001_Magazin magazin_002 N eues und Besseres wird nicht automatisch zum Kassenschlager: Verschiedene Faktoren entscheiden über eine erfolgreiche Durchdringung und Positionierung am Markt. Mit Neuem wird der Kunde heute täglich hundertfach konfrontiert – einem neuen Produkt, einer neuen Mixtur, einer neuen Verpackung oder einem neuen Preis. Bei dieser Reizüberflutung und der Gefahr der Austauschbarkeit liegt eine besondere Herausforderung in der Kommunikation: Wie mache ich mein Produkt bekannt, wie vermittle ich die einzigartigen Produktvorteile meiner Innovation? Und dies bei stets knappen Zeit- und Geldressourcen. Zu kurz sind heute die Produktlebenszyklen und zu aggressiv die Imitationsstrategien globaler Mitbewerber, als dass die Lancierung viel Zeit in Anspruch nehmen darf. Umso erfolgsrelevanter ist es, dass Marktunter­ suchungen, Einführungskonzepte und Investitionsmodelle so früh wie möglich in den Innovationsprozess einbezogen werden. Denn in der Regel kann nichts Wesentliches nachjustiert werden. Beispiel der 360-GradTouchpointAnalyse von Accelerom. Das Potenzial von Innovationen maximal ausschöpfen Marktbearbeitungsmix Nicht jede Innovation ist ein Erfolg – auch wenn sie aus Entwicklersicht noch so bahnbrechend sein mag. Letztlich sind es die Kunden, die durch Kauf oder Empfehlung­ über den Mehrwert und damit über das Marktpotenzial bestimmen. Eine zielführende Multi-Channel-Strategie ist dafür zentral und hilft, die Investitionsrisiken zu minimieren. Swiss Innovation Guide 2011 Innovationen bekannt machen Die zukunftsträchtigste Innovation kann an einer unzureichenden Vermarktung scheitern und dadurch die vorgelagerten Aktivitäten sowie Investitionen zunichtemachen. Gründe dafür sind nicht selten ein trügerisches Bauchgefühl, Fehlinvestitionen in der Marktbearbeitung oder eine zu optimistische Einschätzung einzelner Marktbearbeitungsinstrumente hinsichtlich ihres Wirkungsbeitrags. Um das Potenzial von marktfähigen ­Innovationen optimal zu nutzen, müssen diese so rasch wie möglich ins Wahrnehmungsfeld von potenziellen Kunden gelangen. Die Herausforderung dabei ist: Mit der richtigen Botschaft zur richtigen Zeit am richtigen Ort bei der anvisierten Zielgruppe präsent zu sein, ihr Interesse zu wecken und sie handlungsauslösend zu überzeugen. Herkömmliche Einwegkommunikation (PushMarketing) wie klassische Werbung allein reicht bei der wachsenden Zahl elektronischer, interaktiver sowie mobiler Medien dazu längst nicht mehr. Kunden entscheiden heute vermehrt selbst, was sie wann und wo sehen, lesen und hören wollen. Sie sind bestens vernetzt, beurteilen kritisch und empfehlen Dienstleistungen und Produkte in Blogs, Reviews sowie Podcasts weiter – oder eben nicht. Gerade die grosse Popularität von Social-Media-Plattformen gibt dem klassischen Empfehlungsmarketing (Wordof-mouth-Marketing) eine neue Bedeutung und ist in der Innovationsvermarktung nicht zu unterschätzen. Eine Vielzahl von Konsumenten informiert sich mittSwiss Innovation Guide 2011 lerweile in sozialen Netzwerken und kommt dort mit News und Trends in Erstkontakt. Die Möglichkeit, per einfachem Klick mit seinem Bekanntenkreis etwas zu «sharen», ist aus unternehmerischer Sicht ein einfacher und kostengünstiger Weg, viele potenzielle Kunden zu erreichen. Text: Christoph Spengler, Renzo Sigrist und Peter Sopp Fotos: Accelerom, L’Oreal, Microsoft und Ricola Touchpoints als Erfolgsfaktor Ein ganzheitliches Verständnis des Kommunikationsverhaltens und des Kaufentscheidungsprozesses ist ein Erfolgsfaktor, mit dem sich ein Unternehmen nutzbringend von der Konkurrenz abheben und Wettbewerbsvorteile erzielen kann. Die unterschiedlichen Schnittstellen zu den Zielgrup- Praxisbeispiel: Ricola Mit neuer Produktlinie neue Zielgruppen ansprechen Ricola hat sein Sortiment mit Ricola Gum (Kaugummi) aus Bergkräutern erweitert. Mit der neuen Produktlinie will die Traditionsmarke neue Zielgruppen erreichen und begeistern. Hans-Peter Hess, Head of Corporate Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Ricola in Laufen BL sagt: «Als Schweizer Mittelstandsunternehmen sind wir international in über 50 Märkten erfolgreich tätig. Die Führung der Traditionsmarke Ricola ist mit der täglichen Herausforderung verbunden, diesen starken Brand mit seiner eindeutigen Schweizer Herkunft durch Produkt- und Vermarktungsinnovationen auch in Zukunft eigenständig und authentisch zu positionieren und profitabel zu halten. Tradition und Innovation erfolgreich zu kombinieren gelingt aber nur, wenn wir die Bedürfnisse unterschiedlicher Zielgruppen in den lokalen Märkten kennen, uns danach ausrichten und auch neue, unkonventionelle Wege im Marketing und in der Distribution einschlagen.» 003_Magazin Repmagazin_004 men einer Befragung bewertet und anschliessend nach ihrer Breitenwirkung und Relevanz beurteilt (siehe illustratives Beispiel auf Seite 001). Nicht selten halten die Ergebnisse der Touchpoint-Analyse im Abgleich mit der Innensicht des Unternehmens Überraschungen bereit – andere Touchpoints als angenommen, weniger stark digital geprägt als gedacht oder wesentlich weniger Kontaktpunkte sind wirklich bedeutsam für die (potenziellen) Kunden. Durch die gewonnene Wirkungstransparenz wird die notwendige Entscheidungssicherheit für die Multi-Channel-Strategie bei der Markteinführung gewonnen. Diese ganzheitliche Sicht aus der Kundenperspektive liefert handlungsrelevante ­Erkenntnisse zu Offline- und Online-Interaktionen, Massen- und One-to-one-Kommunikation, Editorial und Social Media sowie zum physischen oder virtuellen Shop. Praxisbeispiel: L’Oreal Mit hoher Kadenz innovieren und Mehrwert schaffen In den Forschungslabors von Vichy – eine Pflege- und Kosmetikmarke von L’Oreal – werden bis zu 20 Produktneuheiten pro Jahr für den welt­ weiten Markt entwickelt. Die Herausforderung: Ein stetiger Kunden­ dialog mit innovativen Interaktionsformen, aber auch klassische Beratung in der Apotheke herstellen. Heike Panella, Directrice Générale des Geschäftsbereichs Vichy Deutschland in Düsseldorf, sagt: «Körperpflege und Beauty gehören zu den werbe- und innovationsintensivsten Branchen überhaupt. Fast wöchentlich werden neue Produkte im Markt lanciert. Um unsere Kunden- und Marktkommunikation in diesem Umfeld effizient und effektiv gestalten zu können, müssen wir genau verstehen, in welchem Ausmass welche Touchpoints wirklich zur Kaufentscheidung beitragen. So gelingt es uns, unsere Kunden auf Innovationen handlungsauslösend aufmerksam zu machen und die Kundenzufriedenheit zu erhöhen.» pen, sogenannte Touchpoints, spielen hierbei eine Schlüsselrolle. Unter Touchpoints werden sämtliche Berührungspunkte einer Marke mit potenziellen oder tatsächlichen Kunden sowie anderen Stakeholdern verstanden. Die entscheidende Frage dabei ist: Welche Touchpoints sind die richtigen für zielführende Strategien und Massnahmen, um Kunden auf Innovationen aufmerksam zu machen – sie zu gewinnen und zu binden? Ob Privat- oder Geschäftskunden – ausgerichtet auf den Kaufkontext werden in einem ganzheitlichen Touchpoint-Management unterschiedlichste Kontaktpunkte durch Zielpersonen im Rah- Kaufkontext ausschlaggebend Ein generell gültiges Multi-Channel-Rezept gibt es nicht. Je nach Branche und Unternehmen unterscheidet sich das Wirkungsmuster der Touchpoints erheblich. Was bei der Kosmetik den Durchbruch bringt, Christoph Spengler Renzo Sigrist Peter Sopp Die Autoren Christoph Spengler (Managing Director), Renzo Sigrist (Project Manager) und Peter Sopp (Principal Statistician) arbeiten für Accelerom im Zürcher Technopark. Das international tätige Beratungsunternehmen ist auf ein ganzheitliches Performance­Marketing spezialisiert. Der Pionier und Leader im Touchpoint-Management ermittelt auf der Grundlage seiner wissenschaftlich fundierten 360-Grad-TouchpointAnalyse den optimalen Marktbearbeitungsmix. Accelerom unterstützt Unternehmen in der Strategieerarbeitung und -umsetzung für eine lokale und globale Marktbearbeitung (www.accelerom.com). Swiss Innovation Guide 2011 kann im IT- und Softwarebereich völlig wirkungslos und eine Fehlinvestition sein. Der Trend unterschiedlichster Analysen zeigt jedoch unabhängig von der Branche eine zunehmende Relevanz der aktiv genutzten, überwiegend digitalen Touchpoints im Marktbearbeitungsmix. Über diese offenen Kommunikationskanäle haben Unternehmen oder Organisationen die Möglichkeit, am Puls der Zeit zu agieren und an Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Es entwickelt sich eine Marktkommunikation auf Augenhöhe mit dem Kunden. Doch Kunde ist nicht gleich Kunde: Bezüglich der Nutzung von virtuellen Kontaktpunkten gibt es beachtliche Unterschiede, was unter anderem auf das Alter zurückzuführen ist. RICHTIG MESSEN UND PRIORISIEREN Unterscheidet man bei Privatkunden zwischen unterschiedlichen Zielgruppengenerationen und isoliert etwa die «Digital Natives», das heisst Personen geboren nach 1980, wird deutlich, dass beispielsweise Social Networks, Online-Testberichte, User-Foren und Suchmaschinen bei dieser jüngeren Generation bereits gewichtigen Einfluss auf Kaufentscheide ­haben. Die zunehmende Vernetzung dieser Zielgruppe ermöglicht eine aktive Partizipation – relativiert aber auch die vom Unternehmen gesteuerten Kommunikationsmassnahmen. Obwohl digitale Touchpoints und unkonventionelle Interaktionsformen mit den Zielgruppen immer wichtiger werden, dürfen klassische Kommunikationsmassnahmen keineswegs als ineffizient und unnötig abgetan werden: Um Innovationen bekannt zu ­ machen und Themen für Diskussionsstoff zu ­setzen, braucht es (fast immer) mehrere Kommunikationswege. Und nicht die Touchpoints isoliert, sondern die Interaktion aller Massnahmen und somit die vernetzten Kommunikationsleistungen bringen den erhofften Mehrwert: Der Weg zum Markterfolg einer Innovation führt daher über eine geschickte Online- und Offline-Mischung aus passiven und ­aktiven Touchpoints mit ganz unterschiedlicher ­Breitenwirkung und Relevanz. Grundstein für das Wachstum Ein ana­ lytisches und kreatives Touchpoint-Management ermöglicht in einer kundenorientierten Unternehmensführung die erfolgreiche Potenzialausschöpfung von Innovationen. Mit der ganzheitlichen Transparenz aus der Touchpoint-Analyse wird der Grundstein gelegt für die richtigen Investitionsentscheidungen in der Vermarktung und damit für das Wachstum von Umsatz und Profitabilität. Swiss Innovation Guide 2011 Praxisbeispiel: Microsoft Innovative Lösungen mit und für Kunden entwickeln Microsoft will als kompetenter Innovationspartner jederzeit die beste Lösung für seine Geschäftskunden bieten können, so lautet die Devise des IT-Spezialisten. Peter Waser, General Manager von Microsoft Schweiz in Wallisellen ZH, sagt: «Der Kunde steht bei all unseren Aktivitäten im Mittelpunkt – bei der Entwicklung und Finalisierung unserer Lösungen fliessen kontinuierlich Kundenfeedback und Kundenerlebnisse mit ein. So haben über 10 Mio Kunden weltweit die Beta Version von Windows 7 getestet und dadurch das Produkt mitgeprägt. Die starke Kundeneinbindung setzt an den unterschiedlichsten Touchpoints an. Nicht, was wir vermuten, ist dabei wesentlich, sondern das, was wir tatsächlich über unsere Kunden wissen. Mit dieser Vielfalt an Feedbacks, Anregungen und Einsichten sind wir in der Lage, Lösungen zu entwickeln, die den Kunden helfen, ihre Aufgaben schneller und besser zu lösen – damit mehr Zeit bleibt für anderes.»