Eine literarische Komposition

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Eine literarische Komposition
Peter Goldsworthys Roman „Maestro“ hinterlässt beim Leser den Klang von zwischen den Zeilen gespielter
Musik. Von Lea Wenger, Ramona Süess, Norman Schoenemann, Jennifer Reinhard
„Österreich hat durch seine politischen Blamagen erreicht, dass man in
der grossen Welt auf Österreich aufmerksam wurde und es endlich einmal nicht mehr mit Australien verwechselt.“, stellt Peter Goldsworthy
seinem Buch Maestro ein KarlKraus-Zitat voran, welches sogleich
einen Bogen zwischen den zwei, im
Roman aufeinander treffenden, Welten und Leben spannt.
In den 60ern, der nordaustralischen
Stadt Darwin, wird der 15-jährige
Paul von seinen Eltern zu dem immigrierten Wiener Pianisten Eduard
Keller in den Musikunterricht geschickt. Während die musikbegeisterten Eltern überzeugt davon sind, einem grossen Pianisten gegenüber zu
stehen, scheinen dem begabten Paul
die unkonventionellen Methoden
seines betagten, eigenartig verbitterten Lehrers irrsinnig und zugleich
faszinierend. So glaubt er bald, in
seinem Lehrer einen ehemaligen Nationalsozialisten wieder zu erkennen.
„Der Unterschied zwischen einem
hochbegabten und einem grossen
Pianisten ist nicht viel, aber etwas“,
so Keller. Zwischen dem österreichischen Maestro und seinem australischen Schüler entsteht eine feine
Bindung, die einerseits geprägt ist
durch die geheimnisvolle Vergangenheit Kellers, der jegliche Fragen
seines Schülers bezüglich dem Familienfoto auf seinem Piano unkommentiert lässt. Andererseits erwachen
in Paul neben den Fantasien, die er
sich über Kellers Geschichte zusammenreimt, auch jene des Erwachsenwerdens, der jugendlichen Unbekümmertheit, der ersten Liebe und
Sexualität.
Nach der Einstellung seiner Unterrichtsstunden bei Keller, schildert der
Ich-Erzähler Paul seine Entwicklung
zum talentierten, aber eben nicht zum
grossen Konzertpianisten. Während
all der Zeit lässt ihn sein damaliger
Maestro nicht los. Erst Jahre später
erfährt Paul, was Eduard Keller vor
seiner Emigration aus Österreich
wirklich widerfahren ist.
Hauptperson ist die Musik
Goldsworthy verbindet in seinem
Roman verschiedene Themen, verwebt einige miteinander und streift
andere nur sachte. So zieht sich die
Beziehung zwischen Maestro und
Schüler als Faden durch die ganze
Geschichte, während an Paul der
typische Prozess der Reifung vom
pubertierenden Teenager zum erwachsenen Mann aufgezeigt wird.
Auf der Suche nach Erfüllung, Perfektion und Glück, erlangt er nach
und nach Bewusstsein über seine Zeit
mit dem Maestro und den Weg, den
er selbst eingeschlagen hat. Gleichzeitig erlebt der Leser anhand von
Eduard Keller die Depression der
Erinnerung an die Geschehnisse der
Nazizeit, aus der er keinen Ausweg
findet, mit.
Die allgegenwärtige, den ganzen
Roman überspannende Hauptperson
aber, ist die Musik. Sie ist an allen
Orten, in allen Situationen und Begegnungen anwesend, oft offensichtlich, manchmal auch versteckt. So
überrascht es wenig, dass gerade der
zweite der sieben Teile des Buches,
in dem Paul einerseits dem Geheimnis Kellers näher kommt andererseits
aber seine sexuellen Fantasien alles
andere in den Hintergrund rücken,
den Titel „Intermezzo“ trägt; Ein
musikalisches Charakterstück (meist
für Klavier) mit grosser melodischer
und emotionaler Breite. Aber auch
eine autobiografische Oper des 1864
geborenen Komponisten Richard
Strauss, dessen Rolle im Nationalsozialismus nicht vollends geklärt ist –
genau, wie jene Kellers. Ausserdem
zeigt das Buch, welche Kraft Musik
besitzt: „Wenn du willst, dass die
Leute dir deine Lügen glauben, packe
sie in Musik.“
Solche Verbindungen und Anspielungen geben dem dünnen Buch seine
musikalische Würze und stellen klar,
dass es, wie für die Musik, auch für
Literatur, eines Komponisten bedarf.
Der Komponist des, in diesem Herbst
auf Deutsch erschienenen, Debütromans, Peter Goldsworthy, wuchs
unter anderem in denselben zwei
Städten wie Paul auf. Auch in seinem
Leben spielt klassische Musik eine
wichtige Rolle, auch wenn er es bei
seinem eigenen Klavierspiel nie zu
einem Meister gebracht hat – dafür
hingegen zu einem der renommiertesten Autoren Australiens.
Der 15-jährige Paul und seine Begabung: Das Piano
„Maestro“ ist mit seinen 187 Seiten
und seiner flüssigen, einer einfachen,
aber schönen Melodie gleichen, Sprache schnell gelesen. Doch dadurch,
dass der Autor vieles unenthüllt lässt,
nur streift oder zwischen den Zeilen
schreibt, offenbart das Buch dem
engagierten Leser seine Spannung.
Denn nur durch dieses Unausgesprochene bekommen Erinnerung, Vergessen und Verdrängen eine Form.
Der Leser verlässt die Geschichte
nicht mit dem Zuklappen des Buches,
sondern spürt dem Echo nach, dass es
in seinen Gedanken hinterlässt.
Genau, wie es einem auch beim
Nachklang eines gelungenen Musikstücks ergeht.
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Peter Goldsworthy: Maestro, Roman,
Deuticke,Wien 2007
187 Seiten, ISBN:978-3-552-06047-0
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