„die massnahme“ erstmals in augsburg

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Festival
„Die Massnahme“ erstmals in Augsburg
Sechs Fragen an Regisseur David Benjamin Brückel
- Herr Brückel, Sie inszenieren in Augsburg
„Die Maßnahme“ als Höhepunkt oder zumindest als Schlusspunkt des diesjährigen
Brecht Festivals. Die voraussichtlich einzige Aufführung ist am 13. Februar. Worum
geht es in dem Stück?
Vier Agitatoren kehren aus einem fiktiven
China zurück, wo sie angesichts der dort
herrschenden unmenschlichen Arbeitsbedingungen die Revolution vorbereiten
sollten. Leider waren sie gezwungen, einen
ihrer Mitstreiter zu töten, da dieser durch
unüberlegtes, vorschnelles Handeln die
Operation und alle Beteiligten zu gefährden drohte. Vor einem Kontrollchor sollen die vier Agitatoren diese „Maßnahme“
nun rechtfertigen. Das ist die Ausgangslage
des Stückes. Es geht um die Frage, wie weit
man für die vermeintlich richtige Idee gehen darf bzw. wie man sich verhalten muss,
um die „Maßnahme“ zu vermeiden. Das ist
der Kern. Brecht wurde lange missverstanden, weil man in seinem Lehrstück eine Legitimation für politischen Mord erkannte.
Brecht und Eisler haben dann dafür gesorgt,
dass das Stück für lange Zeit mit einem Aufführungsverbot belegt wurde.
- Ist das Stück eher historisch oder durchaus aktuell?
Die Kernfrage ist auch heute noch äußerst
aktuell. Wie weit gehen wir im Namen der
vermeintlich richtigen Idee? Und wie im
Stück werden auch heute noch zweifelhafte
Maßnahmen ergriffen. Brechts Lehrstück
sollte zum richtigen Verhalten anleiten. Die
Schauspieler sollten durch das Rollenspiel
auf der Bühne ihre gesellschaftlichen Rollen hinterfragen und diese als veränderbar
begreifen. Das war das Ziel des Lehrstücks.
Mir geht es heute aber nicht darum, irgendjemanden zu belehren. Die Verhältnisse
sind komplizierter, ambivalenter, als dass
man sie auf die einfache Formel „gut und
böse“ reduzieren könnte. Ich halte es aber
für unerlässlich, Fragen zu stellen, die zum
Nachdenken anregen. Wie gehen wir mit
den genannten Kategorien um? Wofür treten wir ein? Wir hoffen, dass die Zuschauer
am Schluss mit einer Frage rausgehen. Und
nicht mit einer Antwort.
- Sie spielen im Textilmuseum, was zunächst
ein Notbehelf wegen des Augsburger Spielstätten-Dilemmas ist. Wollen Sie das Textilmuseum thematisch einbeziehen?
Der helle, große Raum im ersten Stock des
Textilmuseums vermittelt noch immer eine
Fabrik­atmosphäre. Das passt thematisch
hervorragend zur „Maßnahme“. Außerdem
ist interessant, dass wir hier keine klassische Guckkasten-Situation haben. Das
Publikum sitzt auf zwei Seiten eines Vierecks. Gespiegelt wird es von einem vierzigköpfigen Chor und einem Orchester. In
der Mitte dieses Vierecks befindet sich der
Hauptspielort für die Schauspieler. Sie sind
also von vier Seiten her eingerahmt und
müssen sich überall hin orientieren. Nicht
nur in eine Richtung. Aber auch für das Publikum ist die Situation ungewohnt, weil die
Zuschauer nun gleichzeitig beobachten und
beobachtet werden. An diesem Abend gibt
es also keine Unbeteiligten.
- Wie fassen Sie eine solche Inszenierung
an, wühlen Sie sich durch die Literatur oder
lassen Sie primär Text und Noten auf sich
wirken?
Dreigroschenheft 1/2011
Festival
„Die Maßnahme“: Material im Netz
Für mich als Regisseur ist eine gewisse
Vorbereitung notwendig. Ebenso für die
Schauspieler und Musiker. Während der
Proben müssen wir diesen theoretischen
Unterbau aber wieder vergessen, um unseren eigenen Zugang zu finden. Dann interessiert uns nur noch das Stück, sein Text
und die Musik. Für den Zuschauer muss die
Aufführung aus sich selbst heraus Wirkung
erzeugen. Ohne Programmheft und Sekundärliteratur.
- Die Musik ist völlig unbekannt, es gibt
keine Aufnahme …
Das ist großartig, weil wir dadurch gewissermaßen etwas Neues auf die Bühne bringen, obwohl die Uraufführung 1930 stattfand. Die Fremdheit ist von großem Vorteil,
weil sie uns wach hält, so wie Musik von
Hanns Eisler immer darauf gerichtet ist,
das Publikum nicht einzulullen, sondern
bei kritischem Verstand zu halten. Das ist
ja auch eine Prämisse von Brechts Theaterkonzeption. Die musikalische Leitung liegt
übrigens bei Geoffrey Abbott, der auch die
vergangenen Brecht-Festivals in Augsburg
musikalisch begleitet hat.
- Vielen Dank Herr Brückel, und toitoitoi.
David Benjamin Brückel lebt als freier Theaterregisseur und Filmwissenschaftler in Berlin. Zuletzt inszenierte er am Schauspiel Hannover, am Staatsschauspiel Dresden und am
Staatstheater Saarbrücken. (Interview: mf)
Dreigroschenheft 1/2011
Texte
http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Maßnahme
http://www.tour-literatur.de/aufsaetze/
brecht_massnahme.htm
http://www.luise-berlin.de/bms/bmstxt01/
0105gesd.htm
http://www.simulationsraum.de/wp-content/Texte/Die_Massnahme.pdf
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/
fazit/758566/
Videos (Auswahl)
http://www.youtube.com/
• (Gespräch des Händlers und des jungen Genossen. -Song von Angebot und
Nachfrage, komponiert von Hanns Eisler)
• (LIED DES HÄNDLERS - aus „Die
Maßnahme“ - Servio Tulio and Glauco
Baptista live - Teatro Municipal de Niterói - Rio de Janeiro – 2004)
• (Video exerpts from the performance of
Brechts Die Massnahme at BIT-teatergarasjen, Bergen 2007. Direction and audio
visual concept by Tore Vagn Lid)
• (mit Robyn Archer: The Song of Supply
and Demand [op. 18/4] (1930) (German
Title: Song von Angebot und Nachfrage)
Performer: Robyn Archer Conductor:
Dominic Muldowney Orchestra/Ensemble: London Sinfonietta
Culturebox France 3: „Die Maßnahme“
(La décision) à l‘Opéra de Rennes, März
2010 – siehe Abbildungen.
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