Kirche St. Oswald

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Kirche St. Oswald
Aus der Reihe Blickfang Zug
Die ab 1478 errichtete Kirche St. Oswald
zählt zu den bedeutendsten Baudenkmälern der Spätgotik in der Schweiz.
Bauherr und Baumeister
Bauherr der Kirche war der 1435 geborene Magister Johannes Eberhart.
Seiner Familie gehörte die Burg Zug und
das daran angrenzende Grundstück.
Dieses stellte er für den Kirchenbau zur
Verfügung, den er nicht nur initiierte,
sondern auch selber organisierte. Dank
seiner exakten, in zwei Rödeln überlieferten Buchführung sowie dem ebenfalls
von ihm angelegten Jahrzeitenbuch
ist der Bau der Kirche ausserordentlich
gut dokumentiert. Eberhart wirkte in
Zug seit 1468 als Pfarrhelfer, 1480 wurde
er Stadtpfarrer. Auf ihn dürfte die Wahl
des Kirchenpatrons St. Oswald und dessen grosse Verehrung zurückgehen.
In einem kleinen Tafelbild – ein Kleinod
von herausragender historischer und
künstlerischer Bedeutung – liess sich der
Stifter 1492 in der Kirche verewigen:
Das sogenannte Stifterbild des Magister
Eberhart ist über der Turmtüre angebracht (Kopie, Original im Museum Burg
Zug). Es zeigt den Kirchenstifter kniend
vor der heiligen Anna (Anna Selbdritt)
mit Maria und dem Christuskind auf dem
Schoss, daneben den heiligen Oswald
in einem umfriedeten Garten (1).
Der Baumeister der neuen Stadtkirche war Hans Felder der Ältere. Er
stammte aus Oettingen bei Nördlingen
im Ries (Bayern). Seine Lehr- und
Wanderjahre verbrachte er in süddeutschen Bauhütten. 1466 wurde er Werkmeister von Luzern, 1475 von Zürich,
wo er die Wasserkirche errichtete. 1473
bis 1475 erbaute er die Wallfahrts-
kirche St. Wolfgang in Hünenberg. So waren Felders ausgewiesene Fähigkeiten in Zug bereits bekannt, als er 1478
zum Baumeister der Kirche St. Oswald ernannt wurde und im
selben Jahr mit dem Bau der Stadtmauer begann.
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Baugeschichte
Nach den Plänen von Hans Felder wurden als erstes 1478 die
Aussenmauern des Langhauses errichtet. Die Wände versah man mit drei Portalen und sechs Masswerkfenstern, und
es wurde eine flachgeschnitzte Decke eingebracht. Nach
der Errichtung des Dachstuhls – von dem noch grosse Teile
erhalten sind – und eines provisorischen hölzernen Chors
weihte der Weihbischof Daniel von Konstanz 1480 das Schiff
mit zwei Altären. Die Grundsteinlegung des Chors erfolgte 1481, die Altäre im Chor und der Friedhof wurden 1483
geweiht (2).
Nur rund zehn Jahre später vergrösserte man die Kirche
massiv und verlängerte dabei das Langhaus in Richtung
Westen. Wahrscheinlich unmittelbar anschliessend wurden dem Langhaus
zwei Seitenschiffe angebaut und an Stelle
der alten Langhauswände Bogenstellungen auf wuchtigen Pfeilern eingebracht. Die flache Holzdecke beliess man
vorerst im Mittelschiff, sodass eine in
1478 – 1483
nach 1494
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den Proportionen gedrückte, dreischiffige Halle mit nicht direkt belichtetem
Mittelschiff entstand (2).
Grosse Teile der heute sichtbaren
Westfassade stammen aus dieser Zeit,
so das Mauerwerk, die Strebepfeiler,
die Sandsteinfiguren sowie das Doppelportal und dessen Schmuck (3). Die
beiden gotischen Spitzbogenportale sind
mit zwei Kielbogen bekrönt und von
Figuren flankiert. Rechts ist der Stadtpatron, der heilige Michael, dargestellt,
der seine Lanze in den Rachen des
Drachens stösst, und links der Kirchen-
patron, der heilige Oswald, der den heidnischen König
Cadwalla ersticht. Die Skulpturen symbolisieren den Kampf
des Guten gegen das Böse respektive des Glaubens gegen
den Unglauben. Der Sieg des Glaubens wird durch die Darstellung der Gottesmutter Maria mit dem Christuskind in der
Portalmitte strahlend versinnbildlicht. Darüber steht Anna
Selbdritt. Von besonderem, aber versteckter Anmut sind die
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Figuren in den Bogenleibungen der beiden Portale. Auf den
ersten Blick sind sie kaum sichtbar, denn sie scheinen förmlich
auf den Unterseiten der Türöffnungen zu kleben. Erst wenn
man vor den Portalen den Blick erhebt, zeigen sich filigrane
Skulpturen. Die Beschriftungen nennen Königsheilige und – den
heiligen Josef. Über dem rechten Portal wachen die vier
vorbildhaften Könige und Kaiser, die im Mittelalter als Heilige
galten: Konstantin der Grosse, Karl der Grosse, Ludwig und
Heinrich II. Über dem linken sind die heiligen Drei Könige
dargestellt. Sie scheinen in Richtung der untersten Figur auf
der rechten Seite zu pilgern: Es ist der heilige Josef (4). In seinen Händen hält er Pfännchen und Muslöffel, die ihn als
Nährvater des göttlichen Kindes auszeichnen. Die Jörgenpforte mit dem Drachenkampf des heiligen Georg, die ins südliche
Seitenschiff führt, gehört zum ältesten
Kirchenbau und wurde hier wiederverwendet (5).
In den Jahren 1544/45 wurde unter
der Leitung von Ulrich und Anton Giger
aus dem Prismell das Mittelschiff erhöht und mit dem heute sichtbaren Netz-
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gewölbe abgeschlossen (2). Den alten
Dachstuhl von 1478 bzw. 1492 setzte man
dabei wieder auf. Die wunderschönen
Rankenmalereien an der Langhausdecke
malte ein «Oswald maller» im Jahr
1555. Die Erhöhung des Mittelschiffs hatte zur Folge, dass auch der Turm erhöht
werden musste. 1557/58 stockte man ihn
um zwei Geschosse auf. Der bekannte
Luzerner Zimmermeister Vit Wambister
fertigte Glockenstuhl und Spitzhelm,
die bis heute überdauerten. Die Grundform der Kirche blieb von da weg mehr
oder weniger unverändert.
Skulpturen, Malerei und Ausstattung
Aus der Bauzeit der ältesten Kirche überdauerte das prächtige,
hölzerne Chorgestühl. Es wurde vom Bildhauer Ulrich Rosenstain aus Lachen (SZ) im Jahr 1484 geschnitzt, wie das eingebrachte Entstehungsjahr bezeugt. Ebenfalls von Rosenstain
wurden die Skulpturen an den Strebepfeilern auf den Aussen-
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seiten des Chors (Kopien, Originale im Museum Burg Zug)
gefertigt: Die Gottesmutter Maria, der heilige Oswald, König
Heinrich VI. und der heilige Jost.
Aus der Zeit um 1500 sind die beidseits des Choraufgangs stehenden, aus Holz geschnitzten Figuren der Muttergottes (6) und des heiligen Michael (7). Sie standen ehemals in
der alten Pfarrkirche St. Michael, die 1898 abgebrochen wurde.
Auch der um 1520 datierte Kreuzaltar im nördlichen Seitenschiff stammt von dort (8). Im südlichen Seitenschiff steht der
Rosenkranzaltar, der vom Zuger Jesuitenpater Josef Spillmann
1867 gestiftet und nach einem Entwurf von Ludwig Isidor
Keiser errichtet wurde. Der Hochaltar wurde 1935 von August
Weckbecker erbaut. Je nach liturgischen Zeiten kann die von
sechs Figuren flankierte Mittelgruppe ausgewechselt werden,
darüber thront die Heilige Dreifaltigkeit.
Ebenfalls von Weckbecker stammen die
beiden Altäre am Chorbogen: links der
heilige Aloisius von Gonzaga (1938), rechts
der betende heilige Bruder Klaus (1939).
1866 brachte der Nidwaldner Meister
Melchior Paul von Deschwanden das gross­-
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artige Gemälde auf dem Chorbogen mit
dem «Jüngsten Gericht» als Motiv an (9). Er
übermalte dabei ein älteres Gemälde
mit demselben Thema. Diese neue Wandmalerei wurde zu dieser Zeit sehr bewundert. Die vom Künstler selbst verfasste Bildbeschreibung liess Pfarrhelfer Josef
Weiss in eine Metalltafel gravieren und
rechts des Haupteingangs unter der Orgel
anbringen. Letztere wurde 1760 – 1762
von Victor Ferdinand Bossard eingebaut,
einem der wichtigsten Vertreter der
Baarer Orgelbauerdynastie Bossard. Ihr
barockes Gehäuse überdauerte bis heute.
Weiterführende Literatur:
Thomas Brunner, Die Kirche St. Oswald in Zug 1478–1558.
Bau und kunsthistorische Analyse einer spätgotischen
Stadtkirche. Zug 2013 (Kunstgeschichte und Archäologie
im Kanton Zug, Bd. 7).
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Herzlichen Dank der Katholischen Kirchgemeinde Zug
für die finanzielle ­U nterstützung.
©2014
Herausgeber: Zuger Stadtführungen
Text: Dr. des. Brigitte Moser, Amt für Denkmalpflege
und Archäologie, Direktion des Innern
Fotografie: Kobal Grafik GmbH
Bildnachweis: Museum Burg Zug: Abb. 1.
Amt für Denkmalpflege und Archäologie Zug, Direktion
des Innern: Abb. 2, 4. Kobal Grafik GmbH: Abb. 3, 5,
6, 7, 8, 9.
Gestaltung: Kobal Grafik GmbH
Druck: Kalt Medien AG
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