Verbreitung Die Gattung Heterixalus kommt nur auf Madagaskar und den unmittelbar vorgelagerten Inseln vor. Sie gehört zur Familie der Riedfrösche (Hyperoliidae), die in Afrika, Madagaskar und mit einer Art (Tachycnemis seychellensis) auf den Seychellen verbreitet ist und derzeit 245 Arten umfasst. In der Gattung Heterixalus werden momentan 10 Arten unterschieden (der Status einer weiteren Form, „H. variabilis", ist noch unklar), von denen die meisten den feuchten, östlichen Teil Madagaskars bewohnen. Heterixalus luteostriatus und H. carbonei sind bisher nur aus den Trockengebieten West-Madagaskars bekannt. H. betsileo und H. rutenbergi sind im Hochland zu Hause, während H. andrakata den Nordosten der Insel bewohnt. H. tricolor war nur von Nosy Be und der Sambirano-Region im Nordwesten bekannt, bis die Erstautorin eine 7/etenxa/w.s-Population in Kirindy bei Morondava in West-Madagaskar entdeckte, die wahrscheinlich ebenfalls zu H. tricolor gehört. Entlang der Ostküste kommen H. madagascariensis und H. punctatus vor. H. alboguttatus scheint auf eine Region im südlichen Teil der Ostküste beschränkt zu sein, während H. boettgeri bisher nur aus dem äußersten Südosten Madagaskars bekannt ist. REPTILIA 71 Lebensraum von H. cf. andrakata an einer Wanderdüne östlich von Diego Suarez in Nordmadagaskar Foto: K. Schmidt Die Typhonodorum-Pflanze gehört zu den Araceen und ist bevorzugter Aufenthaltsort der Frösche am Tag Foto: K. Schmidt Morphologie und Färbung Heterixalus-Arten erreichen je nach Manche Heterixalus ähneln afrikani- Art und Fundort eine Kopf-Rumpfschen Hyperolius-Arten. Beide Gat- Länge (KRL) von 18-40 mm, wobei tungen können jedoch leicht an ihrer die Weibchen nur geringfügig größer Pupille unterschieden werden, die bei als die Männchen sind. Beide GeHeterixalus rautenförmig senkrecht, schlechter können sich in der Färbei Hyperolius hingegen waagerecht bung sehr stark unterscheiden, die ist. Nach neueren genetischen Unter- Weibchen sind allerdings fast immer suchungen ist Heterixalus am nächs- kontrastreicher und prächtiger geten mit Tachycnemis von den Sey- färbt als die Männchen. Die Zehen chellen verwandt. Andere verwandte sind bei beiden Geschlechtern durch Gattungen wären demnach Afrixalus gelbliche oder orangefarbene Spannund Hyperolius. häute verbunden, die zwischen den Abgesehen von H. rutenbergi unter- Fingern weniger stark entwickelt scheiden sich die einzelnen Arten sind. morphologisch nur sehr wenig, sodass Wie alle Hyperoliiden (außer den die Bestimmung hauptsächlich an- Vertretern der Gattung Leptopelis) hand der Färbung und der Rufe mög- zeichnen sich Heterixalus-Männchen lich ist. Die Färbung ist allerdings durch eine verdickte, oft gelbliche zum Teil recht variabel, und die Rufe Kehlscheibe aus, die den Weibchen einiger Formen (insbesondere die fehlt. Diese Kehlscheibe ist ein von H. madagascariensis, alboguttatus deutliches und leicht erkennbares und boettgeri) ähneln sich sehr. Merkmal zur Unterscheidung der Tümpel im Kirindy-Wald, auf den Nympfro/des-Blättern versammeln sich in der Nacht hunderte Heterixalus tricolor zum Ablaichen. Foto: K. Schmidt Geschlechter. Ihre genaue Funktion ist jedoch noch unbekannt. Lebensweise Obwohl überwiegend im feuchten Teil Madagaskars zu Hause, sind die Heterixalus-Arten nur selten im dichten Regenwald zu finden. Die einzige Ausnahme von dieser Regel fanden wir in Montagne d'Ambre, wo H. betsileo an einem teilweise besonnten Teich mitten im Wald anzutreffen war. Typische Lebensräume sind offene, sonnenbeschienene Sümpfe. Da in Madagaskar Reis das Hauptnahrungsmittel darstellt, bieten die zahlreichen Reisfelder riesige Lebensräume für die Riedfrösche. Hier sind sie nachts in großer Anzahl anhand ihrer Rufe nachweisbar. Tagsüber sucht man hingegen in den Reisfeldern oft vergebens nach den Tieren. Besonders in frisch bepflanzten Feldern stehen allem Anschein nach kaum geeignete Aufenthaltsmöglichkeiten zur Verfügung. Dagegen hat man auch tagsüber gute Chancen, die Tiere zu entdecken, wenn großblättrige Pflanzen wie Bananen- oder Typhonodorum-Stauden in der Nähe der Sümpfe stehen. Dort sitzen die schlafenden, zusammengekauerten Tiere oft gut sichtbar in praller Sonne. Die der Sonne ausgesetzten Körperteile sind nun in der Grundfarbe hell, meist weiß, gelblich oder hellgrün, sodass sich die Frösche krass von den meist grünen Blättern abheben, auf denen sie sitzen. Tarnung vor Vögeln oder anderen Fressfeinden scheinen die kleinen Frösche nicht nötig zu ha- Rufendes Männchen von Heterixalus cf. andrakata Foto: K. Schmidt ben. Doch der Schein trügt zumindest teilweise, denn viele dieser Fröschchen schlafen nicht sehr tief. Kommt man ihnen zu nahe, wachen sie plötzlich auf und springen mit schnellen, kurzen Sätzen davon oder lassen sich einfach fallen. Wenn vorhanden, suchen sich Heterixalus gerne auch stachelige Blätter, wie z. B. die von Agaven, als Schlafplatz aus. Insofern ähneln sie in ihrer Lebensweise dem Europäischen Laubfrosch (Hyla arborea), der sich gerne inmitten von dornigen Brombeerbüschen sonnt. Im Gegensatz zu den übrigen Arten ließ sich Heterixalus rutenbergi nicht in Reisfeldern beobachten. Diese Art scheint vielmehr die Umgebung von moorigen Sümpfen zu bevorzugen. H. rutenbergi unterscheidet sich nicht nur anhand der Färbung, sondern auch anhand der Rufe und der Morphologie von allen übrigen Arten sehr deutlich. Museum Alexander Koenig in Bonn. Die Haltung erfolgt in gut bepflanzten Terrarien mit Abmessungen von 90 x 40 x 60 cm. Als Bepfianzung eignen sich besonders glatte, großblättrige Pflanzen, da sich die Frösche am Tag die meiste Zeit auf oder unter diesen Blättern aufhalten. Die Terrarien sollten gut belüftet sein. Wir bieten den Tieren einen 60Watt-Strahler an, da sie - wie auch in ihren natürlichen Lebensräumen während des Tages gerne an einer hellen und erwärmten Stelle sitzen. Die gute Beleuchtung führt auch dazu, dass die Frösche ihre attraktive Tagfärbung ausbilden. Schon eine geringe Erhöhung der Luftfeuchtigkeit, etwa durch stärkeres Besprühen der Pflanzen, kann bewirken, dass die dämmerungsund nachtaktiven Tiere zu rufen beginnen. Zur Paarung klammert das Männchen das Weibchen hinter den Vorderbeinen (axillarer Amplexus). Die Eiablage kann sowohl im unmittelbaren Uferbereich als auch Haltung und Vermehrung Bisher werden die attraktiven Ver- vollständig im Wasser stattfinden. treter der Gattung Heterixalus nur Die schwarz-weißen Eier werden an selten gehalten. Da die nachtaktiven Pflanzenteilen abgelegt. Aufgezogen Tiere eine prächtige Tagfärbung und werden die Kaulquappen bei uns in exponierte Schlafplätze aufweisen, Aquarien mit einem Volumen von sind sie im Terrarium auch tagsüber 10 Litern und regelmäßigem Teilhäufig zu sehen. Ihre Haltung und wasserwechsel in abgestandenem Zucht ist nach unseren Erfahrungen Bonner Leitungswasser, das über recht unproblematisch, und so ist es Nacht auf Zimmertemperatur angeuns seit 1991 schon häufig gelungen, wärmt wird. In den Aquarien zwei Arten (H. boettgeri und H. albo- schwankt die Wassertemperatur je guttatus) zu vermehren. Die Tiere nach Außentemperaturen zwischen leben im Jahr 2000 zum Teil schon in 19 und 25 °C. Die Metamorphose erder F4-Generation (H. boettgeri) im folgt unter diesen Bedingungen nach Zoologischen Forschungsinstitut und etwa 110 Tagen. Die Kaulquappen REPTILIA 73 können ohne Probleme gemeinsam aufgezogen werden. Die Larven werden täglich mit handelsüblichem Fischfutter wie Tetra MicroMin und Tetra PlecoMin gefüttert, wobei Letzteres besonders gern gefressen wird. Nach der Metamorphose wachsen die Fröschchen bei guter Fütterung mit vitaminisierten Fruchtfliegen, Stubenfliegen und Heimchen extrem schnell heran. Schon wenige Monate nach der Metamorphose beginnen die Männchen von H. boettgeri, zunächst noch etwas zögerlich, zu rufen. Auch die Weibchen können schon vier Monate nach Verlassen des Wassers deutlichen Laichansatz zeigen. Vorstellung der einzelnen Arten H. rutenbergi Sternchen: Typuslokalität, Gelbe Kreise: Eigene Fundorte, rot: Fundorte aus der Literatur Die KRL beträgt 25-27 mm. Die Färbung dieser Art ist sehr charakteristisch: Fünf weißliche, dunkel gesäumte Längsstreifen ziehen sich über die hellgrüne Grundfärbung von Rücken und Flanken. Weitere helle Bänder befinden sich auf den Armen und Beinen. Im Gegensatz zu den übrigen Heterixalus-Arten ist bei den Männchen von H. rutenbergi die Kehle mit einer schwärzlichen Falte überzogen. Auch die Hinterbeine sind kürzer als bei den übrigen Ar- Heterixalus rutenbers'i, Männchen aus Ambatolampy Foto: F. Glaw ten. Da H. rutenbergi nur aus dem Hochland in 1200-1600 m Höhe bekannt ist, sollte er nicht zu warm gehalten werden. Obwohl diese interessante Art bereits durch den Tierhandel importiert wurde, ist über ihre Vermehrung noch nichts bekannt. farbe der Oberseite ist gelblich oder grünlich. Charakteristisch sind zwei helle Dorsolateralbänder, die allerdings auch fehlen können. Am sichersten lässt sich die, Art anhand ihrer einfach strukturierten Rufe erkennen, die aus einem einzelnen geräuschhaften Laut bestehen und regelmäßig wiederholt werden. H. betsileo H. carbonei Diese erst kürzlich beschriebene Art aus den bizarren Kalkformationen der Tsingy de Bemaraha in WestMadagaskar ist noch wenig erforscht. Das einzige bisher vermessene Exemplar, ein Männchen, hat eine KRL von 26,4 mm. Verwandtschaftlich bestehen die engsten Beziehungen zu H. betsileo aus dem Hochland. Beide Arten weisen auch eine ähnliche Rufstruktur auf. Die KRL der Männchen beträgt 2326 mm, bei einem Weibchen wurden 28 mm gemessen. Die Rückenfärbung ist, soweit bekannt, eher uniform. In der Sonne sitzende Tiere von Nosy Be sind oft strahlend weiß gefärbt. Insbesondere die Weibchen weisen je einen schwarzen Fleck über den Augen auf. Zwischen Auge und Nasenloch verläuft ein dunkles Band, das sich entlang der Flanken in unterbrochener Form fortsetzen kann. Kürzlich fotografierte die Erstautorin im KirindyWald Tiere, deren Ruf dem von H. tricolor sehr ähnelt. Auch die schwarzen Überaugenfiecken sind bei diesen Tieren gut zu erkennen. Der Fund vergrößert somit das bekannte Verbreitungsgebiet erheblich, allerdings muss die Variabilität dieser Art noch genauer untersucht werden (vgl. auch H. „variabilis"). Heterixalus betsileo, Exemplar aus Andasibe Foto: F. Glaw Die KRL kann zwischen verschiedenen Populationen stark variieren und liegt bei 18-29 mm. Die Grund- bei, wobei besonders die Weibchen oft große und unregelmäßige schwarze Musterungen und Flecken auf einem Hetenxalus „variabilis", Weibchen mit beigefarbigen oder wurmartigen Rückenflecken Foto: F. Glaw gelben Untergrund zeigen. Es können auch uniform gefärbte Tiere mit hellen Dorsolateralstreifen vorkommen. Der Status Hetenxalus tricolor, Pärchen aus Kirindy (Westmadagaskar) Foto: K. Schmidt Rufendes Exemplar von Hetenxalus tricolor Foto: K. Schmidt H. „variabilis" Heterixalus „variabilis" mit unregelmäßigen Rückenflecken Foto: F. Glaw Heterixalus „variabilis" mit Dorsolateralstreifen Fcta F. Glaw Die KRL beträgt 26-31 mm bei den Männchen, 25-33 mm bei den Weibchen. Die Färbung ist extrem variaREPTILIA 75 dieser Form ist unsicher, zumal sich nur schwache Rufunterschiede gegenüber H. tricolor feststellen ließen. Angesichts der bei den Riedfröschen häufig extremen Zeichnungsvielfalt innerhalb von Arten könnten die Populationen von H. „variabilis" daher auch zu H. tricolor gehören. H. andrakata Zwei leuchtend gelbe Dorsolateralbänder sind fast immer vorhanden. Neuerdings fanden wir diese Art in etwas abweichender Form auch an der Nordspitze Madagaskars in Dünengewässern nicht weit von der Meeresküste entfernt. Dass die Frösche mit dieser sandigen Umgebung so gut zurechtkommen, hat uns überrascht. Tagsüber ließen sich die Frösche von den Büschen, die um die Gewässer standen, regelrecht abpflücken. H. punctatus Heterixalus punctatus aus Andasibe Foto: F. Glaw Die KRL der Männchen beträgt 22-23 mm. Die Grundfärbung der Oberseite ist tagsüber weißlich. Bei Tieren aus Ostmadagaskar sind unregelmäßige kleine, schwarze Punkte über den Rücken verstreut. Derartige Punkte fehlen jedoch bei Tieren aus Nordost-Madagaskar völlig. Ein schmales, dunkles Band zieht von den Nasenlöchern mindestens bis zum Auge. Die Grenze zwischen der weißen Oberseite und den orangegelben Flanken ist recht markant. Nachts kann die Färbung der Oberseite komplett gelblich bräunlich sein. H. madagascariensis Die KRL der Männchen beträgt 23-29 mm, die der Weibchen 28-32 mm. Die Grundfarbe des Rückens ist gelb, und er ist mit grünblauen oder schwarzen Flecken besetzt. Heterixalus andrakata aus Sambava Foto: F. Glaw Die KRL der Männchen beträgt bis zu 35 mm, die der Weibchen bis zu 40 mm. 76 REPTILIA Heterixalus madagascariensis aus Maroantsetra, tagsüber in Ruhestellung Foto: K. Schmidt Im Sonnenlicht ist diese große Art ausgesprochen prächtig gefärbt. Die Oberseite ist weiß, gelb oder hellblau, Hände und Füße sind leuchtend orange. Im Unterschied zu H. punctatus befindet sich ein sehr deutliches, schwarzes Band zwischen Nasenloch und Auge. Auch die Färbung der Oberseite und der Flanken ist weniger deutlich abgegrenzt als bei H. punctatus. Heterixalus alboguttatus, Weibchen aus Ranomafana Foto: F. Glaw H. alboguttatus Kaulquappe von Heterixalus alboguttatus, nachgezüchtet Foto: M. Vences schmutzig graue Grundfärbung und lassen nur Ansätze von der prächtigen Oberseitenzeichnung der Weibchen erkennen. H. boettgeri Die KRL der Männchen beträgt 25-29 mm, die der Weibchen zwischen 30 und 33 mm. Die Oberseite der Weibchen ist graugrün mit zahlreichen gelben oder grünlichen rundlichen Flecken. Hände und Füße von ausgewachsenen Weibchen sind leuchtend orangerot. Die Männchen zeigen hingegen eine Die Männchen weisen eine KRL von 22-25 mm auf, die Weibchen erreichen 27-29 mm. Die Grundfarbe der Oberseite ist uniform grünlich oder gelblich ohne dunkle Flecken. Ein dunkles Band zwischen Nasenloch und Auge ist nicht oder nur ansatzweise vorhanden. H. boettgeri x H. alboguttatus Zur Überprüfung von Verwandtschaftsverhältnissen innerhalb der Gattung kreuzten wir erstmals 1997 REPTILIA 77 Heterixalus boettseri, Porträt eines Männchens aus Tolagnaro Foto: M. Vences Hybridexemplar (Weibchen, F1) aus der Kreuzung Heterixaius boettgeri x Heterixalus alboguttatus Foto: M. Vences H. luteostriatus Die Männchen weisen eine KRL von 25-28 mm auf, die Weibchen messen 26-30 mm. Die Grundfarbe der Oberseite ist beige, braun oder grau. Ein gelbes, dunkel gesäumtes Dorsolateralband erstreckt sich vom Nasenloch über Heterixalus boettgeri, Exemplare aus Tolagnaro beim Sonnenbad an einer das Auge bis minFrucht Foto: K. Schmidt destens in den hinteren Rückenbereich. Im Unterdie zwei Arten H. boettgeri und H. alschied zu H. betsileo befindet sich ein boguttatus. Zu unserer Überraschung zusätzliches gelbes Band auf der entwickelten sich aus den abgelegten Oberseite des Unterschenkels. • Eiern dieser äußerlich so verschiedenen Arten lebensfähige Nachkommen, die sich 1998 auch weiter fort- Heterixalus luteostriatus aus Kirindy Foto: F. Glaw pflanzten. Die erhaltenen F2-Jungtiere waren sehr anfällig und starben größtenteils. Dies muss jedoch kein Beleg für eine eingeschränkte Fertilität der Hybriden darstellen, da wir 1998 ähnliche Probleme auch mit reinem //.-öoeßgen'-Nachwuchs hatten. Die FrHybriden (Weibchen: 29-32 mm, Männchen etwas kleiner) haben eine beigegelbe bis leuchtend neongrüne Grundfärbung mit gräulichen bis olivgrünen, wurmartigen Zeichnungsmustern. Ein dunkles Band zwischen Auge und Nasenloch ist vorhanden und trennt die Oberseitenfärbung von der eher uniformen Färbung der Kopfseite. 78 REPTILIA