Depressionen - Bedeutung und Behandlung im

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Medizinisches Thema
KV-Blatt 11.2016
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Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen;
zwischen 5 bis 15 % der Menschen
erkranken mindestens einmal im Leben
an einer Depression. Jedoch werden nur
davon etwa 10-30 % behandelt, häufig
ohne eine fachspezifische und leitliniengerechte Therapie durch Haus- oder
Facharzt erhalten zu haben. Auf der
anderen Seite ist seit den 1990er-Jahren
bekannt, dass etwa 10 % der Allgemeinarztpatienten zum Untersuchungszeitpunkt an einer Depression leiden.
Verlauf von Depressionen:
Häufig treten bei depressiven Patienten
oftmals weitere psychiatrische Erkrankungen auf. Hierbei sind vor allem
Angststörungen (u.a. Panikstörungen,
Agoraphobie, generalisierte Angststörung), Alkoholabhängigkeit und Persönlichkeitsstörungen zu nennen, welche
die Behandlung oftmals erschweren
und ein intensiveres therapeutisches
Vorgehen erfordern.
Die klinisch-psychiatrische Beurteilung
depressiver Störungen erfolgt in einem
mehrstufigen Prozess. Hierbei wird
zunächst anhand der Symptomatik der
Patienten mit Depressionen haben
zudem häufiger somatische Erkrankungen und eine erhöhte Mortalität als
die Normalbevölkerung. Hierbei spielen
neben dem erhöhten Risiko für Suizide
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Diagnostik:
Ursachen:
Wie für die meisten psychischen Erkrankungen geht man von einem multifaktoriellen Geschehen bei der Pathogenese
von Depressionen aus. Neben genetischen Veränderungen (v. a. im Serotonin- und Katecholaminstoffwechsel)
spielen biografische Ereignisse (z. B.
traumatische Kindheit) sowie aktuelle
Komorbiditäten:
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Elke Best
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Medizinrecht
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Wesentliche Symptome einer Depression nach den Kriterien der ICD-10 sind
über zwei Wochen anhaltende depressive Verstimmung, Verlust von Freude
an Aktivitäten sowie ein verminderter Antrieb. Zusätzlich können Symptome wie vermindertes Selbstvertrauen, Selbstvorwürfe, Suizidgedanken,
Konzentrations- und Schlafstörungen,
Appetit- und Gewichtsveränderungen
sowie verschiedenste (psycho-)
somatische Symptome auftreten. In
schwereren Fällen können auch psychotische Symptome, d.h. krankhafte Überzeugungen zumeist von Schuld, Verarmung oder schwerer Krankheit, mit
auftreten.
Zum Ausschluss somatischer Ursachen
(z.B. Schilddrüsenfunktionsstörungen)
erfolgt eine entsprechende Labordiagnostik. Bei klinischem Verdacht auf
eine hirnorganische Ursache (insbesondere bei atypischer Symptomatik oder
neurologischen Symptomen) ist ggf.
eine zerebrale Bildgebung einzuleiten.
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Symptome:
Depressionen sind in der überwiegenden Mehrzahl episodische Erkrankungen mit einem rezidivierenden Verlauf. Bei 60–75 % aller Betroffenen ist
davon auszugehen, dass nach einer
ersten depressiven Episode mindestens
eine weitere Episode folgt; im Mittel treten bei Patienten mit rezidivierenden
Depressionen sechs Episoden über die
Lebensdauer auf. Bezüglich der Episodendauer bestehen große inter- und
intraindividuelle Unterschiede: Bei ca.
der Hälfte aller Betroffenen dauert die
Episode weniger als 3 Monate, bei 25 %
3 bis 6 Monate und bei einem weiteren
Viertel mehr als 1 Jahr.
Schweregrad der depressiven Störung
eingestuft. In einem zweiten Schritt
wird geklärt, ob es sich um eine unipolare Depression oder eine Depression
im Rahmen einer bipolaren Störung
handelt, bei der auch (hypo-)manische
Episoden auftreten.
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Belastungen (z.B. Tod von Angehörigen, Arbeitsplatzverlust, Trennung vom
Partner) und auch hormonelle Einflüsse
eine Rolle. Beispielsweise erkranken
Frauen im Vergleich zu Männern doppelt so häufig an Depressionen; auch
treten bei Frauen oftmals Depressionen
in hormonellen Umstellungssituation
nach Geburt oder Klimakterium auf.
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Hippokrates beschrieb die mit Trübsal
und Schwermut verbundene „Melancholie“ als einen Überschuss an
schwarzer Galle. Depressionen zählen
somit zu den ältesten in der Medizin
erwähnten Krankheiten. Viele berühmte
Künstler, wie Hermann Hesse, Ernest
Hemingway, Virginia Woolf oder Edgar
Allan Poe, litten an Depressionen.
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Depressionen – Bedeutung und Behandlung
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Medizinisches Thema
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und Unfälle auch die Folgen des depressionstypischen ungesunden Lebensstils
(u.a. Ernährung, Bewegungsmangel)
eine Rolle. Auch wurde z.B. bei Herzinfarkten und Schlaganfällen beobachtet,
dass die Mortalität erhöht war, wenn
zusätzlich der Patient an einer Depression erkrankt war.
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Medikamentöse Behandlung mit
Antidepressiva:
In Deutschland sind etwa 30 Wirkstoffe
zur medikamentösen Behandlung von
Depressionen zugelassen:
Die wichtigsten Antidepressivagruppen
sind:
Therapie:
Bogen 14 Rückseite
Allgemeine Ziele in der Depressionsbehandlung sind die Verminderung der
depressiven Symptome, Erkennung und
Verhinderung von Suizidalität, Wiederherstellung der beruflichen und psychosozialen Leistungsfähigkeit sowie eine
Reduzierung der Rückfallwahrscheinlichkeit. Die Behandlung von Depressionen gliedert sich in drei Phasen:
1. Akutphase
2. Erhaltungstherapie nach dem
Abklingen der depressiven Episode
(4-9 Monate)
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3. Ggf. Rezidivprophylaxe
Ob und wie eine Therapie und vor allem
Rezidivprophylaxe durchgeführt wird, ist
vor allem abhängig von den klinischen
Faktoren (Schwere der Symptome, bisheriger Verlauf, Begleiterkrankungen)
sowie den Präferenzen von Arzt/Therapeut und Patient.
Zur Therapie der depressiven Störungen
stehen dabei neben medikamentöser
und psychotherapeutischer Behandlung
weitere Maßnahmen zur Verfügung.
Neben der Verbesserung des Antriebs
durch (sportliche) Aktivität kommen
Entspannungsverfahren, Schlafentzugs­
therapie, Elektrokonvulsionstherapie
(EKT) und Lichttherapie (vor allem für
die sog. „Winterdepression“) infrage.
Die EKT wird vor allem bei schwerer
Depression eingesetzt, die auf vorherige
Therapieversuche mit Antidepressiva
und Psychotherapie nicht angesprochen
haben.
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1. Trizyklische Antidepressiva (TZA)
(z.B. Amitriptylin, Doxepin, Trimipra­
min)
TZA beeinflussen mehrere Neurotransmittersysteme gleichzeitig, indem sie
die Wiederaufnahme von Serotonin,
Noradrenalin und Dopamin hemmen
und auf Azetylcholin-, Histamin- oder
auch Adrenozeptoren wirken. Wesentliche Nebenwirkungen (NW) sind anticholinerg, wie Obstipation, Mundtrockenheit und kardiale NW sowie
Delirgefahr (insbesondere bei zerebraler
Vorschädigung).
2. Selektive Serotonin-WiederaufnahmeHemmer(SSRI)( z.B. Fluoxetin,
Citalopram, Escitalopram, Sertralin ,
Paroxetin)
Die SSRI werden aufgrund ihrer Verträglichkeit und ihres im Vergleich zu den
TZA deutlich besseren Sicherheitsprofils
derzeit am häufigsten eingesetzt. Neurochemisch blockieren sie selektiv die
Wiederaufnahme von Serotonin. Wichtigste NW sind gastrointestinale Symptome (z.B. Übelkeit und Diarrhoe). In
den letzten Jahren wurden vermehrt
QTc-Zeit-Veränderungen für Citalopram
und Escitalopram beschrieben; bei Risikopatienten z.B. mit kardialer Vorschädigung sind deshalb engmaschige EKGKontrollen erforderlich.
ähnlich; zusätzlich treten aufgrund der
Noradrenalinwiederaufnahmehemmung
häufiger Hypertonie und Herzfrequenz­
erhöhungen auf.
4. Noradrenerges und spezifisch sero­
tonerges Antidepressivum (NaSSA)
(Mirtazapin):
Mirtazapin wirkt als monoaminerges
Antidepressivum über die Hemmung
präsynaptischer Alpha-2-Autorezeptoren, wodurch es zu einer verstärkten
Ausschüttung von Noradrenalin kommt.
Wichtigste Nebenwirkungen von Mirtazapin sind Sedierung und Appetitsteigerung, welche insbesondere bei Appetitmangel und schwerer Schlafstörung
„ausgenutzt“ werden kann, jedoch häufig Therapieabbrüche beim Langzeiteinsatz hervorrufen.
5. Selektive Noradrenalin-Dopamin-Wie­
deraufnahme-Inhibitoren (Bupropion)
Bupropion wirkt über eine kombinierte
Hemmung der Wiederaufnahme von
Noradrenalin und Dopamin. Wesentliche Nebenwirkungen sind Schlaflosigkeit und Übelkeit.
6. Melatonin-Rezeptor-Agonist
(Agolmelatine)
Agomelatine wirkt als Agonist an den
Melatonin-Rezeptoren; zudem hemmt
es selektiv den 5HT2C-Rezeptor. Es hat
keine anticholinergen Nebenwirkungen.
Aufgrund der Verbesserung des Schlafverhaltens eignet es sich gut bei Schlafstörungen. Aufgrund beschriebener
Hepatotoxizität sind zu Beginn der
Behandlung regelmäßige Transaminasenkontrollen erforderlich.
7. Phytopharmaka
3. Selektive Serotonin-/Noradrena­
lin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI,
SSNRI)(Venlafaxin, Duloxetin, Milnaci­
pran):
Die SNRI hemmen die Wiederaufnahme
von Serotonin und Noradrenalin. Die
Nebenwirkungen sind denen der SSRI
Wichtigstes Phytopharmakon zur
Behandlung von leichten bis mittelschweren Depressionen ist Johanniskraut. Wichtige Nebenwirkung ist eine
erhöhte Photosensibilierung. Zudem
ist zu beachten, dass es zu einer verstärkten Induktion verschiedener Cyto-
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Integrierte Versorgung (IV) von
Depressionen in Berlin:
Bei schweren Verläufen von Depressionen, insbesondere mit wiederkehrenden stationären Behandlungen (z.B.
aufgrund von Suizidalität) ist oftmals
im ambulanten Setting ein multimodales und multiprofessionelles Herangehen nötig.
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Sie kommt sowohl in der Akuttherapie
als auch in der Rezidivprophylaxe zur
Anwendung, wobei insbesondere psychoedukative Elemente (z.B. durch Aufklärung über die Krankheit und Behandlung, Erarbeitung Krisenplan) wirksam
zur Rückfallverhinderung sind.
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Psychotherapie ist hochwirksam bei
der Behandlung von Depressionen und
kann alleine oder zusammen mit Antidepressiva als Teil eines Gesamtbehandlungsplans eingesetzt werden. Zu
den wichtigsten psychotherapeutischen
Verfahren zur Depressionsbehandlung
zählen die kognitive Verhaltenstherapie
(KVT), die tiefenpsychologische Psychotherapie sowie die sog. Interpersonelle
Psychotherapie.
Dr.med.MichaelKrebs
FacharztfürPsychiatrie
undPsychotherapie
Drakestr.61
12205Berlin
Falzbogen
Psychotherapeutische Verfahren:
Depressionen sind häufig langfristige,
z.T. jahrzehntelange Krankheiten, die
ein individuelles und situationsadaptiertes Herangehen erfordern. Aus der
Vielzahl der möglichen Therapieverfahren und ihrer Kombinationen sollte deshalb im Sinne der partizipativen Entscheidungsfindung gemeinsam mit den
Patienten das oder die angemessensten
Verfahren ausgewählt werden. Hierbei
sollte auch das persönliche Umfeld des
Patienten wenn möglich einbezogen
werden, um ein bestmögliches Behandlungsergebnis zu erreichen und um
negative Konsequenzen zu verhindern.
Literatur beim Verfasser
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Lithium spielt vor allem als Mittel zur
Rezidivprophylaxe von Depressionen
und bei der sog. Lithiumaugmentation
eine Rolle. Als Lithiumaugmentation
bezeichnet man die zusätzliche Gabe
von Lithium zusätzlich zu einem Antidepressivum zur Wirkverstärkung. Eine
Therapie mit Lithium setzt regelmäßige Spiegelkontrollen voraus. Wesentliche Nebenwirkungen betreffen Niere,
Schilddrüse, Tremor, Müdigkeit und
Gewichtszunahme. Zudem besteht das
Risiko einer potenziell lebensbedrohlichen Lithiumintoxikation.
Fazit:
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8. Lithium:
Ein Beispiel für eine strukturierte, multiprofessionelle ambulante Komplexbehandlung existiert in Berlin mit dem
KV-zertifizierten Ärztenetz der Psychiatrie Initiative Berlin Brandenburg (PIBB).
In der PIBB wirken neben niedergelassenen Psychiatern und Nervenärzten
Kinder- und Jugendpsychiater, Fachärzte
für Psychosomatik und Psychotherapie,
Hausärzte, Psychologische Psychotherapeuten sowie Soziotherapeuten, Ergotherapeuten und psychiatrische Fachpfleger mit. Das Netz arbeitet zudem
sektorübergreifend mit zahlreichen
Kliniken zusammen. Kooperationen
bestehen zudem zu Angehörigen- und
Betroffenengruppen. Zielsetzung der
integrierten Versorgung ist es, die Kontinuität in der Behandlung psychiatrischer Patienten sicherzustellen und
stationäre Behandlungen, wenn möglich, zu vermeiden beziehungsweise zu
verkürzen. Dabei spielt die ambulante
psychiatrische Pflege (APP) neben der
Soziotherapie eine besonders wichtige
Rolle. Die Patienten werden durch psychiatrische Fachschwestern und –pfleger in enger Kooperation mit dem Facharzt im häuslichen Umfeld betreut.
Im Rahmen der IV hat die PIBB aktuell
teils populationsbezogene (AOK Nordost), teils indikationsbezogene (DAKGesundheit, BKK VBU, Brandenburgische BKK) Verträge geschlossen. An
weiteren IV-Verträgen ist die PIBB indirekt beteiligt.
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2016/10/31 10:04:29
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