Untersuchungen zur Verbreitungsgefahr von samenübertragbaren Krankheiten und Unkrautarten durch Fermentationsendprodukte aus Biogasanlagen Examination of the distribution risks of selected plant diseases, weeds and plant propagules by digestate of biogas plants Manfred Weinhappel1, Markus Gansberger2, Charlotte Leonhardt1, Anton Brandstetter3, Peter Liebhard2, Erwin Pfundtner4 Einleitung Die Erzeugung von Energie aus Kulturpflanzen mittels Biogasanlagen gewinnt immer mehr an Bedeutung. Da in Biogasanlagen vor allem Kulturen mit hoher Energieausbeute pro Flächeneinheit verwendet werden, hat dies Auswirkungen auf die Fruchtfolge, insbesondere auf das Auftreten relevanter Krankheitserreger sowie die begleitenden Unkrautpopulationen. Über nachwachsende Rohstoffe, wie Silomais oder Getreideganzpflanzensilage, aber auch über Ernterückstände gelangen spezifische Krankheitserreger und keimfähige Unkrautsamen in den Fermenter der Biogasanlage. Durch die Ausbringung der Fermentationsendprodukte (Biogasgülle) werden diese Schadorganismen flächendeckend auf landwirtschaftlich genutzten Flächen verteilt. Bleiben sie im Zuge des Biogasprozesses infektiös oder keimfähig, dann erhöht sich der Krankheits- und Unkrautdruck auf den mit Biogasgülle gedüngten Flächen. Insbesondre PIETSCH (2004) betrachtet aufgrund der sehr weitreichend fehlenden Untersuchungen viele Schaderreger als potentiell risikoreich für die phytosanitäre Übertragung. In einem vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft finanziertem Projekt war es daher Ziel, für die geprüften Schadorganismen und Unkrautarten eine Beurteilung über die Hygienisierung im Zuge des Fermentationsprozesses in Biogasanlagen durchführen zu können und dadurch eine Risikobewertung für die Ausbringung von Biogasgülle in diesem Zusammenhang zu geben (LEONHARDT et al. 2010). Material und Methoden In einer Versuchsreihe wurde die Keimfähigkeit ausgewählter Unkrautarten (Avena fatua, Rumex obtusifolius, Atriplex patula, Bromus sp., Galium sp., Amaranthus sp., Elytrigia repens, Chenopodium album, Echinochloa crus-galli, Polygonum lapathifolium) nach unterschiedlich langer Verweilzeit und bei verschiedenen Temperaturen in Biogasfermentern und unter Laborbedingungen untersucht um nachhaltige Risiken beurteilen zu können. Dabei wurden die Unkrautsamen in kleine Säckchen eingenäht und in drei Biogasfermenter unterschiedlicher Bauart sowie unter Laborbedingungen eingebracht. Nach verschiedenen Verweilzeiten (1 Tag, 7 Tage, 21 Tage, 2 Monate) wurden die Samen entnommen und einer Keimfähigkeitsprüfung unterzogen. Bei der Versuchsreihe im Labor wurde versucht, Bedingungen einer Biogasanlage zu simulieren und gleichzeitig ein geregeltes Umwelt- und Zeitregime vorzugeben. Die Unkrautsamen wurden in frisches Gärsubstrat in Laborplastikschalen eingetaucht und einem mesophilen (~35°C) und einem thermophilen (~50°C) Temperaturbereich ausgesetzt. In einer weiteren Versuchsreihe wurde die Keimfähigkeit ausgewählter Krankheitserreger (Tilletia caries, Tilletia controversa, Ustilago maydis, Fusarium spp. und Sclerotina sclerotiorum) ebenfalls nach unterschiedlich langen Verweilzeiten überprüft. Einbringmethodik, Verweilzeiten und Temperaturbereiche waren analog zu der Versuchsserie der Unkrautsamen. Zusätzlich wurden für die Krankheitserreger Tilletia caries, Tilletia controversa und Ustilago maydis Feldversuche angelegt. Es erfolgte eine künstliche Infektion mit bearbeiteten Sporen je nach Infektionsmechanismus des Erregers. Die Kleinparzellenversuche (4-10m2) wurden an den Standorten Großnondorf (Tilletia caries) und Grabenegg (Tilletia caries, Tilletia controversa und Ustilago maydis) durchgeführt. Ergebnisse und Diskussion Die erarbeiteten Ergebnisse erlauben klare Antworten auf die oben angeführten Zielsetzungen und lassen sich wie folgt zusammenfassen: • Die pilzlichen Schaderreger Tilletia caries, Tilletia controversa, Ustilago nuda, Fusarium spp. und Sclerotinia sclerotiorum wurden bereits bei kurzfristigem Einbringen in Fermentationssubstrat vollständig hygienisiert. Bei Fusarium spp., Ustilago maydis und Sclerotinia sclerotiorum wurde bereits nach einem Tag Verweilzeit keine Keimfähigkeit der Sporen am Agarplattentest festgestellt. Die Sporen der Gattung Tilletia waren geringfügig widerstandsfähiger, nach 3 Tagen Verweilzeit war aber auch bei diesen Erregern keine Keimfähigkeit der Sporen festzustellen. Feldversuche zu Tilletia caries und Ustilago maydis untermauern die Ergebnisse aus den Versuchsreihen im Labor auch unter Feldbedingungen. 90 Anteil erkrankter Ähren in % 80 70 D V1: ca. 3 000 Sporen/Korn, Sporen 4 Wochen im Fermenter V2: ca. 15 000 Sporen/Korn, Sporen 4 Wochen im Fermenter V3: ca. 3 000 Sporen/Korn, Sporen 1 Woche im Fermenter V4: ca. 15 000 Sporen/Korn, Sporen 1 Woche im Fermenter V5: ca. 1 000 Sporen/Korn, natürliche Infektion V6: ca. 3 000 Sporen/Korn, lebensfähige Sporen, künstliche Infektion V7: ca. 15 000 Sporen/Korn, lebensfähige Sporen, künstliche Infektion 60 50 40 C Versuchsstandort Großnondorf 30 B 20 10 Bonferroni-Test – p=0,05 A A A A A 0 gesund V1 V2 V3 V4 V5 V6 V7 Abbildung 1: Ergebnisse des Feldversuchs zu Tilletia caries in Großnondorf • Die in den Prüfungen aufgenommenen Unkrautarten Avena fatua, Rumex obtusifolius, Atriplex patula, Bromus sp., Galium aparine, Amaranthus sp., Elytrigia repens, Chenopodium album, Echinochloa crus-galli, Polygonum lapathifolium zeigten bereits nach sehr kurzzeitigem Verweilen im Fermentationssubstrat vollständigen Verlust der Keimfähigkeit. Alle angeführten Unkrautarten mit Ausnahme von Chenopodium album wiesen nach einer Woche im mesophilen Milieu Keimfähigkeit -0%- auf. Chenopodium erwies sich als die zäheste Art, jedoch auch bei der 3 Wochen-Variante war keine Keimfähigkeit nachzuweisen. Diese Ergebnisse decken sich mit ähnlichen Ergebnissen aus Deutschland (SCHRADE et al. 2004). Noch signifikant schneller erfolgte der Verlust der Keimfähigkeit im thermophilen Milieu. Auf diesem gewählten Temperaturniveau (ca. 50°C) waren bereits nach einem Tag bei sämtlichen Arten keine keimfähigen Samen festzustellen. Lebensfähigkeitsprüfungen mittels Tetrazoliumtest bestätigten bei den untersuchten Arten den völligen Verlust der Lebensfähigkeit. Lediglich harte Samen, bei Kleearten sind im Hinblick auf eine Abarbeitung im Fermentationsprozess differenzierter zu sehen. Zur genaueren Abtestung wären dazu allerdings weiterführende Untersuchungen notwendig. y = 0,0048x4 - 0,2703x3 + 4,1388x2 - 24,647x + 51,919 R2 = 0,9503 gekeimte Samen 50 40 30 20 10 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Verweilzeit [Tage] Abbildung 1: Verlauf der Hygienisierung anhand von Chenopodium album Zusammenfassung Im Hinblick auf die in diesem Projekt untersuchten Unkrautarten und pilzlichen Schaderreger kann das Risiko der Ausbreitung dieser unerwünschten Arten und Organismen durch Gärreste und Fermentationsendprodukte als äußert gering und daher als unbedenklich eingestuft werden. Da in der Praxis häufig noch deutlich längere Verweilzeiten und darüber hinaus auch noch Verweilzeiten im Endlager üblich sind, reduziert sich dieses Risiko weiter. Ebenfalls noch nicht mitberücksichtigt in der Risikokalkulation ist eine häufig übliche Silierung der Fermentationsausgangsstoffe, die zur weiteren Risikoreduktion beitragen. Abstract For evaluation of the sanitation of undesirable pathogens, weed seeds and plant propagules in biogas plants, studies under laboratory conditions (germination and viability tests) and in three biogas plants in practice were performed; additionally field experiments with selected pathogens were carried out. In view of the examined weed species and fungal pathogens, the dissemination risk of these undesirable species and organisms by digestates and fermentation end products can be classified quite low. The common practice of longer times of exposure, supplementary retention periods in the final storage and in addition frequently common ensiling of fermentation raw material reduces the risk even further. Literatur LEONHARDT, C., WEINHAPPEL, M., GANSBERGER, M., BRANDSTETTER, A., SCHALLY, H., PFUNDTNER, E., (2010): Endbereicht zum DAFNE-Forschungsprojekt Nr. 100296 des BMLFUW, in Approbation PIETSCH, M., (2004): Pflanzengesundheitliche Risken und Hygienefragen bei der Vergärung von nachwachsenden Rohstoffen. Bericht zur 13. Jahrestagung „Biogas und Bioenergie in der Landwirtschaft“ am 2-4.12.2004, 87-94 SCHRADE, S., PEKRUN, C, OECHSNER H., CLAUPEIN, W. (2003) Untersuchungen zum Einfluss der Biogasgärung auf die Keimfähigkeit von Unkraut- und Kulturpflanzensamen unter besonderer Berücksichtigung des Ampfers (Rumex obtusifolius). Freyer (Hesg.): 7. Wissenschaftstagung zum ökologischen Landbau: Ökologischer Landbau der Zukunft, pp. 531-532 Adressen der Autoren 1 Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Institut für Saatgut, Spargelfeldstraße 191, A-1220 Wien 2 Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), Department für Angewandte Pflanzenwissenschaften und Pflanzenbiotechnologie, Gregor Mendel Straße 33, A-1180 Wien 3 Landwirtschaftskammer Niederösterreich, Wiener Straße 64, A-3100 St. Pölten 4 Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Institut für Bodengesundheit & Pflanzenernährung, Spargelfeldstraße 191, A-1220 Wien * Ansprechpartner: Dipl.-HLFL-Ing. Manfred Weinhappel, [email protected]