2016-09-26 Handelsblatt Dr. Reiners

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Familienunternehmen
des Tages
MONTAG, 26. SEPTEMBER 2016, NR. 186
Max Reiners
Adenauers Öl-Baron
Ein Enkel des ersten deutschen Bundeskanzlers führt in Mönchengladbach ein florierendes Geschäft
mit Schmierstoffen.
Christoph Schlautmann
Mönchengladbach
M
ax Reiners schüttelt das Reagenzglas, öffnet es vorsichtig
und hält die Nase darüber.
„Der Geruch ist oft entscheidend für unsere Kunden“,
bemerkt der 63-Jährige verschwörerisch. Das
Glasgefäß, das nun zurück in einen Holzständer wandert, bewahrt nur eine von insgesamt 290 gesammelten Rezepturen. Nicht
Parfüms oder edle Tropfen sind es, um die
sich der Inhaber der Mönchengladbacher Familienfirma Rhenus Lub so liebevoll kümmert. Es sind Öle und Schmierstoffe.
Das Tüftler-Gen erbte Reiners, Chef eines
mit 238 Mitarbeitern florierenden Betriebs,
ohne Zweifel vom Großvater. Mutter Ria Reiners wurde 1912 als erste Tochter Konrad
Adenauers geboren, des ersten deutschen
Bundeskanzlers. Der Politiker, der stets den
Ruf eines begnadeten Erfinders genoss, hinterließ der Nachwelt nicht nur die Bundeswehr und die umlagefinanzierte Rente, sondern auch Kuriositäten wie die Sojawurst,
die von innen beleuchtete Stopfkugel oder
die Elektrobürste zur Schädlingsbekämpfung.
Enkel Max Reiners, der nach seinem Patenonkel und langjährigen Kölner Oberstadtdirektor Max Adenauer benannt wurde,
schafft mit seiner fast 50-köpfigen Forschungs- und Entwicklungstruppe hingegen
durchaus Brauchbares. Abnehmer wie Thyssen-Krupp beliefert er mit Schmierfetten für
Walzwerke, die Flugzeugausrüster Airbus
und Rolls-Royce beziehen von ihm Öle für
die Metallbearbeitung. Selbst in den meisten
elektrischen Zahnbürsten finden sich Gleitsubstanzen des Mönchengladbacher Unternehmens. „Keine Branche kann auf uns verzichten“, gibt sich Reiners rheinisch-verschmitzt, „außer die Banken.“ Tatsächlich
schuldet er Kreditinstituten laut Geschäftsbericht keinen Cent.
Max Reiners:
liefert
Schmierstoffe
für Konzerne.
„Rheinischer Kapitalismus“
Rhenus
Viele Experimente
Das aber ist dem Firmenerben, der die Porträts von Vater und Großvater in Öl an die
Konferenzraumwand gehängt hat, nicht genug. Seit wenigen Monaten lässt er in seinem
Haus an einer Technik feilen, die so geheim
ist, dass seine zehn Kooperationspartner – in
der Mehrzahl Großkonzerne – nicht genannt
werden wollen. „Wir setzen voll auf Industrie 4.0“, gibt der Firmenchef die Richtung
vor.
Was den Unternehmer in dritter Familiengeneration dabei umtreibt: In Metallbearbeitungsölen, die meist zu 95 Prozent mit Wasser gemischt werden, blühen Pilze und Bakterien. Nehmen sie im Laufe der Betriebszeit
Überhand, verlieren die Kühlschmierstoffe
ihre Funktionsfähigkeit.
Bislang prüfen Reiners‘ Industriekunden
den Bakterienbefall eigenhändig per Teststreifen, die oft erst Tage später per Post im
Mönchengladbacher Rhenus-Labor eintreffen – und deshalb häufig veraltete Daten liefern. Deswegen hat Reiners in die Entwicklung einer Diagnose-Vorrichtung investiert,
die die Tests in den Kundenbetrieben selbst
vornimmt. „Wir haben ein Gerät entwickelt“, verrät Reiners, „das permanent die
Schmierflüssigkeiten analysiert.“ Die jeweiligen Daten über den pH-Wert, die Leitfähig-
der das Bohren in Karbon- und anderen Faserverbundwerkstoffen erleichtert. Unter anderem die Montage von Airbus-Türen soll
das vereinfachen.
Was Neuerungen angeht, macht sich der
Enkel den berühmten Slogan seines Großvaters offenbar nicht zu eigen. Adenauer holte
seinen größten Wahlsieg bekanntlich mit
dem Slogan „Keine Experimente“.
Denn ohne Innovationen könnte Rhenus
Lub bald den Anschluss verlieren. Auch
wenn die Mönchengladbacher Firma 2014 –
neuere Zahlen sind noch nicht veröffentlicht
– einen Betriebsgewinn (Ebit) von 10,3 Prozent des Umsatzes schaffte, steht sie im
Schatten des übermächtigen Wettbewerbers
Fuchs Petrolub.
keit und die Temperatur fließen online in die
Überwachungszentrale, die bei Veränderungen umgehend reagiert.
Um gegen die Großen in der Branche mit
einem Jahresumsatz von 87 Millionen Euro
bestehen zu können, hält der Adenauer-Enkel wenig von Firmenzukäufen und Übernahmen. „Das bindet viel zu viel Managementkraft“, klagt der promovierte Ökonom.
Auch Kaufavancen großer Wettbewerber –
vor einiger Zeit klopfte Evonik an die Tür –
schlägt der Öl-Baron in den Wind. „Für solche Fälle haben wir einen Standardbrief entworfen“, sagt er. „In der Kurzform steht darin: Nein.“
Lieber steckt der Rhenus-Inhaber Geld in
die Forschung, um die eigene Marktstellung
zu verbessern. Gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt
(DLR) und der Universität Zwickau will er
bald einen Kühlschmierstoff präsentieren,
Keine Branche
kann auf uns
verzichten, außer
die Banken.
Max Reiners
Chef von Rhenus Lub
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Der börsennotierte Konzern, dessen Tochter
Fuchs Lubritech ebenfalls Spezialschmierstoffe produziert, ist um die Hälfte profitabler. Hinzu kommt: Die Kaiserslauterner Lubritech ist zwar kaum größer als ihr Wettbewerber vom Niederrhein, gehört aber zu
einem Mutterkonzern, der zuletzt mehr als
zwei Milliarden Euro umsetzte.
Über das Überleben macht sich Rhenus –
auch wenn man mit dem Logistikriesen des
Familienkonzerns Rethmann nur den Namen gemein hat – keine Sorgen. Zum einen
warfen Eigenkapital und Gesellschafterdarlehen zuletzt eine stattliche Durchschnittsrendite von 23,3 Prozent ab. Zum anderen stehen die Nachfolger schon bereit, obwohl die
Wachablösung noch einige Jahre dauern
könnte – Max Reiners verweist auf Großvater
Konrad Adenauer, der erst mit 87 Jahren aus
dem Bonner Kanzleramt auszog.
Gleich mehrere seiner vier Kinder interessieren sich fürs Geschäft. Die älteste Tochter,
Isabella Kleeschulte, arbeitet bereits im Marketing der Firma. Sie ist es auch, die sich um
Schulprojekte in der Umgebung kümmert,
darunter die Ausstattung von Lehreinrichtungen, gesunde Mahlzeiten für Schüler und
die Internationale Schule im nahe gelegenen
Neuss, bei der Rhenus Lub zu den Mitbegründern zählt.
Als die Firma am 8. Mai 2013 ihr 130-jähriges Bestehen feierte, ließ die Inhaberfamilie
zum Dank die Mitarbeiter von einem Profifotografen in Industriekulissen ablichten. Die
Bilder erhielten sie anschließend in Form eines Kunstbandes. „Rheinischer Kapitalismus“ sei das, sagt der Firmenchef. NichtRheinländer übersetzten das auf Sozialpartnerschaft beruhende Modell so: Verdiene
gut, aber sorge stets dafür, dass auch die anderen etwas davon haben.
Lob erntete Reiners‘ Unternehmenspolitik vom Neusser Unternehmer Wilhelm
Werhahn, dem lang jährigen Präsidenten
der regionalen Industrie- und Handelskammer: „Der immaterielle Wert der Unternehmenskultur wird in Zeiten von Shareholder
Value vielfach unterschätzt“, sagte er auf
der Jubiläumsfeier. „Dabei ist sie ein unabdingbarer Bestandteil unternehmerischen
Erfolges.“
Unparteiisch war Werhahn mit seinem Urteil freilich nicht. Sein im Juli verstorbener
Onkel Hermann Josef hatte 1950 ebenfalls eine Tochter Konrad Adenauers geehelicht: Libet, heute 88. Verwandtschaftliche Beziehungen wie diese dürften wohl eher unter
den Begriff „rheinischer Klüngel“ fallen.
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