2. Modelle in diskreter Zeit 2.1. Der Markt

Werbung
10
2.
2. MODELLE IN DISKRETER ZEIT
Modelle in diskreter Zeit
Wir arbeiten nun auf einem messbaren Raum (Ω, F). Wir nehmen in diesem Kapitel
an, dass der Raum Ω endlich ist.
2.1. Der Markt
Wir nehmen an, dass es d + 1 Aktiven gibt, mit Preis S n = (Sn0 , Sn1 , . . . , Snd )> zur
Zeit n. Der Preisprozess ist {Fn }-adaptiert. Wir nehmen an, dass F0 = {∅, Ω},
das heisst, man hat keine Information im Zeitpunkt 0. Wir nehmen einen endlichen
Zeithorizont N an, das heisst I = {0, 1, . . . , N }. Wir nehmen daher auch an, dass
FN = F, das heisst, im Zeitpunkt N kennt man die ganze Information. Wir nehmen
weiter an, dass Sn0 > 0 für alle n.
Der Aktiv {Sn0 } heisst risikoloser Aktiv, die anderen riskante Aktiven. Der
Einfachheit halber normieren wir S00 = 1. Wir verwenden den risikolosen Aktiv zum
Diskontieren, βn = 1/Sn0 , und setzen S̃ni = βn Sni .
Eine Handelsstrategie ist ein vorhersehbarer Prozess φ = {(φ0n , . . . , φdn )}. φin
bezeichnet die Anzahl Einheiten des Aktiv i, die im Intervall (n − 1, n] im Portfolio
gehalten werden. φ muss vorhersehbar sein, da man zur Zeit n − 1 über die Anzahl
entscheiden muss. Der Wert des Portfolios zur Zeit n ist
Vn (φ) = φn S n =
d
X
φin Sni .
i=0
Der diskontierte Wert ist
Ṽn (φ) = βn φn S n = φn S̃ n .
Definition 2.1. Eine Handelsstrategie heisst selbstfinanzierend, falls
φn S n = φn+1 S n .
Selbstfinanzierend kann auch auf folgende Arten ausgedrückt werden.
Hilfssatz 2.2. Folgende Aussagen sind äquivalent:
i) Die Strategie φ ist selbstfinanzierend.
2. MODELLE IN DISKRETER ZEIT
11
ii) Für jedes n gilt
Vn (φ) = V0 (φ) +
n
X
φj ∆S j ,
j=1
wobei ∆S j = S j − S j−1 .
iii) Für jedes n gilt
Ṽn (φ) = V0 (φ) +
n
X
φj ∆S̃ j ,
j=1
wobei ∆S̃ j = S̃ j − S̃ j−1 = βj S j − βj−1 S j−1 .
Beweis.
Übung.
Proposition 2.3. Zu jedem vorhersehbaren Prozess {(φ1n , . . . , φdn )} und für jedes F0 -messbare V0 gibt es einen eindeutigen Prozess φ0 , so dass die Strategie φ
selbstfinanzierend ist mit Startwert V0 .
Beweis.
Selbstfinanzierend bedeutet, dass
Ṽn (φ) =
φ0n
+
d
X
φin S̃ni
= V0 +
i=1
n X
d
X
φij ∆S̃ji ,
j=1 i=1
da ∆S̃j0 = 0. Daher ist φ0n eindeutig. Dass {φ0n } vorhersehbar ist, folgt aus
φ0n
= V0 +
n−1 X
d
X
j=1 i=1
φij ∆S̃ji
−
d
X
i
φin S̃n−1
.
i=1
Wir haben keine Einschränkung gemacht, dass immer eine positive Anzahl Aktiven im Portfolio sein müssen. φ0n < 0 bedeutet, dass man sich “Geld” leiht, um
das Portfolio zu erwerben. φin < 0 nennt man eine kurze Position. Das bedeutet,
dass man einen Forward Vertrag eingeht. Das heisst, man verspricht in Zukunft
−φin Aktiven zu liefern, und erhält die Prämie dafür heute. In unserem Markt sind
kurze Positionen erlaubt. Der Wert eines Portfolios darf aber nicht negativ werden,
das heisst, ein Händler muss immer seinen Verpflichtungen nachkommen können.
12
2. MODELLE IN DISKRETER ZEIT
Definition 2.4. Eine Strategie φ heisst zulässig, falls sie selbstfinanzierend ist
und falls Vn (φ) ≥ 0 für alle n. Eine Strategie φ heisst Arbitrage, falls sie zulässig
ist, V0 (φ) = 0 und VN (φ) > 0.
Der (diskontierte) Gewinn ist definiert als
G̃n (φ) =
n X
d
X
φij ∆S̃ji .
j=1 i=1
2.2. Martingale und Arbitrage
Hilfssatz 2.5. Ein Markt erlaubt Arbitrage genau dann, wenn es einen verhersehbaren Prozess (φ1 , . . . , φd ) gibt, mit G̃N > 0.
Beweis. Falls es Arbitrage gibt, hat die entsprechende Handelsstrategie die behauptete Eigenschaft. Nehmen wir an, es gebe einen vorhersehbaren Prozess mit
G̃N > 0. Gilt G̃n (φ) ≥ 0 für alle n, dann haben wir eine Arbitrage gefunden. Sei
n := sup{k < N : IIP[G̃k (φ) < 0] > 0}. Sei A = {G̃n (φ) < 0}. Wir definieren
die Strategie ψj = 1IA 1Ij>n φj . Dann erhalten wir G̃j (ψ) = 1IA 1Ij>n (G̃j (φ) − G̃n (φ)).
Daher gilt G̃N (ψ) > 0. Wir haben also eine Arbitrage konstruiert.
Satz 2.6. Es gibt keine Arbitrage genau dann, wenn es ein äquivalentes Mass IIP∗
gibt, so dass der diskontierte Preisprozess S̃ ein Martingal unter IIP∗ ist.
Beweis. Nehmen wir an, dass es ein äquivalentes Martingalmass gibt. Sei φ eine
selbstfinanzierende Strategie mit V0 (φ) = 0 und VN (φ) ≥ 0. Dann ist
Ṽn (φ) =
n
X
φj ∆S̃ j
j=1
ein IIP∗ -Martingal; das heisst, IIE∗ [VN (φ)] = V0 (φ) = 0. Da die Masse äquivalent sind,
gilt auch IIP∗ [VN (φ) ≥ 0] = 1, und damit IIP∗ [VN (φ) = 0] = 1. Das Gleiche muss
auch unter IIP gelten.
Nehmen wir an, dass es keine Arbitrage gibt. Zu jedem vorhersehbaren Prozess
assozieren wir die Zufallsvariable G̃N (φ). Bezeichnen wir den Raum
dieser Variablen mit V. V ist dann ein konvexer Unterraum des Vektorraumes der
Zufallsvariablen. Da Ω nur endlich viele Elemente hat, gilt IIE[X 2 ] < ∞ für alle
X ∈ V. Sei Γ der Raum der echt positiven Zufallsvariablen. Dann gilt Γ ∩ V = ∅.
{(φ1j , . . . , φdj )}
2. MODELLE IN DISKRETER ZEIT
13
Somit gibt es eine Zufallsvariable λ, die eine lineare Funktion X 7→ IIE[λX] definiert,
so dass IIE[λX] > IIE[λY ] für alle X ∈ Γ und Y ∈ V (Satz von Hahn–Banach,
Verallgemeinerung von Lemma E.1). Da V ein Unterraum ist, muss IIE[λY ] = 0
gelten für alle Y ∈ V, und somit IIE[λX] > 0 für alle X ∈ Γ. Da damit
IIE[λλ− ] = −IIE[(λ− )2 ] ≤ 0 ,
schliessen wir, dass λ ≥ 0. Da IIE[λ] = IIE[1λ] > 0, haben wir λ > 0. Da auch
IIE[λ1Iλ=0 ] = 0, schliessen wir, dass IIP[λ > 0] = 1. Wir dürfen nun annehmen, dass
IIE[λ] = 1. Das Mass IIP∗ [A] = IIE[λ1IA ] ist daher äquivalent. Da IIE[λG̃N (φ)] = 0,
schliessen wir aus Lemma C.3, dass S̃ ein Martingal ist.
2.3. Vollständige Märkte und Optionspreise
Ein bedingter Anspruch ist eine positive Funktion der Variablen {S n : 1 ≤ n ≤
N }. Wir nennen einen Anspruch europäisch falls es nur eine Funktion von S N ist.
i
i +
Beispiele sind die Call-Option h = (SN
− K)+ oder die Put-Option h = (K − SN
) .
Optionen können aber auch vom Preis in mehreren Zeitpunkten abhängen, wie zum
P
i
+
Beispiel die Asiatische Option h = (k −1 N
j=N −k+1 Sj − K) .
Definition 2.7. Ein bedingter Anspruch h heisst erreichbar, falls es eine zulässige Strategie φ gibt, mit der Eigenschaft, dass VN (φ) = h. Ein Markt heisst vollständig, falls jeder bedingte Anspruch erreichbar ist.
Bemerkung. Ist ein Markt arbitragefrei, dann genügt es, eine selbstfinanzierende
Strategie zu finden, die den Schlusswert h hat. Da {Ṽn (φ)} ein IIP∗ -Martingal ist,
gilt Ṽn (φ) = IIE∗ [h̃ | Fn ]. Damit ist Ṽn (φ) ≥ 0. Da die Masse äquivalent sind, gilt
diese Eigenschaft auch unter IIP. Das heisst, φ ist eine zulässige Strategie.
Dass ein Markt arbitragefrei sein sollte, kann ökonomisch begründet werden.
Dass ein Markt vollständig sein sollte, entbehrt jeder theoretischen Grundlage. Die
Vollständigkeit ist aber eine nette Eigenschaft, die die Theorie einfacher macht. Viele
der Modelle, die in der Praxis verwendet werden, haben diese Eigenschaft.
Satz 2.8. Ein arbitragefreier Markt ist genau dann vollständig, wenn es ein eindeutiges äquivalentes Mass IIP∗ gibt, unter dem die diskontierten Preise Martingale
sind.
14
2. MODELLE IN DISKRETER ZEIT
Beweis. Nehmen wir an, der Markt sei arbitragefrei und vollständig. Sei h eine
FN -messbare Zufallsvariable. Dann gibt es eine Strategie φ, die h reproduziert. Da
φ selbstfinanzierend ist, gilt
N
X
h
=
Ṽ
(φ)
=
V
(φ)
+
φj ∆S̃ j .
N
0
0
SN
j=1
Seien nun IIP1 und IIP2 zwei äquivalente Martingalmasse. Dann gilt
IIE1
h h i
h h i
=
V
(φ)
=
II
E
.
0
2
0
0
SN
SN
Da h beliebig ist gilt IIP1 = IIP2 auf FN = F.
Nehmen wir nun an, der Markt sei arbitragefrei und unvollständig. Es gibt dann
ein äquivalentes Martingalmass IIP∗ (Satz 2.6). Sei V der Unterraum der Zufallsvariablen der Form
N
X
φn ∆S̃ n ,
U0 +
n=1
wobei U0 F0 -messbar, und {φn } vorhersehbar ist. Definieren wir das Skalarprodukt
X · Y = IIE∗ [XY ]. Es gibt eine Zufallsvariable h ≥ 0, die nicht erreichbar, und
damit nicht in V ist. Daher gibt es eine Zufallsvariable X 6= 0, die orthogonal
zu V ist, das heisst IIE∗ [XY ] = 0 für alle Y ∈ V. Da der Raum endlich ist, ist
kXk∞ = supΩ |X| < ∞. Da 1 ∈ V, ist IIE∗ [X] = 0. Definieren wir das äquivalente
Mass
h
X i
∗
IIP1 [A] = IIE 1 +
1IA ,
2kXk∞
so gilt
IIE1
N
hX
i
φn ∆S̃ n = 0
n=1
für jeden vorhersehbaren Prozess {φn }. Somit ist (Hilfssatz C.3) {S̃ n } ein IIP1 Martingal. Da X 6= 0, ist IIP1 verschieden von IIP∗ .
Nehmen wir nun an, dass der Markt arbitragefrei und vollständig ist. Dann gibt
es ein eindeutiges Martingalmass IIP∗ . Für einen bedingten Anspruch h gibt es dann
eine Strategie {φ}, die h reproduziert. Wir haben, dass {Ṽn (φ)} ein IIP∗ -Martingal
ist. Daher gilt
i
h
0 ∗ h Vn (φ) = Sn IIE
F .
0 n
SN
2. MODELLE IN DISKRETER ZEIT
15
Der Wert der Strategie ist daher eindeutig durch h bestimmt. Die Hedging-Strategie
ist auch eindeutig bestimmt,
Ṽn (φ) − Ṽn−1 (φ) = φn ∆S̃ n .
Daraus lässt sich die Strategie {φn } berechnen. Es ist zu bemerken, dass wir die
Vorhersehbarkeit nicht zeigen müssen. Durch die Vollständigkeit des Marktes wissen
wir, dass es eine vorhersehbare Strategie gibt, die die obige Formel erfüllt. Die Lösung
muss also diese Strategie sein. In einem nicht vollständigen Markt können wir aber
nicht sicher sein, dass eine Lösung {φn } der Gleichung auch vorhersehbar ist. Weiter
ist zu bemerken, dass IIP keine Rolle spielt. Man muss nur das Mass IIP∗ kennen, um
den Preis zu bestimmen.
Proposition 2.9. Ist in einem vollständigen und arbitragefreien Markt der Preis
0
| Fn ], dann gibt
des bedingten Anspruchs h zur Zeit n verschieden von Sn0 IIE∗ [h/SN
es eine Arbitrage (im um h vergrösserten Markt).
0
Beweis. Nehmen wir an, der Preis Vn0 sei strikt höher als Sn0 IIE∗ [h/SN
| Fn ]. Dann
kann man den bedingten Anspruch verkaufen, die Strategie φ̂n anwenden, wobei
φ̂ik = φik für i ≥ 1, k ≥ n und φ̂0k = φ0k + (Vn0 − Vn (φ))/Sn0 . {φk } ist die Replikationsstrategie von h. Es ist einfach zu sehen, dass die Strategie selbstfinanzierend ist.
Der Wert der Strategie zum Schlusszeitpunkt ist
h+
0
(Vn0 − Vn (φ))SN
>h,
Sn0
und man hat einen sicheren Gewinn, nachdem man die Verpflichtung h bezahlt hat.
Ein ähnliches Argument kann man im Falle Vn0 < Vn (φ) verwenden.
Betrachten wir nun eine amerikanische Option. Das ist ein adaptierter positiver Prozess {Zn }. Bei einer amerikanischen Call Option haben wir Zn = (Sni − K)+ ,
bei einer amerikanischen Put Option haben wir Zn = (K − Sni )+ . Der Halter der
Option kann zu jedem Zeitpunkt n bestimmen, ob er die Option ausübt, oder wartet. Wenn der Halter die Option zum Zeitpunkt n ausübt, erhält er den Betrag Zn .
Die Option kann aber nur einmal ausgeübt werden.
Es ist klar, dass zum Zeitpunkt N der Wert der Option UN = ZN ist. Zum
Zeitpunkt N − 1 haben wir die Möglichkeit, die Option auszuüben, was den Wert
ZN −1 hat. Man kann auch mit der Ausübung warten. Dies hat den gleichen Wert,
wie der bedingte Anspruch ZN . Da im vollständigen Markt ZN repliziert werden
16
2. MODELLE IN DISKRETER ZEIT
kann, kann der Halter ohne Risiko sich für den höheren Wert im Zeitpunkt N − 1
entscheiden. Das heisst, der Wert der amerikanischen Option im Zeitpunkt N − 1
ist
0
0
UN −1 = max{ZN −1 , SN
E∗ [ZN /SN
| FN −1 ]} .
−1 II
Durch Induktion erhalten wir den Wert zur Zeit n
0
Un = max{Zn , Sn0 IIE∗ [Un+1 /Sn+1
| Fn ]} .
Sei nun Ũn = Un /Sn0 der diskontierte Wert der amerikanischen Option.
Proposition 2.10. Der Prozess {Ũn } ist ein IIP∗ -Supermartingal. Es ist das kleinste Supermartingal das Z̃n = Zn /Sn0 dominiert.
Beweis.
Es ist klar, dass {Ũn } Z̃n dominiert. Aus
Ũn = max{Z̃n , IIE∗ [Ũn+1 | Fn ]} ≥ IIE∗ [Ũn+1 | Fn ]
folgt auch die Supermartingaleigenschaft.
Sei nun {Mn } Supermartingal das Z̃n dominiert. Dann gilt MN ≥ Z̃N = ŨN .
Nehmen wir an, dass Mn ≥ Ũn . Dann gilt
Mn−1 ≥ IIE∗ [Mn | Fn−1 ] ≥ IIE∗ [Ũn | Fn−1 ] .
Somit haben wir
Mn−1 ≥ max{Z̃n−1 , IIE∗ [Ũn | Fn−1 ]} = Ũn−1 .
Somit dominiert {Mn } den Prozess {Ũn }.
Herunterladen