93.152 Beiheft-Text als

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Sinfonie Nr. 35 KV 385 D-Dur
Sinfonie Nr. 38 KV 504 D-Dur
Sinfonie Nr. 40 KV 550 g-Moll
Die im Sommer 1788 entstandene Sinfonie g-Moll KV 550 ist Mozarts vorletzter
Beitrag zu dieser Gattung. Ihr Entstehungsanlass ist nicht bekannt – es ist aber
anzunehmen, dass Mozart sie mit der Aussicht auf eine Aufführung geschrieben hat,
denn das Werk wurde in zwei Versionen überliefert: in die zweite fügte Mozart die
Klarinette ein und änderte einige Stellen der Bläserpartien. Die g-Moll-Sinfonie
bildet quasi die »dunkle Mitte« zwischen dem glanzvollen Ton der Es-Dur-Sinfonie
KV 543 und dem feierlichen Charakter der »Jupiter«-Sinfonie (C-Dur, KV 551).
Mozart schrieb nur zwei Sinfonien in Moll, diese und die 15 Jahre früher entstandene
»kleine« g-Moll-Sinfonie KV 183 – beide sind von leidenschaftlicher Unruhe und
schmerzvollen Stimmungen durchdrungen. Der »Agitato«-Charakter des
Hauptthemas prägt den ganzen Eröffnungssatz von KV 550 aus, in den dunklen
Klangfarben ebenso wie in der dramatisch aufgewühlten Durchführung. Als einziger
Satz in Dur vermittelt das »Andante« der Sinfonie eine empfindsame Atmosphäre
zwischen unbekümmerter Heiterkeit und tiefer Melancholie. Der 3. Satz ist weniger
ein gemütliches Menuett als vielmehr ein trotziger Tanz, dem das Trio eine
entspannte Stimmung entgegenstellt. Durch heftige Gefühlsbewegungen stellt das
Finale jenen leidenschaftlich-expressiven Seelenzustand dar, den die nachfolgenden
Generationen in den späten Werken Mozarts so »romantisch « empfanden.
Als »Lieblingsstück des Prager Publikums« bezeichnete der Mozart-Zeitgenosse
Franz Xaver Niemetschek die Sinfonie D-Dur KV 504 – nach der erfolgreichen Prager
Uraufführung des »Don Giovanni« erntete dieses Werk am 19. Januar 1787 in Prag
auch großen Beifall. Hinsichtlich formaler und textueller Ausarbeitung schöpft die
Sinfonie sowohl aus den »Pariser« Sinfonien von Haydn als auch aus jener
raffinierten orchestralen Sprache, die Mozart in seinen Wiener Klavierkonzerten
entwickelte. Hinzu kommt – wie oft bei Mozart – die spürbare Nähe der
Opernbühne: die »Prager« weist mehrere thematische und charakterliche
Ähnlichkeiten mit »Figaros Hochzeit« auf, gleich in den Hauptthemen des
Eröffnungssatzes und des Finales. Die langsame Einleitung des I. Satzes oder das
Seitenthema des langsamen Satzes lassen wiederum »Don Giovanni« assoziieren.
Die dramatische Einleitung und der schnelle Teil des I. Satzes sind motivisch
verbunden; das zunächst ruhige Seitenthema erhält durch seine Moll-Wiederholung
eine aufregende Färbung, und die Durchführung zeigt, wie Mozart barocke
Kontrapunktik mit der Formwelt der Klassik zu verbinden vermochte. Der langsame
Satz besticht durch seine Eleganz ebenso wie durch latente Chromatik und zarte
Klangfarben, aber auch durch plötzlich auftauchende leidenschaftliche Ausbrüche.
Das Finale, in dem Mozart die Holzbläser oft in ein witziges Zwiegespräch mit den
Streichern verwickelt, führt in die Welt der »opera buffa« zurück. Wir wissen nicht,
warum er in dieser Sinfonie auf ein Menuett verzichtete – vielleicht hat der große
Mozart-Exeget Alfred Einstein Recht gehabt mit seiner Meinung, Mozart habe »in
den drei Sätzen alles gesagt, was zu sagen ist«...
Ein Jahr nach der Entstehung seiner »Haffner «-Serenade (KV 250) stellte Mozart
für ein »Akademie«-Konzert am 23. März 1783 aus diesem Werk eine Sinfonie
zusammen, eine geniale Mischung von serenadenhafter Unterhaltung und
kunstvoller kompositorischer Arbeit. Der Eröffnungssatz wird von der energischen,
weit ausholenden Gestik des Hauptthemas beherrscht, das ständig im Satz
auftaucht; der II. Satz bringt eine innige Atmosphäre mit sanft fließenden
Streicherpassagen. Das Menuett-Thema lässt das Menuett der Es-Dur-Sinfonie KV
543 vorausahnen, und das sprudelnde Finale erinnert an eine quirlige »opera
buffa«-Szene, schon im Rondothema, das auf der Arie »O, wie will ich
triumphieren« des Osmin aus der »Entführung aus dem Serail« basiert.
Die am 19. Mai 1773 beendete Sinfonie DDur KV 181 gehört zu der Gruppe der sog.
»Salzburger« Sinfonien von Mozart, in der sich – trotz deutlich erkennbarer
Vorbilder – die Entwicklung der eigenen sinfonischen Sprache zeigt. Das Werk ist
noch in der dreisätzigen Form einer italienischen »Sinfonia« mit fließenden
Übergängen verfasst; aber schon der Eröffnungssatz steht durch die scharfen
dynamischen Kontraste oder die leidenschaftlich pulsierende, punktierte oder
synkopierende Rhythmik ganz im Geiste des »Sturm und Drang«. Der langsame
Satz wird von der Oboe geprägt, als handelte es sich hier um ein kleines
Solokonzert; der Schlusssatz erhält seine spritzige Wirkung durch den Wechsel
zwischen »Tutti«- und »Solo«-Abschnitten.
Konzertarie »No, no, che non sei capace« KV 419
»Porgi, amor« – Arie der Gräfin aus »Le Nozze di Figaro« (II. Akt, 1. Szene)
»Dies Bildnis ist bezaubernd schön« Arie des Tamino aus der »Zauberflöte«(I.
Akt)
Für die Wiener Aufführung (30. Juni 1783) der komischen Oper »Il curioso
indiscreto« von Pasquale Anfossi schrieb Mozart drei »Einlage«-Arien, zwei davon
für Aloisia Lange, geb. Weber. Aloisia, die frühere Angebetete und spätere
Schwägerin von Mozart, war eine gefeierte Koloratursopranistin, die Anfang der
1780er Jahre auf dem Höhepunkt ihrer Karriere stand. Mozart schrieb ihr
dementsprechend eine »Bravour-Arie«: in No, no, che non sei capace (KV 419)
äußert sich die weibliche Hauptfigur der Oper, Clorinda, über ihre Enttäuschung,
dass man ihr Untreue unterstelle – die Arie ist ein Paradestück für »empörte «
Koloratursoprane voller kaskadenhaftperlender Passagen bis zur extremen Höhe.
Allein, gedankenversunken, schmerzhaft seufzend, durch den sanft-noblen Klang
der Klarinetten begleitet: so stellt Mozart die Gräfin am Anfang des II. Aktes von
»Le Nozze di Figaro« gleich bei ihrer ersten Arie dar – in Porgi, Amor erscheint
eine moralisch erhabene, zugleich tief unglückliche Frauengestalt. Die Arie bringt in
diese »opera buffa« durchaus traurige Züge von Verletzlichkeit und Leiden – es ist
eben das Geniale in den Opern Mozarts, wie er eine in der Musikgeschichte
einzigartige Balance zwischen »komischen« und wiederum sehr ernsthaft gemeinten
Situationen schafft.
»Dies Bildnis ist bezaubernd schön, die berühmte »Bildnisarie« des vom Bild der
schönen Pamina entzückten Tamino, ist die einzige Arie des Tenorhelden in der
»Zauberflöte«. Gewiss wird er im Verlauf des Stücks noch viele Hindernisse
überwinden müssen, bis er seine Geliebte findet – aber schon diese
lyrischschwärmerische Arie zeigt, dass Tamino von Anfang an bereit ist, diesen Weg
einzuschlagen. Die Anfangsphrase ist noch der Ausdruck einer plötzlich
aufflammenden Liebe; in der Fortsetzung wird aber diese Leidenschaft mit der
erhabenen, fast verklärten Emotion eines ewig dauernden Liebesgefühls verbunden.
Éva Pintér
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