Architektur & Technik 11- 06 21 Novotel Bern Expo «Core and Shell» Beim Bau grosser Hotels wird es auch hierzulande üblich, dass Architekten lediglich die Aussenhülle und die Grundstruktur zur Verfügung stellen und den Ausbau dem Betreiber überlassen. Ein jüngeres Beispiel demonstriert dies am Guisanplatz in Bern. Die französische Hotelgruppe Accor lässt sich gerne an den Rändern von Stadtzentren nieder, wo sie den Gästen ein diversifiziertes Angebot an Zimmern in unterschiedlichen Preisklassen anbietet. So teilen sich die verschiedenen «Gruppenketten», die alle einen eigenen Stil pflegen, nicht selten das selbe Gebäude, beispielsweise am Turbinenplatz in Zürich-West (vgl. A&T 11-2000). Auch das im Jahr 2004 am Guisanplatz eröffnete Novotel Bern Expo beherbergt neben der namensgebenden Accor-ViersternMarke noch ein Zweistern-Etap- und ein Einstern-Ibis-Hotel. Vertikales Emblem Der Hotelbau des Architekturbüros Devanthéry & Lamunière ging im Jahr 1999 aus einem Wettbewerb hervor. Das Ziel bestand darin, am verkehrstechnisch sehr gut erschlossenen Standort am nordöstlichen Rand der Stadt einen städtebaulichen Akzent zu setzen. Das Gebiet mit dem neuen Stade de Suisse, der alten Kaserne und dem Areal der BEA Bern Expo, mit dem baum- Text: Manuel Pestalozzi, Fotos: Fausto Pluchinotta bestandenen Boulevard der Papiermühlestrasse als Haupterschliessungssachse, wurde in den vergangenen Jahren zu einer modernen Unterhaltungs- und Begegnungszone umgewandelt. Das Hotel-Volumen mit seinen 14 Geschossen, das aus dem Wettbewerbsprojekt «Quarz» hervorgegangen ist, bildet einen festen Bestandteil dieses Erneuerungsprozesses. Seine skulpturalen Qualitäten tragen dem Projektnamen Rechnung. Wie es die Architekten trefflich formulieren, tritt es am Guisanplatz als vertikales Emblem in Erscheinung. Für Devanthéry & Lamunière bedeutete die Realisation des Gebäudes eine Aufgabe, die sie als ein «typisches Core and Shell-Mandat» bezeichnen, was sich mit «Kern- und Schalenjob» übersetzen lässt: Sie waren nur für die Struktur und die Fassaden zuständig, den Rest besorgte die Eigentümerin und Betreiberin selbst – in ihrem auf der ganzen Welt wieder erkennbaren «internationalen Stil», wie man vermuten darf und es durch die entsprechenden Webpages bestätigt wird. 22 11. und 12. Obergeschoss 3. bis 9. Obergeschoss Eingangsgeschoss Die freie Form und das regelmässige Raster halten sich beim Hotelhochhaus am Guisanplatz im Gleichgewicht. Der skulpturale Baukörper versieht die Umgebung mit einem starken Akzent. Der beschränkte Aufgabenbereich der Kern- und Schalenarchitekten rückt die Formgebung des Gebäudes in ein spezielles Licht; die Vermutung liegt nahe, dass sich die Form des «Quarzes» vorrangig aus städtebaulichen Überlegungen ergeben hat und für sich eine eigenständige Aussage macht, wobei die Nutzung eher im Hintergrund bleibt. Diese Distanz zwischen Inhalt und Form ist für die Architektur ebenso eine Chance wie sie eine Bedrohung darstellen kann. Im Fall des Guisanplatzes in Bern darf der Architekturtourist mit dem Resultat, das die Grenzen des Möglichen wohl gut ausreizt, durchaus zufrieden sein. der Bereich mit den grössten Zimmern leicht vor. Das homogene Erscheinungsbild des Hotels wird durch die Fassade aus eloxierten Aluminiumplatten gestärkt. Mit den grossen und vollkommen planen Elementen liessen sich Ecken und Kanten akzentuieren. Sie erleichterten auch die Variation der je nach Zimmertyp unterschiedlichen Fensterformate und das freie Spiel der Öffnungen im Erdgeschoss. So kann man in einer Revidierung der im vorangegangenen Abschnitt gemachten Aussage festhalten, dass sich die Nutzung des Gebäudes von aussen an der Fassade eben doch ablesen lässt, wenn man nur genau hinschaut. ■ Komplexität innen Bauherrschaft: Telva Hotel AG, Zürich Architektur: Devanthéry & Lamunière, Architectes EPFL FAS SIA, Carouge/GE Totalunternehmer: Losinger Construction AG, Zürich Die Stahlbeton-Struktur des Gebäudes hatte Raumzellen mit unterschiedlichen Massen aufzunehmen: Die zweibündig angelegten Stockwerke teilen sich 112 Vierstern-Zimmer (350 x 456 cm), 96 Zweistern-Zimmer (286 x 377 cm) und 102 Einstern-Zimmer (251 x 364 cm). Dies kann man am Volumen ablesen; so springt