Sozialpsychologie II: Interindividuelle Prozesse Wintersemester 2015/2016 Prof. Dr. Roland Deutsch Gliederung 12.10.15 19.10.15 26.10.15 02.11.15 09.11.15 16.11.15 23.11.15 30.11.15 07.12.15 14.12.15 04.01.16 11.01.16 18.01.16 25.01.16 01.02.16 08.02.16 Generelle Einführung Aggression I Aggression II Hilfeverhalten Enge Beziehungen I Enge Beziehungen II Konformität und Minderheiteneinfluss Normen und Verhalten Interaktion in Gruppen Gruppen und soziale Identität JAHRESWECHSEL Interaktion zwischen Gruppen Verbesserung von Intergruppen-Beziehungen Umgang mit Ungerechtigkeit und Diskriminierung Angewandte Sozialpsychologie Rekapitulation und Konsultation zur Prüfung ab 06.02. vorlesungsfreie Zeit Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 2 Klausurtermin • 15. Februar 2016, Montag, HSZ/03/H, 11:10 Uhr, Bergstraße 64 • Termin gilt für alle schriftlichen (Prüfungs-)Leistungen: • Hauptfach Psychologie • NF in WiWi • NF in Informatik • Studium Generale • Schüleruni Anmeldung: in den jeweiligen Prüfungsämtern (Prüfungen) oder im Sekretariat Sozialpsychologie (Stud. Gen) Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Umgang mit Diskriminierung Folie 3 Prüfungskonsultation: 1.2.16 zur Zeit der Vorlesung Mündliche Prüfungen KORREKTUR! • 29. Februar 2016, BZW, A209: Mündliche (Prüfungs-)Leistungen in Soziologie • 1. März 2016, BZW, A209: Mündliche (Prüfungs-)Leistungen in Sozialpädagogik Anmeldung: in den jeweiligen Prüfungsämtern (Prüfungen) Prüfungskonsultation: 1.2.16 zur Zeit der Vorlesung Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Umgang mit Diskriminierung Folie 4 Die heutige Vorlesung • Definition und Konzept der angewandten Psychologie • Anwendungsbeispiele • Gesundheitspsychologie: Furchtappelle • Klinische Psychologie: Implizite Maße • Rechtspsychologie: Sozialer Einfluss auf das Gedächtnis Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 5 Was versteht man darunter? Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Auhagen & Bierhoff (2003) Folie 6 Was versteht man darunter? Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Steg et al. (2008) Folie 7 Export und Import Exportiert werden: • Konstrukte • Prinzipien • Theorien • Methoden Importiert werden: • Praktische Probleme • Anregungen zur Theoriebildung • Feedback über Bewährung Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 8 Export und Import Exportwege: • Information der Anwender und Öffentlichkeit (wiss. Zeitschriften, Lehrbücher, Zeitungen, Vorträge) • Analyse konkreter Fälle (Expertisen, Kommissionsarbeit) • Entwicklung und Prüfung konkreter Anwendungen (Interventionsforschung) • Ganz zentral: Anwender organisieren Export / Import Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 9 Wie passt das zu den angewandten Disziplinen? AOW Psychologie GrundlagenFächer Klinische Psychologie Praktische Probleme Pädagog. Psychologie Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 10 Beziehung zwischen Theorie und Praxis Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Jonas & Lebherz (2007) Folie 11 Überblick über Anwendungen Soziale Identität Konflikte zwischen Gruppen Umgang mit Ungerechtigkeit Normen und Verhalten Interaktion in Gruppen Aggression Hilfeverhalten à Führung in Organisationen (z.B. Hirst, Van Dick, & Van Knippenberg, 2009) à Friedenspsychologie (z.B. McNair, 2003), Umweltpsychologie (Gifford, 2005), Mediation (Montada & Kals, 2014) à Rechtspsychologie (z.B. Blasi & Jost, 2006) à Mensch-Maschine Interaktion (z.B. Tarnow, 2000) à Rechtspsychologie (z.B. Day, 2005) à Gewaltprävention (z.B. Petermann & Petermann, 2004) à Gemeindepsychologie (z.B. Banyard, 2004) Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 12 Überblick über Anwendungen Einstellungen Persuasion Stereotype à implizite Maße in der Klinischen Psychologie (z.B. Teachman & Woody, 2003); Vorhersage von Gesundheitsverhalten (z.B. Sheeran, 1995) à Furchtappelle (z.B. Leventhal, 1970); Werbepsychologie (z.B. Felser, 2007) à Pädagogische Settings (z.B. Aronson et al., 2002) Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 13 Stereotype Threat Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 14 Die heutige Vorlesung • Definition und Konzept der angewandten Psychologie • Anwendungsbeispiele • Gesundheitspsychologie: Furchtappelle • Klinische Psychologie: Implizite Maße • Rechtspsychologie: Sozialer Einfluss auf das Gedächtnis Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 15 Beispiel 1: Gesundheitspsychologie Wirkt das überhaupt? Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 16 Furchtappelle Alltagsintuition: • Abschreckung wirkt! Frühe wissenschaftliche These: • Zwei Komponenten des Furchtappells: Furchtinduktion, Handlungsanleitung • Furcht verstärkt Aufmerksamkeit, Akzeptanz und Umsetzung Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 17 Furchtappelle: Frühe Forschung Janis & Feshbach (1953): • Furchtappelle zu Zahnpflege auf 4 Stufen • AV: Befolgen der Pflegetipps eine Woche vor und nach dem Appell Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 18 Furchtappelle: Frühe Forschung Leventhal et al. (1967): • Furchtappelle zu Rauchen auf 2 Stufen • AV: Urteile und Rauchverhalten Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 19 Beispiel 1: Furchtappelle Praktisches Problem: Verringerung problematischer Verhaltensweisen Anwendungsziel: Erklärung widersprüchlicher Befunde zur Wirksamkeit Methode: Analyse anhand von Grundlagentheorien, Prüfung in Laborsetting Wirkungsweise: Rückmeldung der Ergebnisse an Öffentlichkeit und Gremien Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 20 Furchtappelle Parallel Response Theory (Leventhal, 1970): Furcht appell Danger Control à Akzeptanz der Empfehlung Fear Control à Abwehr der Bedrohung Vorhersage: Schädliche Wirkung großer Angst ohne Copingmöglichkeit Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 21 Allgemeines Persuasionsmodell Heuristic-Systematic-Model (Chaiken et al., 1989): • Geringe Motivation oder Kapazität: Oberflächliche, heuristische Verarbeitung • Hohe Motivation und Kapazität: Tiefe, systematische Verarbeitung Multiple Motive: • Genauigkeit: Erreichen der zutreffenden Konklusion • Abwehr: Schutz einer persönlich bevorzugten Konklusion • Eindruck: Erreichen sozial akzeptierter Konklusion Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Stroebe (2007) 22 Furchtappelle Stufenmodell nach Stroebe (2000): 1. Bedrohung und Verletzlichkeitseinschätzungen sind wichtig 2. Verarbeitungsmotivation hängt von beiden ab 3. Zwei Motive sind zu berücksichtigen: Genauigkeit und Abwehr 4. Abwehrmotivation kann jeden Teil der Nachricht betreffen (Bedrohung, Verletzlichkeit, Handlungsmöglichkeiten) Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 23 Furchtappelle Stufenmodell nach Stroebe (2000): Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 24 Beispiel 2: Implizite Maße in der Klips Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 25 Beispiel 2: Implizite Maße in der KLIPS Praktisches Problem: Leugnung klinisch relevanter Einstellungen Anwendungsziel: Objektive Messung klinisch relevanter Einstellungen Methode: Übertragung von Maßen aus der Grundlagenforschung in die angewandte Umgebung Wirkungsweise: „Dialog“ zwischen Anwendung und Grundlagenforschung Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 26 Beispiel 2: Implizite Maße in der KLIPS Studie Sherman et al. (2003): • Implizite Einstellungen ggü. Zigaretten Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 27 Beispiel 2: Implizite Maße in der KLIPS Studie De Houwer et al. (2006): • Unterscheidung zw. Motivation und Bewertung Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 28 Beispiel 2: Implizite Maße in der KLIPS Weitere Anwendungen: • Essstörungen (Craeyenest et al., 2005) • Angststörungen (Tanner et al., 2006) • Depression (De Raedt et al., 2006) Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 29 Beispiel 3: Gedächtnis in juristischen und klinischen Situationen Surveys of clinical psychologists reveal that 11 percent instruct their clients to "let the imagination run wild," and 22 percent tell their clients to "give free rein to the imagination." Therapist Wendy Maltz, author of a popular book on childhood sexual abuse, advocates telling the patient: "Spend time imaging that you were sexually abused, without worrying about accuracy proving anything, or having your ideas make sense .... Ask yourself ... these questions: What time of day is it? Where are you? Indoors or outdoors? What kind of things are happening? Is there one or more person with you?“ (Loftus, 1997) Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 30 Beispiel 3: Gedächtnis und Imagination Praktisches Problem: Verringerung psychischen Leids Anwendungsziel: Beurteilung der Wirksamkeit einer in der Anwendung entstandenen Technik Methode: Analyse anhand von Grundlagentheorien, Prüfung in Laborsetting Wirkungsweise: Rückmeldung der Ergebnisse an Öffentlichkeit und Gremien Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 31 Welche Theorien und Befunde? Erste Eindrücke bleiben bestehen oder entstehen selbst dann, wenn... Grundlage als falsch erkannt wird Falsches Feedback über eigene Leistung à Selbstbeurteilung (Ross et al., 1975) Falsche Information über andere Person à Fremdbeurteilung (Wyer & Unverzagt, 1985) Nur eine Möglichkeit angedeutet wird Negiert Aussage (Er ist kein Mörder) à Eindruck i.S. Affirmation (hier negativ; Wegner et al., 1981) Bloße Frage (Ist er ein Mörder?) à Eindruck i.S. der Frage (Fiedler et al., 1996) Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie 32 Perseveranzeffekte Potentielle Mechanismen: Erklärungsprozesse (Ross et al., 1975) • • Erklären aktiviert Evidenz für Ereignis Grundlage wird negiert, nicht aber eigene Erklärung Imaginationsprozesse (Kahneman & Tversky, 1982) • Lebhafte Vorstellung erzeugt „Simulation“ echten Erlebens • Selbst erzeugte „Gedächtnisspuren“ bleiben bestehen und werden auf Erleben attribuiert Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie 33 Imagination und Gedächtnis Studie Loftus et al. (1996): • Vpn beurteilen 40 Ereignisse danach, wie wahrscheinlich sie ihnen im Leben passiert sind • 2 Wochen später sollen sie sich für ausgewählte (und unwahrscheinliche) Ereignisse vorstellen, dass sie passiert sind • Danach erneute Beurteilung der 40 Ereignisse à Welche Wirkung hat die Vorstellung? Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 34 Imagination und Gedächtnis Studie Loftus et al. (1996): Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 35 Imagination und Gedächtnis • Laborstudien belegen, dass Imaginationstechnik falsche Erinnerungen erzeugen kann • Aber: Mittlerweile gibt es auch Hinweise darauf, dass „absichtlich“ vergessen werden kann (z.B. Anderson & Green, 2001) à Weitere Forschung zur Trennung echter und eingebildeter Erinnerungen nötig. http://www.memorycontrol.net/index.html Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 36 Beispiel 3: Gedächtnis in juristischen und klinischen Situationen Weitere Themen: • Sozialer Einfluss auf das Gedächtnis (z.B. Suggestion) à Normativer und informationaler Einfluss • Gruppenentscheidungen (z.B. Geschworene) à Gruppendenken, Minderheiten- und Mehrheiteneinfluss • Einschätzungen durch Richter, Staatsanwälte, Gutachter à Theorien der sozialen Wahrnehmung (Stereotype, Heuristiken) Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 37 Wie passt das zu den angewandten Disziplinen? ABO Psychologie GrundlagenFächer Klinische Psychologie Praktische Probleme Pädagog. Psychologie Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 38 Drei wichtige Quellen Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 39 Literatur zur heutigen Sitzung Jonas, K., Stroebe, W., & Hewstone, M. (2007). Sozialpsychologie: Eine Einführung (5. Aufl.). Heidelberg: Springer. (Kapitel 15: Jonas & Lebherz). Sozialpsychologie 2 /// WiSe 15-16 /// Angewandte Sozialpsychologie Folie 40