Angebot chen allerdings nicht jeden Verbraucher. Viele Kunden können sich nämlich hochpreisige Produkte einfach nicht leisten. Was dann vom Qualitätsbegriff noch bleibt, ist allein die Sicherheit. Der Genuss bleibt auf der Strecke. an Obst und Gemüse angemessen inszenieren – über die Produkte informieren, über ihre Wertigkeit, ihre ernährungsphysiologische Bedeutung. Obst und Gemüse primär über niedrige Preise zu verkaufen, funktioniert dauerhaft einfach nicht. Schneider: Obst- und Gemüse ist das Aushängeschild jedes Marktes. In den letzten Jahren haben viele Händler in ihren Obstund Gemüseauftritt investiert. Diesen Weg sollten sie weitergehen und mit ThemenPromotionen regelmäßig neu aufladen. Göring: Ich sehe definitiv den Preis als die größte Hemmschwelle. Genau diese gilt es zu überwinden. Greift der Verbraucher einmal zu qualitativ hochwertigen Produkten und überzeugt ihn dann der Geschmack, wird er immer wieder zu diesen – vielleicht auch teureren – weil qualitativ überzeugenden Produkten greifen. Reh: Richtig. Obst und Gemüse darf einfach nicht verramscht werden. Hier sehe ich vor allem den Lebensmittelhandel in der Verantwortung. Eine Aufgabe der Kaufleute sollte es sein, den Wert unserer Lebensmittel in Deutschland konsequenter zu vermitteln. Und zwar am Point of Sale, dort, wo die Verbraucher einkaufen. Rensch: Ein wichtiger Faktor ist das Personal. Nur durch ausgebildete und motivierte Mitarbeiter lässt sich Wertigkeit am Point of Sale kommunizieren. // Der Fachbeirat trifft sich jedes Jahr, um Kaufleute für aktuelle Themen zu sensibilisieren und die Sieger im Wettbewerb „Deutschlands Beste Obst- und Gemüse-Abteilung“ zu küren. Ihr Fazit: Noch mehr Aufklärung hin zum Verbraucher und den Interessenorganisationen ist Pflicht, Qualität das Vermarktungsthema schlechthin. 50 besser verkaufen 05 |12 Fotos: S. Hund, RU info