The New Eating Normalcy The New Eating Normalcy, GDI_Studie Nr. 16 Wie wir morgen essen Stephan Sigrist GDI_Studie Nr. 16 © 2004 Impressum GDI_Studie Nr. 16 The New Eating Normalcy Stephan Sigrist © GDI 2004 ISBN 3-7184-7021-7 Bestelladresse Gottlieb Duttweiler Institut Langhaldenstrasse 21 CH-8803 Rüschlikon / Zürich Telefon + 41 1 724 61 11 [email protected] www.gdi.ch 3 Inhalt Inhalt Executive Summary 1. Food-Design, Food-Kultur und Food-Revolution 5 9 1.1 Warum wir Food manipulieren 10 1.2 Eine kurze Geschichte der Food-Manipulation 12 1.3 Warum wir essen, was wir essen 14 2. Gegenwart und Zukunft der neuen Ess-Klasse 19 2.1 Food-Design im 21. Jahrhundert 20 2.2 Neue Nahrungsmittel: Novel Food 21 2.2.1 Functional Food 22 2.2.2 Gen-Food 26 3. Faster, better, cheaper – Was wir uns von Food erhoffen 33 3.1 Das neue Gesundheitsverständnis 35 3.2 Besser als normal 37 3.3. Neue Geschmacksverhalten 37 3.4 Zeitersparnis durch Convenience 39 3.5 Langlebige Lebensmittel 39 3.6 Schöne Lebensmittel für eine schöne Welt 40 3.7 Mehr Food für mehr Menschen – Fleisch vom Bioreaktor, Getreide aus der Petri-Schale 41 3.8 The Age of Cheap Food 42 3.9 Die verborgene Gefahr der Food-Sicherheit 43 4. Warum Food-Design immer wichtiger wird 4.1 Kurzübersicht GDI-Megatrends 47 49 5. Folgen für die Praxis: Chancen und Risiken GDI_Study No. 16 der Food-Märkte von morgen 57 Appendix 81 Autor 82 Experten 82 Fragebogen 83 Quellen/Weitere Lektüre zum Thema 86 The New Eating Normalcy 4 Experten Experten _Prof. Felix Escher, Laboratorium für Lebensmittel-Chemie und -Technologie, ETH Zürich _Arnold Furtwaengler, Head of Marketing and Sales, Wander AG _Martin Knoll, CEO, Mc Donalds Schweiz _Prof. Christophe Lacroix, Laboratory of Food Biotechnology, ETH Zürich _Dr. Jan M. Lucht, Internutrition _Dr. Heini Menzi, Vice President R&D, Development Center Europe, Givaudan _Dr. Beat Mollet, Intellectual Property Coordinator, Nestlé Research Center _Ian Neill, CEO, Wagamama, London _Dr. Urs Niggli, Direktor Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) _Dr. Jeannette Nuessli, Senior Assistant, Lecturer Food Sensory Science, Institute of Food Science and Nutrition, ETH Zürich _Dr. Jan von Overbeck, Chief Medical Officer, Swiss Re _Udo Pollmer, Wissenschaftlicher Leiter des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften, Heidelberg _Dr. Birgit Rehlender, Stiftung Warentest, Berlin _Dr. Reto Schneider, Risk Engineering Services, Chief Underwriting Office, Swiss Re _Margot Seele, Ernährungsberaterin TCM _Harald Zahnd, Equity Analyst, Consumer Goods, Emerging Markets, Credit Suisse GDI_Study No. 16 The New Eating Normalcy 5 Executive Summary Executive Summary Schenkt man den zahlreichen Werbebotschaften und Presseberichten Glauben, so stehen wir am Anfang einer Food-Revolution. Neue Lebensmittel versprechen eine bessere Gesundheit, mehr Frische und tiefere Preise. Wie werden wir uns in der Welt von morgen ernähren? Welches sind die Chancen, welches die Risiken neuer Technologien? Was bedeuten diese Veränderungen für den Konsumenten und die Food-Industrie? Die Studie gibt einen Überblick über die wichtigsten Innovationen im Foodbereich sowie deren Folgen für Produzenten, Retail und Restaurant-Industrie und formuliert zehn Thesen darüber, wie wir morgen essen. Die Grenzen zwischen natürlichen und künstlichen Lebensmitteln werden gösser – lösen sich aber langfristig auf. Die mentalen Fronten zwischen den Verbrauchern natürlicher beziehungsweise hoch technisierter Lebensmittel werden sich weiter verhärten. Bio-Label und Fast Food sind die Exponenten zweier Welten, die gegeneinander um die Gunst der Konsumenten antreten. Auf der Ebene der Herstellung werden die Grenzen zwischen Bio und Biotech jedoch immer durchlässiger. Technologie wird biologischer: Biotechnologische Anwendungen wie der Einsatz von Enzymen spielen eine wichtige Rolle in der industriellen Produktion. Gleichzeitig wird die biologische Produktionsweise technischer: Das notwendige Volumen von Bioprodukten kann nur noch mit Hilfe der Technik erreicht werden. Durch das verbesserte Verständnis der Inhaltsstoffe von Nahrungsmitteln und deren Wirkung auf die Gesundheit auf der molekularen Ebene wird es nebensächlich, ob man ein Bio- oder ein künstliches Produkt konsumiert. Die Gentechnologie liefert den Bio-Food des 21. Jahrhunderts Media Food – Das Lebensmittel wird zum Informationsprodukt Als Folge des steigenden Wissens über den Zusammenhang zwischen Food und Gesundheit wächst der Druck auf den Konsumenten, sich mit Informationen über Lebensmittel auseinanderzusetzen. Aufklärung über Food wird für alle Industriebereiche wichtiger. Produktdeklarationen, Neugestaltung von Supermarktregalen und Ladenformaten, Schaffung von neuen, objektiven Informationsquellen, welche Kunden über Möglichkeiten und Risiken der Ernährung Auskunft geben, werden wichtiger. Die Bereitschaft, sich im Alltag mit möglichen gesundheitlichen Folgen der Ernährung zu beschäftigen, ist jedoch begrenzt. Essen ist in erster Linie Genuss und soll nicht mit dem Gedanken an Krankheit assoziiert werden. Den entscheidenden Wettbewerbsvorteil hat am Ende das Produkt, das sich im gesamten Auftritt klar positioniert. Informationen spielen dabei neben der Vermittlung der emotionalen Komponente eines Lebensmittels eine immer grössere Rolle. GDI_Study No. 16 The New Eating Normalcy 6 Executive Summary Das Labor schreibt die Menüs von morgen Die Möglichkeiten der Wissenschaft haben sich exponentiell erweitert. Die Geheimnisse des Lebens werden entschlüsselt. Auch das Wissen über die Zusammensetzung der Nahrung nimmt zu. Die Lebensmitteltechnologen analysieren aber nicht nur einzelne Bestandteile einer Speise. Die Kunst besteht darin, die Interaktionen einzelner Eiweisse und Moleküle zu verstehen, herauszufinden, wie bestimmte Geschmacksrichtungen entstehen und diese zu imitieren. Die Wissenschaft steht so ein weiteres Mal davor, in eine «magische» Welt vorzudringen – in die des Kochens. Die Kunst von Meisterköchen wird so erklärbar und verkommt zum unspektakulären Allgemeingut. Die Lebensmittelchemie bedroht dadurch das Handwerk der Gastronomen. Es wird deshalb zur wichtigsten Aufgabe der Food-ServiceIndustrie, dem Essen die verlorene Magie zurückzugeben. Gläserne Lebensmittel – Food wird transparent Es reicht heute nicht mehr aus, nur über Inhaltsstoffe eines Lebensmittels Bescheid zu wissen: Der Druck auf die Industrie wächst, auch die Herkunft und den Weg eines Rohstoffs vom Ursprung bis zum verkaufsfertigen Produkt zu deklarieren. Die BSE-Krise hat der Food- Industrie die Wichtigkeit der Rückverfolgbarkeit von Nahrungsrohstoffen vor Augen geführt. Es genügt auch in der Gastronomie nicht mehr, nur den direkten Lieferanten zu kennen. Zum Global Sourcing gehört die totale Transparenz. Die zunehmende Relevanz des Wissens um die Herkunft eines Produkts ermöglicht es Retailern und der Gastro-Industrie, den Wert von Lebensmitteln zu steigern, deren Herkunft bis ins Detail dokumentiert ist. Die Zahl der Konsumenten mit Food-Phobien wächst Aufgrund der verbesserten Diagnosemöglichkeiten werden Inhaltsstoffe in immer geringeren Konzentrationen nachgewiesen und deklariert werden können, unabhängig davon, ob sie in einer gesundheitsschädigenden Menge vorliegen. Die Lebensmittel-Sicherheit wird dadurch zu einem der zentralen Themen der Food-Industrie. Convenience-Food, Massenproduktion und die globale Distribution erhöhen das Risiko für die Verunreinigung mit schädlichen oder gefährlichen Substanzen. Während diese Thematik in der Wahrnehmung der Verbraucher bisher kaum eine Rolle gespielt hat, führen neue diagnostische Möglichkeiten zu einer Sensibilisierung und zu übertriebenen Ängsten der Konsumenten. Die Food-Industrie gerät in den Fokus potenzieller Kläger. Angriffsflächen bieten sich auf verschiedenen Ebenen: Mikrobielle Kontaminationen, der Einsatz von Chemikalien oder die Zunahme der Zivilisationskrankheiten GDI_Study No. 16 The New Eating Normalcy 7 Executive Summary gehören zu den grössten Risikobereichen der Food-Industrie. Hersteller, aber auch die Food-Service-Industrie müssen sich vermehrt der möglichen Gefahren im Umgang mit Lebensmitteln bewusst werden. Food wird individueller Die Genetik wird Gesellschaft und Industrie in den nächsten Jahren vor neue Herausforderungen stellen. DNA-Analysen geben Auskunft über das genetische Profil eines Menschen, seine Veranlagung für Krankheiten und Allergien. Die verbesserte Diagnostik führt auch zu der Identifizierung von immer mehr wichtigen Nahrungsbestandteilen. Gerade im gezielten Einsatz von Mikronährstoffen bei Risikogruppen liegen das eigentliche Potenzial und die Zukunft von Nutriceuticals, Lebensmitteln mit einer pharmakologischen Wirkung. Die fortschreitende Individualisierung der Gesellschaft wird nicht nur wegen der Fortschritte in der Genetik wichtiger, sie fordert auch eine Differenzierung des Sortiments. Konsumenten wollen Produkte, die auf ihre persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Neue Protein-Quellen werden wichtiger Fleisch ist mit zunehmendem Wohlstand die bevorzugte Proteinquelle. Die globale Produktion wächst rasant. Neun Zehntel der weltweiten Getreideproduktion werden gegenwärtig nur für die Fütterung von Tieren verwendet. Angesichts der Tatsache, dass China in einigen Jahren die gegenwärtige Welternte von Soja für sich alleine beansprucht, gewinnt die Frage nach der Ernährung der Massen für die Zukunft an Bedeutung. Die Nahrungsverknappung führt langfristig zur Abkehr von der tierabhängigen Nahrungsproduktion. Der Mensch wird sich in der Masse nicht von Tieren ernähren können und muss sich anderen Proteinquellen zuwenden. Pflanzen gehören zu den sinnvollsten Eiweisslieferanten, die in grossem Volumen verfügbar sind. Auch andere, bislang unbekannte alternative und unkonventionelle Proteinquellen werden in Zukunft in Frage kommen, um den Hunger der wachsenden Weltbevölkerung zu stillen. Authentizität und Mythen bestimmen die Food-Märkte von morgen Je komplexer die Lebensmitteltechnologien werden, desto weniger verstehen Konsumenten, was sie essen. Food-Design wird aber nicht allein auf der Stufe der Herstellung angewendet. Marketing und Werbung kreieren gleichzeitig das angestrebte Image und liefern die Konnotationen und Bilder, die wir mit einem Produkt verbinden. In Anbetracht der ständigen Zunahme von Produkten in den Supermärkten erweist sich das Ernährungsverhalten des Menschen als erstaunlich konservativ. Trotzdem besteht ein respektabler Markt für «neue» Produkte GDI_Study No. 16 The New Eating Normalcy 8 Executive Summary mit anderen Geschmacksvariationen und potenziellem Gesundheitsnutzen. Der Erfolg solcher Produkte ist jedoch in hohem Mass von Trends abhängig, und nur wenige vermögen sich auch langfristig am Markt durchzusetzen. Faktoren wie Tradition, geschmackliche und genetische Prägung bestimmen das Essverhalten. Food-Trends werden hingegen von kurzfristigeren Faktoren geprägt. Emotionalität, Erlebnis und Lebensgefühl spielen für die Positionierung von Trendprodukten eine zentrale Rolle. Über langfristigen Erfolg oder Misserfolg entscheidet am Ende die Geschichte, die ein Produkt erzählt. Gerade Lebensmittel, deren Positionierung auf rein rationalen Kriterien beruht, müssen eine starke emotionale Bindung zum Kunden herstellen. Nur der richtige Mix aus Image, Marketing und Authentizität kann langfristigen Erfolg garantieren. Retail bedient den Verstand, Gastronomie den Bauch Die Motivation zum Kaufentscheid folgt im Retail-Bereich verhältnismässig einfachen Mustern. Preis, Qualität und Gesundheit zählen zu den Schlüsselfaktoren der Auswahl von Food-Produkten und lassen sich nach mehr oder weniger rationalen Kriterien beurteilen. Die Gastronomie befindet sich in einer fundamental anderen Ausgangslage als das Retail-Segment. Das Alltagsleben wird beim Essen auswärts bewusst ausgeklammert. Man leistet sich das, was man sich sonst nicht gönnt, rationale Kriterien sind dabei ausgeschaltet. Im Gastro-Sektor zählen Emotion und Genuss. Durch die Rationalisierung in der Auswahl von Lebensmitteln nimmt die emotionale Anziehungskraft vieler Produkte ab. Hier gilt es, auch funktionale Nahrungsmittel, die wegen einer erhofften Wirkung gekauft werden, wieder mit emotionalen Werten aufzuladen. Für die Food-ServiceIndustrie, in der die Gesundheit eine immer wichtigere Rolle spielt, ist die emotionale Präsentation des Essens eine wichtige Aufgabe, um sich stärker gegen Retailer abzugrenzen. Die Revolution findet nicht statt Der Einzug der Biologie in die Food-Industrie bringt viele neue Möglichkeiten für die Produktion und Verarbeitung von Lebensmitteln. Die Food-Industrie hat sich aber gut auf das bestehende Geschäftsmodell mit hohen Volumen und tiefen Margen eingestellt. Die Kosten für die Forschung lassen sich nur bedingt an den Konsumenten abgeben, die Vermarktung und Positionierung von neuen Konzepten im Food-Bereich ist komplex und riskant. Doe Konsumenten verhalten sich in der Ernährung zu einem grossen Teil konservativ und essen das, was sie schon immer gegessen haben. Dies alles führt zum Schluss, dass das System, wie es sich heute präsentiert, (noch) nicht für revolutionäre Innovationen, wie sie in den Medien immer wieder angekündigt werden, bereit ist. GDI_Study No. 16 The New Eating Normalcy