Mehr Sicherheit geht einfach nicht

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Mehr Sicherheit
geht einfach nicht
Ehec hat im vergangenen Jahr eine ganze Branche auf den Kopf gestellt. Wir haben
führende Experten dazu befragt. Ihre Einschätzung: Obst und Gemüse ist so sicher
wie nie zuvor. Einziger Schwachpunkt: die Kommunikation. // Franziska Zieglmayer
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Herr Weist, wie sicher ist unser Obst
und Gemüse wirklich?
Weist: Lebensmittel waren noch nie
Welche Maßnahmen ergreifen Sie in
Sachen Qualitätssicherung konkret?
Weist: Die Maßnahmen beginnen bei der
so sicher wie heute. Es gelingt uns
aber nicht, dies zu vermitteln. Die
Kühlketten sind sicherer, die
Kontrollen engmaschiger geworden. Das Paradoxe ist allerdings,
dass viele Verbraucher denken, dass
unsere Erzeugnisse heute weniger sicher
sind als noch vor zehn Jahren.
Sortenauswahl und reichen über Bodenund Anbauproben bis hin zu Wareneingangskontrollen und Abklatschproben bei
den Mitarbeitern. Wir kontrollieren auf
jeder Stufe. Ein kleines Restrisiko können
wir dennoch nie ganz ausschließen.
Schneider: Wir haben Experten in den
Ländern vor Ort auf jeder Stufe – von der
Plantage über die Verschiffung bis hin zur
Lieferung. Nur so können wir sicherstellen, dass unsere Qualitätsansprüche auch
eingehalten werden.
Rensch: Wo es sinnvoll ist, versehen wir
die Produkte zusätzlich mit Schutzverpackungen, damit sie auch im Markt selbst
noch geschützt sind.
Im vergangenen Jahr erschütterte
eine weitere Krise das Vertrauen der
Verbraucher – Ehec. Die Folge: Umsatzeinbußen von bis zu zehn Prozent.
Welche Lehren ziehen Sie daraus?
Weist: Wir müssen sicherlich noch intensiver an unserem Krisenmanagement
arbeiten und transparenter werden. Ich
kann mich aber nur noch einmal wiederholen: Das von uns angebotene Obst und
Gemüse ist sicher.
Brügger: Ein Problem ist, dass man sich in
Deutschland während der Ehec-Krise
nicht auf das Wissen unserer Branche verlassen hat. Die Behörden haben nebenstatt miteinander gearbeitet, und der Wirtschaft gegenüber ist ein großes Misstrauen
entstanden. Hier müssen wir ansetzen.
Weist: Grundlegende Änderungen in den
Betriebsabläufen im Frisch-Frucht-Segment wird es aber nicht geben. Bei Convenience-Produkten dagegen besteht entlang
der Prozesskette Optimierungsbedarf.
Herr Schulte, kann die Obst- und Gemüsebranche von anderen Branchen in
Sachen Qualitätssicherung lernen?
Schulte: Qualitätssicherung bei Obst und
Gemüse ist professionell und umfassend.
Bei Naturprodukten ist das Risiko naturgemäß etwas größer als bei vorverpackten
Lebensmitteln, bei denen Prozesse leichter
zu standardisieren und messbar sind
Herr Brügger, ist Qualitätssicherung
und Produktsicherheit in Ihrem
Verband ein Thema?
Brügger: Ja. Früher haben wir uns vor allem mit agrarpolitischen Themen ausein-
Round Table
ROUND TABLE
Der RUNDSCHAU-Beirat
Ernst Schulte, Geschäftsführer,
Chiquita Deutschland
Stephan Weist, Geschäftsführer,
Landgard Obst & Gemüse
Michaela Schneider, Marketingmanagerin
Kontinentaleuropa, Fyffes
Christoph Göring, Projekt Manager,
Fruit Logistica
Kaasten Reh, Projektleiter,
Fruchthandel Magazin
Matthias Rensch, Geschäftsführer Vertrieb,
SanLucar
Andreas Brügger, Geschäftsführer,
Deutscher Fruchthandelsverband
andergesetzt, heute geht es verstärkt um
die Qualitätssicherung.
Sind Bio-Produkte sicherer als
konventionell erzeugte Waren?
Schulte: Bio ist aus meiner Sicht eine Glaubensfrage. Insofern zeichnen sich Bio-Produkte vor allem dadurch aus, dass Händler damit mehr Geld verdienen können
– was durchaus legitim ist. Unabhängig
davon sind Bio-Produkte nicht sicherer als
konventionell erzeugte Produkte. Das
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deutsche Lebensmittelrecht schützt die
Verbraucher. Auch deshalb sind unsere
Lebensmittel per se sicher. Mit Bio oder
Nicht-Bio hat das nichts zu tun.
Viele Verbraucher denken allerdings,
Bio sei sicherer ...
Reh: Das ist ein Klischee. Kontrollen gibt
es sowohl bei Bio-Ware als auch bei konventioneller Ware.
Brügger: Bei der konventionellen Produktion etwa mit geschlossenen Wasserkreisläufen und aufeinander abgestimmten
Produktionsverfahren gibt es so gut wie
keine Risiken. So gesehen ist der konventionelle Anbau sogar sicherer als Bio.
Weist: Bio, fair und konventionell sind
einfach unterschiedliche Philosophien.
Das Unterscheidungsmerkmal dabei ist
nicht das Thema Sicherheit. Es sind vielmehr Anbaukulturen mit unterschiedlichen Zielgruppen und Risikoprofilen.
Schneider: Es gibt immer schwarze Schafe
– sowohl im konventionellen Anbau als
auch bei Bio. Daher ist es für jeden Marktteilnehmer wichtig, dass er vertrauensvoll
mit den Produzenten zusammenarbeitet
und dabei die Kontrollen nicht vergisst.
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Weist: Eine Profilierung mit immer noch
geringeren Rückständen etwa von Spritzmitteln, die immer weiter unter den gesetzlichen Standards liegen, geht an den
jektiv betrachtet nicht. Zwar ist man bei
Bedürfnissen des Verbrauchers vorbei.
regionalen Produkten näher an der RückDas kann ein Kunde gar
verfolgbarkeit, die Risinicht einordnen. Positiv
ken allerdings bleiben
bei Obst und Gemüse
auch hier.
Lebensmittel waren
ist, dass sich viele der
Schulte: Regionalität ist
nie sicherer, aber es
Unsicherheitsfaktoren
ein intelligentes Markegelingt uns nicht, das
optisch auf der Ware
tingkonzept und spielt
auch zu vermitteln.
widerspiegeln.
mit Emotionen. RegioStephan Weist,
nale Produkte bieten
Geschäftsführer Landgard
ein Stück „Heimat“.
Welche Rolle spielt
Ist die regionale Herkunft eines Produktes ein Qualitätssicherungsgarant?
Weist: Emotional gesehen sicherlich. Ob-
Über eine bessere oder
schlechtere Produktion
sagt eine regionale Herkunft nichts aus.
Rensch: Regionalität ist in meinen Augen
emotional geprägt. Dabei sind regionale
Produkte nicht grundsätzlich qualitativ
besser oder sicherer.
Wie lässt sich Qualitätssicherung am
Point of Sale kommunizieren?
Brügger: Wir sollten zunächst deutlich
machen, dass Qualitätssicherung und Produktsicherheit nicht dasselbe ist. Vollkommen unbelastete Produkte können qualitativ schlecht sein.
Schulte: Ich halte es nicht für zielführend,
Qualitätssicherung am Point of Sale zu
dramatisieren. Das sät nur Zweifel. Ein gewisser Standard sollte einfach selbstverständlich sein – und auch von den Kunden
als solcher wahrgenommen werden.
der Preis in Sachen
Qualität?
Brügger: Wenn wir über Qualität sprechen, dann sollten wir auch über das
Thema Preis reden. Die Rechnung ist einfach: Je höher der Preis, desto besser die
Qualität. Im preisgetriebenen Deutschland
wird vieles über ähnlich niedrige Preise
vermarktet. Dass diese Preispolitik zulasten der Qualität geht, ist logisch.
Schneider: Einige Kaufleute versuchen inzwischen das Thema Produktqualität
mehr in den Vordergrund zu stellen. Dort
sieht man, dass auch die deutschen Konsumenten durchaus bereit sind mehr zu
bezahlen – wenn Geschmack und Qualität
wirklich überzeugen.
Weist: Mit hochpreisigen Marken gelingt
es vielen Händlern auch ihr Profil zu
schärfen. Inzwischen zählt nicht mehr nur
„Hauptsache billig“. Diese Konzepte errei-
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größen sind kosten- und materialintensiver – das geht in die falsche Richtung.
Weist: Wir setzen auf Category Management. Damit entschärfen wir den Spagat
zwischen weniger Regallücken und bedarfsgerechten Anliefermengen. Zudem achten
Unsere Erzeugnisse
wir bei unseren LieferJeder Bundesbürger
sind sicher. Das hat
betrieben darauf, dass
wirft jährlich 82 Kilo
mit Bio oder Nichtdie Kühlkette lückenlos
Lebensmittel weg –
Bio
nichts
zu
tun.
eingehalten wird.
ein Großteil davon ist
Obst und Gemüse.
Schneider:
Wir müssen
Ernst Schulte,
Was sagen Sie dazu?
eine
größere
WertschätGeschäftsführer Chiquita
Schulte: Ich finde es
zung für all unsere Produkte generieren. Das ist
gut, dass das Problem
ein langfristiger Prozess.
thematisiert wird. Die Art und Weise ist
übertrieben. Mir fehlen in dieser Diskussion konkrete Lösungsansätze.
Ihre persönliche Empfehlung: Wie lässt
sich Qualität in der Obst- und GemüseWeist: Auch hier ist das Grundproblem
abteilung noch besser vermarkten?
die Wertigkeit unserer Lebensmittel. Wenn
Weist: Jeder Kaufmann sollte das Geein Salat nur 19 Cent kostet, ist es klar,
dass mehr gekauft als benötigt wird.
schmackserlebnis, etwa durch Verkostungen, an die Kunden kommunizieren – und
Schneider: Der Appell an die Industrie,
den Gegenwert dafür einfordern.
kleinere Verpackungen zu produzieren, ist
nicht zielführend. Kleine VerpackungsSchulte: Die Kaufleute sollten ihr Angebot
chen allerdings nicht jeden Verbraucher.
Viele Kunden können sich nämlich hochpreisige Produkte einfach nicht leisten.
Was dann vom Qualitätsbegriff noch
bleibt, ist allein die Sicherheit. Der Genuss
bleibt auf der Strecke.
an Obst und Gemüse angemessen
inszenieren – über die Produkte informieren, über ihre Wertigkeit, ihre ernährungsphysiologische Bedeutung. Obst
und Gemüse primär über niedrige
Preise zu verkaufen, funktioniert dauerhaft einfach nicht.
Schneider: Obst- und Gemüse ist das Aushängeschild jedes Marktes. In den letzten
Jahren haben viele Händler in ihren Obstund Gemüseauftritt investiert. Diesen Weg
sollten sie weitergehen und mit ThemenPromotionen regelmäßig neu aufladen.
Göring: Ich sehe definitiv den Preis als die
größte Hemmschwelle. Genau diese gilt es
zu überwinden. Greift der Verbraucher
einmal zu qualitativ hochwertigen Produkten und überzeugt ihn dann der Geschmack, wird er immer wieder zu diesen
– vielleicht auch teureren – weil qualitativ
überzeugenden Produkten greifen.
Reh: Richtig. Obst und Gemüse darf einfach nicht verramscht werden. Hier sehe
ich vor allem den Lebensmittelhandel in
der Verantwortung. Eine Aufgabe der
Kaufleute sollte es sein, den Wert
unserer Lebensmittel in Deutschland konsequenter zu vermitteln.
Und zwar am Point of Sale, dort,
wo die Verbraucher einkaufen.
Rensch: Ein wichtiger Faktor ist
das Personal. Nur durch ausgebildete und motivierte Mitarbeiter
lässt sich Wertigkeit am Point of
Sale kommunizieren.
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Der Fachbeirat trifft sich jedes
Jahr, um Kaufleute für aktuelle
Themen zu sensibilisieren und
die Sieger im Wettbewerb
„Deutschlands Beste Obst- und
Gemüse-Abteilung“ zu küren.
Ihr Fazit: Noch mehr Aufklärung
hin zum Verbraucher und den
Interessenorganisationen ist
Pflicht, Qualität das Vermarktungsthema schlechthin.
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Fotos: S. Hund, RU
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