Juristisches Baumanagement 5. Vorlesung SS 2012 25. April 2012 Dozent: Rechtsanwalt Dr. Hans-Peter Donoth, Kiel Rechtsanwälte Dres. DONOTH FUHRMANN TÜXEN Hafenhaus/ Bollhörnkai 1 24103 Kiel 2 -2- Juristisches Baumanagement II. „Veränderung des Bauprogramms während der Bauzeit“ … 5. Änderung der Vergütung beim Pauschalvertrag (§ 2 Abs. 7 VOB/B) a) Der Pauschalvertrag Beim Pauschalvertrag ist – im Gegensatz zum Einheitspreisvertrag – nicht die nachträglich tatsächlich erbrachte Leistung für den Preis maßgebend, sondern bereits im Voraus die künftig zu erbringende Leistung Grundlage für die Berechnung der Vergütung. Der Pauschalvertrag ist die Ausnahme im Rahmen des Leistungsvertrages. Mit dem Pauschalvertrag sind alle Einzelleistungen abgegolten, die zur Herstellung der Bauleistung gehören; der Pauschalpreis ist eine feststehende Vergütung, die grundsätzlich die gesamte Bauleistung abdeckt. Hatte der Unternehmer weitere Aufwendungen in Form von Arbeit oder Material als bei der Bildung des Pauschalpreises kalkuliert wurde, ist dies grundsätzlich sein Risiko. aa) Grundsätzliche Unveränderbarkeit des Pauschalpreises (Nr. 1 S. 1) Der Grundsatz der Unabänderbarkeit des Pauschalpreises beruht auf dem Wesen des Pauschalvertrages, nach dem der Leistungsumfang pauschaliert und für diese Leistung ein fester Preis vereinbart wird. Dem Unternehmer wird kein einseitiges Risiko aufgebürdet, auch der Auftraggeber unterliegt einem solchen. So kann sich herausstellen, dass der vom Unternehmern übernommene Gesamtwert mit geringeren Massen herzustellen ist als ursprünglich angenommen. Das Risiko für die Berechnungen im Leistungsverzeichnis tragen beide Seiten. Eine Abänderung des Pauschalpreises kommt auch dann nicht in Frage, wenn sich der Unternehmer bei der Berechnung des Pauschalpreises vertan oder verrechnet hat. Dies gilt auch dann, wenn er die ihm überlassenen Unterlagen vor Vertragsschluss nicht nachgeprüft und den Pauschalpreis aufgrund einer überschlägigen Kalkulation vereinbart hat. Denn meist ist es Sache des 3 -3- Unternehmers, die Feststellung der Vordersätze, also der Massen im Leistungsverzeichnis, selbst vorzunehmen. Hier kommt bei falschen Berechnungen regelmäßig eine Änderung des Pauschalpreises nicht in Frage. Beispiel: Der Preis für eine Stahlkonstruktion kann nur aufgrund einer statischen Berechnung genau ermittelt werden; der Unternehmer stellt jedoch keine derartige Berechnung an. Voraussetzungen für die Vereinbarung eines Pauschalpreises sind zum einen eine genaue Bestimmbarkeit der Leistungen nach Ausführungsart und Umfang und zum anderen das Ausscheiden einer Änderung bei der Ausführung aus der Sicht der Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Hierzu bestimmt § 5 Abs. 1 b) VOB/A: „Bauleistungen sollen so vergeben werden, dass die Vergütung nach Leistung bemessen wird (Leistungsvertrag), und zwar: … in geeigneten Fällen für eine Pauschalsumme, wenn die Leistung nach Ausführungsart und Umfang genau bestimmt ist und mit einer Änderung bei der Ausführung nicht zu rechnen ist (Pauschalvertrag).“ Diese Anforderungen sind für den öffentlichen Auftraggeber bindend, für den privaten eine Empfehlung. Welche Leistungen pauschaliert worden sind, hängt davon ab, ob es sich um einen Detail- oder Globalpauschalvertrag handelt. (1) Im Detailpauschalvertrag bezieht sich der Pauschalpreis auf im Einzelnen in der Leistungsbeschreibung aufgeschlüsselte Leistungen. Diese angegebenen Leistungen sind mit dem Pauschalpreis abgegolten. Beispiel: Es wird ein Leistungsverzeichnis aufgestellt, welches die erforderlichen Leistungen im Einzelnen ausführt. Der Unternehmer gibt seine Einheitspreise an; die Auftragssumme endet danach auf 220.580,00 €. Die Parteien einigen sich auf einen Pauschalpreis in Höhe von 210.000,00 €. Sämtliche Leistungen, die der Unternehmer im Rahmen der Bauleistung erbringen muss und die im Leistungsverzeichnis angegeben sind, sind mit diesem 4 -4- Pauschalpreis abgegolten. Auf ein späteres Aufmaß, eine tatsächlich erbrachte Leistung etc. kommt es danach nicht mehr an. (2) Beim Globalpauschalvertrag sind alle im Rahmen des Leistungsziels erforderlichen Leistungen abgegolten. Es kommt nicht darauf an, ob die einzelnen Leistungen konkret benannt oder vom Unternehmer kalkuliert worden sind. Beispiel: Herstellung eines schlüsselfertigen Hauses. bb) Änderungen der Pauschalpreisabrede (Nr. 2) Grundsätzlich ist der Pauschalpreis unveränderbar nach § 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 1 VOB/B. Da jedoch der Auftraggeber nach § 1 Abs. 4 VOB/B Änderungen des Bauentwurfs vornehmen und auch Zusatzleistungen verlangen kann, muss dem Unternehmer auch beim Pauschalvertrag in diesen Fällen ein Anspruch auf eine Änderung des Pauschalpreises zustehen, weil ansonsten die vertraglich vereinbarten Leistungen vom Auftraggeber einseitig ohne jede Reaktionsmöglichkeit des Unternehmers zu dessen Lasten abgeändert werden können. Diese Änderungsmöglichkeit besteht nicht nur in einer Preisanpassung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, wenn ein unerträgliches Missverhältnis von Gesamtbauleistung und Pauschalpreis bei der Bauausführung entsteht (§ 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 2 VOB/B). Vielmehr ist zunächst eine Änderung des Pauschalpreises nach § 2 Abs. 7 Nr. 2 VOB/B i.V.m. § 2 Abs. 4-6 VOB/B zu überprüfen. Würden die dadurch bedingten Leistungsänderungen oder Zusatzleistungen beim Einheitspreisvertrag zu einer Preisanpassung nach § 2 Abs. 4-6 VOB/B führen, ist auch beim Pauschalvertrag eine Preisanpassung vorzunehmen, wenn sich die Leistungsänderungen auf die Grundlagen des Pauschalpreises auswirken und dieser in Kenntnis der späteren Leistungsänderungen oder zusätzlichen Leistungen zu einem anderen Betrag vereinbart worden wäre. Aus diesem Grund führen auch geringfügige Leistungsänderungen oder Zusatzleistungen zu einer Änderung des Pauschalpreises. 5 -5- Fälle Fall 1: Ein Tiefbauunternehmen ist beauftragt, für ein größeres Bauvorhaben eine Pfahlgründung herzustellen. Der AG erstellte die Leistungsbeschreibung und stellt ein Baugrundgutachten zur Verfügung. Die Parteien schließen einen Pauschalpreisvertrag. a) Während der Bauausführung zeigt sich, dass der Baugrund deutlich von dem abweicht, was das Gutachten vorgegeben hat. b) Der während der Bauausführung vorgefundene Boden entspricht zwar den Vorgaben des Baugrundgutachtens. Der Tiefbauunternehmer ist jedoch im Zusammenhang mit seiner Angebotsabgabe davon ausgegangen, dass ein Großteil des Bodenaushubs wiederverwendbares Material sei, was es tatsächlich nicht ist. In den Fällen a) und b) fällt jeweils ein erheblicher Mehraufwand für das Tiefbauunternehmen an, den es dem AG mit rd. 325.000 € in Rechnung stellt. Der AG verweigert mit dem Hinweis die Zahlung, dass schließlich ein Pauschalpreis vereinbart worden sei. Kann der Tiefbauunternehmer seinen Mehrvergütungsanspruch erfolgreich durchsetzen? Fall 2: Der AG will die äußeren Metallflächen einer Hafenkrananlage beschichten lassen und überlasst dem AN zum Zwecke der Angebotsbearbeitung lediglich mehrere Fotos. Der AN legt seiner Kalkulation eine zu bearbeitende Fläche von 3.000 m² zugrunde und unterbreitet dem AG ein Angebot auf Einheitspreisbasis. Die Parteien verständigen sich schließlich jedoch auf einen Pauschalpreis von 66.120,00 €. Die VOB/B wird vereinbart. Während der Ausführung stellt der AN fest, dass von ihm tatsächlich 5.280 m² Fläche zu bearbeiten sind und macht einen Nachtrag über 48.700,00 € geltend. Der AG weist die Zahlungsforderung unter Hinweis auf die Pauschalvergütung zurück. Hat der AN die Möglichkeit, erfolgreich seinen Mehrvergütungsanspruch geltend zu machen? 6 -6- Fall 3: Eine Baufirma wird am Potsdamer Platz mit der Herstellung von Baugruben sowie Boden- und Wassersanierungsmaßnahmen auf Basis der VOB/B zu einem Pauschalpreis beauftragt. Aus dem Vertragsinhalt ergibt sich, dass auf dem gesamten Gelände die StVO gilt und die zulässige Höchstgeschwindigkeit 40 km/h beträgt. Die von der Baufirma benutzte Straße (etwa alle 5 Minuten 1 LKW) verläuft nahe der Wohnbebauung. Durch den LKW-Verkehr ist eine erhebliche Staub- und Lärmentwicklung feststellbar, die zu massiven Protesten von Anwohnern führt. Der Auftraggeber verringert die zulässige Höchstgeschwindigkeit für alle Fahrzeuge auf 25 km/h. Die Baufirma macht hierfür einen Mehrvergütungsanspruch geltend. Mit Erfolg? Fall 4: Ein Generalunternehmer (GU) hat ein Wohn- und Geschäftshaus zu einem Pauschalpreis von 4,6 Mio. € zu errichten. Zu den Elementen der Leistungsbeschreibung gehört eine statische Vorabschätzung, aus der sich – vom Sachverständigen bestätigt – ein Streifenfundament von 1 m Breite ergibt. Nach Vertragsschluss legt derselbe in den Diensten des Bauherrn stehende Statiker, von dem schon die Vorabschätzung stammte, einen Positionsplan vor, aus dem sich für das Fundament eine Breite von 2 m ergibt. Die Mehrmassen an Schalung, Stahl und Fundamentbeton kosten 118.342,32 €. Den entsprechenden Mehrvergütungsanspruch des GU lehnt der Bauherr mit der Begründung ab, er habe einen Pauschalpreisvertrag geschlossen und den Bauentwurf nicht geändert. Kann der GU seinen Mehrvergütungsanspruch erfolgreich geltend machen? Fall 5: Ein öffentlicher Auftraggeber hat Maler- und Lackierarbeiten, die zuerst nach Einheitspreisen angeboten waren, zu einem Pauschalpreis von 106.024,00 € vergeben. Nach deren Abschluss erstellt der Auftragnehmer (AN) eine Schlussrechnung in dieser Höhe pauschal. Daraufhin ermittelt der AG die ausgeführten Massen durch Aufmaß und stellt fest, dass sich gegenüber dem Leistungsverzeichnis die Massen erheblich verringert haben. Nach diesen Feststellungen und den ursprünglich angebotenen Einheitspreisen berechnet er die Vergütung mit 91.241,22 € neu; dies entspricht 86 % der pauschalierten Auftragssumme. 7 -7- Der AN beanstandet dieses Vorgehen bei der VOB-Stelle mit Erfolg? Fall 6: Eine Gemeinde auf einer nordfriesischen Insel schreibt zum Frühjahr 2009 die Herrichtung und Reinigung des gesamten Strandbereiches einschließlich der Strandpromenade und der Zu- und Übergänge aus. Der Unternehmer erhält den Zuschlag zum Pauschalpreis von 108.400,00 € netto. Nach fristgemäßer Beendigung der Arbeiten reklamiert die Gemeinde, dass die Bearbeitung des hinter der Strandpromenade parallel zum Strand verlaufenden Dünenweges fehle. „Der gehört nicht zum Leistungsumfang“, erwidert der Unternehmer. Die Gemeinde lässt nach erfolgloser Fristsetzung den Dielenweg durch ihre eigene Grünbauabteilung herrichten und rechnet die Kosten in Höhe von 10.000,00 € gegen die Werklohnforderung auf. Kann der Unternehmer die vorenthaltenen 10.000 € erfolgreich von der Gemeinde verlangen? Fall 7: Der Bauherr beauftragt ein Entsorgungsunternehmen mit Asbestentsorgungsarbeiten. Die Leistung wird beschrieben mit „ca. 34.000 m² Eternitplatten zum Pauschalpreis incl. Deponiegebühren oder Entsorgungsgebühren von 150.000 € (netto) zu demontieren und zu entsorgen.“ Die VOB/B ist vereinbart. Während der Ausführung kommt es zum Streit über den Umfang der geschuldeten Leistung. Der Unternehmer meint, die geschuldete Leistung beziehe sich nur auf die Dachfläche von ca. 34.000 m², nicht aber auf die Zwischendecken von weiteren ca. 16.000 m², deren Belastung erst nach Vertragsschluss erkannt wurde. Der Bauherr weist den Auftragnehmer an, alle asbestbelasteten Bauteile zu demontieren. Dieser verweigert die Weiterarbeit und nimmt die Arbeiten auch nach Fristsetzung nicht wieder auf. Der Bauherr lässt daraufhin die Arbeiten durch einen Dritten fertigstellen und macht die Mehrkosten der Ersatzvornahme gerichtlich geltend. Mit Erfolg? 8 -8- Fall 8: Der AG beauftragt den AN mit einem größeren Bauvorhaben; dem Vertrag liegt die VOB/B zugrunde. Auf der Basis des vom Architekten des AG erstellen Leistungsverzeichnisses und dessen Plänen vereinbaren die Parteien einen Pauschalpreis. Diese Pläne, die das vertragliche Bausoll bestimmen, sehen keine Profilstahlstützen vor. Während der Bauarbeiten, für deren Ausführungen der AN einen Kran in der im Leistungsverzeichnis ursprünglich vorgesehenen Größe einsetzt, erhebt ein Nachbar Widerspruch mit dem Erfolg, dass der AN einen größeren Kran einzusetzen hat. Aufgrund der vorgeschriebenen Pläne für das EG, die auf einer Änderung des Statikers nach Vertragsschluss beruhen, sind Profilstützen eingezeichnet. Für den Einbau der Profilstahlstützen und die Kosten eines größeren Krans verlangt der AN zusätzlich zum Pauschalpreis ca. 43.600 €. Der AG wendet ein, diese Leistungen seien mit dem Pauschalpreis abgegolten. Zu Recht?