Research R esearrch You can touch this Touchpoint-Analyse am Beispiel des Softdrinks Rivella Es gibt viele Berührungspunkte, an denen ein Konsument auf ein Produkt treffen kann. Doch welche sind für Unternehmen besonders wirkungsvoll und lohnend? Christoph Spengler und Bianca Oehl stellen eine Methode vor, die das Touchpoint-Management optimiert, indem sie intelligente Algorithmen einsetzt. rfolgreiche Softdrink-Marken, wie das Schweizer Nationalgetränk Rivella, haben die Nase stets im Wind. Sie begleiten ihre Zielgruppen den ganzen Tag in den unterschiedlichsten Kauf- und Konsumsituationen: sei es im Einzelhandel, beim Take Away um die Ecke, bei der Grillparty oder beim Sport. Kundennähe und Produktverfügbarkeit sind daher wesentliche Markterfolgsfaktoren. Forschung trifft Technologie Unterschiedliche Zielgruppen, verschiedenste Produktvarianten sowie eine stark fragmentierte Vertriebslandschaft sorgen für eine gewisse Grundkomplexität – auch bei der Nummer zwei im Schweizer Softdrink-Markt. Eine „One size fits all“-Strategie ist daher ungeeignet, auch wenn Entscheider möglichst einfache Lösungen für die Marktbearbeitung bevorzugen. Dieser Beitrag zeigt auf, wie durch die Kombination aus Marktforschungsdaten und intelligenten Algorithmen ein wirkungsstarker Mix für die Marktbearbeitung identifiziert werden kann. Eine bewährte, aber aufwendige Analytik wird hierbei mit modernster Technologie weiter optimiert und somit schneller und besser. Unternehmen erhalten so höhere Entscheidungs- und Investitionssicherheit und können gleichzeitig ihre Kundenorientierung gezielt stärken. 46 esearch & esults 3 · 2016 Leistungsfähigkeit messen Rivella beauftragte 2014 die Durchführung einer 360-Grad-Touchpoint-Analyse, um unter anderem zwei konkrete Ziele zu erreichen: eine höhere Rekrutierung von Neukunden bei Zielgruppe A (Teilziel zwei) sowie Steigerung von Kauffrequenz bei Bestandskunden in der Zielgruppe B (Teilziel sechs) (Abb. 1). Im Rahmen der Analyse wurden mittels Online-Interviews qualitative und quantitative Daten zum Kundenverhalten von Softdrink-Käufern auf ihrer Customer Journey erhoben. Die Analyse basiert auf dem Modell einer fünf-phasigen Kundenreise. Jede der fünf Phasen wird in Form einer Metrik operationalisiert, mit welcher die Leistungsfähigkeit von Onwww.research-results.de Foto: © PHOTOPRESS/Rivella E Research Best Practice versus Maschine Ziele und Maßnahmen Zielmarkt Einzelhandel und Gastronomie Teilziele Maßnahmen und Ergebnisse 1 2 3 4 5 6 7 2. Rekrutierung Neukunden 6. Frequenzsteigerung Bestandskunden Optimaler Mix für Marketing und Vertrieb Optimaler Mix für Marketing und Vertrieb 2014: Best Practice Heute: Algorithmus 7 TPS 2014: Best Practice 4 TPS 7 TPS Heute: Algorithmus 4 TPS Ergebnisse Abb. 1 Zielgruppe B Zielgruppe A Zielgruppen Ergebnisse Reichweite = Reichweite + Attraktivität für Zielgruppe + Attraktivität für Zielgruppe + Quelle: Accelerom und Offline-Touchpoints in den jeweiligen Phasen gemessen wird. Diese Metriken sind die aktive und passive Reichweite, der Informations-, Transaktions- und Attraktivitätswert. Sie liefern zum einen Aussagen auf Ebene einzelner Touchpoints, zum anderen auf Ebene von Touchpoint-Mixes, also der Kombination von Touchpoints, wie etwa die kombinierte Reichweite eines Mixes (Total Audience Measurement). Maximale Wirkung Die Aufgabe, den bestmöglichen Mix für jedes Teilziel beziehungsweise jede Zielgruppe zusammenzustellen, wurde aufbauend auf diesen Erkenntnissen nun in einem dreistufigen Verfahren mit dem Marketing Team von Rivella angegangen. Im ersten Schritt identifizierte man die relevanten Phasen der Customer Journey für das jeweilige Teilziel – zum Beispiel Aufmerksamkeit generieren (Phase eins). Unter Zuhilfenahme der Customer Journeys wurde in einem zweiten Schritt eingegrenzt, welche Touchpoints zur Zielerreichung in Betracht gezogen werden können. Der aufwendigste Teil war, im dritten Schritt aus diesen Touchpoints einen effizienten und effektiven Mix zu bestimmen, das heißt maximale Wirkung bei minimaler Anzahl. Bewertet und verglichen wurden die vorgeschlagenen Touchpoint-Mixes mit Hilfe der Customer Journey-Metriken, wie etwa der bereits erwähnten kombinierten Reichweite. Der Erkenntnisgewinn unterstützte Rivella, systematisch substantielle Teile des Gesamtbudgets auf die zentralen Touchpoints wirkungsorientiert umzuschichten. Aktivitäten mit einem tiefen Wertbeitrag und einer relativ hohen betrieblichen Komplexität konnten identifiziert und reduziert werden. Auch gelang es, bereichsübergreifend Maßnahmen in Marketing, Vertrieb, Werbung, Kommunikation und Sponsoring durchgängig inhaltlich zu verknüpfen und zeitlich aufeinander abzustimmen. Die gezielte Optimierung der Marktbearbeitung in Kombination mit Produktinnovationen wie Rivella Pfirsich und Rhabarber stärkte die Marktposition von Rivella maßgeblich. www.research-results.de Aufbauend auf den Erfolgen aus 2014 überprüfte Rivella kürzlich die Ergebnisse – diesmal mit der Unterstützung neuer intelligenter Algorithmen. Bei diesem Methodenduell zwischen Best Practice und Maschine galt es, das beste Szenario aus 2014 zu übertrumpfen – mehr Relevanz und Reichweite bei gleicher Anzahl Touchpoints oder gleiche Relevanz und Reichweite mit weniger Touchpoints. Als Ausgangslage wurde der 360-Grad-Touchpoint-Algorithmus konfiguriert: Anstatt zeitraubender, aufwendiger Abstimmungsworkshops und Diskussionen standen nun die Algorithmus-Berechnungen im Zentrum. Diese generieren in einem Bruchteil der bisher benötigten Zeit den optimalen Touchpoint-Mix und eignen sich damit auch für die agile Planung. Überprüfbare Verbesserungen Über alle Teilziele hinweg lieferte der Algorithmus bessere Resultate: Für die Zielgruppe A konnte der Best Practice-Vorschlag von 2014 mit sieben Touchpoints durch einen Mix mit nur sechs Touchpoints gleicher Reichweite aber höherem Attraktivitätswert übertroffen werden. Der Best Practice-Vorschlag für Zielgruppe B beinhaltete vier Touchpoints. In diesem Fall generierte der Algorithmus eine Lösung mit identischer Anzahl von Touchpoints, jedoch mit höherer Reichweite wie auch höherem Attraktivitätswert. Im Kern wurden die früheren Ergebnisse des Best Practice-Ansatzes bestätigt: Der Algorithmus erzeugte nicht gänzlich neue Touchpoint-Mixes, sondern lieferte überprüfbare Verbesserungen, indem er einzelne Touchpoints austauschte. Damit verbesserte er die Abdeckung der Customer Journey noch weiter. Die zentrale Erkenntnis für den Planungsprozess bei Rivella ist, dass mit der neuen AlgorithmusTechnologie die Fragestellungen von 2014 heute nicht nur schneller, sondern auch besser beantwortet werden können. ■ Mehr zum Thema „Marketing-Mix“ und zur Schnellsuche Fachartikel www.research-results.de/fachartikel Christoph Spengler ist Managing Director und gründete vor rund zehn Jahren die Accelerom AG. Zuvor war er 15 Jahre in verschiedenen Sektoren der Konsumgüter-, Detailhandels- und Finanzbranche tätig. Dr. Bianca Oehl ist Analyst and Consultant bei der Accelerom AG. Neben Kundenprojekten betreut sie die Weiterentwicklung der Cloud-basierten Intelligence-Plattform SMARTnavigator, Produkt eines Forschungsprojektes mit der FH Nordwestschweiz und gefördert von der Eidgenössischen Kommission für Technik und Innovation. www.accelerom.com esearch & esults 3 · 2016 47