Goldener Schnitt 1 Der Goldene Schnitt 1.1 Das regelmäßige Zehneck 1 1 1.2 1.3 Ein anderer Name für den Goldenen Schnitt Der Goldene Schnitt in Zahlen 4 6 1.4 1.5 1.6 Die Potenzen von und Drei Beispiele Quellen 8 10 11 Goldener Schnitt 1 1 Der Goldene Schnitt Wir beginnen dieses Kapitel mit einigen Überlegungen zum regelmäßigen Zehneck. Wir bieten Ihnen die folgende Aufgabe zur Einstimmung an. Aufgabe – Zeichnen Sie in GeoGebra mit dem Werkzeug "Regelmäßiges Vieleck" ein regelmäßiges Zehneck. – Ermitteln Sie den Mittelpunkt. – Zeichnen Sie eines der zehn Mittelpunktsdreiecke ein und ermitteln Sie dessen Winkel. – Halbieren Sie einen der Basiswinkel und ermitteln Sie die neu entstandenen Winkel. – Platzieren Sie in Ihrer Zeichnung die Buchstaben r und a für den Umkreisradius und die Seitenlänge des Zehnecks. Ein Klick auf das GeoGebra-Logo macht einen Lösungsvorschlag. 1.1 Das regelmäßige Zehneck Wir haben aus einem regelmäßigen Zehneck eines seiner Mittelpunktsdreiecke herausgelöst und untersuchen im Folgenden dessen Winkel und Seiten. Abbildung 1: Ein regelmäßiges Zehneck mit Mittelpunktsdreieck Abbildung 2: Winkel und Seitenverhältnisse im Mittelpunktsdreieck Goldener Schnitt 2 Die linke Figur zeigt das Mittelpunktsdreieck und seine Winkel. Der Winkel hat den zehnten Teil von 360°, also 36°. Das führt zu (180 ) : 2 144 : 2 72 . ist also gerade doppelt so groß wie . In der mittleren Figur ist die Winkelhalbierende AT des linken Basiswinkels eingezeichnet. Sie zerlegt den Winkel in zwei Winkel der Größe und das Mittelpunktsdreieck in zwei gleichschenklige Dreiecke, von denen das kleinere zum ursprünglichen Dreieck ähnlich ist. In der rechten Figur haben wir den Umkreisradius des regelmäßigen Zehnecks mit r und seine Seitenlänge mit a bezeichnet. Aus der Ähnlichkeit des gesamten Dreiecks und des blau einfärbten Teildreiecks ergibt sich folgende Aussage: Der Schnittpunkt T der Winkelhalbierenden teilt den Umkreisradius r so in die Seite a und den Rest r a , dass r : a a : (r a) gilt. Ü Definition Wenn eine Strecke durch einen Punkt so geteilt wird, dass sich die ganze Strecke zum größeren Teil verhält wie der größere Teil zum kleineren Teil, so sagt man: Der Punkt teilt die Strecke im Goldenen Schnitt. Der größere Teil wird Major, der kleinere Teil Minor genannt.1 Die Gültigkeit der obigen Verhältnisgleichung r : a a : (r a) lässt sich dann auch so wiedergeben: Satz Die Seite des regelmäßigen Zehnecks ist der Major des Umkreisradius. Sie können mit Sicherheit ein gleichseitiges Dreieck, ebenso ein Quadrat und auch ein regelmäßiges Sechseck mit Zirkel und Lineal konstruieren. Durch Halbieren der Winkel können Sie weitere regelmäßige Vielecke herstellen. Wie aber sieht es mit einem regelmäßigen Fünfeck aus? Mit dem obigen Satz können Sie ein regelmäßiges Zehneck und, wenn Sie jeden zweiten Punkt nehmen, ein regelmäßiges Fünfeck mit Zirkel und Lineal konstruieren. Sei dazu a AB eine Seite des Zehnecks. Dann liefert die folgende Konstruktion eine Strecke AD , zu der die gegebene Strecke AB der Major ist. Sie stellt also zur Seite a den Radius r des Zehneckumkreises her. 1 maior (lat) - der größere; minor (lat) - der kleinere Goldener Schnitt 3 Abbildung 3: Vom Major zur gesamten Strecke Ein Klick auf das GeoGebra-Logo zeigt die Konstruktion schrittweise. Ü Den Nachweis, dass AB der Major zu AD ist, kann man mit dem 2 Tangentensatz2 führen. Mit ihm erhält man AC AD AB . Nach Konstruktion ist CD genauso lang wie BE und mithin genauso lang 2 wie AB . Es folgt AC AD CD und hieraus die Verhältnisgleichung AD : CD CD : AC . Der Punkt C teilt also die Strecke AD im Goldenen Schnitt, CD ist der Major dieser Teilung und AB ist genauso lang wie CD . Wenn nicht die Seite des Zehnecks gegeben und der Umkreisradius gesucht ist, sondern umgekehrt der Radius des Umkreises gegeben ist und die Seitenlänge zur Konstruktion des Zehnecks fehlt, dann führt uns dieselbe Konstruktion mit Hilfe der Strahlensätze zum Ergebnis. Sei hierzu r AB der Umkreisradius des zu konstruierenden Zehnecks. Dann liefert die um den ersten Strahlensatz bereicherte Konstruktion die gesuchte Seitenlänge a TB . Abbildung 4: Von der gesamten Strecke zum Major Denn die grünen Parallelen übertragen die Teilungsverhältnisse von der roten auf die blaue Strecke. Der Punkt T teilt also die Strecke AB im Goldenen Schnitt. Und TB ist als Major der Teilung die gesuchte Seite des Zehnecks. 2 Für einen Kreis und einen Punkt P außerhalb des Kreises ist das Rechteck aus den Sekantenabschnitten genauso groß wie das Quadrat über der Tangente. (s. Anhang) Goldener Schnitt 4 1.2 Ein anderer Name für den Goldenen Schnitt Wir kehren noch einmal zur Verhältnisgleichung zurück, die den Goldenen Schnitt definiert: Ganzes : Major Major : Minor Umgangssprachlich heißt das: Was der Major für das Ganze ist, ist der Minor für den Major. Oder mit anderen Worten: Wenn wir das Ganze nach dem Goldenen Schnitt aufteilen, so ist der größere Teil der Major und der kleinere der Minor. Wenn wir den Major seinerseits nach dem Goldenen Schnitt aufteilen, so erhalten wir als größeren Teil den (alten) Minor und als kleineren Teil die Differenz aus (altem) Major und (altem) Minor. Etwas salopp ausgedrückt heißt das: Der Major vom Major ist der Minor. Und der Minor vom Major ist der Major verkürzt um den Minor. Im Bild sieht das so aus: Abbildung 5: Stetige Teilung Ein Klick auf das GeoGebra-Logo lässt diese Abbildung Schritt für Schritt entstehen. Der Goldene Schnitt setzt sich also in seinen Teilen fort. Statt vom Goldenen Schnitt spricht man daher auch von Stetiger Teilung. Aufgabe Durchlaufen Sie die Abbildung 5 von unten nach oben und ergänzen Sie sie um ein Element oberhalb der blauen Strecke. Mit anderen Worten: Finden Sie die Strecke, aus der die blaue Strecke entstanden ist. Goldener Schnitt 5 Abbildung 6: Stetige Teilung - rückwärts Ein Klick auf das GeoGebra-Logo lässt das oberste Element der Abbildung Schritt für Schritt entstehen. Wie die Aufgabe und die obige Abbildung zeigen, müsste man nicht nur von Stetigem Teilen sondern auch von Stetigem Verbinden von Strecken reden; denn der Prozess entwickelt sich mit gleicher Systematik in beide Richtungen. Wir halten dies als Satz fest. Satz Verkürzt man den Major einer stetig geteilten Strecke um den Minor, so entsteht wieder eine stetig geteilte Strecke. Verlängert man eine stetig geteilte Strecke um ihren Major, so entsteht wieder eine stetig geteilte Strecke. Ü Am Ende dieses Abschnitts wollen wir zeigen, dass dieser Satz sich auch algebraisch beweisen lässt. Wir führen das hier für den zweiten Teil aus. Den ersten haben wir als Übungsaufgabe formuliert. Sei also M der Major einer im Goldenen Schnitt geteilten Strecke G. Aus der Definitionsgleichung G : M M : (G M ) folgt dann: Goldener Schnitt 6 G (G M ) M 2 G2 GM M 2 G2 GM M 2 G 2 (G M ) M (G M ) : G G : M ■ 1.3 Der Goldene Schnitt in Zahlen In diesem Abschnitt berechnen wir die Streckenverhältnisse beim Goldenen Schnitt. Seien hierzu M und m der Major und der Minor der stetig geteilten Strecke M m . Abbildung 7: Major und Minor einer stetig geteilten Strecke Es gelte also M m M M . (1) m Der Anteil des Majors an der gesamten Strecke wird üblicherweise mit dem kleinen griechischen Buchstaben (phi) bezeichnet. Wegen (1) ist das nichts anderes als der Anteil des Minors am Major. M m (2) M m M Das kleine ist also eine Zahl kleiner als 1. Hingegen bezeichnet das große das Verhältnis des Majors zum Minor, was wieder wegen (1) auch das Verhältnis der gesamten Strecke zum Major ist. M M m . (3) m M Das große ist mithin größer als 1. Aus (2) und (3) folgt: und sind Kehrwerte voneinander. 1 oder 1 Aus (1) folgt weiter M M m m 1 M m M 1 1 (4) (5) und hieraus mit (4) 1 . ist also um genau 1 größer als . Aus (6) folgt wieder wegen (4) (6) Goldener Schnitt 7 1 1 . (7) Aus (7) erhält man zunächst 1 2 und dann 2 1 (8) 2 1 . (9) und aus (5) entsprechend Die folgende Abbildung zeigt und als Schnittstellen der Graphen zu den Funktionen aus den Gleichungen (8) und (9). Abbildung 8: φ und Φ als Schnittstellen von Funktionsgraphen Man sieht, was auch (8) und (9) schon aussagen: Die Schnittpunkte liegen symmetrisch zur y-Achse. Die Lösungen zu den Gleichungen (8) und (9) unterscheiden sich nur durch das Vorzeichen. Aus den quadratischen Gleichungen (8) und (9) kann man φ und Φ berechnen. Man erhält aus (8): 2 1 0 1 1 1 0 2 4 4 1 1 5 2 2 2 4 4 2 2 2 1 2 1 1 5 2 2 1 1 1 1 5 5 2 2 2 2 1 1 1 1 5 5 2 2 2 2 Goldener Schnitt 8 2 1 Ü Ü 5 1 1 2 5 1 Die negative Lösung entfällt. Mithin gilt 1 5 1 . 2 Analog erhält man aus (9) 1 5 1 . 2 (10) (11) Man kann jede rationale Zahl und, wie Sie der nebenstehenden Übung entnehmen können, auch jede Wurzel aus einer natürlichen Zahl mit Zirkel und Lineal konstruieren. Mithin sind auch und konstruierbar. Abbildung 9 zeigt, wie man mit wenig Aufwand konstruieren kann. Abbildung 9: Konstruktion von φ Ein Klick auf das GeoGebra-Logo zeigt die Konstruktion schrittweise. Die Konstruktion von erinnert deutlich an die Konstruktion des Zehneckradius aus seiner Seite (Abbildung 3). Aber hier ist die Beweislage einfacher. Nach dem Satz des Pythagoras hat die grüne Hypotenuse die Länge 12 ( 12 ) 2 verkürzt die Hypotenuse um Ü 1 2 5 4 12 5 . Der graue Kreisbogen . Wir erhalten 12 5 12 . ■ Die Konstruktion von Φ verlagern wir in die nebenstehende Übung. Dort finden Sie auch eine Konstruktion des Goldenen Schnittes, die auf Euklid zurückgehen soll. 1.4 Die Potenzen von und Die Gleichung (8) lässt sich auch so schreiben ( ) 2 ( ) 1 . (12) Diese Gleichung hat dieselbe Form wie (9). Aus (9) und (12) entwickeln sich folgende Gleichungen für die Potenzen von und : Goldener Schnitt 9 ( ) 2 1 ( ) 1 2 1 1 3 2 ( 1) ( )3 2 ( ) 1 2 1 2 1 3 (2 1) 4 2 2 ( ) 4 3 ( ) 2 2 ( 1) 2 2 3 2 5 3 (3 2) 3 2 2 ( )5 5 ( ) 3 3 ( 1) 2 3 3 2 5 3 Wenn also n p q mit p, q gilt, so folgt: n 1 ( p q) p 2 q p ( 1) q p p q ( p q) p Entsprechend gilt ( ) n 1 ( p q) ( ) p . Es gilt also für alle n und n f n f n1 wobei f n n ( )n f n ( ) f n1 , die Fibonacci-Folge ist. Es folgt n ( )n ( f n f n1 ) ( f n ( ) f n1 ) f n ( ( )) oder fn n ( ) n ( ) oder wegen (10) und (11) fn n ( )n 5 . Goldener Schnitt 10 1.5 Drei Beispiele Ü Wir geben zum Schluss drei geometrische Figuren an, in denen der Goldene Schnitt auftaucht. Mit dem ersten Beispiel kehren wir an den Anfang des Kapitels zurück. Wir bieten Ihnen dazu die nebenstehende Übung an. Abbildung 10: Das Mittelpunktsdreieck des Zehnecks im Fünfeck Im regelmäßigen Fünfeck finden Sie das Mittelpunktsdreieck des regelmäßigen Zehnecks mit der Winkelhalbierenden des Basiswinkels wieder. Die Überlegungen am Anfang des Kapitels besagen hier: Satz Die Diagonalen des regelmäßigen Fünfecks teilen einander im Goldenen Schnitt. Aufgabe Die nebenstehende GeoGebra-Datei gibt schrittweise einen Beweis zum obigen Satz wieder, der nicht auf das regelmäßige Zehneck zurückgreift. Versehen Sie den Beweis mit Worten. Die zweite geometrische Figur sieht so aus. Abbildung 11: Der Inkreis des im Quadrat stehenden gleichschenkligen Dreiecks Goldener Schnitt 11 Satz Der Inkreis des im Quadrat stehenden gleichschenkligen Dreiecks teilt die Höhe im Goldenen Schnitt. Aufgabe Abbildung 12: Eine Skizze zum Beweis L Wir bieten Ihnen diese Skizze zum Beweis an. Der kleine griechische Buchstabe (sprich: rho) bezeichnet, wie üblich, den Radius des Inkreises. Das dritte Beispiel präsentieren wir Ihnen in Form einer GeoGebraAufgabe. L Aufgabe Sie sollen in der nebenstehenden GeoGebra-Datei den roten Punkt so einrichten, dass aus dem Rechteck nach Augenmaß ein Quadrat wird. Sie haben genau genug geguckt, wenn bei der Probe der rote Punkt im grünen Kreis steckt. Erst dann wird Ihre Aufgabe eingeblendet. 1.6 Quellen Lambacher-Schweizer, Mathematisches Unterrichswerk, Geometrie 1 und 2, Ernst Klett Verlag Stuttgart, 1966 Christian Strutz, Über die Eigenschaften der Zahlen Φ (Phi) und φ (phi) unter http://www.schulphysik.de/strutz/Phiphineu.pdf Als pdf-Datei Phi und phi - Christian Strutz.pdf Paul Adam/Arnold Wyss, Platonische und Archimedische Körper, ihre Sternformen und polaren Gebilde, Verlag Paul Haupt Bern, Verlag Freies Geistesleben Stuttgart, 1994