48 Ch. Buck - Orthopädische Erkrankungen in der Oper Musikermedizin Orthopädische Erkrankungen in der Oper Ch. Buck, Ulm Zusammenfassung Die gängige Opernliteratur von d´Albert, über Verdi und Wagner bis Zemlinsky ist voll von Zwergen, Riesen, Hexen und missgestalteten „Kreaturen“. Anhand der Beschreibungen im Libretto beziehungsweise der literarischen Vorlage oder der Partitur wird versucht die zugrunde liegenden, vorwiegend orthopädischen Krankheitsbilder den jeweiligen Opernfiguren zuzuordnen. Ein Streifzug durch die Welt der Oper aus orthopädischer Sicht. Summary The prevalent Opera repertoire, from d´Albert, through Verdi and Wagner to Zemlinsky, is full of dwarfs, giants, witches and other „deformed“ beings. Based on the libretto, or respectively the literary source or musical score, an attempt will be made to diagnose the clinical picture - mainly of orthopaedic nature - of each of these opera characters. An excursion through the opera world from an orthopaedic point-of-view. Key-Words Orthopaedic disorders, music, opera Il était une fois à la cour d'Eisenach... - es war einmal am Hofe von Eisenach eine kleine Mißgeburt namens Kleinzack der hatte auf dem Kopf einen Kalpak und seine Beine machten klick klack! Er hatte einen Buckel statt des Bauches, Seine dürren Beine hingen wie aus einem Sack... soweit die Beschreibung des Zwergen Kleinzack in Jacques Offenbachs Oper „Hoffmanns Erzählungen“. Als Vorlage zu der, am 10.2.1881 in Paris uraufgeführten Oper diente u.a. die Erzählung „Klein Zaches genannt Zinnober“ aus der Feder des Dichters E. T. A. Hoffmann (1776 -1822). Aus orthopädischer Sicht passt die Beschreibung, die der Tenor in seiner Arie aus dem 1. Akt von Kleinzack abgibt, zum Bild einer multiplen epiphysären Dysplasie oder eines metadystrophischen Zwergwuchses. Differentialdiagnostisch sollte bei den multiplen Luxationen sicherlich auch ein Larsen-Syndrom diskutiert werden (Abb.1). Glücklicher hätte sich der Verlauf der weiteren Oper gestalten können, wenn Hoffmann, der oben erwähnte Tenor, das anschließende Trinkgelage mit den Studenten und Stammgästen in Lutters Weinstube in Berlin eingestellt und die Rückkehr seiner Muse Stella in nüchternem Zustand erwartet hätte. Doch welch wundervoller Melodienreigen wäre uns in diesem Falle verloren gegangen! Kleinzack, eine Ausnahme? Bei genauem Hinschauen und -hören zeigt sich, dass es in der Oper nur so von missgestalteten Kreaturen wimmelt, denen der geneigte Opernhörer jedoch nur in den seltensten Fällen sein Mitleid schenkt. Musikphysiologie und Musikermedizin 2000, 7. Jg., Nr. 2 49 „Ein Scheusal war es, das widerlichste Scheusal, das er je erblickt hatte. Nicht geradegewachsen wie all die anderen Leute, nein! Höckerig und krummbeinig, mit großen wackelnden Kopf und einer Mähne von schwarzen Haaren.“ Ein autobiographisches Moment für die Bearbeitung dieses Stoffes mag durchaus mitverantwortlich gewesen sein, beschreibt Alma Mahler den Komponisten Zemlinsky, den sie als Mensch wie als Lehrer gleichermaßen verehrte, doch als „klein, kinnlos, zahnlos, als einen scheußlichen Gnom“. Das Spektrum der in Frage kommenden Grunderkrankungen beinhaltet sowohl die Achondroplasie als auch die Pseudoachondroplasie. Differentialdiagnostisch sollten hier am ehesten die Pyknodysostose und die Osteogenesis imperfecta in Betracht gezogen werden. Auch Franz Schreker (19878- 1934), der Nachwelt eher bekannt als der Komponist der Oper 'Der ferne Klang', diente bei der musikalischen Gestaltung des missgestalteten Edelmanns Alviano in der Oper 'Die Gezeichneten' (Uraufführung, Frankfurt 1918) eine der oben genannten Erkrankungen als Vorlage. Abb. 1: Umschlagentwurf von E. T. A. Hoffmann zu „Klein Zaches“. Die Kollegen in einer orthopädische Praxis ließen sich gut und gerne einige Tage mit Diagnostik und noch länger mit der Therapie dieser Erkrankungen beschäftigen! Lassen Sie mich die Aufzählung mit einigen weniger bekannten Werken aus der 1. Hälfte unseres Jahrhunderts beginnen. „Der Zwerg“ so der Titel Alexander von Zemlinskys (1871 - 1942) 1922 uraufgeführter Oper, basiert auf einer Erzählung des englischen Dichters Oscar Wilde (1854-1900) mit dem Titel „Der Geburtstag der Infantin“. In der literarischen Vorlage beschreibt der Erzähler die tragische Hauptfigur, die ihr wahres Aussehen in einem Spiegel im Schloss der herzlosen Königin, der er als Spielzeug dient, betrachten muss: Noch schwerer fällt die differentialdiagnostische Beschreibung der buckligen Priorin Jeanne in Penderecki's Oper 'Die Teufel von Loudun' (Uraufführung, Hamburg 1958). Grundsätzlich sollte in den erwähnten Fällen die Gruppe der Mucopolysaccharid-Speicherkrankheiten als mögliche Ursache diskutiert werden. Bis heute unterscheidet man sieben verschiedene Manifestationsformen und einige Unterformen bzw. Mischformen. Stellvertretend sollen an dieser Stelle der Morbus Hurler (Enzymdefekt der Alpha-L-Iduronidase) und der Morbus Morquio (Defekt der N-Azetylgalaktosamin-6-sulfatsulfasfase) genannt werden, die u.a. mit teils erheblichen Skelettdeformierungen einhergehen. Ob es am grausamen und teilweise blutrünstigen Inhalt dieser Werke liegt, dass sie im gängigen Opernrepertoire deutscher Bühnen nur sehr selten aufgeführt werden, soll an anderer Stelle abgehandelt werden. 50 Ch. Buck - Orthopädische Erkrankungen in der Oper Eugen d´Albert (1846 - 1932), der undankbarerweise eher durch die Tatsache in Erinnerung geblieben ist, dass Adolf Hitler d´Albert's bekanntestes Werk 'Tiefland' als seine Lieblingsoper bezeichnete und ihr dadurch einen festen Platz im nationalsozialistischen Opernrepertoire verschaffte, beschäftigte sich in seinem umfangreichen Opernschaffen des öfteren mit orthopädischem Klientel. Die 1926 uraufgeführte Oper „der Golem“, nach dem Libretto des jüdischen Schriftstellers Ferdinand Lion, verarbeitet eine, aus dem Prager Ghetto stammende, Legende um die mystische Gestalt gleichen Namens. Das tiefenpsychologisch vielschichtige Werk darf teilweise sicher als Drama der kulturellen Anpassung angesehen werden, in dem die Sehnsucht nach den Wurzeln der jüdischen Identität zum Ausdruck kommt. Wenn der medizinisch vorgebildete Opernbesucher nicht wüsste, dass es sich in der Figur des Golem um ein aus Lehm geschaffenes Wesen handelt, würde sich eine Bestimmung des Wachstumshormons Somatotropin im Blut anbieten, um einen hypophysären Riesenwuchs auszuschließen. Musikalisch imponiert die Wucht der Figur bereits auf den ersten Partiturseiten in prägnanten Rhythmen und in dunklen Orchesterfarben, die ein Bild der Bangigkeit und Bedrohung entwerfen und unter einem großen crescendo im Leitmotiv des Golem münden, welches uns im Verlauf des Opernabends des öfteren begegnen wird. Richard Wagner lässt schön grüßen! Arcenius, Hauptfigur aus d´Albert´s Oper 'Die toten Augen' (Uraufführung, Dresden 1916) wird im Libretto als Missgestalt beschrieben, die differentialdiagnostisch mehrere der oben aufgeführten Grunderkrankungen zulässt. Lassen wir die exakte medizinische Ursache seines Aussehens noch ein wenig im Dunkeln. Zurück zu den Zwergen und damit den bekannten Figuren der Opernliteratur. Der bekannteste „Opern-Zwerg“ dürfte der von Richard Wagner geschaffene Nibelung Mime sein, der uns im Rheingold erstmals begegnet und den Zuhörer näselnd und weinerlich grantelnd bis zu seinem unnatürlichen Ende im 3. Werk der Tetralogie des Ring des Nibelungen begleitet. Siegfried, der Held selbst, entledigt uns mit einem gezielten Schlag seines neu geschmiede- ten Schwertes Nothung des Chondrodystrophikers. Vielleicht war es dieser Teilaspekt seiner Erkrankung, die ihn zu der eher unsympathischen Figur werden ließ, wenn er nicht gerade von Heinz Zednik, der ihn über viele Jahre an allen großen Häusern dieser Welt verkörpert hatte, in unnachahmlicher Weise gestaltet wird. Jules Massenet (1842 - 1912) setzte in seinem Schaffen mehrfach große Werke der Weltliteratur in Noten. Waren es im Fall seiner bekanntesten Oper 'Werther' (gelegentlich auch Margarite, je nachdem, welche Figur vom Regisseur ins Rampenlicht gerückt werden soll) Johann Wolfgang von Goethes im Jahre 1773 entstandene „Leiden des jungen Werther“, die als Vorlage dienten, so war es in der Oper 'Don Quichotte' (Uraufführung, Monte Carlo 1910), das Meisterwerk des großen spanischen Lyrikers Miguel de Cervantes Saavedra. Massenenet widmete den „Don Quichotte“ dem berühmten russischen Bassisten Fjodor Schaljapin (1873 - 1938), einem der größten Singschauspieler seiner Zeit und gestaltete daher die Titelrolle besonders effektvoll, wenngleich das Werk insgesamt nicht die melodische Erfindungskraft der „Manon“ oder des „Werther“ aufweist (Abb. 2). Abb. 2: Don Quichotte (Fjodor Schaljapin). Musikphysiologie und Musikermedizin 2000, 7. Jg., Nr. 2 Differentialdiagnostisch könnte im Falle des „Ritter von der traurigen Gestalt“ das Marfan-Syndrom (Mißbildungssyndrom im Bereich des Mesoderms mit Hyperplasie der knorpeligen Wachstumszonen) oder das Sotos-Syndrom (cerebraler Gigantismus) als Krankheitsursache in Frage kommen. Alternativ müsste sicherlich der Morbus Klinefelter diskutiert werden, eine Chromosomen-Aberation mit der Geschlechtschromosomenkonstitution XXY. Vielleicht lässt ja ein zweites X im Chromosomensatz manche Menschen gelegentlich einen ungleichen Kampf gegen Windmühlen führen! Nicht nur durch Sir Charles Laughton oder Antony Quinn ist der bucklige Glöckner Quasimodo aus der Feder Victor Hugo's ein Begriff. Auch Franz Schmid (1874 - 1939) setzte in seiner Oper 'Notre Dame' (Uraufführung, Wien 1914) dem Buckligen ein Denkmal (Abb. 3). 51 ihrem hufeisenförmigen Mund, ihrem kleinen linken Auge, das halb unter einem Gestrüpp fuchsroter Augenbrauen verschwand, während ihr rechtes ganz von einer ungeheuren Warze bedeckt war, ihren schiefen Zähnen, zwischen denen Lücken klafften, ihrer schwieligen Lippe, ihrem gespaltenen Kinn... der ganze Mensch war eine Fratze. Auf einem plumpen Kopf sträubten sich fuchsrote Haare, zwischen den hohen Schultern wölbte sich ein riesiger Buckel, der in einer Hühnerbrust sein Gegenstück hatte; Beine und Schenkel waren von so merkwürdiger Bildung, dass sie sich nur an den Knien berühren konnten und von vorn gesehen den Eindruck von zwei Säbeln machten; Füße und Hände waren von ungeheurer Größe. Er sah aus wie ein zerbrochener Riese, den eine ungeschickte Hand schlecht wieder zusammengelötet hatte.“ Soweit die Beschreibung Victor Hugos; wir fassen zusammen: Kraniale und faziale Dysostose, LippenKiefer-Gaumenspalte, Kyphoskoliose, Pectus carinatum, Genua valga, um nur die wesentlichen angeborenen Skelettmissbildungen aufzuzählen. Zurück zur Musik: Am bekanntesten aus Schmids selten gespielter Oper dürfte sicherlich das Orchesterzwischenspiel sein, taucht es doch regelmäßig in sonntäglichen Wunschkonzerten auf. Der Pes equinovarus-adductus-supinatusexcavatus begegnet uns im Opernschaffen in der Figur des Teufels höchstpersönlich. Eine illustre Reihe von Komponisten beschäftigte sich mit dem „Pferdefüßigen“, besser bekannt als Mephistopheles aus Johann Wolfgang von Goethes Faust. Abb. 3: Quasimodo (Walter Berry), Volksoper Wien Lassen wir an dieser Stelle den Schriftsteller selbst zu Wort kommen, um dem Leser eine Vorstellung „ von der siegreichen Fratze im Grimassenwettbewerb am Fuße der Kathedrale Notre Dame de Paris zu ermöglichen: „... von ihrer vierflächigen Nase, Die Franzosen Charles Gounod (1818 1893), Hector Berlioz (1803 - 1869), aber auch die Italiener Ferruccio Bussoni (1866 1924) und der Wagner-Verehrer und VerdiLibretist Arrigo Boito (1842 - 1918) sollen an dieser Stelle stellvertretend als bedeutendste Vertreter ihres Faches aufgeführt werden. Insgesamt taucht das Faust-Sujet nebenbei mehr als 18-mal (!) in der Opernliteratur auf. Nicht ganz so offensichtlich wird bei erster Betrachtung, warum die Cio Cio San, Titelfigur der Oper 'Madame Butterfly' (Urauffüh- 52 Ch. Buck - Orthopädische Erkrankungen in der Oper rung, Mailand 1904) bei dieser Aufzählung Berücksichtigung findet. Leider hat uns der Komponist Giacomo Puccini (1858 - 1924) nicht ermöglicht, einen näheren Blick auf die Hammer- und Krallenzehen zu werfen bei der in Landestracht üblichen Fußbekleidung häufig hervorgerufenen Deformitäten. Ob sich die Unglückliche darüber hinaus jemals einer Korrekturoperation bei Hallux valgus unterzogen hat, wird wohl niemals in Erfahrung gebracht werden können. Porgy aus George Gershwins 1935 uraufgeführten Oper 'Porgy and Bess' dürfte am ehesten infolge einer Dysmyelie, genauer einem longitudinalen Femur- und/oder Tibiadefekt beeinträchtigt sein, die ihn zur Benutzung eines Rollstuhls zwingt, wie in modernen Inszenierungen leider häufig zu sehen ist. PFFD, so könnte 65 Jahre später die Abkürzung für die Beschreibung einer peripheren fokal femoralen Dysplasie im Krankenblatt lauten. „Porgy war von einer wohlwollenden Vorsehung für den Beruf des Bettlers ausersehen worden. Statt stämmiger Beine, die ihn zum Beruf eines Lastträgers in einem der großen Baumwollschuppen prädestiniert hätten, kam er mit völlig unzulänglichen unteren Extremitäten zur Welt, die sofort ins Auge fielen und die Herzen der Vorübergehenden rührten.“ DuBose Heyward hatte die Idee zu seinem 1925 entstandenen Roman, der Gershwin als Vorlage diente, einem Zeitungsartikel über den verkrüppelten Schwarzen Samuel Smalls, genannt „Goat Sammy“, entnommen, der eine Frau angefallen und dann versucht hatte, vor der Polizei in einem, von einer Ziege gezogenen, Karren zu fliehen. Eher ein Fall für den neurologischen Kollegen dürfte die nächste Figur darstellen. Unter den Folgen einer infantilen Zerebralparese mit begleitender Hemiparese des linken Armes und leichter geistiger Retardierung dürfte Tonio, ein Gaukler aus Canio's Kommödiantentruppe in Ruggiero Leoncavallo´s Verismo-Oper 'I Pagliacci' (Uraufführung 1892), im deutschsprachigen Raum besser bekannt als der Bajazzo, leiden. Bekannt ist diese Oper nicht nur durch Tonio's Eingangsarie, sondern vielmehr Enrico Caruso verschaffte diesem Werk durch seine einzigartige Interpretation der Arie 'Vesti la giubba“ mit der, von allen Tenören gern geschluchzten Phrase „Ridi Pagliaccio“' („Lache Bajazzo“) einen festen Platz im Opernrepertoire. Meistens wird dieser Einakter gleichzeitig mit dem Meisterwerk Pietro Mascagnis' (1863 - 1949) der „Cavalleria Rusticana“ an einem Abend aufgeführt. Der „vielsagende“ deutsche Titel der Oper lautet: Sizilianische Bauernehre. Und auch hier hätte das tragische Ende durch die Anwesenheit eines unfallchirurgisch erfahrenen Kollegen vermieden werden können, der die Folgen der Stichverletzung, die sich Turiddu im Duell mit dem Fuhrmann und Bariton Alfio zuzog, durch eine notfallmäßige Primärversorgung behandelt werden können. Jedem der dieses Werk einmal gehört hat bleibt unbegreiflich, dass Mascagni außer dieser einen Oper, die er im zarten Alter von 27 Jahren schrieb, kein weiterer Welterfolg gelang. Ein konsequentes Ausschöpfen orthopädischer Fallpauschalen kann dem Leibarzt der Claire Zachanassian in Gottfried von Einems 1971 an der Wiener Staatsoper uraufgeführten musikalischen Adaptation von Dürrenmatts 'Der Besuch der alten Dame' bescheinigt werden. Aufgrund der Tatsache, dass zusätzlich zu einer hüftund knieendoprothetischen Versorgung auch eine prothetische Versorgung der oberen Extremitäten durchgeführt wurde, dürfte die Zahl der infrage kommenden Operateure auf einige wenige, in erster Linie endoprothetisch tätige Kollegen reduzieren. Das Arztgeheimnis verbietet hier das nähere Eingehen auf die Frage, ob die Indikationsstellung zur endoprothetischen Versorgung in einigen Fällen nicht zu großzügig erfolgte. Der Verwaltungsdirektor der entsprechenden Klinik hat Frau Zachanassian auf jeden Fall ein Einzelzimmer auf der Privatstation seines Sanatoriums reserviert. Die Unterlassung einer konsequenten Korsettversorgung dürfte die ausgeprägte Kyphoskoliose im Falle des Hofnarrs Rigoletto mit einem Cobb-Winkel größer als 30 Grad erklären. In unnachahmlicher Weise lässt uns das am 10. Oktober 1813 in Le Roncole bei Busseto geborene Genie Guiseppe Verdi das Gangbild des buckligen Hofnarren Rigoletto in dessen Auftrittsarie „Lara lara“ zu Beginn des 3. Aktes vor dem geistigen Auge entstehen. Unvergesslich die Interpretation dieser Arie auf der Schallplattenaufnahme mit Tito Gobbi in der Musikphysiologie und Musikermedizin 2000, 7. Jg., Nr. 2 Titelrolle und Maria Callas als Rigolettos Tochter Gilda. Ob eine weitere Figur Giuseppe Verdis, der Ritter John Falstaff sich jemals in internistische Behandlung zur Therapie seiner infolge eines opulenten Mahls aufgetretenen Hyperurikämie oder in orthopädische Behandlung zur differentialdiagnostischen Abklärung seiner akuten Lumbalgie bei ausgeprägter Adipositas begeben hat, bleibt musikalisch leider im Dunkeln. Vielleicht ließe sich ja ein Zusammenhang zwischen der Lumbalgie und dem Sturz in die Themse zum Ende des 2. Aktes der Oper Falstaff herstellen (Abb. 4). 53 Krankenkasse genehmigt wird. Hierzu müsste eventuell der Fachbereichsleiter für orthopädische Hilfsmittel bei der zuständigen Krankenkasse zu Rate gezogen werden. Sehr geehrter Leser, Sinn dieses Artikels war sicherlich nicht, primär Ihren Horizont in der Differentialdiagnostik und Therapie orthopädischer Erkrankungen zu erweitern, vielmehr stellte er einen Versuch dar, die gelegentlich doch etwas trockene medizinische Wissenschaft mit der Kunstform Oper zu verbinden und Ihnen eine gewisse Ablenkung zu verschaffen. Vielleicht verspürt ja der/die Eine oder Andere nach der Lektüre dieses Artikels das Bedürfnis, dem Alltag zu entfliehen, um mit Familie oder Freunden wieder einmal einen schönen Opernabend zu verbringen. Was steht übrigens heute auf dem Programm Ihrer städtischen Opernbühne? Rigoletto oder auch „die Kyphoskoliose“ von Giuseppe Verdi? Abb. 4: „Falstaff“, Aufführung der Hamburgischen Staatsoper Zum Schluss dieser Ausführungen möchte ich Ihnen noch eine alte Dame vorstellen, deren Ableben vom Publikum trotz ihrer fortgeschrittenen chronischen Polyarthritis mit begleitender hochgradiger Osteoporose immer wieder mit großer Freude und ohne jegliches Mitleid zur Kenntnis genommen wird. Gemeint ist selbstverständlich die Knusperhexe aus Engelbert Humperdincks Märchenoper 'Hänsel und Gretel' (Uraufführung, Weimar 1893). Ob es sich beim Verzehr des gemästeten Hänsels um einen scheußlichen Therapiefehler handelt, der zur Auslösung eines akuten rheumatischen Schubes geführt hätte, bleibt uns durch das mutige Eingreifen Gretels glücklicherweise erspart. Darüber hinaus ist fraglich, ob der für den Hexenritt am Ende des 1. Aktes verwendete Besen als rheumaorthopädisches Hilfsmittel von den gesetzlichen Anschrift des Verfassers: Dr. med. Christoph Buck Facharzt für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie Abteilung Sport- und Rehabilitationsmedizin Universität Ulm Steinhövelstr. 9 89075 Ulm / Donau 54 Ch. Buck - Orthopädische Erkrankungen in der Oper Anhang Liste ausgewählter Platten zu den erwähnten Opern: (Komponist: Titel, Interpreten, Orchester, Dirigent, Plattenfirma) Boito: Mefistofele Tebaldi, del Monaco, Siepi, de Palma u.a., Orchestra e Coro dell´Academia di Santa Cecilia, Roma, Serafin; Decca 1959 (2CD) Gershwin: Porgy and Bess Albert, Dale, Shakesnider u.a., Houston Opera, Main; RCA/BMG-Ariola 1976 (3CD) Gounod: Faust Björling, Kirsten, Guarrera, Siepi u.a., Live Aufnahme Met, Cleva; Myto 1950 (2CD) Humperdinck: Hänsel und Gretel Grümmer, Schwarzkopf, Schürhoff, Metternich, Ilosvay, Felbermayer u.a., Philharmonia Orchestra, Karajan; EMI 1953 (2CD) Leoncavallo: I Pagliacci di Stefano, Callas, Gobbi, Panerai, Monti u.a., Orchester der Mailänder Scala, Serafin; EMI 1953 (3CD + Cavalleria rusticana) Mascagni: Cavalleria rusticana Rasa, Gigli, Becchi, Marcucci, Simionato u.a., Orchestre der Mailänder Scala; Mascagni; EMI 1943 Massenent: Don Quichotte Dam, Fondary, Berganza u.a., Orchestre du Capitole de Toulouse, Plasson; EMI 1992 (2CD) Offenbach: Les Contes d´Hoffmann Domingo, Sutherland, Tourangeau, Bacquier u.a., Orchestre de la Suisse Romande, Bonynge; Decca 1972 (3CD) Puccini: Madama Butterfly Scotto, Bergonzi, Panerai, Stasio u.a., Orchester der Opera di Roma, Barbirolli; EMI 1966 (2CD) Schreker: Die Gezeichneten Cochran, Schmiege, Cowen u.a., RSO Utrecht, de Waart; Marco Polo/Fono Münster 1989 (3CD) Verdi: Falstaff Fischer-Dieskau, Panerai, Ligabue, Sciutti, Oncina, Rössel-Majdan, Resnik u.a., Wiener Philharmoniker, Bernstein; CBS/Sony Classical 1966 (2CD) Verdi: Rigoletto Gobbi, Callas, di Stefano, Lazzarini, Zaccaria u.a., Mailänder Scala, Serafin; EMI 1953 (2CD) Wagner: Der Ring des Nibelungen Neidlinger, Stolze, Windgassen, Nilsson u.a. Wiener Philharmoniker, Solti; Decca 1958 ff (13CD) Zemlinsky: Der Geburtstag der Infantin („Der Zwerg“) Riegel, Nielsen, Haldas, Weller, Fredericks u.a., RSO Berlin, Albrecht; Koch/Schwann 1984 (CD) Literatur beim Verfasser