Querschnittsbereich Bildgebende Verfahren, Strahlenbehandlung, Strahlenschutz Prof. Dr. Thomas G. Wendt Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie Stand: 27.4.2015 1. Röntgenverordnung (RöV) 2. Strahlenschutzverordnung (StrSchV) UniversitätsKlinikum Jena Diagnostik ↔ Therapie 1. Röntgenverordnung (RöV) für jede Diagnostik mit Röntgenstrahlen (aber nicht Nuklearmedizin!) 2. Strahlenschutzverordnung (StrSchV) für jede Form der Therapie mit ultraharten Röntgenstrahlen= Photonen mit Linearbeschleuniger (LINAC), Elektronen, Protonen, und Diagnostik und Therapie mit radioaktiven Stoffen LINAC Therapeutische Röntgenröhre UniversitätsKlinikum Jena Strahlentherapie umschlossene radioaktive Strahler (z.B. 192 Iridium für die Brachytherapie) Nuklearmedizin offene radioaktive Strahler ( z. B. 131 Iod, 18 Fluor, 153 Samarium: nuklearmedizinische Diagnostik und Therapie) UniversitätsKlinikum Jena umschlossene radioaktive Strahler Offene radioaktive Strahler „...ständig von einer allseits dichten, festen, inaktiven Hülle umschlossen, ...eine Abmessung mindestens 2 mm.“ „...alle radioaktiven Stoffe mit Ausnahme der umschlossenen radioaktiven Stoffe.“ Strahlenschutzverordnung StrlSchV vom 20.7.2001, § 3 Begriffsbestimmungen UniversitätsKlinikum Jena allgemein verfügbar: Ultraharte Röntgenstrahlen=Photonen 4 - 25 MV Betastrahlen = Elektronen 6 – 21 MeV Gammastrahlen (Quellen: 192 Iridium) experimentell /klinische Forschung, spezielle Indikationen: Protonen Schwere Ionen ( 11 Carbon, 18 Sauerstoff etc.) UniversitätsKlinikum Jena Teletherapie = weiter (griech.:„tele“) Abstand zwischen Strahlungsquelle und Zielvolumen, Strahlenquelle außerhalb des Körpers, perkutan (von 15 cm bis (häufig) 1 Meter, selten 2-3 Meter) Brachytherapie = kurzer („brachy“) Abstand zwischen Strahlungsquelle und Zielvolumen Strahlenquelle im Gewebe oder Hohlraum (Millimeter bis wenige Zentimeter) International Commission on Radiation Units 38/1985, 58/1997 UniversitätsKlinikum Jena Photonen =ultraharte Röntgenstrahlen Energie: 6-15 000 KV = 6-15 MV Herkömmlicher Linearbeschleuniger = hundert fach höhere Energie als in der Röntgendiagnostik z. B. Röntgenstrahlen beim CT: 120 KV Tomotherapie UniversitätsKlinikum Jena für Bestrahlung von Hauttumoren (Basaliom) für Bestrahlung von degenerativen (gutartigen) Erkrankungen UniversitätsKlinikum Jena Radioaktive Quelle z. B. 192 Iridium in Tresor fährt computergesteuert in die Applikatoren (Katheter) strahlt genau berechnete Zeit in den Kathetern fährt nach Ende der Bestrahlung zurück in Tresor Größe der Quelle: 1 mal 4 mm UniversitätsKlinikum Jena steiler Dosisabfall von Strahlenquelle in die Umgebung gute Schonung der Nachbarorgane keine Dosisbelastung des Personals weil der Patient während der Bestrahlung alleine im Strahlen-OP ist Rö-Kontrolle nach Placierung der Katheter Computertomogramm (CT) mit Katheter Berechnete Dosisverteilung im CT UniversitätsKlinikum Jena Wirkungen Nebenwirkungen UniversitätsKlinikum Jena Lokale Heilung Tumor-(=Krebs)therapie: lokale Progressions-/Rezidivfreiheit (Krebs soll nicht weiterwachsen oder nach kompletter Remission =CR nicht wieder auftreten) gutartige Erkrankungen: Symptomkontrolle Vermeidung von akuten und chronischen Nebenwirkungen (Strahlenfolgen) somatische Strahlenfolgen bei hoher Dosis (Tumortherapie) genetische Strahlenfolgen auch nach niedrigen Dosen (gutartige Erkrankungen) UniversitätsKlinikum Jena Möglichst hohe Dosis am Tumor Möglichst geringe Dosis an den Normalgeweben Wie erreichen wir diese Ziele? Bestrahlungsplanung! anatomisch – physikalisch biologisch - Fraktionierung UniversitätsKlinikum Jena Strahlentherapie ist wie die Chirurgie eine lokale / loko-regionäre Therapiemethode Information über die genaue anatomische Lage und Ausdehnung des zu bestrahlenden Tumors notwendig Über 90% der Strahlentherapien werden auf der Basis von CT und MRT, seltener PETCT geplant UniversitätsKlinikum Jena hohe Strahlendosis am Larnynxkarzinom (Tumor), geringe Strahlendosis am umgebenden Normalgewebe, hier z. B. die Schluckmuskukulatur dadurch Vermeidung von Schluckproblemen/Aspiration bei geheilten Patienten UniversitätsKlinikum Jena 1. Einzelnes Feld 2. Kreuzfeuertechnik (alle Bestrahlungsfelder treffen sich im Tumor) 3. Anpassung der Form der Bestrahlungsfelder an die Form des Zielvolumens =conformale 3 D-Radiotherapie durch Multileaf-Kollimator 4. Intensitätsmodulierte Bestrahlungsfelder UniversitätsKlinikum Jena Bestrahlung eines Plasmocytoms im Sternum Gute Schonung des Myocards durch definierte Reichweite von Elektronen z. B. 4 cm. Bestrahlung inguinaler Lymphknoten Gute Schonung des Hüftgelenks durch definierte Reichweite von Elektronen z. B. 6 cm. e- e- UniversitätsKlinikum Jena 3 D-Bestrahlungsplanung auf der Basis von Computertomografie zur Schonung von Lungenparenchym und Myocard UniversitätsKlinikum Jena Dünndarm mit oralem Kontrastmittel dargestellt UniversitätsKlinikum Jena Schonung von Rückenmark, Herz und Lungen UniversitätsKlinikum Jena Bestrahlung von Hals-Brustwirbelsäulenmetastasen eines malignen Tumors Multileaf-Kollimator formt jedes Bestrahlungsfeld so, dass es an die Kontur des Tumors optimal angepasst ist und die Umgebung optimal geschont wird Gute Schonung von Kehlkopf, Speiseröhre und Trachea Vermeidung von radiogener Dysphagie UniversitätsKlinikum Jena Stereotaktische Radiotherapie erlaubt (non-koplanare= nicht nur in einer Ebene) Bestrahlung aus beliebigen Richtungen über die gesamte Calotte (dreidimensional) Gute Schonung benachbarter Strukturen/Organe UniversitätsKlinikum Jena MRT T 1 und T 2 gewichtete Aufnahmen werden mit CT fusioniert UniversitätsKlinikum Jena Positionierung im 3-dimensionalen Lasersystem UniversitätsKlinikum Jena Meningeom: postoperative Radiotherapie nach inkompletter Resektion 26 UniversitätsKlinikum Jena Stereotaktische Radiotherapie eines Oligodendroglioms °2 auf der Basis von PET Daniela Hofmann UniversitätsKlinikum Jena 1. Jedes Bestrahlungsfeld wird in kleine Voxel zerlegt (z. B. 3 ml 5 mm) 2. Jedes Voxel wird verschieden stark bestrahlt UniversitätsKlinikum Jena Inhomogenes, moduliertes Fluenzpofil Vorteil: Dosisreduktion und Schonung von normalen Geweben in Konkavitäten, z. B. Rückenmark, Speicheldrüse UniversitätsKlinikum Jena Feld 4 Feld 5: Halsfeld Feld 3 Feld 6 64 Gy 50 Gy Feld 7 Feld 2 Feld 1 Toleranzdosis Rückenmark: 45 Gy Feld 8 UniversitätsKlinikum Jena UniversitätsKlinikum Jena cranio-spinale Achse: hintere Schädelgrube (Tumorbett): +/- zytostatische Chemotherapie 36 Gy 55 Gy Bei Tumoren, die potentielle in den gesamten Spinalraum metastasieren (Medulloblastom, Ependymom °III der hinteren Schädelgrube) muss der gesamte Liqourraum bestrahlt werden. Technische Lösung: Helicale Tomotherapie: Patient bewegt sich kontinuierlich in Längsrichtung, rotierende Strahlenquelle (wie im CT) , Lagerung in Maske und Vakuummatte = hohe Genauigkeit 33 Problem Prinzip Lösung In Exspiration wird bestrahlt In Inspiration wird nicht bestrahlt UniversitätsKlinikum Jena UniversitätsKlinikum Jena Volumen (ml) 20 15 10 5 0 prä: 18 ml 3 Mo post: 12 ml 6 Mo post: 7,4 ml 9 Mo post: 5,7 ml Tumorvolumen 18 12 7,45,7 13 Mo post: 3,9 ml 3,9 3,1 17 Mo post: 3,1 ml Um die Zellzahl um den Faktor 1000 zu vermindern braucht man • 17 Gy wenn die Zellen in der strahlenresistenten G 0Phase sind, aber nur • 8 Gy wenn die Zellen in der strahlensensiblen G 2 Phase Zellüberlebenskurven nach einmalige Bestrahlung sind. UniversitätsKlinikum Jena Normalgewebszellen Tumorzellen Wegen 200 µm unterschiedlicher Strahlenempfindlichkeit überleben weniger Tumorzellen als Normalgewebszellen Zellüberleben nach Bestrahlung mit einer bestimmten Dosis (z. B. 4 Gy) UniversitätsKlinikum Jena Doppelter Effekt an Normalgeweben: 1. geringere Strahlenempfindlichkeit (Strahlenbiologie) 2. geringere Dosis (Bestrahlungsplanung, Strahlenphysik) Durch anatomische Planung wird die Strahlendosis am Normalgwebe Dünndarm z. B. auf 20% reduziert Dünndarm UniversitätsKlinikum Jena Nach einer Strahlendosis (Fraktion) überleben noch Tumorzellen z. B. solche, die in der späten S Phase sind und wenig strahlenempfindlich sind Ursache für das Wiedernachwachsen des Tumors (klinisch: Tumorrezidiv) wiederholte Bestrahlungen in der klinischen Praxis mit 10 – 40 Fraktionen UniversitätsKlinikum Jena Nach fraktionierter Radiotherapie überleben weniger Tumorzellen als Normalgewebszellen (die unvermeidbar mitbestrahlt werden, z. B. beim Lungentumor das unmittelbar benachbarte normale Lungenparenchym) 9 Fraktionen reichen aus um den Tumor abzutöten UniversitätsKlinikum Jena Lokale Tumorheilung wird erreicht, wenn keine Tumorzelle mehr überlebt Lokale Komplikationsfreiheit wird erreicht, wenn die überlebenden Normalgewebszellen ausreichen, um die Funktion aufrecht zu erhalten in unserem Beispiel: genug Lungengewebe vorhanden, was zur normalen Atmung ausreicht 42 UniversitätsUniversitätsKlinikum Jena Klinikum Jena Strahlentherapie = Radiotherapie Einsatz ionisierender Strahlung in der Medizin Methodischer Begriff Strahlentherapie = allgemein für klinische Anwendung ionisierender Strahlung bei benignen und malignen Erkrankungen Klinischer Begriff Radioonkologie = Therapie maligner Tumoren durch ionisierende Strahlung UniversitätsKlinikum Jena Benigne Erkrankungen (siehe auch Vorlesung Haut-Muskel-Gelenke, 8. Semester) Semimaligne Erkrankungen (lokal infiltrierend wachsend jedoch ohne Metastasierungspotential [Basaliom, Desmoidtumor]) Maligne Erkrankungen (solide Tumoren: morphologisch abgrenzbar und hämatologische Malignome: diffus im Körper verteilt) UniversitätsKlinikum Jena Hypophysenadenom: postoperativ oder bei Rezidivwachstum mit Risiko der Visusminderung 10 Jahre progressionsfrei 85% Milker-Zabel S et al. IJROBP 2001; 50: 1279-1286 UniversitätsKlinikum Jena heterotope Ossifikation: Prophylaxe vor Wechsel einer Totalendoprothese der Hüfte Heterotope Ossifikation nach Implantation einer Totalendoprothese Radiotherapie mit 1 x 7 Gy vor Endoprotehesenwechsel Keine erneute Ossifikation 6 Monate nach Endoprothesenwechsel UniversitätsKlinikum Jena akute Entzündung am muskulo-skelettalen System: Fersensporn UniversitätsKlinikum Jena Elektonenbestrahlung: Eindringtiefe der Strahlen ca. 11 mm UniversitätsKlinikum Jena Krebstherapie = interdisziplinäre Therapie UniversitätsKlinikum Jena Symptome Verdachtsdiagnose Diagnostik Histologische Diagnose Palliative Therapie Chemotherapie Strahlentherapie Operation Staging= Ausbreitungsdiagnostik TNM Formel Fernmetastasen Keine Fernmetastasen Kurative Therapie Operation Strahlentherapie Chemotherapie Patient hat Chancen auf (dauerhafte) Heilung wegen lokal begrenztem Tumor (Stadium M 0) Patient hat keine Aussicht auf (dauerhafte) Heilung, z. B. wegen Fernmetastasen bei Diagnosestellung (Stadium M 1) Therapie- Therapieziel konzept kurativ Erhöhung von z. B. 5oder 10-Jahres – Überleben palliativ Linderung von Beschwerden= Verbesserung der Lebensqualität/ Verhinderung von Komplikationen UniversitätsKlinikum Jena Medizinischer Onkologe zytostat. Chemotherapie target Therapie: Antikörper, Tyrosinkinasehemmer Nuklearmediziner Szintigraphie/PET: Fernmetastasen? nuklearmed. Therapie z. B. 131 Iod bei diff. SD CA Tumor-Chirurg Strahlentherapeut Patient Pathologe Operation Radiotherapie Diagnose/Stadium Labormediziner z. B. Tumormarker spezielle Disziplinen: Med. Psychologie, Palliativmedizin, Schmerzmedizin, Ophthalmologie, Orthopädie, … UniversitätsKlinikum Jena Generelle Empfehlungen in Leitlinien für viele maligne Tumoren und Bewertung der einzelnen Methoden in Abhängigkeit vom Stadium der Erkrankung (in der Regel für kurative Stadien) In jedem Einzelfall wird die optimale Kombination und Sequenz der 3 Methoden im Tumorboard diskutiert (für kurative und palliative Stadien) Quelle: Europ. Union UniversitätsKlinikum Jena Sehr häufig: 1. Brusterhaltende Operation 2. Adjuvante Chemotherapie 3. hormonelle Therapie (Östrogen- und Progesteronrezeptor) 4. ggf. Antikörpertherapie (gegen Her 2 neu) 5. immer Strahlentherapie Senkt das Risiko des Lokalrzidivs Tumoren ohne LK-Metastasen: von 29 auf 10 % nach 10 Jahren Tumoren mit LK-Metastasen: von 45 auf 13 % nach 10 Jahren UniversitätsKlinikum Jena Ziel: in erster Linie Verstärkung der zytoziden Wirkung der ionisierenden Strahlung an der Tumorzelle (lokale Wirkungsverstärkung) und nur sekundär systemische Wirkung der Zytostatika auf (mikroskopische) Fernmetastasen Quelle: Europ. Union UniversitätsKlinikum Jena 1. Gleichzeitige Gabe von Bestrahlung und Zytostatika 2. Sequentielle Gabe von Bestrahlung und Zytostatika UniversitätsKlinikum Jena Rektumkarzinom T3 N0 oder jedes T N+ Radiochemotherapie 13 % Lokalrezidive/5 Jahre Operation Radiochemotherapie Operation 6 % Lokalrezidive/5 Jahre Verbesserung der Ergebnisse durch veränderte Reihenfolge von Radiotherapie und Operation UniversitätsKlinikum Jena Platttenepithelkarzinom des Analkanals +Radiotherapie zytostatische Chemotherapie simultan 5 Jahres Überleben: 75% UniversitätsKlinikum Jena 5- Jahres-Überleben besser nach simultaner (rot) als nach sequentieller (blau) Radiochemotherapie UniversitätsKlinikum Jena glioblastoma multiforme +/- Operation +Radiotherapie zytostatische Chemotherapie simultan und sequentiell mit Temozolomid +Radiotherapie alleine UniversitätsKlinikum Jena Gesamt ÜL: Cetuximab ja/ nein Akne°2-4 unter Cetuximab ja/ nein Bonner JA et al. Lancet Oncol 2010 Verbessertes Gesamtüberleben durch Gabe von EGFRAntikörper während Strahlentherapie UniversitätsKlinikum Jena 62 UniversitätsKlinikum Jena