Die Bedeutung des Amida-Buddhismus für das Genji monogatari Schriftliche Hausarbeit als Teil der Magisterprüfung an der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln Gutachterin: Prof. Dr. Franziska Ehmcke vorgelegt von Gudrun Karbe Severinskloster 3 50678 Köln am 26.1.1998 2 Inhaltsverzeichnis I. Einleitung 5 II. Teil 1: Der Amida-Buddhismus 10 II.1. Die Lehre des Amida-Buddhismus 10 II.2. Die geschichtliche Entwicklung des Amida-Buddhismus 19 II.2.A. Indien 19 II.2.B. China 20 II.2.C. Japan 23 III. Teil 2: Die buddhistischen Schulen zur Zeit des Genji monogatari III.1. 27 Kurzer Überblick über die Geschichte des japanischen Buddhismus bis zur Heian-Zeit (794-1192) 27 III.2. Die buddhistischen Schulen der Nara-Zeit (710-794) 28 III.2.A. Die „Sechs Nara-Schulen“ (Nanto rokushû) 28 III.2.A.i. Sanron 28 III.2.A.ii. Hossô 29 III.2.A.iii. Kusha 29 III.2.A.iv. Jôjitsu 29 III.2.A.v. Ritsu 30 III.2.A.vi. Kegon 30 III.3. Die buddhistischen Schulen der Heian-Zeit (794-1192) 30 III.3.A. Tendai 30 III.3.B. Shingon 31 3 IV. Teil 3: Das Genji monogatari, die Autorin und ihre Zeit 32 IV.1. Das Genji monogatari 32 IV.1.A. Die Entstehung des Werkes IV.1.B. Aufbau und Handlung des Romans 32 33 IV.2. Die Autorin 35 IV.2.A. Das Leben der Murasaki Shikibu (?973-?1014) 35 IV.2.B. Erziehung und Bildung 36 IV.2.C. Einflüsse 38 IV.2.D. Der persönliche Glaube der Autorin 40 IV.3. Hintergründe der Zeit 41 IV.3.A. Politik und Wirtschaft der Fujiwara 41 IV.3.B. Der religiöse Zeitgeist 43 IV.2.A.i. Der mappô-Gedanke IV.2.A.ii. Der Amida-Buddhismus des Adels 43 45 V. Teil 4: Zeugnisse des Amida-Glaubens im Genji monogatari V.1. 47 Grundvorstellungen und -begriffe des Buddhismus im Genji monogatari 47 V.1.A. Dôshin 47 V.1.B. Suke 48 V.1.C. Mujôkan 49 V.1.D. Sukuse V.1. Grundvorstellungen des Amida-Buddhismus im Genji monogatari 52 56 V.1.A. Sanze 56 V.1.B. Enriedo 57 V.1.C. Bombu 58 V.1.D. Mappô V.2. Die Erwähnung des Amida-Glaubens 58 59 4 V.2.A. Das Paradies (gokuraku jôdo) 60 V.2.B. Die Hinübergeburt (ôjô) 61 V.2.C. Der Amida Buddha und seine Verehrung 64 V.2.C.i. Das nembutsu 66 V.2.D. Der Bezug auf Amida-buddhistische Schriften 69 V.3. Die Symbolik des Amida-Buddhismus 71 V.3.A. Die Symbolik des Prinzen Genji 71 V.3.B. Die Lichtsymbolik 72 V.3.C. Die Geruchssymbolik von Kaoru und Niou 73 V.3.D. Die Todesszenen 75 V.4. Die Symbolik der Uji-Kapitel 78 V.4.A. Genshin als Modell für Yokawa no Sôzu 78 V.4.B. Der Ort Uji 79 V.4.C. Die Himmelsrichtung Westen 81 V.4.D. Berg-Fluß-Boot 82 V.4.E. Der nikabyakudô 85 V.5. Die Dreierstruktur des Romans 93 VI. Schlußbetrachtungen 99 Literaturverzeichnis 102 5 I. Einleitung Unternimmt man eine Untersuchung des religiösen Hintergrundes in dem großen Roman der Weltliteratur Genji monogatari („Die Geschichte des Prinzen Genji“), kommt man zu der Erkenntnis, daß darin eine Fülle von religiösen Vor1 stellungen und Praktiken vorkommen. An erster Stelle ist der Buddhismus zu 2 nennen , außerdem der Shintôismus und der von China eingeführte Taoismus. 3 Der eher einer Moralphilosophie gleichende Konfuzianismus, der auch chinesischen Ursprungs ist, spielt dagegen nur eine geringe Rolle.4 Besonders auffällig im Genji monogatari sind außerdem volkstümliche und schamanistische Praktiken, darunter vor allem der Exorzismus Besessener. Hierzu gibt es umfangreiche Literatur.5 Die religiösen Vorstellungen im Genji monogatari existieren jedoch nicht unabhängig von einander, sondern vermengen sich zu einem einzigartigen Synkretismus, der charakteristisch für die gesamte japanische Geistesgeschichte ist.6 1 Siehe Mary DeJong Obuchowski: Religious Threads and Themes on The Tale of Genji. In: The College Language Association; 20. 1976:2, 1976, (S.185-194). 2 Einen Beweis dafür, daß der Buddhismus im Genji monogatari Vorrang vor dem Shintôismus hat, liefert Ikeda Kazuomi durch das folgende Beispiel: Die beiden Hofdamen Rokujô und Asagao bereuen es, daß sie sich eine Zeitlang im ShintôSchrein aufgehalten haben, da sie meinen, daß sie sich dadurch von der Lehre des Buddha entfernt haben. Die erstere hatte ihre Tochter Akikonomu begleitet, da sie zur Hohepriesterin von Ise (saigû) ernannt worden war, während die letztere selbst Hohepriesterin im Kamo-Schrein (sai-in) war. Diese beiden religiösen Ämter sind die höchsten des Shintôismus (siehe Ikeda Kazuomi: `Genji monogatari´ no bukkyô. In: Kokugo - kaishaku to kanshô. Tokushû `Genji monogatari´ tôjô, 59:3. Hrsg. von Kurokawa Naibei [?]. Tôkyô: Shibundô 1994, (S.122-128), S.122). 3 Vgl. Ivan Morris: Der leuchtende Prinz - Höfisches Leben im alten Japan. Frankfurt am Main: Insel Verlag 1988. Übersetzt von Ursula Gräfe. Originalausgabe: The World of the Shining Prince - Court Life in Ancient Japan. Oxford: Oxford University Press 1964, S.127ff. 4 Vgl. Richard Bowring: Murasaki Shikibu - The Tale of Genji. Landmarks of World Literature. Cambridge: Cambridge University Press 1988, S.5. 5 Siehe beispielsweise Haraoka Fumiko: Yûjo, fujo, Yûgao - Yûgao no maki o megutte. In: Kyôritsu joshi tanki daigaku kiyô; 32. Tôkyô 1989, (S.S.31-49), Doris Bargen: Spirit Possession in the Context of Dramatic Expressions of Gender Conflict: the Aoi Episode of the Genji monogatari. In: Harvard Journal of Asiatic Studies; 48:1. Cambridge: Harvard-Yenching-Institute 1988, (S.95-130) und Nancy J. Barnes: Lady Rokujô´s Ghost: Spirit Possession, Buddhism, and Healing in Japanese Literature. In: Literature and Medicine; 8. Baltimore MD 1989, (S.106121). 6 Ivan Morris: Der leuchtende Prinz, S.129. 6 Die Erforschung der Bedeutung des Buddhismus für das Genji monogatari hat eine lange Tradition. Die bekannteste Abhandlung darüber schrieb der KokugakuGelehrte Motoori Norinaga (1730-1801). Er vertrat darin die Theorie, daß das mono no aware („die Sensibilität gegenüber den Dingen“) die Grundlage des Romans bildet und versuchte dadurch die Rolle des Buddhismus im Genji monogatari zu 7 schmälern. Seine Theorie ist jedoch widerlegt worden und spielt in der heutigen 8 Wissenschaft keine Rolle mehr. Wissenschaftler der Genji-Forschung sind sich im allgemeinen darüber einig, daß der Buddhismus der wichtigste weltanschauliche Hintergrund des Genji monogatari ist.9 Jedoch erscheinen im Genji monogatari eine Vielzahl von buddhistischen Lehren 10 und man ist sich uneinig darüber, welche von den verschiedenen buddhistischen Schulen des Buddhismus darin die bedeutsamste ist.11 Die Mehrheit betont, daß der Tendai-Buddhismus die größte Bedeutung hat, welches an den vielen Bezügen der Autorin zum Lotus-Sûtra (skr. Saddharmapundarîka-sûtra, jap. Myôhôrenge-kyô 12 „Sûtra von der Lotusblume des wunderbaren 7 Die Kokugaku-Schule („Landeskunde“- Schule) ist eine national-konservative Vereinigung von Gelehrten gewesen, die eine Rückkehr zur autochthonen japanischen Gesellschaft anstrebte und zum Ziel hatte, den Shintôismus zu fördern und den Buddhismus zu verdrängen. Das erwähnte Werk trägt den Titel Shibun yôryô („Die wichtigen Punkte in Murasaki Shikibus Schreiben“ 1763). 8 Vgl. Okazaki Yoshie: Genji monogatari no shûkyôteki seishin. In: Nihon Gakushiin kiyô; 23:3. Tôkyô 1965, (S.103-123), S.103 und Ikeda Daisaku/Nemoto Makoto: On the Japanese Classics - Conversations and Appreciations. Original: Koten o kataru. Tôkyô: Ushio Shuppansha 1974. Übersetzt von Burton Watson. New York und Tôkyô: John Weatherhill 19791, S.121-22. 9 Siehe Ikeda Kazuomi: `Genji monogatari´ no bukkyô, S.122. 10 Vgl. auch Naka Tetsuhiro [?]: Genji monogatari to bukkyô. In: Kokubungaku kaishaku to kyôzai no kenkyû. „Genji monogatari o yomu tame no kenkyû jiten zadankai. `Hikaru Genji´to wa nani ka“. Hrsg. von Akiyama Ken [u.a.]. 40:3. Tôkyô 1995, S.110 und Misumi Yôichi: Genji monogatari no bukkyô. In: Kokubungaku kaishaku to kyôzai no kenkyû; 35:1. Hrsg. von Ishii Tokishi. Tôkyô: Gakutôsha Januar 1990, S.56-58. Aoyama weist unter anderem auf die verschiedenen Bezeichnungen für Priester und Heilige im Genji monogatari hin. (Aoyama Nao: Genji monogatari no shûkyôsei. In: Tôdai Genji monogatari kenkyû kai, `Genji monogatari kôza´, Band 3. Hrsg. von Inoue Mitsusada. Tôkyô Universität 1949, (S.81-111), S.110). 11 Vgl. Okazaki Yoshie: Genji monogatari no shûkyôteki seishin, S.104. 12 Meistens wird die abkürzende Bezeichnung Hokke-kyô verwendet. 7 Gesetzes“), der zentralen Schrift der Tendai-Schule, anschaulich dargelegt werden kann.13 Ein vehementer und leidenschaftlicher Vertreter dieser Theorie ist Abe Akio.14 Andere Autoren vertreten jedoch den Standpunkt, daß der AmidaBuddhismus, der erst kurz vor Murasaki Shikibus Lebzeiten aufblühte, den nachhaltigsten Einfluß auf die Autorin ausgeübt hat, wobei sie jedoch eine Vermischung des Amida-Buddhismus mit Tendai- und Shingon-Buddhismus betonen. 15 Abe hält diese Ansicht für verfehlt.16 Auch was den religiösen Wert des Genji monogatari betrifft, gehen die Meinungen weit auseinander. Während Yanai Shigeshi es für eine religiöse Abhandlung hält17, vertritt Katô Shuichi die Ansicht, daß der Buddhismus zwar den philosophischen Hintergrund des Genji monogatari darstellt, daß jedoch keine übernatürlichen Elemente darin vorkommen. 18 Auch Ikeda Daisaku und Nemoto Makoto schreiben, daß: „[...] the elements of Esoteric and Amidist Buddhism are no more than ornamentations to the world of the novel, not forces that lend it positive support.“19 Anhand der vorliegenden Arbeit werde ich zu erhellen versuchen, wie weitgehend die Bedeutung des Amida-Buddhismus für das Genji monogatari ist. 13 Vgl. Ikeda Daisaku/Nemoto Makoto: On the Japanese Classics, S.141. Siehe Abe Akio: Murasaki Shikibu no bukkyô shisô. In: Kokugo to kokubungaku. 1957: 2, Tôkyô 1957, (S.1-9) und sein Genji monogatari kenkyû josetsu. Hrsg. von der Tôkyô Universität. Tôkyô 1961, (S.517-46). 15 Siehe Hayami Tasuku: Genji monogatari to jôdo shisô. In: Genji monogatari. Hrsg. von Akiyama Ken, Akiyama Terukazu und Tsuchida Naoshige. (Zusetsu Nihon no koten; 7).Tôkyô: Shûeisha 1978, (S.200-211), S.205-7/ 210 und Iwase Hôun: „Genji monogatari no kôsô no hatten to bukkyô shisô“. In seinem Werk Genji monogatari to bukkyô shisô. Tôkyô: Kasama Shoin 1972, (S.3-22), S.3 und Ishida Mizumaro: „Genji monogatari to jôdokyô“. In seinem Werk: Nihon koten bungaku to bukkyô. Tôkyô: Chikuma Shobô 1988, (S.251-58), S.251-254. 16 Siehe Abe Akio: Murasaki Shikibu no bukkyô shisô, S.9. 17 Yanai Shigeshi: Genji monogatari to jôdokyô - Kaoru no dôshin no baai. In: Kokugo to kokubungaku, 33:10. Hrsg. von der Tôkyô Daigaku kokugo kokubungaku kai. Tôkyô: Shibundô 1956, (S.61-70), S.61. 18 Siehe Katô Shuichi: Die Geschichte der japanischen Literatur - Die Entwicklung der poetischen, epischen, dramatischen und essayistisch-philosophischen Literatur Japans von den Anfängen bis zur Gegenwart. Aus dem Japanischen übersetzt von Horst Arnold-Kanamori, Gesine Flojanty-Jost, Fukuzawa Hiroomi und Ozaki Makoto. Bern, München, Wien: Scherz Verlag 19901, S.146-47. 14 8 Dazu gebe ich im ersten Teil einen Überblick einerseits über die Lehre des Amida-Buddhismus und andererseits über seine Entstehung in Indien und seine geschichtliche Entwicklung in China und Japan. Der Amida-Buddhismus, in Indien und China untergegangen, gelangte im 12. und 13. Jahrhundert Japans zu einer großen Blüte. Da sich die vorliegende Arbeit jedoch mit der Entstehungszeit des Genji monogatari, also dem 10. und 11. Jahrhundert Japans befaßt, reicht der religionshistorische Überblick auch nur bis zu diesem Zeitpunkt. Um den Amida-Buddhismus in Japan besser einordnen zu können, füge ich im zweiten Teil eine kurze Übersicht über die Geschichte des japanischen Buddhismus und seine buddhistischen Schulen ein. Im dritten Teil stelle ich einerseits das Werk Genji monogatari und seine Autorin vor, andererseits gebe ich eine kurze Zusammenfassung der politischen, wirtschaftlichen und religiösen Hintergründe der Zeit Murasaki Shikibus. Im vierten Teil komme ich dann zu meinem eigentlichen Vorhaben: die Untersuchung der Zeugnisse des Amida-Buddhismus im Genji monogatari. Dazu stelle ich einleitend einige darin vorkommende Grundbegriffe und Grundvorstellungen des Buddhismus vor. Wenn nicht anders angegeben, arbeite ich mit folgenden Ausgaben der Werke Murasaki Shikibus: für das Genji monogatari mit der Übersetzung von Oscar Benl20 in Verbindung mit dem Originaltext, wie er in der Reihe Nihon koten bungaku taikei21 wiedergegeben ist. In den Klammern hinter den zitierten Textstellen steht zuerst der Kapitelname, wie er im japanischen Original steht, dann die Seitenzahl der Übersetzung Benls und anschließend die Seitenzahl des Nihon koten bungaku taikei. An einigen wenigen Stellen, an denen ich aus Gründen der Richtigkeit eine andere Übersetzung gewählt habe, ist die Quelle in einer Fußnote angegeben. Ebenso gehe ich mit ihrem Tagebuch Murasaki Shikibu nikki vor, bei dem ich die 19 Siehe Ikeda Daisaku/Nemoto Makoto: On the Japanese Classics, S.141. Murasaki Shikibu: Genji-Monogatari. Die Geschichte vom Prinzen Genji. Altjapanischer Liebesroman aus dem 11.Jahrhundert, verfaßt von der Hofdame Murasaki. Übersetzt und eingeleitet von Oscar Benl. Zürich: Manesse Verlag 1992. 21 Murasaki Shikibu: Genji monogatari. Nihon koten bungaku taikei; 14-18. Hrsg. von Yamagishi Tokuhei. Tôkyô: Iwanami shoten 1958. 20 9 englische Übersetzung von Richard Bowring22 und den Originaltext aus der Reihe Nihon koten bungaku taikei23 verwende. Die japanische Umschrift erfolgt nach dem Hepburn-, die chinesische nach dem Pinyin-System. Bei Begriffen und Namen, die aus dem indischen Bereich stammen, ist zuerst das Sanskrit-Wort und anschließend das japanische Wort angegeben. Ebenso steht bei Begriffen und Namen chinesischen Ursprungs zuerst das chinesische und anschließend das japanische Wort. Termini, die sich ohne Angabe in Klammern befinden, sind japanisch. Wörter, die in die westliche Lexik Eingang gefunden haben, werden in dieser Schreibweise wiedergegeben. Wenn Personen unter ihrem Mönchsnamen bekannter sind, werden sie unter diesem aufgeführt. Datenangaben bei Kaisern und Kaiserinnen beziehen sich immer auf die Regierungszeit und nicht auf die Lebenszeit der Personen. Bei der Jahreszählung sind, sofern es sich um japanische Geschichte handelt, zuerst die japanischen Jahresdevisen (nengô) angegeben. Übersetzungen, denen keine Quelle beigefügt sind, sind von mir. 22 Richard Bowring: Murasaki Shikibu - Her Diary and Poetic Memoirs. Übersetzt und kommentiert von Richard Bowring. Princeton: Princeton University Press 1985. 23 Murasaki Shikibu: Murasaki Shikibu nikki. In: Makura no Sôshi - Murasaki Shikibu nikki. Nihon koten bungaku taikei; 19. Hrsg. von Ikeda Kikan, Kishigami Shinji und Akiyama Ken. Tôkyô: Iwanani shoten 1958. 10 II. Teil 1: Der Amida-Buddhismus II.1. Die Lehre des Amida-Buddhismus Mit der Entstehung des Mahâyâna-Buddhismus 24 um die Zeitenwende fand die Verehrung des Buddha Amida in Indien ihren Ursprung. Mahâyâna, wie die Gläubigen ihre eigene neue Richtung nannten, bedeutet „Großes Fahrzeug“ (jap. daijô). Dies soll ein Sinnbild dafür sein, daß man sich nicht nur auf die eigene Erlösung von dem leidvollen Dasein auf Erden und dem ewigen Kreislauf der Wiedergeburten (skr. samsâra, jap. rinne) konzentrieren sollte, so wie es die Mönche des älteren „Kleinen Fahrzeuges“ (Hînayâna-Buddhismus25, jap. shôjô) taten, sondern man in seinem Fahrzeug noch genügend Platz für andere haben sollte, damit diese mitfahren können. Hieraus entwickelte sich die Vorstellung des Bodhisattva (jap. bosatsu), einem „erwachenden Wesen“, welches einen Mensch bezeichnet, der es durch Ansammlung von guten Taten (skr. karma, jap. gô) bis zur Erleuchtung schafft, es bei seinem Tod 24 Der Mahâyâna-Buddhismus stellt eine Erweiterung des älteren HînayânaBuddhismus dar. Er erkennt deshalb den Kanon des Hînayâna als autoritativ an, ergänzt diesen aber durch weitere heilige Schriften, von denen die Gläubigen sagen, daß sie auch die Lehre Buddhas enthalten, die bis jetzt jedoch im Verborgenen gehalten wurden. Die Sûtra des Hînayâna bezeichnet man als den „Pâli-Kanon“, der in „Drei Körbe“ (skr. tripitaka, jap. sanzô) eingeteilt ist: die sûtra, die vinaya und die abhidarma. Die sûtra (jap. kyô) beeinhalten Predigten und Berichte über das Leben des historischen Buddha Sâkyamuni (ca. 450-380 v. Chr.). Das Sanskrit-Wort sûtra bedeutet wörtlich „Strang“, im übertragenen Sinn „Richtschnur“ oder „Leitfaden“. Die vinaya (jap. ritsu) enthalten die Regeln für Mönche und Nonnen und die abhidarma (jap. ron) umfassen philosophische Abhandlungen und Kommentare zu den sûtra. Die bedeutendsten Sûtra des Mahâyâna, die um Christi Geburt entstanden sind, sind die drei Amidabuddhistischen Sûtra, das Lôtus-Sûtra und das „Herzsûtra“ (skr. Prajñâpâramitâsûtra, jap. Hannyashin-gyô). Der Mahâyâna-Buddhismus breitete sich über Zentralasien und China nach Korea und Japan aus, wo er heute noch zu finden ist. 25 Der Name Hînayâna ist eine pejorative Benennung von Seiten der Anhänger des Mahâyâna. Die auch übliche Bezeichnung Theravâda ist nicht ganz korrekt, da dies der Name von nur einer Schule der Richtung ist. Sie findet sich heute vor allem in Südostasien. 11 jedoch ablehnt ins Nirvâna26 (jap. nehan) einzugehen, um anderen Lebewesen zur Erlösung von ihrer leidvollen Existenz zu verhelfen. Erst wenn ihm dies gelingt, widerfährt ihm das „Vollkommene Erwachen“, die Buddha-Werdung. Die Vorstellung, daß es die Möglichkeit gibt, einem anderen Lebewesen27 zur Erlösung zu verhelfen, nennt man „Verdienstübertragung“ (skr. parinâma, chin. hui xiang, jap. ekô). Es ist also möglich, die Verdienste, die man angesammelt hat, auf einen anderen Menschen zu übertragen. Dies gilt insbesondere für das BodhisattvaKonzept. In diesem Zusammenhang sind noch zwei Begriffe von Bedeutung: tariki („andere Kraft“) und jiriki („eigene Kraft“). Im Gegensatz zum Weg der „eigenen Kraft“, bei dem der Mensch seine Verdienste durch eigene Kraft ansammeln muß, hofft man auf die Kraft eines anderen, meist jenseitigen Wesens. Die unterschiedlichen Konzeptionen der „anderen Kraft“ und der „eigenen Kraft“ sind bereits im frühen Buddhismus zu finden. Buddha betont in seiner Lehre des „Edlen Achtfachen Pfades“28 ausdrücklich die Erlösung durch eigene Kraft, jedoch gibt es weitere wichtige Aspekte seiner Lehre, die das Mitwirken des Buddha an der Erlösung und die Wichtigkeit des Vertrauens in Buddha hervorheben. In frühen Texten wird „das Vertrauen in das Erwachtsein des Buddha“ häufig als die erste Stufe 26 Das Nirvâna ist der Bewußtseinszustand, den Gautama Siddharta durch das Auslöschen seiner Begierden im Moment der Erleuchtung erreichte. Im Buddhismus ist dies das Ziel jedes Menschen, da er dadurch dem Leiden entkommen kann. Im Mahâyâna entwickelte sich der Begriff zu einem Konzept des Absoluten. 27 Allen Lebewesen der „Fünf Daseinsbereiche“, nämlich Göttern, Menschen, Tieren, Hungergeistern und Höllenwesen ist es möglich, die Erleuchtung zu erreichen. Dazu müssen jedoch alle außer den Menschen erst einmal als Mensch wiedergeboren werden. Daher verwende ich in diesem Zusammenhang ab jetzt nur noch die Bezeichnung „Mensch“. 28 Bei seiner ersten Predigt nach seiner Erleuchtung soll Sâkyamuni die „Vier Edlen Wahrheiten“ (skr. catvari ârya satyâni, jap. shitai) erläutert haben. Sie stellen die Grundlagen der buddhistischen Lehre dar. In der „Vierten Edlen Wahrheit“ erläutert er den „Edlen Achtfachen Pfad“, der zur Aufhebung des Leidens führen soll. Dieser symbolisiert: rechte Einsicht, rechter Entschluß, rechte Rede, rechte Tat, rechter Wandel, rechtes Streben, rechte Wachheit, rechte Versenkung. 12 des Weges zur Erlösung genannt.29 Auch die Dichtung Dhammapada zeigt, wie hoch das Vertrauen in Buddha eingestuft wurde: Men, driven by fear, go to many a refuge, that is not the best refuge, to mountains and forests, to groves and sacred trees. But that is not a safe refuge, that is not the best refuge; a man is not delivered from all pains after having gone to that refuge. He who takes refuge with Buddha, the Law and the Church; he who ,with clear understanding, sees the four holy truths: - Viz. pain, the origin of pain, the destruction of pain, and the eightfold holy way that leads to the quiet-ing of pain; - that is the safe refuge, that is the best refuge; 30 having gone to that refuge, a man is delivered from all pain. Die Notwendigkeit des Vertrauens in Buddha ist zwar allen Mahâyâna-Schulen gemein, wurde jedoch im Amida-Buddhismus besonders betont. Durch das Vertrauen in und den Glauben an Amida Buddha kann jeder Mensch die Erlösung erlangen, auch der gewöhnliche Mensch, der sie aus eigenem Vermögen niemals erreichen würde. Vor dem Hintergrund, daß der Buddhismus in früheren Zeiten nur der Oberschicht offenstand, war dieser Gedanke geradezu revolutionär. So hat die buddhistische Lehre gerade durch den Amida-Buddhismus im Volk eine große Verbreitung gefunden, weswegen er auch „Volksbuddhismus“ oder „Laienbuddhismus“ genannt wird. Der Buddha Amida ist einer der unendlich großen Zahl von Buddha im Mahâyâna-Buddhismus. Daß es unendliche viele Buddha gleichzeitig gibt, ist eine weitere Neuschöpfung des Mahâyâna-Buddhismus. Die unendlich vielen Buddha werden teils als Wesenseinheit mit dem historischen Buddha, teils als Vorstufe zu den zentralen Wahrheiten angesehen.31 Im Gegensatz zum Hînayâna-Buddhismus, der davon ausgeht, daß es pro Weltzeitalter nur einen Buddha geben könne und der neben dem historischen Buddha Sâkyamuni (ca. 450-380 v. Chr.) noch den Buddha Dîpamkara (jap. Nentô-butsu) als Buddha des vergangenen und den Buddha 29 Siehe Die Reden des Buddha aus dem <Angúttara-Nikâya>; 2 (Viererbuch). Übersetzt und erläutert von Nyânatiloka. München-Neubiberg: Oskar Schloss Verlag 1922, S.105 (Angúttara-Nikâya IV, 61). Vgl. Volker Zotz: Der Buddha im Reinen Land - Shin-Buddhismus in Japan. Diederichs Gelbe Reihe; 92. München: Eugen Diederichs Verlag 19911, S.14 und Hermann Beck: Buddha und seine Lehre. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben 19805, S.149-151. 30 The Sacred Books of the East. The Dhammapada - a Collection of Verses. (Band 10). Übersetzt von Friedrich Max Müller. Delhi: Motilal Banarsidass 1965, S.51-52 (Dhammapada 188-192). Vgl. Volker Zotz: Der Buddha im Reinen Land, S.16. 31 Kleines Lexikon der Japanologie- Zur Kulturgeschichte Japans. Hrsg. von Bruno Lewin. Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 19953, S.116. 13 Maitreya (jap. Miroku) als den Buddha des kommenden Weltzeitalters kennt, geht der Mahâyâna-Buddhismus davon aus, daß sich der Kosmos in alle Richtungen ausdehnt und es daher eine unendliche Zahl von Welten gibt, in denen es je einen Buddha gibt. Bei diesen unterscheidet man zwischen „reinen“ und „unreinen“ Welten. Die „Reinen Welten“ (skr. sukhâvatî bhûmi, jap. gokuraku jôdo, „die reinen Länder der höchsten Seligkeit“) werden dabei nur von Wesen bewohnt, die sich auf dem Weg zur Erleuchtung befinden. 32 Im Zentrum des Amida-Buddhismus steht die Verehrung des Buddha Amida. Dieser japanisierten Form des Namens liegen die beiden Sanskrit-Wörter Amitâbha („Buddha des Unendlichen Lichtes“) und Amitâyus („Buddha des Unendlichen Lebens“) zugrunde. Die Verehrung des Buddha Amida entstand möglicherweise unter dem Einfluß iranisch-zoroastrischer Lehren im Nordwesten Indiens.33 Amida wurde im Mahâyâna-Buddhismus bald als einer der „Fünf Buddha“ (skr. pañca34 buddha, jap. gobutsu) verehrt. Diese wurden je einer Himmelsrichtung zugeordnet, und da sich die Verehrung Amidas vom Westen aus in Indien verbreitete, wurde er mit dieser Himmelsrichtung assoziiert.35 Amida verkörperte dabei die unendliche Barmherzigkeit des Buddha. Neben dieser nicht ausschließlichen Verehrung entwickelte sich im Nordwesten Indiens ein spezieller Kult um den Amida Buddha, ein Phänomen, welches ein seltenes Beispiel dafür ist, daß der von seinem Wesen her monistische Buddhismus einen Monotheismus entwickelt.36 32 Christian Steineck: Quellentexte des japanischen Amida-Buddhismus. Studies in Oriental Religions; 39. Hrsg. von Walther Heissig und Hans-Joachim Klimkeit. Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 1997, S.14. Auch wenn diese Reinen Länder im Volksglauben als eine „Lokalität“ verstanden wurden, so sind sie doch im tieferen Sinne Umschreibungen eines Bewußtseinszustandes. 33 Christian Steineck: Quellentexte des japanischen Amida-Buddhismus, S.14. Siehe auch: The Princeton Companion to Classical Japanese Literature. Hrsg. von Earl Miner, Odagiri Hiroko und Robert E. Morrell. New Jersey: Princeton University Press 1985, S.374. Dort werden als möglicher Ursprung des Lichtmotives sowohl die indischen Sonnenmythen als auch die persische Religion genannt. Volker Zotz betont, daß man nicht von einer bloßen Übernahme fremder Vorstellungen sprechen kann, da die Verehrung Amidas im Einklang mit der sonstigen Entwicklung des Buddhismus steht (siehe Volker Zotz: Der Buddha im Reinen Land, S.149/Fußnote 41). 34 Die vier anderen Buddha sind Vairoçana, Aksobhya, Ratnasambhava und Amoghasiddha. 35 Christian Steineck: Quellentexte des japanischen Amida-Buddhismus, S.14. 36 Siehe dazu Theodore M. Ludwig: Monotheism (Buddhism). In: The Encyclopedia of Religion. Hrsg. von Mircea Eliade. New York: Macmillan Publishing Company 1987, S.70. 14 Die Grundlagen des Amida-Buddhismus finden sich in seinen drei wichtigsten Sûtra: das Daimuryôju-kyô (skr. Sukhâvatî-vyûha-sûtra, „Das (große) Sûtra des Landes der unendlichen Seligkeit“), das Amida-kyô (skr. Sukhâvatî-vyûha-sûtra , „Das (kleine) Sûtra des Landes der unendlichen Seligkeit“) und das Kammuryôju-kyô (skr. Amitâyur-dhyâna-sûtra, „Sûtra der Meditation über Amida“, auch „Meditationssûtra“ genannt). Sie sind alle der Form nach Reden des historischen Buddha Sâkyamuni (ca. 450-380 v. Chr.), jedoch entstanden die beiden ersteren wahrschein37 lich um 100 nach Christus , während das letzte, das Kammuryôju-kyô, vermutlich in China, möglicherweise erst im 5. Jahrhundert verfaßt wurde.38 Das Daimuryôju-kyô, meist einfach Muryôju-kyô genannt, ist das umfangreichste der drei Sûtra. Es erzählt die Geschichte eines Königs, der in einem lang vergangenen Weltzeitalter lebte. Als er die Predigten des damaligen Buddha hörte, gab er das Königsein auf und wurde Mönch. Als Mönch Hôzô (skr. Dharmâkara bhiksu, jap. Hôzô biku) legte er 48 Gelübde ab, unter denen das achtzehnte das bedeutendste ist: Sollten, wenn ich die Buddhaschaft erlange, empfindende Wesen in den Ländern der zehn Richtungen, die sich mir aufrichtigen Herzens und freudig hingeben und sich danach sehnen, in meinem Land geboren zu werden, sogar wenn sie mich auch nur zehnmal vergegenwärtigen, nicht dort geboren wer39 den, möge ich nicht Vollkommenes Erwachen erlangen.[...] Er gelobte also nur unter der Voraussetzung Buddha zu werden, daß er alle Lebewesen erretten könne. Über einen unermeßlich langen Zeitraum hinweg durch viele Leben hindurch sammelte er Verdienste an und führte als Bodhisattva Lebewesen auf den Pfad zur höchsten Wahrheit. Schließlich erwachte er als der Buddha des unendlichen Lichtes und des unendlichen Lebens. Er war nun der Buddha Amida und hatte 37 Siehe Volker Zotz: Der Buddha im Reinen Land, S.41. Siehe Allen A. Andrews: The Teachings Essential for Rebirth - A Study of Genshins Ôjôyôshû. (A Monumenta Nipponica Monograph). Tôkyô: Sophia University/The Kawata Press 1973, S.11. Der chinesische Titel des Sûtra lautet Kuan wu liang shou fo jing. 39 Übernommen von Volker Zotz: Der Buddha im Reinen Land, S.40. 38 15 erreicht, daß jedes Wesen bei seinem Tod durch Hinübergeburt (ôjô) Zugang zu seinem Reinen Land hatte, so daß er seine Verdienste mit ihnen teilen und ihnen helfen konnte. 40 Durch die Forderungen Amidas in seinen Gelöbnissen wird auch etwas über sein Reines Land erkennbar. Es soll dort keine Höllen geben, kein Tierreich und keine Hungergeister41 und auch kein Wesen, das in einen solchen Zustand zurückfallen kann. Im Gegenteil soll es dort nur Menschen und Götter geben, die alle die Farbe reinen Goldes haben. Außerdem darf es kein Leid geben, keinen Hunger, keine Furcht, keine Diskriminierung und keine Unwissenheit (1.-4. Gelöbnis). 42 Im später entstandenen Amida-kyô, welches das kürzeste der drei Sûtra ist, wird das Reine Land noch eingehender beschrieben: Wenn du von hier durch hunderttausend kotis43 Buddhaländer westwärts reist, erreichst du eines, das Sukhâvatî heißt. In jenem Land weilt ein Buddha mit Namen Amitâyus. Er lebt dort, den Dharma44 lehrend, in genau diesem Augenblick. 45 Warum, Sâriputra , nennt man dieses Land Sukhâvatî? Es wird so genannt, weil die Wesen dort keine Leiden, sondern nur unterschiedliche Freuden erfahren. Weiter, Sâriputra, gibt es in Sukhâvatî sieben Reihen Gitter, sieben Reihen Netze und sieben Reihen Bäume. Sie bestehen alle aus vier Arten edler Steine und erstrecken sich über das ganze Land. Und daher nennt man das Land Sukhâvatî. Weiter, Sâriputra, gibt es in Sukhâvatî siebenfach gezierte Teiche, gefüllt mit dem Wasser acht vorzüglicher Eigenschaften. Der Boden der Teiche ist mit Goldstaub überzogen, und von den vier Seiten jedes Teiches erheben sich Stufen aus Gold, Silber, Beryll, Kristall, Saphir, Perlen und Achat. In den Teichen befinden sich Lotosblumen, groß wie Wagenräder: 40 Siehe Volker Zotz: Der Buddha im Reinen Land, S.38. Zu der Problematik des Widerspruches zwischen dem Gelübde Amidas, nicht Buddha zu werden, bevor nicht alle Lebewesen in seinem Reinen Land wiedergeboren worden sind, und seine bereits geschehene Buddha-Werdung siehe Volker Zotz: Der Buddha im Reinen Land, S.58-59. 41 In der buddhistischen Kosmologie gibt es die Vorstellung von fünf Daseinsbereichen, in die der Mensch entsprechend seinen Taten (karma) wiedergeboren wird: die Götter (skr. deva, jap. tennin), die sich ganz oben befinden, darunter die Menschen (skr. manusya, jap. ningen), Tiere (skr. triyagyoni, jap. chikushô) und Hungergeister (skr. preta, jap. gaki) und tief unter der Erdoberfläche die Höllen (skr. naraka, jap. jigoku). Es gibt acht heiße und acht kalte Höllen, die jeweils vier Nebenhöllen haben. Manchmal ist jedoch auch von einer größeren Zahl von Höllen die Rede. 42 Siehe Volker Zotz: Der Buddha im Reinen Land, S.34-35. 43 Koti ist ein Zahlenwert, der zehn Millionen entspricht. 44 Dharma bezeichnet in diesem Zusammenhang die buddhistische Lehre. Es kann aber auch ein Ausdruck für das Absolute sein. 45 Sâriputra ist der Name des Schülers, dem Sâkyamuni Buddha seine Belehrung zuteil kommen läßt. 16 Die blauen strahlen ein blaues Licht aus, die gelben ein gelbes Licht, die roten ein rotes Licht und die weißen ein weißes Licht. Sie sind von erhabener Schönheit, wohlriechend und rein. Sâriputra, Sukhâvatî ist von solcher Vortrefflichkeit und solchem Glanz erfüllt. Weiter, Sâriputra, jenem Land wird unaufhörlich himmlische Musik gespielt. Der Boden besteht aus Gold.46 Amidas Land wurde zum Ziel der Hoffnung vieler Menschen. Dort konnte man die Predigten Amidas hören und sich unter seiner Obhut und den idealen Lebensbedingungen seines Reinen Landes vervollkommnen, um die endgültige Erlösung zu erreichen. Zwei Dinge waren jedoch für eine Hinübergeburt notwendig: Erstens mußte der Mensch sich seiner Schlechtigkeit bewußt werden und erkennen, daß er von seinen Leidenschaften beherrscht wird und zu schwach ist, selber die Buddhaschaft zu erreichen. Daher muß er zweitens sein ganzes Vertrauen in Amida Buddha setzen. Als religiöse Praxis bedarf es dabei des nembutsu (skr. buddhânusmrti, chin. nianfo). Nen 47 (kann in der Wortzusammensetzung hier zu nem werden) bedeutet „etwas in seinem Herzen gegenwärtig haben“, butsu bedeutet „Buddha“, also den Buddha in seinem Herzen gegenwärtig haben, welches man durch einen meditativen Zustand erreichen sollte. Nen hat jedoch auch die Bedeutung von „laut hersagen“, so daß die Gläubigen, die nicht die Möglichkeit zur Meditation hatten, den Namen des Buddha ausriefen. Die japanische Form lautet NAMU AMIDA BUTSU und bedeutet soviel wie: “Ich nehme Zuflucht zum Buddha Amida“. Wie im Muryôju-kyô steht, soll ein zehn-maliges Vergegenwärtigen des Buddha Amida ausreichen, um in seinem Reinen Land Aufnahme zu finden.48 Bis zu dem Zeitpunkt, der uns in dieser Abhandlung interessiert, gilt das Meditieren jedoch immer als verdienstvoller. Die Hinübergeburt fällt mit dem Zeitpunkt des Todes zusammen. Wie er in seinem 19. Gelöbnis versprochen hat, erscheint dem Gläubigen im Moment des Todes der Buddha Amida, der gekommen ist, um ihn in sein Reines Land zu geleiten. Dabei gibt es die Vorstellung, daß es „Neun Stufen der Hinübergeburt“(kokonoshina49) gibt, eine obere, eine mittlere und eine untere, die jeweils wieder in drei Stufen unterteilt sind. In die obersten drei Stufen können nur 46 Übernommen von Volker Zotz: Der Buddha im Reinen Land, S.28-29. Die folgende Ausführung siehe Franziska Ehmcke: Die Grundlagen des AmidaBuddhismus. In: Japans Gesellschaft und Kultur - Vortragsreihe 1. Hrsg. vom Japanischen Kulturinstitut. Köln: Fischer Bronowski 1984, S.11. 48 Siehe Volker Zotz: Der Buddha im Reinen Land, S.40. 47 17 Mönche und Nonnen gelangen, in die mittleren drei, solche Laien, die gute Taten vollbracht haben, und in die unteren drei alle anderen Menschen. Die der oberen Stufe sitzen dabei auf geöffneten Lotusblumen, während die der unteren in einer geschlossenen Lotusblume den Predigten Amidas lauschen müssen, bis sich die Blüte erst nach einem unendlich langen Zeitraum der spirituellen Übung öffnet. 50 Eine weitere Unterscheidung findet sich in der Feierlichkeit der Hinübergeburt. Im folgenden Abschnitt des Muryôju-kyô ist die Hinübergeburt eines Gläubigen der obersten Stufe der obersten Gruppe beschrieben: When they are reborn in that country, because these men have striven dili51 52 53 gently, Amitâbha Tathâgata with Avalokitesvara , Mahâsthâmaprâpta innumerable apparition-Buddhas, a great host of a hundred thousand 54 55 bhiksus and sramanas, and innumerable devas and seven-jewel palaces, will come and appear before the practicer, Avalokitesvara Bodhisattva and Mahâsthâmaprâpta Bodhisattva holding a golden dais. Amitâbha Buddha will release a great beam of light illumining the practicer and with all the Bodhisattvas will offer his hand in welcome. Avalokitesvara and Mahâsthâmaprâpta, with innumerable Bodhisattvas, will praise the practicer and encourage him. When the practicer sees this he will dance for joy. He will find himself riding the golden dais. Following after the Buddha, in the snap of a finger he will be reborn into that country.56 Dieses Abholen des Gläubigen zur Zeit seines Todes von Amida Buddha und seiner Gefolgschaft wird im Japanischen raigô („kommen und abholen“) genannt. Es ist ein beliebtes Motiv Amida-buddhistischer Kunst, bei dem Amida in der Mitte abgebildet wird, rechts von ihm der Bodhisattva Seishi (skr. Mahâsthâmaprâpta), der die Weisheit symbolisiert, und zu seiner Linken der Bodhisattva Kannon (skr. Avalokitesvara), der für das große Mitleid, die Gnade und die Liebe steht.57 Manchmal sind auch alle 49 Es wird auch die sino-japanische Lesung kuhon verwendet. Vgl. Volker Zotz: Der Buddha im Reinen Land, S.62. 51 Japanisch nyôrai. Einer der Ehrentitel des Buddha mit der Bedeutung: „Einer, der so gegangen ist“. Er bezeichnet den, der den Weg ins Nirvâna bereits gegangen ist und somit die letzte und höchste Erleuchtung besitzt. 52 Sanskrit-Name für japanisch Kannon. 53 Sanskrit-Name für japanisch Seishi. 54 Bhiksu und sramana sind zwei Bezeichnungen für Mönche. 55 Devas sind Götter im Sinne der „Fünf bzw. Sechs Daseinsbereiche“. 56 Allen A. Andrews: The Teachings Essential for Rebirth, S.15-16. 57 Franziska Ehmcke: Die Grundlagen des Amida-Buddhismus, S.10. 50 18 25 Begleitbodhisattva auf Wolken sitzend und dabei musizierend im Hintergrund dargestellt.58 Ein weiteres wichtiges Element des Amida-Buddhismus, welches im Amidakyô Erwähnung findet, ist die Lehre eines Endzeitalters (mappô). Diese beinhaltet, daß die Lehre des historischen Buddha mit zunehmendem zeitlichen Abstand zu seinem Tod von den Menschen nicht mehr verstanden werden könne. Dies ist eine 59 Vorstellung, die bereits Sâkyamuni beschäftigte und die vermutlich aus dem irani- schen Raum übernommen wurde.60 Da man sich in diesem Endzeitalter angekommen wähnte, mußte man neue religiöse Formen finden, damit der Mensch dennoch die Erlösung erlangen könne. Da, wie das Amida-kyô betont, der Mensch sich auf die Gnade Amidas verlassen kann, 61 sah man die Rettung in seiner Verehrung. 62 Das Kammuryôju-kyô ist dagegen praxisbezogener und enthält sechzehn Meditationsschritte, in denen der Buddha Amida und sein Reines Land visualisiert werden sollen. Einen Teil seiner Rede richtet Sâkyamuni an die Königin Vaidehî, die von ihrem eigenen Sohn eingesperrt wurde und so das große Leiden der Menschen symbolisiert. Doch soll es auch ihr durch die Anweisungen gelingen, ins Reine Land zu gelangen. 58 Dies ist jedoch erst ab der Mitte der Kamakura-Zeit häufiger anzutreffen. Vgl. Gabriele Greve: Buddhastatuen - Who is who? - Ein Wegweiser zur Ikonographie von japanischen Buddhastatuen. Chûô: Goku Raku An (Paradise Publishers) 1994, S.79. 59 Siehe Volker Zotz: Der Buddha im Reinen Land, S.74. 60 Siehe Christian Steineck: Quellentexte des japanischen Amida-Buddhismus, S.16. 61 Siehe ebd. 62 Vgl. David Chappell: The Formation of the Pure Land Movement in China: Taoch´o and Shan-tao. In: James Foard/ Michael Solomon/ Richard Payne: The Pure Land Tradition: History and Development. Berkeley Buddhist Studies Series; 3. Berkeley, CA: The Regents of the University of California 1996, (S.139-171), S.149-150. 19 II.2. Die geschichtliche Entwicklung des Amida-Buddhismus II.2.A. Indien Der indische Gelehrte Nâgârjuna (jap. Ryûju, ca.150-250), der ein bahnbrechender Philosoph des gesamten Mahâyâna-Buddhismus war, kann als der erste Patriarch des Amida-Buddhismus angesehen werden. Die auf ihn zurückgehenden Prajñâpâramitâ-sûtra (jap. Hannya-gyô) bilden die philosophische Grundlage des Mahâyâna. 63 Bedeutung für die Entwicklung des Amida-Buddhismus hatte die ihm zugeschriebene Schrift Dasabhûmi-vibhâsâ-sastra (jap. Jûjûbibasharon, „Erörterung über die Erleuchtung, die auf dem Weg durch die zehn Stufen der Bodhisattvaschaft erreicht wird“). Im neunten Kapitel dieses Werkes erklärt er den „Pfad der leichten Übung“, der der „schweren Übung“ der Selbsterlösung gegenübersteht. Hierzu empfiehlt er, sich verschiedene Buddha vor Augen zu führen, wobei er den Buddha Amida besonders herausstellt. In demselben Kapitel preist er ihn und sein Reines Land unter anderem mit den Zeilen: Den Buddha des Unendlichen Lichts und der Weisheit, dessen Leib einem Berg reinen Goldes gleicht, verehre ich mit Körper, Rede und Geist, indem ich mich mit gefalteten Händen vor ihm beuge. [1] Das herrliche Licht seines goldenen Strahlens erreicht alle Welten und nimmt Gestalt an, gemäß der Wesen, die er rettet. So verneige ich mich und verehre ihn. [2] [...] Wenn jemand danach verlangt, Buddha zu werden, und im Herzen an Amitâbha denkt, wird Amitâbha sofort vor ihm erscheinen. Daher nehme ich Zuflucht zu ihm. [14]64 Den nächsten wichtigen Beitrag zum Amida-Glauben lieferte der Philosoph Vasubandhu (jap. Seshin, 4./5. Jhd.). Er schrieb einen Kommentar zum Sukhâvatîvyûha-Sûtra65 (skr. Sukhâvatîvyûha-padesa, jap. Jôdo-ron). Darin führt er die „Fünf Tore des Vergegenwärtigens“ (chin. wu nian men, jap. gonemmon) auf, in denen die Verehrung Amidas zum Mittelpunkt einer Meditationsübung wird: 63 Volker Zotz: Der Buddha im Reinen Land, S.43. Übersetzung übernommen von Volker Zotz: ebd., S.50. 65 Zusammenfassender Begriff für das Muryôju-kyô und das Amida-kyô. 64 20 1. Amitâbha (mit dem Körper) verehren, 2. ihn (mittels der Sprache) rühmen, 3. sich entschließen, in seinem Land Sukhâvatî geboren zu werden, 4. über Sukhâvatî meditieren, 5. durch die Übung gewonnene Verdienste für die Befreiung aller Wesen 66 übertragen. Die Grundlagen des Amida-Buddhismus sind nun gegeben, jedoch sind dies erst philosophische Ansätze, die noch in keiner Schule verankert sind. II.2.B. China Der Amida-Buddhismus gelangte, wie der Buddhismus insgesamt, über Zentralasien, das seit dem 1. Jahrhundert nach Christus zu China gehörte, ins eigentliche China.67 Ab dem 5. Jahrhundert entwickelte sich die Amida-Verehrung erst dort zu einer eigenständigen Glaubensrichtung. Der Meister Huiyuan (jap. Eon, 334-416) gründete im Jahr 402 die „Weiße Lotus Gemeinschaft“, deren Mitglieder sich durch Übungen der Visualisierung des Buddha Amida und seinem Reinen Land auf die Hinübergeburt dorthin vorbereiten wollten. Obgleich die Gruppe bald nach dem Tod des Meisters zerfiel, gilt sie als Begründer der Reinen-Land-Tradition in China. Ein weiterer Verbreiter des Amida-Glaubens war Zhiyi (jap. Chigi, 538-597), der als Gründer der Tiantai-Schule gilt. In seinem Werk Mo he zhi guan (jap. Makashikan, „Große Beendigung und Einsicht“) beschreibt er als eine der vier Meditationsmethoden für seine Schule die „Sammlung im ständigen Gehen“ (chin. chang xing san mei, jap. jôgyôzammai). Dabei umschritt der Meditierende langsam eine Statue des Amida und sprach dabei seinen Namen. Eine ganz zentrale Bedeutung für die Weiterentwicklung des AmidaBuddhismus hat jedoch Tanluan (jap. Donran, 476-542). Sein Hauptwerk ist eine Interpretation von Vasubandhus Kommentarwerk Sukhâvatîvyûha-padesa. Darin betont er, daß jeder Mensch durch die Gnade Amidas Zugang zum Reinen Land habe, was besonders auf Laien und insbesondere auf Frauen eine große Anzie- 66 67 Übersetzung übernommen von Volker Zotz: Der Buddha im Reinen Land, S.52. Die folgende Ausführung siehe Volker Zotz: ebd., S.55-85. 21 hungskraft ausübte.68 Er lehrt die Praxis des Rezitierens des nembutsu (chin. nianfo) und betont, daß die „eigene Kraft“ letztendlich Täuschung ist und nur durch die „andere Kraft“ Befreiung möglich ist. Außerdem prägt er den Begriff des bombu (skr. prthag jana, chin. fanfu), welcher einen gewöhnlichen Menschen bezeichnet, dem es aus eigener Kraft nicht möglich ist, die Erlösung zu erreichen. 69 Daochuo (jap. Dôshaku, 562-645), Tanluans geistiger Nachfolger, kombinierte dessen Lehre der „eigenen Kraft“ und der „anderen Kraft“ mit jener Nâgârjunas von der „schweren Übung“ und der „leichten Übung“. Er war jedoch der Meinung, daß nur noch die „leichte Übung“ bzw. die „andere Kraft“ zum Ziel der Erlösung führen könne, da die Zeiten sich seit den Tagen Sâkyamunis so verschlechtert hätten, daß der einfache Mensch (bombu) - implizit hieß das jeder Mensch - die komplizierten Anweisungen zur Meditation nicht mehr verstehen könne. Daochuo schöpfte aus der alten Vorstellung des „vergehenden Gesetzes“ die Lehre von den drei Zeitaltern und prägte dadurch den Begriff mappô. Das erste dieser Zeitalter war das des Wahren Gesetzes (skr. sad-dharma, chin. zhengfa, jap. shôbô), welches 500 Jahre nach dem Tod des historischen Buddha andauerte. Zu dieser Zeit war es laut Daochuo noch möglich, die ursprüngliche Lehre des Buddha zu verstehen und durch dessen Anwendung die Erleuchtung zu erfahren. Das zweite Zeitalter war das des imitierten oder verfälschten Gesetzes (skr. pratirûpa-dharma, chin. xiangfa, jap. zôbô), welches zwischen 500 und 1000 Jahre danach andauerte. Die Lehre Sâkyamunis konnte zwar noch verstanden werden, jedoch führte die Praxis nur noch selten zur Erleuchtung. Im dritten Zeitalter (skr. paschima-dharma, chin. mofa, jap. mappô), welches 500 Jahre andauerte, wurde die Lehre des Buddha zwar weiterhin überliefert, jedoch wurden Praxis und Erleuchtung unmöglich. Daochuo begründete eine eigene Schule und praktizierte das nembutsu mit der Formel Ô MI DUO FÛ70 („Ich nehme meine Zuflucht zum Buddha Amida“), welche er 70 000mal am Tag ausgesprochen haben soll. Zum Zählen soll er den Rosenkranz eingeführt haben. Seither kann man im Amida-Buddhismus zusätzlich zum meditativen Vergegenwärtigen Amidas noch vom rezitativen Vergegenwärtigen sprechen. 68 Die Möglichkeit die Erlösung zu erlangen, wurde den Frauen in den meisten buddhistischen Schulen aberkannt. 69 Siehe Allen A. Andrews: The Teachings Essential for Rebirth, S.24. 70 Die Formel lautet im Sanskrit NAMO AMITÂBHAYA BUDDHAYA. Im Chinesischen gibt es einige Variationen. 22 Nach Tanluan und Daochuo ist Shandao (jap. Zendô, 613-681), ein Schüler Daochuos, der dritte große Meister in der chinesischen Tradition vom Reinen Land. Er soll das Amida-kyô über 10 000mal abgeschrieben und das Reine Land in über 300 Gemälden dargestellt haben. In seinen Schriften konzentriert er sich vor allem auf die Praxis der Meditation, die zu einer Visualisierung des Amida Buddha führen soll. Sein wichtigstes Werk ist der „Kommentar zum Meditations-Sûtra in Vier Bänden“ (chin. Guanwuliangshou-jing si tie shu, jap. Kammuryôju-kyô shijô sho), in welchem er die darin beschriebenen sechzehn Übungen kommentiert. In seinen „Fünf Richtigen Übungen“ (chin. wu zheng xing, jap. gonemmon) nimmt die Anrufung des Namens Amidas die wichtigste Stellung ein. Außerdem prägte Shandao eine neue Bedeutung des Begriffes der „Verdienstübertragung“ (ekô). Ursprünglich bedeutete der Begriff, daß der Mensch angesammelte Verdienste auch auf andere übertragen kann. Dieses wurde aufgrund des eingetretenen mappô-Zeitalters als nicht mehr möglich angesehen. Den einfachen Menschen, dem dies nicht mehr gelingt, bezeichnete Shandao als bombu. Im Sinne des Weges der „anderen Kraft“ deutete er den Begriff der „Verdienstübertragung“ so um, daß sich Amida dem Menschen zuwandte und ihm seine eigenen Verdienste übertrug. Shandao wurde auch durch sein „Gleich-nis der zwei Ströme und des weißen Pfades“ (jap. nikabyakudô) bekannt. Es besagt, daß nur der Mensch, der sich als von Gier und Haß regiert erkennt und sein ganzes Vertrauen in Amida setzt, die Möglichkeit zur Erlösung hat. Mit Shandao fand der Amida-Buddhismus seine volle systematische Ausprägung. Er trug auch dadurch zur Etablierung der Lehre bei, daß er seinen Einfluß, den er am Kaiserhof des Tang-Reiches hatte, geltend machte. Als letzter chinesischer Mönch, der für die Entwicklung des AmidaBuddhismus von Bedeutung war, ist Fazhao (jap. Hôshô, 765-805) zu nennen. Er entwickelte die Meditationsmethode des goenembutsu (chin. wu hui nianfo) („das nembutsu der fünf Stufen“), in der das nembutsu von Musikinstrumenten unterlegt und in fünf verschiedenen Tempi und Tonarten gesungen wurde. Durch seine eindrucksvollen Vorführungen wurde er auch am Kaiserhof bekannt. 23 II.2.C. Japan Die Schriften Shantaos gelangten schon in der Nara-Zeit (710-794) nach Japan, jedoch stießen sie zunächst auf wenig Interesse. 71 Der erste Mönch, der in Japan für den Amida-Buddhismus wirkte, war Chikô (709-781). Er schrieb einen Kommentar zum Muryôju-kyô und stützte sich dabei auf Nâgârjuna und Vasubandhu. Chikô beschreibt ähnlich wie Daochuo zwei Arten von nembutsu: das meditative (shinnen: „mit dem Geist vergegenwärtigen“) und das rezitative (kunen: „mit der Sprache vergegenwärtigen“). Die nembutsu-Rezitation gelangte auch in drei der Sechs Nara-Schulen, nämlich: Sanron, Hossô und Kegon.72 Die ersten Amida-Abbildungen wurden nachweislich im Jahr Junnin 3 (760) zum Anlaß des Todes der Gemahlin des Shômu-Tennô (724-749) angefertigt.73 Bis zum Ende der Nara-Zeit beschränkte sich die Anbetung Amidas zum großen Teil auf Totenmessen, in denen man für die Hinübergeburt ins Reine Land der Verstorbenen und Vorfahren betete.74 Neben den Klöstern war das Wissen über den Amida-Glauben Sache des Adels. Der Wunsch, selber ins Reine Land hinübergeboren zu werden, setzte eine Ablehnung der diesseitigen Welt voraus, eine Forderung, die den Adligen und Mächtigen des gut funktionierenden Staatswesens schwer fiel.75 Das vielleicht erste schriftliche Zeugnis des Glaubens an die eigene Hinübergeburt findet sich im Nihon ryôiki („Wundersame Geschichten Japans“, ca. 785-822) des Mönches Kyôkai (auch Keikai, 782-825).76 Es wird gemeinhin als das erste ôjôden angesehen, welches Zusammenstellungen buddhistischer Legenden sind.77 71 Siehe Hayami Tasuku: Genji monogatari to jôdo shisô, S.202. Die anderen drei lauten: Kusha, Jôjitsu und Ritsu. Näheres unter Abschnitt III.2.A. 73 Franziska Ehmcke. Aus der Vorlesung: Der Amida-Buddhismus vom 17.6.1997. 74 Siehe Hayami Tasuku: Genji monogatari to jôdo shisô, S.202. 75 Siehe ebd. und Inoue Mitsusada: Genji monogatari no bukkyô. In: Tôdai Genji monogatari kenkyû kai, `Genji monogatari kôza´, Band 3. Hrsg. von Inoue Mitsusada. Tôkyô Universität 1949 (S.113-140), S.228. 76 Vgl. Aileen Gatten: Death and Salvation in Genji Monogatari. In: New Leaves Studies and Translations of Japanese Literature in Honor of Edward Seidensticker. Hrsg. von Aileen Gatten und Anthony Hood Chambers. Ann Arbor. Center for Japanese Studies. (Michigan Monograph Series in Japanese Studies; 11). Univer-sity of Michigan 1993, (S.5-27), S.23/Fußnote 30. Siehe auch den Abschnitt V.3.D. der vorliegenden Arbeit. 77 Ôjôden sind Berichte über die Hinübergeburt von historischen Personen. Sie gehören zu der Gattung der buddhistischen setsuwa, welches eine volkstümliche Erzählungsliteratur des japanischen Altertums und Mittelalters ist. 72 24 Mönch Saichô (posthum Dengyô-daishi, 764-822), der nach China reiste und nach seiner Rückkehr im Jahr Enryaku 24 (805) nach dem Vorbild der dortigen Tiantai-Schule in Japan die Tendai-Schule gründete, brachte auch Zhiyis Makashikan mit. In diesem werden Zhiyis vier Meditationsmethoden erklärt, von denen eine die Anrufung Amidas ist. Dort wird außerdem eine Übung beschrieben, in der das nembutsu neunzig Tage lang ohne Unterbrechung rezitiert wird. 78 Ennin (794-864), ein Schüler Saichôs, ging ebenso nach China, wo er Fazhao kennenlernte. Nach seiner Rückkehr im Jahr Kajô 1 (848) gründete er eine Meditationshalle zur Anrufung Amidas und befreite die nembutsu-Rezitation so von einer bloßen Hilfsfunktion für die Tendai-Schule. Diese Meditationshalle befand sich im Tempelkomplex des Enryaku-ji auf dem Berg Hiei, den Saichô im Jahr Enryaku 7 (788) hatte erbauen lassen. Die Tempel der damaligen Zeit waren nicht fest an eine Schule gebunden, sondern eher buddhistische Institute für das Studium verschiedener Lehren.79 So erklärt sich auch die Praxis des nembutsu in der Tendai-Schule, aus deren Mitte heraus sich der japanische Amida-Buddhismus allmählich entwickelte. Die von Ennin nach Japan eingeführte Übung jôgyôzammai 80wurde nach seinem Tod zum festen Bestandteil der Tempelfeste auf dem Hiei-zan, wodurch das nembutsu starke Verbreitung fand. Dabei wurde die nembutsu-Rezitation eine Woche lang vom 11. bis zum 17. Tag des 8. Monats durchgeführt. Das nembutsu wurde zu 78 Siehe Hayami Tasuku: Genji monogatari to jôdo shisô, S.202. Vgl. Kyôkai: Miraculous Stories from the Japanese Buddhist Tradition [Nihon-kokugembô-zenaku-ryô-i-ki] - The Nihon ryôiki of the Monk Kyôkai. Übersetzt und eingeleitet von Nakamura Kyôko Motomochi (Harvard-Yenching Institute Monograph Series; 20). Cambridge: Harvard University Press 1973, S.4. 80 Dies ist eine der vier Meditationsmethoden, die in Zhiyis Mo he zhi guan (jap. Makashikan) beschrieben werden. Siehe S.20. 79 25 diesem Zeitpunkt auch erstmals zu einem täglichen Ritual der Tendai-Schule. Man nannte es yama no nembutsu („Berg-nembutsu“81) oder fudan nembutsu („gewöhnliches nembutsu“). 82 Eine auffällige Gestalt in der frühen Heian-Zeit ist der Mönch Kyôshin (?-866), der ein gelehrter Mönch der Hossô-Schule war. Er zog sich vom Klosterleben zurück, da ihm dieses zu verweltlicht war, und lebte in der Einsamkeit, wo er ununterbrochen das nembutsu rezitierte. Er bezeichnete sich selbst weder als Mönch noch als Laie und führte dadurch den Begriff hisô hizoku („weder Mönch, noch Laie“) ein. Im 10. Jahrhundert nahm die Entwicklung des Amida-Buddhismus in Japan eine entscheidende Wendung: Es wurden erste japanische Werke geschrieben. Ryôgen (912-985) schrieb um das Jahr Tentoku 4 (960) das Werk Gokuraku jôdo kuhon ôjô gi („Erklärung der neun Grade der Hinübergeburt ins Reine Land“). Zu ungefähr gleicher Zeit entstanden noch zwei weitere Werke des Amida-Buddhismus: Das Jûgan hosshinki („Die Schrift der zehn Gelübde des ersten Entschlusses“) von Senkan (918-983) und das Amida shin jûgi („Zehn neue Fragen zum AmidaGlauben“) von Zen´yu (909-990).83 Der Amida-Buddhismus begann auch auf dem Berg Hiei eine immer zentralere Stellung einzunehmen. Neben diesen klösterlichen Aktivitäten, die sich ausschließlich an die Gelehrten richteten, trat ein Mönch auf, der den nembutsu-Glauben dem gewöhnlichen Volk nahebrachte. Dies war Kûya (903972), der auch der „Heilige der Marktplätze“ (ichi no hijiri) genannt wurde. Er zog durchs Land und lehrte eine singende nembutsu-Rezitation zu rhythmischem Tanz. Er engagierte sich auch beim Bau vom Brücken und Straßen, was ihm hohes Ansehen in der Bevölkerung einbrachte.84 Die bedeutendste Erscheinung für den japanischen Amida-Buddhismus war jedoch das Ôjôyôshû („Sammlung bedeutender Textstellen für die Hinübergeburt“) des Tendai-Mönches Genshin (942-1017), der in diesem den Reinen-Land-Glauben der Tendai-Schule systematisierte. Er beschrieb darin eindrucksvoll die Qualen der Höllen sowie die Freuden des Reinen Landes und gab ausführliche Anweisungen zur richtigen Ausführung des nembutsu. Genshin unterschied dabei drei 81 „Berg“ deswegen, weil es auf dem Berg Hiei ausgeübt wurde. Siehe Hayami Tasuku: Genji monogatari to jôdo shisô, S.202. 83 Allen A. Andrews: The Teachings Essential for Rebirth, S.33. 84 Weiteres über Kûya findet man bei Hayami Tasuku: Heian kizoku shakai to bukkyô. Nihon shûkyôshi kenkyû sôsho. Tôkyô: Yoshikawa kôbunkan 1975, S.147-165. 82 26 verschiedene Arten des nembutsu: das jinjô nembutsu („gewöhnliches nembutsu“), das betsuji no nembutsu („nembutsu für besondere Zeiten“) und das rinjû nembutsu („Totenbett-nembutsu).85 Das letztere war für Genshin das bedeutendste86, denn auch wenn der schlechteste Mensch in den letzten Augenblicken seines Lebens von einem Gläubigen dazu angehalten wird, das nembutsu auszurufen, gelangt er auf einer niedrigen Stufe der Hinübergeburt ins Paradies. 87 Das Werk fand beim Klerus und Adel großen Anklang. Im Jahr Ei-en 1 (987) wurde eine Kopie des Ôjôyôshû zum Haupttempel der Tiantai-Schule in China gesendet.88 Genshin, der bereits mit 13 Jahren Mönch der Tendai-Schule auf dem Berg Hiei wurde, war ein Schüler Ryôgens.89 Nachdem er durch seine Veröffentlichung des Ôjôyôshû große Berühmtheit erlangt hatte, zog er sich in die Berge von Yokawa zu-rück, um „nur noch das Karma des Paradieses zu studieren“90. In seiner Lehre, die er in vielen Schriften niederlegte, stützte er sich vor allem auf Shandao. 91 Er bemühte sich darum, die Lehre nicht nur Adligen, sondern auch Bauern zugänglich zu machen.92 Die Meditation blieb bei ihm jedoch im Vordergrund, während die Rezitation zweitrangig war.93 85 Vgl. Allen A. Andrews: The Teachings Essential for Rebirth, S.196 ff und im Original: Genshin: Ôjôyôshû. Hrsg. von Ishida Mizumaro. Nihon shisô taikei; 6. Hrsg. von Midorigawa Tôru [?]. Tôkyô: Iwanami shoten 198510, S.196 ff. 86 Vgl. Iwase Hôun: „Genji monogatari to Ôjôyôshû“. In seinem Werk Genji monogatari to bukkyô shisô. Tôkyô: Kasama Shoin 1972, (S.23-42), S.24. 87 Siehe Allen A. Andrews: The Teachings Essential for Rebirth, S.81. 88 Vgl. ebd., S.40. 89 Siehe ebd., S.39. 90 Hayami Tasuku: Genji monogatari to jôdo shisô, S.201. 91 Siehe Christian Steineck: Quellentexte des japanischen Amida-Buddhismus, S.24. 92 Siehe Allen A. Andrews: The Teachings Essential for Rebirth, S.40. 93 Siehe Christian Steineck: Quellentexte des japanischen Amida-Buddhismus, S.24. 27 III. Teil 2: Die buddhistischen Schulen zur Zeit des Genji monogatari Der Amida-Buddhismus war eine relativ neue Erscheinung im Altertum Japans. Es gab zu diesem Zeitpunkt schon bedeutende und etablierte Schulen, die ich im Folgenden kurz zusammenfassen möchte. 2.1. Kurzer Überblick über die Geschichte des japanischen Buddhismus bis zur Heian-Zeit (794-1192) Die Einführung des Buddhismus im 5. und 6. Jahrhundert löste unter den herr- schenden Familien einen großen Streit darüber aus, ob man ihn annehmen sollte oder nicht.94 Erst mit der Unterstützung Shôtoku Taishis95 (574-622), der darin eine Möglichkeit zur Festigung seiner politischen Macht sah, gewann der Buddhismus an Bedeutung. Auch nachdem im Jahr Wadô 3 (710) Heijô (Nara) als die erste feste Hauptstadt gegründet wurde, sahen die Kaiser im Buddhismus ein geeignetes Mittel, ihre Zentralmacht zu stärken. Die buddhistischen Schulen hatten die Aufgabe, dem Schutz des Staates zu dienen. Unter Shômu Tennô (724-749), nach dessen Anordnung der Tôdai-ji und der Große Buddha errichtet wurden, erlebte der Buddhismus seine erste Blütezeit. Die Nara-Schulen begannen jedoch ihren Einfluß am Kaiserhof geltend zu machen, so daß Kammu Tennô (781-806) im Jahr Enryaku 13 (794) die Hauptstadt von Heijô nach Heiankyô (Kyôto) verlegte, um die Staatsgeschäfte ihrer Reichweite zu entziehen. Damit auch der göttliche Schutz Heiankyôs gesichert war, rief er mit der Hilfe von Saichô (posthum Dengyô-daishi, 787-822) und Kûkai (posthum Kôbodaishi, 744-835) einen neuen Buddhismus ins Leben. Dieser entwickelte sich unter dem Einfluß des Shingon-Buddhismus in der Heian Zeit mehr und mehr zu einem „Gebets-Buddhismus mit Sofortnutzen für die gegenwärtige Welt“.96 94 Das Folgende siehe Takemura Makio/Tamura Yoshirô: Buddhismus. In: JapanHandbuch - Land und Leute, Kultur- und Geistesleben. Hrsg. von Horst Hammitzsch. Stuttgart: Franz Steiner Verlag 19903, (S.1359-1376), S.1359-1360. 95 Sohn des Yômei-tennô (585-587), später Regent der Suiko-tennô (592-628). Er schrieb die „17-Artikel-Verfassung“ (Kempô jûshichi jô) (604) und legte den Grundstein für die Taika-Reform (645-649). 96 Takemura Makio/Tamura Yoshirô: Buddhismus. In: Japan-Handbuch, S.1363. 28 III.2. Die buddhistischen Schulen der Nara-Zeit (710-794) Die verschiedenen buddhistischen Schulen der Nara- und Heian-Zeit standen nicht im Konkurrenzkampf zueinander, sondern tauschten sich untereinander aus und ergänzten sich oft. 97 Man sah die Lehren anderer Schulen ebenso wie die eigene als Wege an, die Erleuchtung zu erreichen. Die Diskrepanzen erklärte man sich dadurch, daß Buddha seine Lehre den verschiedenen Bedürfnissen der Gläubigen anpaßt. 98 Sie basieren alle auf bereits existierenden Philosophien aus dem indischen und chinesischen Raum. III.2.A. Die „Sechs Nara-Schulen“ (Nanto99 rokushû) III.2.A.i. Sanron Die „Drei Lehrtexte-Schule“ wurde im Jahr Suiko 34 (625) von dem Koreaner Hui-kuan (jap. Ekan, 7.Jhd.) gegründet. Die Lehre beruht auf drei Schriften der indischen Mâdhyamika-Schule. Zwei davon wurden von Nâgârjuna verfaßt: Mâdhyamika-sastra (jap. Chûron, „Abhandlung über den Mittleren Weg“) und Dvadasa-dvara (jap. Jûnimonron, „Abhandlung über die Zwölf Tore“). Die dritte Schrift stammt von Nâgârjunas bedeutendstem Schüler Âryadeva (jap. Daiba, ca. 200): Sata-sastra (jap. Hyakuron, „Abhandlung der Hundert Verse“). Sie ist eine Mahâyâna-Schule der Dialektik, die jedes Dogma zurückweist, da das Wahre jede Konzeptionalisierung transzendiert. 97 Die folgende Zusammenfassung beruht auf: Kleines Lexikon der Japanologie, S.407-409 unter dem Stichwort „Sekten, buddhistische“ und The Princeton Companion to Classical Japanese Literature, S.369-373 und Takakusu Junjirô: The Essentials of Buddhist Philosophy. Hrsg. von Wing-Tsit Chan und Charles A. Moore. Westport, CT: Greenwood Press 1973 (Neudruck der Auflage von 1956), S.57-125. 98 The Princeton Companion to Classical Japanese Literature, S.369. 99 Nanto bedeutet „Südliche Hauptstadt“, eine andere Bezeichnung für Heijô (Nara). 29 III.2.A.ii. Hossô Die „Schule der Charakteristika des dharma“ wurde im Jahr Saimei 3 (657) von dem japanischen Mönch Dôshô (629-700) begründet. Diese Mahâyâna-Schule wird auch Yuishiki-Schule („Nur-Bewußtsein-Schule“) genannt, da sie lehrt, daß die Wahrnehmung aller Phänomene lediglich Projektionen aus dem Bewußtsein sind und sie daher keine letzte Realität besitzen. Diese bedeutende Philosophie basiert auf einer alten Tradition des buddhistischen Idealismus, die in Indien entwickelt wurde. III.2.A.iii. Kusha Mönch Chitsu (7.Jhd.) führte diese Hînayâna-Schule im Jahr Saimei 6 (660) aus China ein. Ihr Name ist von der Schrift Kusharon (skr. Abhidharma-kosa-sastra, „Schatztruhe der Analyse der Lehre“) abgeleitet, welche von Vasubandhu geschrieben wurde. Sie lehrt, daß alle Phänomene aus einer Zusammensetzung von letzten Einheiten, genannt dharma (jap. hô), entstehen, ein Gedanke, der einen großen Einfluß auf die buddhistische Dialektik hatte. III.2.A.iv. Jôjitsu Die Jôjitsu-Schule geht ebenso wie die Sanron-Schule auf den Koreaner Huikuan (jap. Ekan) zurück und wird oft nur als Teil von dieser betrachtet. Sie beruft sich in ihrem Namen auf die Schrift Jûjitsuron (skr. Satyasiddhi-sastra, „Abhandlung über die Vervollkommnung der Wahrheit“) des indischen Philosophen Harivarman (jap. Karibatsuma, 4.Jhd.). Sie gehört der Hînayâna-Tradition an und lehrt wie die Kusha-Schule die dharma-Theorie, mit dem Unterschied, daß sie eine wirkliche Existenz dieser letzten dharma-Einheiten verneint. 30 III.2.A.v. Ritsu Der chinesischen Mönch Jianchen (jap. Ganjin, 688-763) gründete die „Schule der Disziplin“ im Jahr Taika 3 (674). Sie betont die mönchische Disziplin des Hînayâna. Sie gewann erheblichen Einfluß durch die Errichtung von drei offiziellen Ordinations-Bühnen (kaidan). III.2.A.vi. Kegon Diese idealistische Schule des Mahâyâna wurde im Jahr Tampyô 8 (736) von dem chinesischen Mönch Taoxuan (jap. Dôsen, 702-760) gegründet. Sie basiert auf dem Kegon-kyô (skr. Avatamsaka-sûtra, „Blumenschmuck-Sûtra“) und lehrt ein „interdependentes Erscheinen der Welt der Elemente“ (hokkai engi). Als Hauptsitz hat sie den Tôdai-ji und stärkte ihre Macht durch die Errichtung des Großen Buddha. III.3. Die buddhistischen Schulen der Heian-Zeit (794-1192) III.3.A. Tendai Diese große Schule wurde im Jahr Enryaku 24 (805) von dem Mönch Saichô (767-763) nach dem Vorbild der chinesischen Tiantai-Schule gegründet. Seine Lehre beruht auf dem Lotus-Sûtra (jap. Myôhôrenge-kyô) des Mahâyâna-Kanons. Des weiteren bilden die folgenden drei Schriften des Tiantai-Gründers Zhiyi (jap. Chigi, 538-597), die „Drei Großen Bücher“ (sandaibu) genannt, seine textliche Grundlage: Fa hua xuan yi (jap. Hokke genki, „Die tiefe Bedeutung des Lotus“), Fa hua wen ju (jap. Hokke mongu, „Kommentar zum Lotus“) und Mo he zhi guan (jap. Makashikan, „Große Beendigung und Einsicht“). Das Lotus-Sûtra veranschaulicht in seinen verschiedenen Zeitabschnitten, wie der Buddha verschiedene Mittel (skr. upâya, jap. hôben) gebraucht, um seine Lehre für verschiedene Individuen verständlich zu machen. Die Lehre der Tendai-Schule besagt, daß alles, was existiert, eine Erscheinung des einen Buddha-Wesens ist. Jeder Mensch, der dies erkennt, kann erlöst werden. Dazu bedarf es der Meditation, die im Tendai-Buddhismus eine große Rolle spielt. 31 Die Tendai-Schule ist jedoch auch für ihre Aufnahme anderer Lehren bekannt. So kannten seine Mitglieder die Geheimlehren des Shingon-Buddhismus und übten Zen 100 und die Verehrung des Amida aus. Ihr Hauptsitz ist der Enryaku-ji auf dem Berg Hiei bei Kyôto. III.3.B. Shingon Die „Schule des Wahren Wortes“ wurde von dem Mönch Kûkai (774-835) nur ein Jahr nach der Tendai-Schule im Jahr Daidô 1 (806) gegründet. Kûkai lehrt, daß alle Lebewesen die Buddha-Natur innehaben, es nur nicht erkennen. Die Meditation dient dazu, diese Erkenntnis und das Einswerden mit der Buddha-Natur herbeizuführen. Dazu verwendet die Schule die aus seiner indischen Tradition stammenden mandala (bildhafte Repräsentationen der Welt als Meditationshilfe), mudra (symbolische Handhaltungen während der Meditation) und mantra (mystische Sprüche). Der Haupttempel der Schule ist der Kongôbu-ji auf dem Berg Kôya in der Präfektur Kii (heute Wakayama). 100 Man kann Zen als die Meditationsschule des Buddhismus bezeichnen. Die Versenkung steht dabei im Mittelpunkt der Lehre und soll zu innerer Sammlung, Erleuchtung und Erlösung führen. Zen ist die japanische Lesung des ersten chinesischen Schriftzeichens (im Chinesischen chan) für den Sanskrit-Terminus dhyâna („Versenkung“). 32 IV. Teil 3: Das Genji monogatari, die Autorin und ihre Zeit IV.1. Das Genji monogatari IV.1.A. Die Entstehung des Werkes 101 Das Genji monogatari stellt den Höhepunkt der monogatari-Literatur dar. Die monogatari-Literatur hatte ihre ersten Anfänge im 9. Jahrhundert, doch beschleunigte die Entwicklung der kana-Schrift102 im 10. Jahrhundert die Entstehung des Genres. Im Gegensatz zu früheren monogatari phantastischen Inhalts, gehört das Genji monogatari zu den „realistischen“ monogatari. 103 Dafür spricht, daß im Werk zahlreiche Hinweise auf historische Begebenheiten bestehen, die als Vorlage des Romans dienten104, und die Handlung Parallelen zum Leben der Autorin aufweist.105 Allerdings gibt es im Genji monogatari auch viele Bezüge auf ältere monogatari.106 Das Genji monogatari ist das längste der monogatari. Es umfaßt in der altjapanischen, allerdings kommentierten Ausgabe etwa 2100 Seiten, in der deutschen Übersetzung von Oscar Benl etwa 1850 Seiten. Es besteht aus 54 Kapiteln, in denen über 500 Personen auftreten. 107 Es ist viel darüber geschrieben worden, in welcher Reihenfolge die Kapitel entstanden sind, da es sich bei den Kapiteln vielmehr um einzelne Bücher, eigentlich 101 Wörtlich „Erzählung über Dinge“. Bezeichnung der Erzählprosa bis zum Anfang des 14.Jhd., wobei die monogatari bis zur Mitte des 11.Jhd. als „klassische monogatari“ bezeichnet werden. 102 Wörtlich „geborgte Namen“. Dies waren von chinesischen Schriftzeichen entlehnte Lautbezeichnungen. Sie wurden bevorzugt von Frauen benutzt, weswegen kana-Texte auch onnade („Frauenhand“) genannt wurden (vgl. Kleines Wörterbuch der Japanologie - Zur Kulturgeschichte Japans. Hrsg. von Bruno Lewin. Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 19953, S.393). 103 Siehe Kleines Lexikon der Japanologie, S.287. 104 Vgl. Fujimura Kiyoshi: Genji monogatari no junkyo to tenpen. In: Kokugo to Kokubungaku, Bunkyo-ku, 52;7. Tôkyô 1975, S.15-31, Shirane Haruo: The Aesthetics of Power: Politics in The Tale of Genji. In: Harvard Journal of Asiatic Studies. 45:2. Hrsg. von Kwang-Chih Chang [u.a.]. Harvard-Yenching Institute. Cambidge 1985, S.621-5 und Ivan Morris: Der leuchtende Prinz, S.364-367. 105 Siehe Shirane Haruo: The Bridge of Dreams - A Poetics of `The Tale of Genji´. Stanford: Stanford University Press 1987, S.117-122. 106 Vgl. etwa Ikeda Daisaku/Nemoto Makoto: On the Japanese Classics, S.120. 107 Hayami Tasuku: Genji monogatari to jôdo shisô, S.200. 33 „Rollen“ (maki) handelt, deren inhaltliches Geschehen vor allem am Anfang des Romans nur lose zusammenhängt.108 Andere Stimmen sagen, daß der letzte Teil des Romans aufgrund eines veränderten Stils von einem anderen Autor stammen muß, jedoch ist diese Theorie heute größtenteils widerlegt.109 Es wird angenommen110, daß der Roman ursprünglich Genji no monogatari hieß und daß die Namen der einzelnen Kapitel, von denen es teilweise mehrere Variationen gibt, erst nach und nach entstanden sind. Der Ursprungstext hat nicht überlebt. In der Kamakura-Zeit (1192-1333) entstanden durch Abschriften mehrere Versionen des Genji monogatari, von denen zuerst die Kawachi-Version die Aobyôshi-Version 112 111 und dann als verläßlich galt. Da das Ende des Genji monogatari sehr abrupt ist, neigt man zu der Ansicht, daß das Werk nicht vollendet wurde. Möglicherweise starb Murasaki Shikibu, bevor sie es zu Ende schreiben konnte.113 IV.1.B. Aufbau und Handlung des Romans Traditionell wird das Genji monogatari in drei Teile eingeteilt.114 Diese sind von der Autorin nicht vorgegeben, ergeben sich jedoch aus der Handlung. Der erste Teil umfaßt die Kapitel 1 („Kiritsubo“) bis Kapitel 33 („Fuji no uraba“), der zweite Teil die Kapitel 34 („Wakana I“)115 bis 41 („Maboroshi“) und der dritte Teil die Kapitel 42 („Niou no miya“) bis Kapitel 54 („Yume no ukihashi“). 108 Siehe hierzu beispielsweise Shirane Haruo: The Bridge of Dreams, S.224-225 und Aileen Gatten: The Order of the Early Chapters in the Genji monogatari. In: Harvard Journal of Asiatic Studies; 41:1. Hrsg. von Donald Shively. Cambridge: Harvard-Yenching-Institute 1981, (S.5-46). 109 Siehe Ivan Morris: Der leuchtende Prinz, S. 331-332. 110 Der folgende Abschnitt nach Shirane Haruo: The Bridge of Dreams, S.223-25. 111 Benannt nach dem Literaten Minamoto no Mitsuyuki (?-1244), der zeitweilig auch Gouverneur der Provinz Kawachi (heute Teil der Präfektur Ôsaka) war. 112 Wörtlich „blauer Einband“ [des Buchdeckels]. Von dem bedeutenden Literaten Fujiwara no Teika (1162-1241) übertragen. 113 Siehe Ikeda Daisaku/Nemoto Makoto: On the Japanese Classics, S.129. 114 Siehe Sayama Wataru: Genji monogatari no sekaikan. In: Genji monogatari; 3. Hrsg. von der Nihon bungaku kenkyû shiryô kankô kai. Tôkyô: Yûseidô 19865, (124-132), S.127. 115 Benl fügt den Namen des legendären Kapitels „Kumogakure“ („Wolkengeborgen“), das wahrscheinlich nie geschrieben wurde, an 41. Stelle ein und faßt dafür die Kapitel 34 („Wakana I“) und 35 („Wakana II“) zu einem 34 Im ersten und zweiten Teil des Genji monogatari ist „Hikaru Genji“, der „Leuchtende Genji“ („Hahakigi“ I:31; 1:55), die Hauptfigur. Der erste Teil erzählt von seiner Geburt als Sohn des Kaisers und seinem Aufstieg in der höfischen Gesellschaft. Da seine Mutter von niedriger Abstammung war, kann er selber nicht Kaiser werden, er hat aber im Laufe seines Lebens aufgrund seiner Beliebtheit zunehmend auch politische Macht. Größtenteils verbringt er seine Zeit jedoch mit Liebesabenteuern, die ihn schließlich sowohl in innere als auch äußere Nöte treiben. Er unterhält eine Liebesaffäre mit seiner Stiefmutter und zeugt mit ihr den zukünftigen Kaiser Reizei, ein Tabubruch, der sein ganzes Leben lang streng geheim bleiben muß. Nachdem er bei einer Affäre mit einer Hofdame des neu eingesetzten Kaisers Suzaku ertappt wird, zwingt ihn die Mutter des Kaisers, die Genji politisch ausschalten will, vorübergehend ins Exil. Doch auch dort entdeckt er eine versteckte Schönheit und zeugt mit dieser ein Kind, obwohl er damit seiner in der Hauptstadt zurückgelassenen Lieblingsfrau Murasaki großes Leid bereitet. Im zweiten Teil ist der allmähliche Untergang des „leuchtenden Prinzen“ beschrieben. Er sieht sich gezwungen, eine Tochter des Exkaisers Suzaku zur Frau zu nehmen. Sie jedoch verliebt sich in einen Freund Genjis und bekommt von diesem einen Sohn, Kaoru. Genji erfährt davon, muß aber versuchen dies geheim zu halten. Murasaki ist durch die unstete Liebe Genjis und ihre schlechte Stellung als inoffizielle Nebenfrau schließlich so verzweifelt, daß sie aus Kummer stirbt. Genji, der sich nun zunehmend mit jenseitigen Themen beschäftigt, stirbt einige Jahre darauf. Der dritte Teil handelt von dem vermeintlichen Sohn Genjis, Kaoru und dem Enkel Genjis, Niou, der ein Nachkommen der Verbindung aus der Zeit des Exils ist. Kaoru widmet sich anfangs hauptsächlich religiösen Übungen, während Niou sich Liebesaffären hingibt. In den letzten zehn Kapiteln des Werkes, den „Zehn Uji Kapiteln“ (Uji jûjô), rivalisieren diese beiden um drei verwaiste Töchter, die in Uji, einer halben Tagesreise südlich der Hauptstadt wohnen. Dies hat zum Ergebnis, daß die älteste Schwester lieber stirbt, als sich mit einem von ihnen einzulassen, die zweitälteste zur Nebenfrau Nious wird, der sie anschließend vernachlässigt, und die jüngste Ukifune versucht sich im Fluß zu ertränken, um den beiden zu entkommen. Sie überlebt auf wundersame Weise, wird von dem hohen Priester Yokawa no Sôzu und zusammen, um dadurch zu der traditionellen Kapitelzahl 54 zu kommen. Dadurch unterscheidet sich die Kapitelzählung der Kapitel 35 bis 41 von Benl von der der 35 dessen Schwester gefunden und von der letzteren aufgenommen. Ukifune versucht unerkannt zu bleiben, was ihr letztlich nicht gelingt. Sie schafft es jedoch Yokawa no Sôzu davon zu überzeugen, daß sie Nonne werden will, wodurch sie ein neues Leben beginnen kann. IV.2. Die Autorin IV.2.A. Das Leben der Murasaki Shikibu (?973-?1014) Das Geburtsjahr von Murasaki Shikibus ist unsicher. Im allgemeinen wird das Jahr Ten´en 1 (973) angenommen. 116 Ihre Familie gehörte zum Nordzweig des Fujiwara-Clans, aus dem auch die Kaiserfamilie gestellt wurde. Viele ihrer Vorfahren waren berühmte Literaten117, jedoch war ihre Familie in politischer Sicht nicht so erfolgreich gewesen und ihr Großvater bereits zur Ebene des Provinzgouverneurs (zuryô) abgestiegen.118 Der echte Name Murasaki Shikibus ist nicht bekannt. „Shikibu“ ist ein Teil eines offiziellen Titels („Zeremonialamt“), den ihr Vater, Fujiwara no Tametoki (? -1029), einmal hatte119, und Murasaki ist wahrscheinlich ein Spitzname, der ihr in Anlehnung an die gleichnamige Protagonistin ihres Werkes Genji monogatari gegeben wurde.120 Ihre Mutter starb wahrscheinlich, als sie noch ein Kind war. Murasaki hatte eine ältere Schwester, einen älteren Bruder und vermutlich noch drei Halbgeschwister von einer anderen Mutter.121 Murasaki begleitete ihren Vater, als er im Jahr Chôtoku 2 (996) in die Provinz Echizen (heute Fukui) versetzt wurde. Ein oder zwei Jahre später kehrte sie in die Hauptstadt zurück und heiratete Fujiwara no Nobutaka (?950-1001), ein Cousin zweiten Grades ihres Vaters. Er war zwanzig Jahre älter als sie, wohlhabend, erfolgaltjapanischen Ausgabe. Für Abweichungen vgl. die Analyse bei Richard Bowring: Murasaki Shikibu - Her Diary and Poetic Memoirs, S.8-9. 117 Näheres dazu siehe Shirane Haruo: The Bridge of Dreams, S.215-16. 118 Obwohl eine Anstellung in den Provinzen meist lukrativ war, bedeutete es einen herben Schlag für das soziale Ansehen, weshalb ein Aufenthalt in den Provinzen einem Exil nahekam. 119 Siehe Richard Bowring: Murasaki Shikibu - The Tale of Genji, S.5. 120 Für nähere Details siehe Shirane Haruo: The Bridge of Dreams, S.220. 121 Vgl. Shirane Haruo: The Bridge of Dreams, S.217-18. 116 36 reich und hatte schon mehrere andere Frauen.122 Im Jahr Chôho 1 (999) gebar Murasaki eine Tochter, Kenshi. Sie waren nur etwa drei Jahre verheiratet, als Nobutaka im Jahr Chôho 3 (1001) an einer Seuche starb.123 Es wird angenommen, daß sie in der Zeit nach dem Tod ihres Mannes begann, das Genji monogatari zu schreiben. Es ist möglich, daß sie durch die bereits ge-schriebenen Kapitel die Aufmerksamkeit des mächtigen Fujiwara no Michinagas (966-1027) auf sich zog, der sie im Jahr Kankô 2 (1005) oder Kankô 3 (1006) in den Hofstaat seiner Tochter, Kaiserin Shôshi (988-1074), aufnahm. 124 Von Kankô 5 (1008) bis Kankô 7 (1010) führte Murasaki ein Tagebuch (nikki), welches Aufschluß über ihre Gedankenwelt gibt. Danach ist von ihr fast nichts mehr bekannt, lediglich, daß sie zum Ende ihres Lebens (?1014) noch eine Sammlung ihrer Gedichte (kashû) verfaßte. Es wird angenommen, daß sie im Jahr Chôwa 3 (1014) im Alter von etwa 41 Jahren gestorben ist.125 IV.2.B. Erziehung und Bildung Murasaki Shikibus Vater war ein sehr gebildeter Mann. Wie sie selbst in ihrem Tagebuch berichtet, unterrichtete er sie im Lesen der chinesischen Schrift (139; 500501). Sie schreibt an dieser Stelle auch, daß sie als Kind schneller die chinesischen 122 Siehe Richard Bowring: Murasaki Shikibu - The Tale of Genji, S.4. Siehe Shirane Haruo: The Bridge of Dreams, S.219. 124 Siehe Richard Bowring: Murasaki Shikibu - Her Diary and Poetic Memoirs, S.10. 125 Vgl. dazu Shirane Haruo: The Bridge of Dreams, S.222 oder die ausführliche Darstellung von Richard Bowring: Murasaki Shikibu - Her Diary and Poetic Memoirs, S.13-14. 123 37 Schriftzeichen (kanji) erlernte als ihr älterer Bruder, so daß ihr Vater einmal gesagt habe, er wünsche, sie wäre ein Junge geworden. Weiter schreibt sie, daß man in 126 ihrer Familie das Nihongi las (39; 501) und daß der Kaiser Ichijô (986-1011), der Passagen aus dem Genji monogatari gehört hatte, sie einmal lobte: „Sie muß das Nihongi gelesen haben. Sie scheint in der Tat sehr gebildet zu sein!“ (137; 500).127 Dieser Vorfall war ihr sehr peinlich, da es als Frau als unschicklich galt, die chinesische Schrift zu beherrschen, was ihr auch prompt den Spitznamen „Die Nihongi-Dame“ einbrachte (ebd.). Sie versuchte stets zu verbergen, daß sie die chinesische Schrift beherrschte und sie vermerkt an anderer Stelle, daß ihre Kammerfrauen einmal mit ihr schimpften, daß sie chinesische Bücher und auf chinesisch geschriebene Sûtra las (133; 497), was erkennen läßt, daß sie vertraut mit diesen war. Als die junge Kaiserin Shôshi erfuhr, daß sie die Werke des chinesischen Literaten Po Juyis (772-846) lesen konnte, arrangierte diese, daß Murasaki sie ihr vorlas, wenn niemand zugegen war (139; 501). Murasaki Shikibu muß auch ein sehr umfassendes Wissen über die buddhistischen Schriften gehabt haben. In Ikeda Kikans Genji monogatari jiten sind 25 buddhistische Schriften aufgeführt, auf die sie im Genji monogatari Bezug nimmt.128 Wie an den Schilderungen buddhistischer Zeremonien und an der Darstellung der Mönche und Priester im Genji monogatari deutlich wird, weiß die Autorin über diese Dinge genauestens Bescheid. In ihrem Roman kommen an die 40 verschiedene Priester und Heilige vor, die eine Vielzahl von Bezeichnungen tragen.129 Außerdem beschreibt sie eine große Zahl von verschiedenen Zeremonien.130 Maruyama Kiyoko weist darauf hin, daß sich das buddhistische Wissen Murasaki Shikibus hauptsächlich auf die Begebenheiten in zwei Tempeln bezieht. Diese sind zum einen der 126 Das erste der „Sechs Reichsgeschichten“ (Rikkokushi), die offiziellen Geschichtswerke der Nara- und frühen Heian-Zeit. 127 Übersetzung von mir. 128 Genji monogatari jiten I. Hrsg. von Ikeda Kikan. Tôkyô: Tôkyôdô shuppan 19697, S.312. Eine weitere ausführliche Darstellung des buddhistischen Wissens Murasaki Shikibus bei Fuchie Fumiya: Genji monogatari no shisôteki bishitsu. Kokugo bungaku kenkyû sôsho; 25. Tôkyô: Ôfûsha 19785, S.8-22. 129 Siehe Okazaki Yoshie: Genji monogatari no shûkyôteki seishin, S.106. 130 Siehe ebd., S.104. 38 Tendai-Tempel Onjô-ji131, dem ihr jüngerer Halbbruder angehörte, und zum anderen der der Hossô-Schule angehörende Kôfuku-ji Tempel von Nara.132 Von besonderer Bedeutung für die vorliegende Arbeit ist die Tatsache, daß Murasaki Shikibu mit dem Ôjôyôshû Genshins133, den drei wichtigsten Sûtra des Amida-Buddhismus134 und mit den ôjôden („Überlieferungen der Hinübergeburt“), darunter insbesondere mit dem Nihon ôjô gokuraku ki („Berichte über Japaner, die ins Reine Land wiedergeboren wurden“) Yoshishige no Yasutanes (?934-997) von 985 und dem Nihon ryôiki („Wundersame Geschichten Japans“) Kyôkais vertraut war135. IV.2.C. Einflüsse Murasaki war, wie viele Adlige des frühen 11. Jahrhunderts, durch die zunehmend aktive Amida-buddhistische Bewegung beeinflußt. In ihrem Fall war ihre eigene Familie sogar direkt mit dieser Bewegung in Kontakt. Ihr Vater war nämlich ein Freund und Kollege des Gelehrten Yoshishige no Yasutanes (?934-997), ein Mitbegründer zwei einflußreicher Amida-buddhistischer Vereinigungen.136 Der Beamte Yoshishige137 gründete im Jahr Kôhô 1 (964) zusammen mit anderen jungen Intellektuellen und Adeligen die Kangaku e („Vereinigung zur Förderung des Lernens“). Bei ihren ganztägigen Treffen, die zweimal im Jahr stattfanden, hörten die Mitglieder morgens eine Lesung des Lotus-Sûtra und verfaßten abends bei Sake Gedichte mit buddhistischen Themen. Daraufhin rezitierten sie die ganze Nacht 131 Der populäre Name für diesen Tempel ist Mii-dera. Er steht in der Stadt Ôtsu, die sich am südlichen Rand des der Stadt Kyôto nahegelegenen Biwa-Sees befindet. 132 Maruyama Kiyoko: Genji monogatari no bukkyô. Tôkyô: Sôbunsha 1985. Das Werk war mir nicht zugänglich. Zitiert bei Naka Tetsuhiro: Genji monogatari to bukkyô, S.110. 133 Belegt durch das Genji monogatari jiten I, S.312. 134 Ebd. Außerdem belegt durch Fuchie Fumiya: Genji monogatari no shisôteki bishitsu, S.17. 135 Belegt durch Aileen Gatten: Death and Salvation in Genji Monogatari, S.19-23. 136 Vgl. ebd., S.20. 137 Näheres zu Yoshishiges Leben siehe Peter Michael Wetzler: Yoshishige no Yasutane: Lineage, Learning, Office, and Amida´s Pure Land, Dissertation, University Microfilms International, Ann Arbor 1977. 39 hindurch das nembutsu. Dies ist bemerkenswert, da die Vereinigung dadurch die erste nembutsu-Vereinigung in Japan darstellt. Sie erinnert an die „Weiße Lotus Gemeinschaft“, die die erste der Art in China war.138 Die religiöse Praxis der Vereinigung war jedoch noch nicht sehr weit fortgeschritten, und ähnelte eher einer „Freizeitvereinigung von adligen Literaten“. 139 Die Vereinigung löste sich im Jahr Eikan 2 (984) nach zwanzigjährigem Bestehen wieder auf. Ein Jahr darauf schrieb Yoshishige das ôjôden-Werk Nihon ôjô gokuraku ki („Berichte über Japaner, die ins Reine Land wiedergeboren wurden“), welches die erste japanische Zusammenstellung dieser Art ist. Wahrscheinlich schrieb Yoshishige es nach dem Vorbild chinesischer Werke, wie dem Tang-Werk Wangsheng xifang jingtu shuiying chuan („Berichte über die, die glückverheißend in Amidas Reinem Land wiedergeboren wurden“). Sein Ziel war es, dadurch die Lehre Amidas den des Lesens kundigen Laien zugänglich zu machen, da er die Amidabuddhistischen Sûtra für sie für zu abstrakt hielt.140 Im Jahr Kanna 2 (986) wurde Yoshishige Mönch. In diesem Jahr gründete er zusammen mit dem bereits berühmt gewordenen Tendai-Mönch Genshin die Nijûgo zammai e („Die samâdhi141- Gesellschaft der Fünfundzwanzig“). Die Gründung dieser Vereinigung war vermutlich durch das Erscheinen von Genshins Ôjôyôshû ein Jahr zuvor ausgelöst worden. Es stellte für die Vereinigung eine Art Leitfaden für Theorie und Praxis des nembutsu dar.142 Diese neue Gruppe, die aus fünfundzwanzig Anhängern des AmidaBuddhismus bestand, unter denen sowohl Mönche als auch Laien waren, traf sich jeden Monat am Tag des Vollmondes. Wie bei der Kangaku e hörten sie morgens eine Lesung über das Lotus-Sûtra und verbrachten die Nacht mit der nembutsuRezitation.143 Die Vereinigung hatte eine starke familienähnliche Struktur, die ein Zusammengehörigkeitsgefühl förderte. Als Mitglied hatte man die Pflicht, anderen Mitgliedern in Not beizustehen, die Kranken zu pflegen und sich am Totenbett eines 138 Siehe Allen A. Andrews: The Teachings Essential for Rebirth, S.38. Hayami Tasuku: Genji monogatari to jôdo shisô, S.209. 140 Siehe Aileen Gatten: Death and Salvation in Genji Monogatari, S.20. 141 Japanisch sammai, wörtlich „Konzentration“, im Sinne von „Meditation“. 142 Siehe Hayami Tasuku: Genji monogatari to jôdo shisô, S.210. 143 Siehe Allen A. Andrews: The Teachings Essential for Rebirth, S.39. 139 40 Mitgliedes zu versammeln, um gemeinsam das nembutsu zu rezitieren, mit der Hoffnung, daß dem Sterbenden die Hinübergeburt ins Reine Land gelinge.144 Die Gruppe legte, mehr als Genshin in seinem Ôjôyôshû, besonderen Wert auf die Totenrituale. Dies trug sehr zur Verbreitung des nembutsu bei, da Totenrituale gesellschaftlich anerkannt und verbreitet waren. Der Amida-Buddhismus konnte nicht mehr übersehen werden. 145 Aufgrund der engen Kontakte Murasakis mit diesen beiden Vereinigungen kann man davon ausgehen, daß sie sowohl mit der Person Yoshishiges und Genshins, als auch deren Amida-buddhistischen Lehren gut vertraut war. 146 Wie wir später an der Untersuchung des Genji monogatari feststellen werden, ist es gut möglich, daß Murasaki insbesondere Genshin verehrte.147 IV.2.D. Der persönliche Glaube der Autorin Murasaki Shikibu gibt ihrem persönlichen Glauben an einer Stelle ihres Tagebuches Ausdruck. Sie schreibt dort: Now I shall be absolutely frank. I care little for what others say, I have decided to put my trust in Amithâbha and immerse myself in reading sutras (139; 501). Iwase nennt dieses Bekenntnis den Höhepunkt ihres Tagebuches. 148 Hayami Tasuku schreibt, daß man davon ausgehen kann, daß Genshin diese Spiritualität in Murasaki wachgerufen hat.149 Während Murasaki Shikibu offiziell Anhängerin der Tendai-Schule war150, zeigt dieser Ausdruck ihrer Religiosität, daß sie sich vor allem dem in dieser Schule gepflegten Amida-Buddhismus zugewendet hat. 144 Siehe Hayami Tasuku: Genji monogatari to jôdo shisô, S.209. Siehe ebd., S.210. 146 Siehe ebd., S.201. 147 Vgl. Norma Field: The Splendor of Longing in The Tale of Genji. New Jersey: Princeton University Press 1987, S.283. 148 Siehe Iwase Hôun: „Genji monogatari no kôsô no hatten to bukkyô shisô“, S.21. 149 Siehe Hayami Tasuku: Genji monogatari to jôdo shisô, S.211. 150 Siehe Ivan Morris: Der leuchtende Prinz, S.141. 145 41 IV.3. Die Hintergründe der Zeit Um die Zeit, in der Murasaki Shikibu lebte, verstehen zu können, sind einerseits die politischen und wirtschaftlichen und andererseits die religiösen Hintergründe von großer Bedeutung. IV.3.A. Politik und Wirtschaft der Fujiwara Die Fujiwara waren eine Großfamilie, die es in der Heian-Zeit nach dreihundert Jahren des Kampfes um die Vorherrschaft schaffte, sich der Herrschaft über den Staat zu bemächtigen und den Kaiser zu einer marionettenhaften Symbolfigur herabzuset-zen. Der erste Fujiwara war Nakatomi Kamatari (614-669), der später den Namen „Fujiwara“ von dem Kaiser Tenchi (668-671) verliehen bekam. Er war zusammen mit dem Kronprinz, der später zum Kaiser Tenchi wurde, Anführer einer Verschwörung gewesen, die zum Sturz der bis dahin herrschenden Soga-Familie führte. Daraufhin versuchten sie das Land nach chinesischem Vorbild zu reformieren. Diese Reform, Taika-Reform genannt, fand ihren endgültigen Abschluß in dem Taihô- (701) und Yôrô-Kodex (718). Diese umfaßten ritsu („Strafbestimmungen“) und ryô („Bestimmungen über Rangklassen“), die als ritsu-ryô zusammengefaßt, das bürokratische, zentralistische, nach chinesischem Vorbild gebildete Staatswesen der Nara- und Heian-Zeit bezeichnen.151 Eine Maßnahme der Reform war, das gesamte Land zu enteignen und der Hoheit des Kaisers zu unterstellen. Man übernahm das System der „Versorgungsreisfelder“ aus China, bei dem jeder Bürger mit Erreichen des sechsten Lebensjahres ein Stück Reisland zugeteilt bekam, daß nach seinem Tode wieder an den Staat zurückfiel. Dieses fortschrittliche System funktionierte jedoch nicht richtig, weil von Anfang an Ausnahmen gemacht wurden, um die starke Tradition des Privateigentums des herrschenden Adels zu berücksichtigen. Folgende Ländereien waren von dem System ausgenommen: 1.: Land, welches im Hinblick auf den Rang einer Person verteilt wurde, 2.: Land, das zu einem Amt gehörte, 3.: Land, welches Schreinen oder 151 Vgl. Kleines Lexikon der Japanologie, S.460-61/522-23. 42 Tempeln unterstand und 4.: Land, welches mit der Erlaubnis der Regierung privat urbar gemacht worden war. Diese privaten Besitztümer hießen shôen. Dadurch, daß sie steuerfrei und erblich waren oder es nach und nach wurden, waren sie sehr begehrt. Die herrschende Schicht häufte aufgrund ihrer großen Landbesitze und deren Erträge mit der Zeit große Reichtümer an. Dazu trug insbesondere die Tatsache bei, daß die Bürger ihre Ländereien pro forma an Tempel und Schreine verschenkten, um den Steuern des Staates zu entgehen. An deren Spitze saßen jedoch Landesherren, die ihre eigenen, wenn auch etwas geringeren Abgaben forderten. Diese waren zu-meist Mitglieder der Familie Fujiwara, die dadurch immer mehr Ländereien unter ihre Kontrolle brachten und somit gegen die Prinzipien der TaikaReform verstießen, die ironischerweise gerade von ihrem Stammvater eingeleitet worden war. Das ursprünglich egalitär gedachte System wurde so stark unterlaufen, daß am Ende der Heian-Zeit 80% des gesamten Reislandes im Besitz von Privateigentümern war.152 Die Fujiwara sicherten ihre Vormachtstellung vor allem durch kluge Heiratspolitik. Ihr Ziel war es, möglichst viele der eigenen Töchter mit den Kronprinzen oder Kaisern zu vermählen, um so Einfluß auf den jeweiligen Schwiegersohn ausüben zu können. Die Fujiwara hatten aber noch andere Mittel der Einflußnahme: Im Jahr Tennan 2 (858) gelang es ihnen zum ersten Mal einen Kindkaiser auf den Thron zu setzen, während die eigentliche Macht von einem sesshô (Regent) ausgeübt wurde, ein Amt, das aus ihren eigenen Reihen besetzt wurde. Bald darauf, im Jahr Genkei 8 (884) gelang es ihnen zum ersten Mal, die De-facto-Macht auch bei einem volljährigen Kaiser in der Hand zu haben. Hierzu führten sie das neue Amt des kampaku (Kanzler) ein, welches wiederum ein Fujiwara inne hatte. Das Jahr Kôhô 4 (964), in dem Fujiwara no Saneyori (900-970) kampaku wurde, kann als völlige Machtübernahme der Fujiwara gewertet werden. Fujiwara no Michinagas Wirkenszeit, die die dreißig Jahre von circa 990 bis 1020 umfaßt, stellt den Höhepunkt der Macht der Fujiwara dar. Vier von Michinagas Töchtern waren mit Kaisern verheiratet.153 Dieser einzigartige Aufstieg der Familie Fujiwara hatte jedoch auch seine Schattenseiten. Die Staatskassen waren leer, das bürokratische System war schwerfällig und korrupt und die Verkehrsverhältnisse schlecht geworden. Der 152 153 Siehe Ivan Morris: Der leuchtende Prinz, S.104-109. Siehe ebd., S.74-89. 43 Zusammenbruch der Heian-Kultur, der vor allem auf ökonomische Faktoren zurückzuführen ist, begann schon Mitte des 10. Jahrhunderts. Anzeichen hierfür waren sporadische Aufstände und Unruhen in den Provinzen, zunehmende Piraterie auf der Setonaikai (Inlandsee), Überfälle am hellichten Tage in der Hauptstadt und schwere Angriffe durch plündernde „Mönchssoldaten“ (sôhei). 154 Um die Überfälle einzudämmen, waren die Fujiwara Herren von der kriegerischen Familie (bushi) der Minamoto (Genji) abhängig. Diese war eine der Familien, die sich als Provinzbeamte nach und nach bereicherte und die im 12. Jahrhundert schließlich neben der Familie der Taira den Untergang der Adelsherrschaft herbeiführen sollte. 155 IV.3.B. Der religiöse Zeitgeist IV.2.A.i. Der mappô-Gedanke Die Adelsgesellschaft zu Lebzeiten Murasaki Shikibus waren von dem mappôGedanken beherrscht.156 Es gab viele verschiedene Theorien darüber, wann das mappô-Zeitalter beginnen würde.157 Anhaltspunkte für die Berechnungen waren einerseits die Dauer der einzelnen Zeitalter und andererseits das Datum der Geburt des historischen Buddha. Sowohl die Dauer des shôbô- als auch die des zôbôZeitalters variierte bereits in China zwischen 500 und 1000 Jahren.158 Die gängigste Version in Japan war, daß sowohl das shôbô-Zeitalter als auch das zôbô-Zeitalter 1000 Jahre andauerten. Man verlegte dazu das Jahr, in dem der historische Buddha ins Nirvâna einging, um gut ein halbes Jahrtausend vor ihr historisches Datum.159 Dadurch gelang die Ansicht, daß das Eintreten des mappô-Zeitalters direkt 154 Siehe Ivan Morris: Der leuchtende Prinz, S.28. Das Aufkommen der Mönchssoldaten ging mit der allmählichen Verweltlichung der Tempel ab dem 8. Jahrhundert einher. Die sich zu Machtzentren entwickelnden Tempel wußten mit diesen eigenen Streitkräften ihre Interessen durchzusetzen. 155 Siehe ebd., S.122-23. 156 Siehe Inoue Mitsusada: Genji monogatari no bukkyô, S.139. 157 Für eine Übersicht siehe Tamura Enchô: „Mappô shisô keisei“. In seinem Werk Nihon bukkyô shisôshi kenkyû: jôdokyô. Kyôto: Heiryakuji Shoten 19591, (S.277308), S.277-282. 158 Vgl. Kyôkai: Miraculous Stories from the Japanese Buddhist Tradition, S.12. 159 Vgl. The Princeton Companion to Classical Japanese Literature, S.377. 44 bevorstand.160 Zu Murasakis Lebzeiten setzte die Tendai-Schule offiziell das Jahr Eishô 7 (1052) als das erste Jahr mappô fest.161 Auslöser für die Annahme, daß man dem Untergang entgegenging, war ein allgemeines Gefühl der Besorgnis und Unsicherheit. Diese war einerseits auf die Herrschaft der Fujiwara zurückzuführen, da sie sich fast ausschließlich mit ihrer persönlichen Bereicherung beschäftigten. Sie konnten nicht einmal mehr die öffentliche Sicherheit gewährleisten, so daß Raub und Überfälle an der Tagesordnung waren. Die Bevölkerung war arm, litt an Hungersnöten und war im allgemeinen unzufrieden, was sich in zunehmenden Aufständen bemerkbar machte. Dieses Gefühl der Unsicherheit und Unzufriedenheit wurde von einer Reihe von Epidemien, Feuersbrünsten und Erdbeben verstärkt, die Heiankyô heimsuchten. 162 Im Jahr Ten´en 3 (975) war außerdem ein Komet am Himmel erschienen, der als unheilvolles Omen angesehen wurde.163 Ein dritter Faktor für die pessimistische Stimmung waren volkstümliche Tabuvorstellungen, die dem Leben eine magische Ordnung geben sollten, dieses aber gleichzeitig kompliziert und beschwerlich machten. Ein verbreiteter Glauben war der des katagatai („Richtungsändern“), welches auch im Genji monogatari oft beschrieben wird. Demnach gab es Tage, an denen man nicht in eine bestimmte Richtung gehen durfte. Es gab dafür astrologische Kalender, die einem auch vorschrieben, wann man sich die Haare zu waschen oder das Hoftor zu reparieren hatte. Diese Glaubensformen, die zu Murasakis Zeiten vornehmlich beim Adel vorherrschten, sind auf eine Vermischung von buddhistischen, shintôistischen und taoistischen Vorstellungen zurückzuführen. Andere Vorstellungen, wie der Glaube an rachsüchtige Gespenster, Besessenheit durch lebendige Geister und die Macht von Kobolden, Dämonen und hexenhaften Wesen aus der Natur schürten die Angst vor dem Übernatürlichen.164 Dazu kommt die pessimistische Schicksalsvorstellung (sukuse) der HeianZeit. Während die Menschen der Nara-Zeit noch das Gefühl hatten, daß sie Einfluß auf ihr Schicksal nehmen konnten, dachten die der Heian-Zeit, daß dies nur noch 160 Siehe Ivan Morris: Der leuchtende Prinz, S.155-56. Siehe Murai Yasuhiko: Jôdokyô to kizoku seikatsu. In: Ujishi shi; Band 1. Hrsg. von Hayashiya Tatsusaburô und Fujioka Kenzaburô. Kyôto: Ujishi 1973, S.485. 162 Siehe ebd., S.486. 163 Siehe Fujimura Kiyoshi: Genji monogatari no junkyo to tenpen, S.21. 164 Siehe Ivan Morris: Der leuchtende Prinz, S.169-179. 161 45 sehr starken Menschen gelingt.165 Dies könnte unter anderem darauf zurückzuführen sein, daß nicht Begabung oder Fleiß, sondern ausschließlich die gesellschaftliche Stellung des Elternhauses für das Fortkommen in der Gesellschaft von Bedeutung war.166 All diese Faktoren begünstigten ein Gefühl der Hilflosigkeit. Gerade das ist aber die Voraussetzung und Grundlage für den Amida-Buddhismus.167 Nur wer die Welt als „Verunreinigung erkennt und sich von ihr abwendet“ (enriedo), hat das Bedürfnis, „inbrünstig zu hoffen, in Amidas Reinem Land wiedergeboren zu werden“ (gongujôdo). Daher kommt es, daß der Untergang des ritsu-ryô-Systems im Zusammenspiel mit anderen Faktoren wie Naturkatastrophen und angstschürenden Glaubensvorstellungen Bedingungen schaffte, die die Verbreitung der Lehre von Amidas großer Güte und Gnade förderten.168 Der Amida-Buddhismus, der die persönliche Erlösung für jeden Menschen verspricht, gewinnt auch aufgrund eines zusammen mit dem zunehmenden Privatbesitz aufkommenden Individualismus für die Menschen der Heian-Zeit an Attraktivität. 169 IV.2.A.ii. Der Amida-Buddhismus des Adels Der Adel war durch seine Beschäftigung mit dem mappô-Gedanken maßgeblich an der Verbreitung des Amida-Buddhismus beteiligt.170 Diese Hinwendung vollzog sich ab Mitte des 10. Jahrhunderts.171 Die Unzufriedenheit, die auch beim mittleren und niedrigen Adel vorherrschte, zeigte sich zum Beispiel darin, daß sich ein bedeutender Beamter wie Yoshishige kritisch gegenüber der herrschenden Elite zeigte.172 Einerseits nutzten die Machthaber den Amida-Buddhismus, um ihre Macht zu demonstrieren. Sie bauten prachtvolle Tempel für die Verehrung des Amida, wie bei165 Siehe Inoue Mitsusada: Genji monogatari no bukkyô, S.129. Siehe H. Hiraizumi: Der Einfluss der Mappô-Lehre in der japanischen Geschichte. In: Monumenta Nipponica; 1. Tôkyô: Sophia Universität 1938. (S.58-69), S.61. 167 Siehe Ivan Morris: Der leuchtende Prinz, S.140. 168 Siehe Murai Yasuhiko: Jôdokyô to kizoku seikatsu, S.123. 169 Siehe Inoue Mitsusada: Genji monogatari no bukkyô, S.115 und Hayami Tasuku: Genji monogatari to jôdo shisô, S.204. 170 Siehe Murai Yasuhiko: Jôdokyô to kizoku seikatsu, S.485. 171 Siehe Hayami Tasuku: Heian kizoku shakai to bukkyô, S.146. 172 Siehe Murai Yasuhiko: Jôdokyô to kizoku seikatsu, S.483. 166 46 spielsweise der Jômyô-ji des Michinaga, die bewiesen, daß sie die Schönheit des Reinen Landes auch auf Erden haben konnten.173 Andererseits waren ihre religiösen Aktivitäten Ausdruck ihres Glaubens, was ein Indiz dafür sein könnte, daß auch sie sich ihrer Sache nicht so sicher waren. So glaubten Michinaga und der Kaiser Ichijô (986-1011) an die Möglichkeit einer Hinübergeburt ins Reine Land.174 Michinaga ließ Abschriften des Ôjôyôshû machen und stand mit Genshin in schriftlichem Kontakt.175 Als er im Alter schwer erkrankte, wurde er Mönch 176 und soll später das nembutsu rezitierend gestorben sein.177 173 Siehe Iwase Hôun: „Genji monogatari to Ôjôyôshû“, S.38 und Murai Yasuhiko: Jôdokyô to kizoku seikatsu, S.492. 174 Siehe Ivan Morris: Der leuchtende Prinz, S.141. 175 Siehe Hayami Tasuku: Genji monogatari to jôdo shisô, S.201. 176 Siehe Murai Yasuhiko: Jôdokyô to kizoku seikatsu, S.486. 177 Siehe Hayami Tasuku: Genji monogatari to jôdo shisô, S.205. Für weitere Informationen zu Michinagas Beziehungen zum Amida-Buddhismus siehe ebenda S.204-5 und Murai Yasuhiko: Jôdokyô to kizoku seikatsu, S.486-490. 47 V. Teil 4: Zeugnisse des Amida-Glaubens im Genji monogatari V.I. Grundvorstellungen und -begriffe des Buddhismus im Genji monogatari V.1.A. Dôshin Dôshin178 bedeutet wörtlich „der Geist, der dem Weg des Buddha folgt“. Im Genji monogatari wird entweder dieser Ausdruck verwendet 180 Bezeichnungen hijirigokoro („Geist eines Heiligen“) 179 oder aber die und das gleichbedeutende 181 hijirigokochi . Unter den Personen, die sich im Roman durch diesen religiösen Geist auszeichnen, sind insbesondere Genji, Murasaki, Kaoru, Ukifune, Hachi no miya und Yokawa no Sôzu zu nennen.182 Von Kaoru heißt es, daß er „scheinbar ein tiefes dôshin habe“ („Hashihime“ 4:307).183 Bei Hachi no miya, der ein Vorbild für Kaoru ist, wird die religiöse Geistesund Lebenshaltung noch deutlicher: „Hachi no miya ist wirklich ein sehr kluger Mann. Er besitzt gründliche Kenntnisse im Buddhismus und auch ein tiefes Verständnis dafür. [...] Die Art, wie er sich völlig von der Welt gelöst hat und nun ruhig und besinnlich dahinlebt, entspricht ganz der Herzenshaltung eines Mönchs“ („Hashihime“ II:456; 4:305). 178 In altjapanischer Schriftweise daushin bzw. daoshin. Beispielsweise an den Stellen „Minori“ 4:174 und „Hashihime“ 4:307/308. Ikeda Kikan zählt insgesamt 8 Erwähnungen (siehe das Genji monogatari jiten I, S.299a). 180 Zum Beispiel an den Stellen „Wakana II“ 3:329, „Maboroshi“ 4:196 und „Tenarai“ 5:389. 181 Zum Beispiel an der Stelle „Wakana I“ 3:284. Vgl. Okazaki Yoshie: Hikaru Genji no dôshin. In: Genji monogatari no bi. Tôkyô: Hôbunkan 1962, (S.56-84), S.57-58. 182 Vgl. Tamura Enchô: „Genji monogatari to jôdo shisô“. In seinem Werk Nihon bukkyô shisôshi kenkyû: jôdokyô. Kyôto: Heiryakuji Shoten 19591, (S.338-367), S.354. Okazaki Yoshie zählt an die 30 Darsteller, die sich entweder durch ihr dôshin oder das im Folgenden behandelte suke („Mönch- bzw. Nonnewerden“) auszeichnen (siehe Okazaki Yoshie: Genji monogatari no shûkyôteki seishin, S.109). 183 Übersetzung von mir. Im Original lautet der Satz: „[...] dôshin fukage ni monoshi tamahu“. Benl läßt die Stelle aus (II:458). 179 48 V.1.B. Suke Suke 184 bedeutet wörtlich „das Haus verlassen“, was ein Synonym dafür ist, Mönch bzw. Nonne zu werden. Im Genji monogatari wird entweder das Wort suke selbst verwandt 185 oder aber Ausdrücke wie yo o sute 187 oder yo o somuki 186 („die Welt von sich werfen“) („der Welt den Rücken kehren“). Im Genji monogatari sind die Akteure zunehmend von dieser Möglichkeit des suke angezogen. Im Idealfall führt die Religiosität des dôshin zu dieser Entscheidung. Das Mönchwerden188 ist auch Ausdruck einer negativen Sichtweise der Welt, wie es das enriedo verkörpert. 189 Ursprünglich dient das Mönchwerden dazu, das eigene Karma aufzubessern und so eine bessere Wiedergeburt im nächsten Leben zu erlangen.190 Jedoch sind es oft auch andere Gründe, die die Personen im Genji monogatari dazu bewegen. Einerseits glaubte man, daß dieser Schritt einem Kranken zur Heilung verhelfe191, andererseits glaubte man, dadurch die Seelen der Toten zu besänftigen. Es gab aber auch weltliche Gründe, wie die Möglichkeit, dadurch öffentlicher Schmach zu entgehen. Für Frauen bedeutete das Nonnesein durch die finanzielle Sicherheit eine Alternative zur Heirat.192 Dagegen bedeutete das Vorhandensein eines dôshin bei einem Akteur noch lange nicht, daß er den Schritt zum Mönchwerden gehen kann. Bei vielen Personen im Genji monogatari, wie bei Genji, Murasaki und Ôigimi, sind es gesellschaftliche Verpflichtungen, die sie daran hindern. So klagt auch Kaoru dem Sôzu: 184 Allgemein unter der moderneren Lesung shukke bekannt. Beispielsweise an den Stellen „Hashihime“ 4:305, „Tenarai“ 5:395 und „Yume no ukihashi“ 5:421. Ikeda Kikan zählt insgesamt 5 Stellen (siehe das Genji monogatari jiten I, S.263b). 186 Zum Beispiel an den Stellen „Wakana I“ 3:245, „Tenarai“ 5:392. 187 Beispielsweise im Kapitel „Wakana I“ 3:212. 188 Ich schließe das Nonnewerden der Einfachheit halber in diesem Ausdruck mit ein. 189 Vgl. Yamamoto Ritatsu: Shukke e no shinjô - Genji monogatari no baai. In: Kokugo-kokubun; 43:1, Kyôto 1974, (S.1-12), S.4-7. 190 Vgl. Shirane The Bridge of Dreams, S.195. 191 Vgl. Yamamoto Ritatsu: Shukke e no shinjô - Genji monogatari no baai, S.1-3. 192 Vgl. Tamura Enchô: „Genji monogatari to jôdo shisô“, S.355-358. 185 49 „[...] Ich wundere mich selber, daß ich noch immer im Laienstande lebe. Schon von Jugend auf sehnte ich mich sehr danach, mich von der Welt abzukehren; aber meine Mutter stützte sich, so kraftlos ich auch war, in ihrer Einsamkeit allein auf mich, und so mußte ich auf die Erfüllung meines Wunsches verzichten. Von allzu starken Fesseln gehindert und immer mehr in die Welt verstrickt, stieg ich unversehens in meiner Laufbahn höher; ich konnte meine Sehnsucht nicht erfüllen, und so ging, trotz meinem Entschlusse, sobald als möglich Mönch zu werden, die Zeit leer dahin. Es ergaben sich ständig neue, unvermeidliche Bindungen; Unaufschiebbares mußte im öffentlichen und persönlichen Leben unbedingt getan werden. So führte ich also ein rechtes Laienleben; aber nun möchte ich doch, soweit ich von Buddhas Geboten vernommen habe, diese in strenger Selbstzucht beachten und in meinem Herzen einem reinen Mönch nicht nachstehen. [...] („Yume no ukihashi“ II:959; 5:424). Während Kaorus Beteuerungen dazu dienen sollen, seine Unschuld zu beweisen und sich mit Hilfe des Sôzu erneut Zugang zu Ukifune zu verschaffen, gelingt es dieser, durch die folgende Darstellung ihrer Situation, den Sôzu von ihrer Aufrichtigkeit zu überzeugen: „Ich hatte von früher Jugend an viel Unglück, erfuhr immerfort neues Leiden, und so überlegten meine Eltern, ob sie mich nicht in den Nonnenstand eintreten lassen sollten. Je älter ich wurde, desto stärker wünschte ich, nicht, wie es üblich ist, die Ehefrau eines Mannes zu werden; ich strebte ausschließlich nach dem Glück der jenseitigen Welt, und so habe ich mich nun, da die Stunde meines Todes immer näher heranrückt und meine Kräfte erschreckend abgenommen haben, endgültig dazu entschlossen, Nonne zu werden“ („Tenarai“ II:930; 5:387-388). V.1.C. Mujôkan Die Sensibilität für die Vergänglichkeit des Lebens durchzieht den gesamten Roman, und es wird manchmal sogar als sein zentrales Thema angesehen. 193 Immer wieder wird betont, daß die Welt hier auf Erden vergänglich ist. Die Ausdrücke, die die Autorin dafür im Genji monogatari verwendet, sind vor allem die beiden Ausdrücke für „vergängliche Welt“: tsunenaki yo194 und sadamenaki yo195 und das Wort hakanashi („flüchtig“).196 193 Vgl. Ikeda Daisaku/Nemoto Makoto: On the Japanese Classics, S.141. Beispielsweise an der Stelle „Yûgiri“ 4:131. 195 Zum Beispiel an der Stelle „Wakana I“ 3:248. 196 Siehe Okazaki Yoshie: Genji monogatari no shûkyôteki seishin, S.106. 194 50 Diese Konzeption beruht auf der buddhistischen Lehre. Laut ihr ist die materielle Welt um uns herum eine Illusion, die durch die Wahrnehmung unserer Sinne entsteht. In Wirklichkeit ist alles leer (skr. sunya, sunyatâ, jap. kû). Durch das Unvermögen, dies zu verstehen, leben die Menschen in geistiger Dunkelheit, wodurch sie Unsicherheit und Traurigkeit erleben. Das Bild der „schwebenden Traumbrücke“ („Yume no ukihashi“), welches auch der Titel des letzten Kapitels ist, ist ein gutes Beispiel dafür, wie das Gefühl der Ver-gänglichkeit im Genji monogatari ihren Niederschlag gefunden hat. Murasaki Shikibu bezieht sich mit diesem Ausdruck auf ein früheres Gedicht 197 : Is it because the affairs of men and women are like a floating bridge of dreams that my melancholy thoughts do not cease even when I cross to visit you?198 Die Autorin nimmt schon im viel früheren Kapitel „Usugumo“ („Wolkenschleier“) Bezug auf dieses Gedicht, indem sie Genji bei einem unglücklichen Besuch bei der Dame Akashi murmeln läßt: „Is it a floating bridge of dreams?“ („Usugumo“ 2:225).199 Kaorus Betroffenheit über die Vergänglichkeit der Welt kommt im folgenden Abschnitt zum Ausdruck: The flimsy little boats, piled high with brushwood, were making their way up and down the river, each boatman pursuing his own insignificant livelihood as he floated over the precarious waters. Like all other people, Kaoru was living in a world of impermanence. How could he possibly believe that he was safely and quietly resting on a jeweled pedestal? („Hashihime“ 4:322).200 197 Autor und Ursprung des Gedichtes sind unbekannt. Es wird in Fujiwara no Teikas Genji-Kommentar Genji monogatari okuiri („Einführung in das Innerste des Genji monogatari“) erwähnt. Zu Fujiwara no Teika siehe auch Fußnote 112. 198 Übersetzung übernommen von Shirane Haruo: The Bridge of Dreams, S.192. 199 Übersetzung von Shirane Haruo: ebd., S.245. Benls Übersetzung mit „[...] er [Genji] seufzte nur über <die Schwebebrücke im Traume> [...]“ (I:557) scheint nicht so zutreffend. Im Original heißt es: „Yume no watari no ukihashi ka“ (2:225). 200 Übersetzung übernommen von Shirane Haruo: The Bridge of Dreams, S.189. Den entscheidenden letzten Satz dieser Passage übersetzt Benl ungenau mit: „Und mag das meine äußerlich noch so ruhig verlaufen, ich finde keinen Frieden mehr und führe in meinem Juwelenschloß ein unglückliches Dasein“ (II:472). Im Origi-nal steht: „[...] `Ware wa, ukabazu, tama no utena ni shizukeki mi´ to, omofubeki yo ka wa“ to omohitsuzukeraru“ (4:322). 51 Man kann aus dieser Passage heraushören, daß der Autorin die Vergänglichkeit des Ruhmes des Adels bewußt war.201 In dem Kapitel „Kagerô“ („Die Eintagsfliege“) gibt Kaoru diesem Gefühl poetischen Ausdruck: Mann erkennt sie deutlich, aber sie läßt sich nicht fangen, sieht man ihr zu, ist sie ins Unbekannte schon entflohn - die Eintagsfliege! Ähnlich entgleitend, vergänglich ist auch die Welt, bei der man wie bei der Eintagsfliege nicht weiß, ob sie nun Wirklichkeit ist oder nicht. So summte er diese Zeilen wie immer allein vor sich hin („Kagerô“ II:887; 5:335). Doch das Gefühl des mujôkan hat neben der buddhistischen Färbung auch ein ästhetisches Moment. So zum Beispiel im folgenden Abschnitt: Schließlich stieg der Mond am Himmel empor und Genji spürte, wie sich bei seinem prachtvollen Glanz sein Herz mit Einsamkeit füllte. Während er zum Himmel aufsah, schweiften seine Gedanken von einer Angelegenheit dieser sich [sic!] so flüchtigen Welt zur anderen, und er spielte noch ergreifender als sonst („Suzumushi“ II:254; 4:84). Hier wird neben der Traurigkeit auch die Schönheit der Welt unterstrichen, so daß der Schmerz zum Pathos wird. Die Freude, die sich in dieses Gefühl mischt, kommt in dem folgenden kindlichen Wunsch Nious zum Ausdruck: „Hier ist mein Kirschbaum aufgeblüht!“, rief Niou plötzlich. „Ich möchte so gerne, daß diese Blüten immerfort bleiben und niemals abfallen! Wenn ich hier um den Baum einen Vorhangständer stelle und sein Tuch herunterhängt, kann doch der Wind nicht heranwehen?“ („Maboroshi“ II:356; 4:201). Dadurch, daß das Gefühl des mujôkan einerseits zwar zu einer Abkehr von der Welt auffordert, andererseits jedoch paradoxerweise die Schönheit genau dieser Welt betont, entfernt es sich von seinem buddhistischen Ursprung.202 Es wird ästhetisiert und formalisiert, wie die Autorin in einer der wenigen Passagen in Ichform bestätigt: In dieser Welt spricht man nun einmal gern darüber, wie flüchtig diese sei [...] („Suzumushi“ II:260; 4:90). 201 202 Vgl. Iwase Hôun: „Genji monogatari no kôsô no hatten to bukkyô shisô“, S.20. Vgl. Ikeda Daisaku/Nemoto Makoto: On the Japanese Classics, S.141. 52 V.1.D. Sukuse Sukuse, welches ab der Kamakura-Zeit (1192-1333) auch shukuse gesprochen wird 203 , bezeichnet die buddhistische Schicksalsvorstellung der Wiedergeburt entsprechend den Taten aufgrund des Prinzips von Ursache und Wirkung. Diese Lehre des Karma, die eng mit der buddhistischen Kosmologie verwoben ist, besagt, daß der Mensch entsprechend seiner guten oder schlechten Taten in einer der Sechs Daseinsformen204 (skr. gâti, jap. rokudô) wiedergeboren wird. Murasaki Shikibu verwendet neben dem Wort sukuse (auch onsukuse) auch mehrmals die Bezeichnung chigiri205 („Versprechen“206) und mukui207 („Vergeltung“). Sie gebraucht das Wort für Karma (gô) nur ein einziges Mal.208 Der Ausdruck sukuse ist mit 117 Anwendungen der am häufigsten vorkommende.209 Die Schicksalsvorstellung des sukuse ist für den Aufbau des Romans von großer Bedeutung. Sie wird von Okazaki Yoshie als das „Gerüst des Romans“210 und von Onomura Yôko als der „Kern des Genji monogatari“ bezeichnet.211 Die sukuse-Vorstellung des Genji monogatari wird auch auf positive Auswirkungen angewendet. So wird die strahlende Schönheit Genjis auf das sukuse seiner Eltern zurückgeführt: 203 Siehe Oscar Benl: Der Schicksalsbegriff im Genji-monogatari. In: Nachrichten der Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens/Hamburg. Hrsg. von Oscar Benl. Wiesbaden: Harrassowitz 1955, (S.38-43), S.39. 204 In Japan geht man von sechs Daseinsformen aus. Die kanonischen fünf, wie sie in Fußnote 27 erläutert sind, werden hier von der Welt der „kämpfenden Titanen“ (skr. asura, jap. ashura) ergänzt. Diese waren ursprünglich im Brahmanismus und Hinduismus Dämonen, die mit den Göttern kämpfen. 205 Zum Beispiel an den Stellen „Matsukaze“ 2:204, „Wakana I“ 3:248, „Hashihime“ 4:297 und „Yadorigi“ 5:119. 206 Benl übersetzt chigiri durchgehend mit „Bande aus dem früheren Leben“. 207 Beispielsweise an den Stellen „Wakana I“ 3:297, „Kôbai“ 4:247 und „Yadorigi“ 5:119. Ikeda Kikan zählt 22 Stellen (siehe das Genji monogatari jiten I, S.496b). 208 „Tenarai“ 5:352. Siehe Genji monogatari jiten I, S.202a. 209 Zum Beispiel an den Stellen „Wakamurasaki“ 1:181, „Agemaki“ 4:415 und „Ukifune“ 5:219. Siehe Okazaki Yoshie: Genji monogatari no shûkyôteki seishin, S.105 und das Genji monogatari jiten I, S.262b. 210 Okazaki Yoshie: Genji monogatari no shûkyôteki seishin, S.105. 211 Onomura Yôko: Genji monogatari no bukkyô shisô to purotto to no kankei. In: Kokubungaku - Kaishaku to kyôzai no kenkyû, 11:6. Tôkyô Juni 1966, (S.40-45), S.45. 53 Schon in ihrem früheren Erdendasein hatten wohl zwischen ihr [der Mutter Genjis] und dem Herrscher [dem Vater Genjis] innige Bande bestanden, und so gebar sie bald einen einzigartig schönen, juwelengleichen Knaben. („Kiritsubo“ I:6; 1:28) Auch ein koreanischer Wahrsager erkennt die karmisch günstigen physiognomischen Merkmale Genjis und sagt ihm eine glorreiche Zukunft vorher („Kiritsubo“ I:22; 1:44). Die Schicksalsvorstellung des sukuse wird jedoch im Laufe des Romans zunehmend dunkler. Inoue Mitsusada kommt zu der Erkenntnis, daß die sukuseVorstellung im Genji monogatari pessimistischer ist als in früheren Heian-Werken. 212 Auch wenn die Auswirkungen des sukuse oft den Spekulationen der Akteure im Genji monogatari überlassen sind, so hat die sukuse-Vorstellung eine starke moralische Komponente. Dies gilt aber nur, so lange die Auswirkungen desselben verständlich und logisch bleiben, was im Laufe des Romans immer weniger zutrifft. Die Wandlung des sukuse im Genji monogatari wird in der unterschiedlichen Behandlung verbotener und daher karmisch wirksamer Liebesbeziehungen in seinen drei Teilen besonders deutlich. Man kann jedem Teil eine solche Liebesbeziehung zuweisen: 1.Teil= Genji und Fujitsubo 2.Teil= Kashiwagi und Onna san no miya 3.Teil= Ukifune und Kaoru.213 Die erste Liebesaffäre wird, trotz ihres unmoralischen Charakters - Fujitsubo ist Kaiserin und die Stiefmutter Genjis und zeugt mit ihm einen zukünftigen Kaiser ,von der Autorin zumindest für Genji als ausschließlich positiv dargestellt. Die negativen Auswirkungen zeigen sich jedoch für Genji in der späteren Liebesaffäre des 2. Teils zwischen seiner Gemahlin Onna san no miya und seinem Freund Kashiwagi. 212 Vgl. Inoue Mitsusada: Tendai-jôdokyô to kizoku shakai. In seinem Werk Nihon Jôdokyô seiritsushi no kenkyû. Revidierte Ausgabe. Tôkyô. Yamakawa shuppansha 1975, S.104-106. Das Werk war mir nicht zugänglich. Zitiert bei Shirane Haruo: The Bridge of Dreams, S.173. 213 Übernommen von Onomura Yôko: Genji monogatari no bukkyô shisô to purotto to no kankei, S.42. 54 Ich fühle mich nun aber durchaus nicht so wertlos, daß die Prinzessin ihr Herz einem anderen zuwenden müßte. Genji war tief verstimmt, er überlegte schmerzlich, daß er nicht offen zeigen könne, was er nun empfand, und sann dann darüber nach, ob wohl auch der verstorbenen Exkaiser Kiritsubo bei jener heimlichen Sache nur so getan hatte, als ahnte er nichts, obgleich er in Wahr-heit alles wußte. Wahrhaftig, was für ein furchtbares Vergehen beging ich damals! („Wakana II“ II:172; 3:396). Genji erinnert sich durch die Untreue seiner Gemahlin an sein eigenes früheres Vergehen und fühlt sich nun dafür bestraft. Diese Affäre hat jedoch viel schlimmere Folgen als die des ersten Teils. Kashiwagi hat ein solch schlechtes Gewissen Genji gegenüber, daß er vor Scham stirbt. Der Sohn Kaoru, der aus der Liaison hervorgeht und dem seine wahre Abstammung verschwiegen wird, ist von frühem Alter an von einem Gefühl der Unsicherheit geplagt. Die verbotene Liebe des dritten Teiles ist durch eine völlige Verstrickung des sukuse der einzelnen Personen gekennzeichnet. Die Vorgeschichte gibt Aufschluß über das Schicksalsverständnis der Akteure.214 Ôigimi, die älteste der drei UjiSchwestern, versucht Kaoru dazu zu bringen ihre jüngere Schwester Nakanokimi zur Frau zu nehmen, damit er sie in Ruhe läßt. Doch Kaoru durchkreuzt ihre Pläne, indem er Niou Nakanokimi verspricht, um dadurch für Ôigimi frei zu bleiben. Als er Ôigimi darüber aufklärt, belehrt er sie, daß „des Menschen Schicksal [...] sich nicht immer nach seinen Wünschen [richtet]“ („Agemaki“ II:548; 4:415). Die erboste Ôigimi sagt dazu nur pointierterweise: „Was ihr Bande aus dem früheren Dasein nennt, kann man nicht mit den Augen sehen“ („Agemaki“ II:549; 4:415). Als sich der Freund-Rivale Niou tatsächlich Nakanokimi zuwendet, klagt jedoch Kaoru: „Hierher führend ging ich selber in die Irre [...]“ („Agemaki“ II:550; 4:417). Kaoru löst durch seine Machenschaften eine ganze Kettenreaktion aus. Ôigimi stirbt, da sie sonst keine Zu-flucht vor Kaoru hat. Die Kammerfrauen bezeichnen ihre Beziehung jedoch als eine „unerwartet tiefe Bande aus dem früheren Dasein“ („Agemaki“ II:595; 4:465). Nakanokimi, die Kaoru nach dem Tod ihrer Schwester immer mehr lieben lernt, ist ihm nun nicht mehr zugänglich. Sie führt jedoch ein unglückliches Dasein, da Niou sich inzwischen einer anderen Frau zugewendet hat und sie vernachlässigt. Über diese vertrackte Situation steht dann: „[...] alle waren sich darüber einig, was für ein seltsames Ding doch das Schicksal ist“ („Yadorigi“ II:642; 5:57). 214 Das Folgende vgl. Konishi Jin´ichi: Genji monogatari no imejeri. In: Nihon bungaku kenkyû shiryô sôsho: Genji monogatari I. Hrsg. von Nihon bungaku kenkyû shiryô sôsho kankô kai. Tôkyô: Yûseidô 19712, (S.217-231), S.224-225. 55 Kaoru wünscht sich, das Schicksal wieder umkehren zu können: Gleichwohl konnte er sein Bedauern darüber, daß er sie dem Prinzen [Niou] überlassen hatte, nicht vergessen, und unversehens kam ihm, wie es in jenem Gedichte heißt <Ach, wäre es möglich doch!> der Wunsch über die Lippen, sie doch noch für sich zu gewinnen („Yadorigi“ II:656; 5:73). Als Kaoru die bis dahin unbekannte Halbschwester Ukifune der beiden Schwestern entdeckt, will er sie als Ersatz für diese für sich gewinnen. Doch Niou kommt dahinter und fängt heimlich mit Ukifune eine Affäre an. Die Dienerin Ukifunes, die dem als Kaoru verkleideten Niou versehentlich Zutritt zu Ukifune gewährt, sagt entschuldigend zu sich: „Zweifellos waren vom früheren Dasein her tiefe, unausweichliche Bande daran Schuld [...]“ („Ukifune“ II:783; 5:219). Die Auswirkungen der Affäre sind auch diesmal krass: Ukifune gerät durch diese Liebesaffäre in solche Bedrängnis, daß sie schließlich versucht, sich zu ertränken. Durch den mißglückten Selbstmordversuch schafft sie es, von ihrer vorherigen Umgebung zu entkommen und ein neues Leben zu beginnen, indem sie Nonne wird. Durch diese verworrene Geschichte, in der immer wieder das Schicksal für die Komplotte der Akteure verantwortlich gemacht wird, zeigt sich, daß ein solch undurch-sichtiges und unlogisches Wirken des sukuse akzeptiert wurde. Im Vergleich zur sukuse-Vorstellung des ersten und zweitens Teiles ist die des dritten einer Art Deka-denz verfallen. Außerdem wird sichtbar, daß die Schicksalsvorstellung des sukuse im Laufe des Romans zunimmt und an Intensität gewinnt.215 215 Siehe Oscar Benl: Der Schicksalsbegriff im Genji-monogatari, S.41. 56 V.1. Grundvorstellungen des Amida-Buddhismus im Genji monogatari V.1.A. Sanze Im Genji monogatari werden die „Sechs Welten“ selten genannt 216 , vielmehr 217 herrscht eine einfachere Vorstellung vor, nämlich die der „Drei Welten“ (sanze) Diese Vorstellung ist eine Schöpfung des Amida-Buddhismus. 218 . Die drei Welten umfassen die vorige Existenz oder Existenzen (saki no yo), die jetzige Existenz (kono yo) und die zukünftige Existenz im Jenseits (nochi no yo). Diese Bezeichnungen finden sich in großer Zahl im Genji monogatari wieder.219 Hier kann im übertragenen Sinne mit der Dreiteilung des sanze auch die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eines irdischen Lebens gemeint sein. Charakteristisch für die Amida-buddhistische Schicksalsvorstellung ist, daß man davon ausgeht, daß das ganze Leben - der Charakter eines Menschen, sein Äußerliches, seine gesellschaftliche Stellung - durch die Verdienste des vorigen Lebens bereits vorbestimmt ist und man selbst keinen Einfluß mehr darauf nehmen kann. 220 Als Merkmale des sukuse zu Zeiten des Genji monogatari sind zu nennen: erstens: es ist festgelegt, zweitens: es ist nicht beeinflußbar und drittens: es ist schwer verständlich.221 Ikeda Kazuomi betont hierzu: „Gerade diese jôdo-artige sukuse-Sicht ist es, die der Autorin des Genji monogatari unter die Haut gedrungen ist“222 und Tamura Enchô nennt die Vorstellung des sanze eine der Bedingungen für die Ausbreitung des Amida-Buddhismus.223 216 Beispielsweise an der Stelle „Suzumushi“ II:247; 4:78. Zum Beispiel an der Stelle „Tenarai“ II:932; 5:390 als sangai (Synonym zu sanze) erwähnt. 218 Siehe Ikeda Kazuomi: `Genji monogatari´ no bukkyô, S.122 und Tamura Enchô: „Nihon no jôdokyô“. In seinem Werk Nihon bukkyô shisôshi kenkyû: jôdokyô. Kyôto: Heiryakuji Shoten 19591, (S.3-26), S.16. 219 Saki no yo findet sich beispielsweise auf den Seiten: „Kiritsubo“ 1:28, „Wakana I“ 3:218 und „Yume no ukihashi“ 5:421, kono yo auf den Seiten: „Wakamurasaki“ 1:199, „Wakana I“ 3:220, „Suzumushi“ 4:80 und „Yadorigi“ 5:119 und nochi no yo auf den Seiten: „Sakaki“ 1:390, „Matsukaze“ 2:195, „Wakana I“ 3:228, „Suzumushi“ 4:79 und „Tenarai“ 5:394. 220 Siehe Tamura Enchô: „Genji monogatari to jôdo shisô“, S.352. 221 Vgl. ebd., S.352 und Inoue Mitsusada: Genji monogatari no bukkyô, S.124. 222 Ikeda Kazuomi: `Genji monogatari´ no bukkyô, S.123. 223 Siehe Tamura Enchô: „Nihon no jôdokyô, S.11-12. 217 57 Die psychische Unsicherheit der Menschen führte dazu, daß sie in dem Weltbild des sanze eine Sicherheit suchten. Um so unbegreiflicher das Wirken des sukuse in diesem war, um so hilfloser kamen sich die Menschen vor und um so mehr banden sie sich an diese Lehre. V.1.B. Enriedo Enriedo, auch onriedo, kann man mit „sich ekelerregt von dem Schmutz der Welt abwenden“ übersetzen. Zu dem Ausdruck gehört noch ein weiterer: gongujôdo , der mit „sich inbrünstig wünschen, in Amidas Paradies hinübergeboren zu werden“ übersetzt werden kann. Der erste Zustand ist Voraussetzung für den zweiten. Dieses Begriffspaar, welches von Genshin im Ôjôyôshû geprägt wurde, stellt eine der Grund-lehren des Amida-Buddhismus dar224. Laut Iwase muß der Vergänglichkeitsgedanke mujôkan zum Ekelgefühl enriedo fortschreiten, damit der Mensch zur Erlösung gelangen kann.225 Im Genji monogatari findet sich wörtlich nur der erste Begriff. Er wird jedoch nicht in der sino-japanischen Form enriedo angewandt, sondern in seiner kanaÜbersetzung itoihanare. Iwase erwähnt vier Stellen im Genji monogatari, in denen dieser Begriff vorkommt.226 Einmal wird er von dem Laienpriester von Akashi, dem Vater der Dame Akashi, verwendet („Suzumushi“ II:250; 4:80), zweimal von Hachi no miya, dem Vater der drei Uji-Töchter („Hashihime“ II:458-459; 4:307-308227, „Agemaki“ II:587; 4:457) und einmal von Kaoru („Agemaki“ II:592; 4:462). Benl gebraucht hierfür im Deutschen Ausdrücke wie „Abscheu vor der Welt“ („Hashihime“ II:458) und „Widerwillen gegen dieses Leben“ („Hashihime II:459). 224 Siehe Tamura Enchô: ebd. Siehe Iwase Hôun: „Genji monogatari no kôsô no hatten to bukkyô shisô“, S.19. 226 Siehe ebd., S.15-16. 227 An dieser Stelle kommt der Begriff gleich dreimal vor, dabei benutzt ihn einmal der Kaiser Reizei in einem Gedichtaustausch mit Hachi no miya. Iwase deutet dies jedoch als „eine Stelle“. 225 58 V.1.C. Bombu Der Gedanke, daß der Mensch zu schwach ist, um die Erlösung aus eigener Kraft zu erreichen, findet sich auch im Genji monogatari. Hachi no miya sagt: „[...] Ich werde kaum noch lange zu leben haben, also vor meinem Tode die rechte Erkenntnis nicht mehr erlangen, und so glaube ich fast, daß ich in meinem früheren Dasein ein hilflos Irrender war und dies auch in meinem künftigen Leben bleiben werde [...] („Hashihime“ II:459; 4:308). Doch wird der „bombu-Charakter“ des Menschen im Genji monogatari auch durch die von den Charakteren an sich verübte Selbstverachtung verstärkt: Genji klagt rückblik-kend darüber, wie „nutzlos [sein] Leben war und wie töricht [sein] Herz“ („Maboroshi“ II:353; 4:198). Noch weiter geht der Laienpriester Akashi: Er spricht von sich als „wertlose[n] Menschen“ („Wakana I“ II:76; 3:285) und sagt, daß er seinen „wertlosen Leib [...] den Bären und Affen 228 vorwerfen [will]“ („Wakana I“ II:77; 3:287). V.1.D. Mappô Der mappô-Gedanke findet sich im Genji monogatari an mehreren Stellen mit der Benennung sue no yo („das Ende der Welt“) wieder („Wakamurasaki“ I:157; 1:200, „Matsukaze“ I:526; 2:192, „Wakana I“ II:17/ II:28 ;3:222/ 3:235 und „Yûgiri“; II:291229; 4:127). Insbesondere wird Genjis Schönheit und sein glorreicher Aufstieg dem Endzeit-Gedanken gegenüber gestellt. So heißt es im ersten Kapitel „Kiritsubo“: [...] viele verständige und kluge Männer staunten betroffen, daß in dieser schmutzigen Welt ein solches Kind geboren war („Kiritsubo“ I:8; 1:30). 228 229 Im Original ist anstelle von „Affen“ von „Wölfen“ (ohokami) die Rede. Benl übersetzt den Begriff an dieser Stelle nicht. 59 Doch auch als Erwachsener löst Genji diese Be- und Verwunderung aus: Kraft welcher Schicksalsbande ist wohl ein so wundervoller Mann in dieser schmutzigen Endzeit unseres Sonnenaufgangslandes geboren worden („Wakamurasaki“ I:157, 1:200). Desgleichen wird jede Verbindung zu Genji als ein für dieses Endzeitalter „unerwarte-tes Glück“ bezeichnet („Matsukaze“ I:526; 2:192). Die Ansicht, daß es mit der Welt zu Ende geht, findet sich verschlüsselt jedoch auch in anderen Bereichen des Genji monogatari, wie zum Beispiel in der flüchtigen und daher traurigen Welt (ukiyo) des Vergänglichkeitsgedankens und dem pessimistischen Schicksalsverständnis der späteren Kapitel. V.2. Die Erwähnung des Amida-Glaubens Es gibt in 24 der 54 Kapitel des Genji monogatari Zeugnisse des AmidaGlaubens. Diese sind in ihrer Reihenfolge: „Yûgao“, „Wakamurasaki“, „Momiji no ga“, „Aoi“, „Sakaki“, „Suma“, „Akashi“, „Matsukaze“, „“Usugumo“, „Asagao“, „Hatsune“, „Wakana I“, „Kashiwagi“, „Suzumushi“, „Yûgiri“; „Minori“, „Maboroshi“, „Hashihime“, „Shiigamoto“, „Agemaki“, „Yadorigi“, „Kagerô“, „Tenarai“ und „Yume no ukihashi“.230 Der Übersicht halber unterscheide ich im Folgenden zwischen den Erwähnungen des Paradieses, denen der Hinübergeburt und denen des Buddha Amida und seiner Ver-ehrung. 230 Vgl. Ishida Mizumaro: `Genji monogatari to jôdokyô´, S.251. Ishida führt hierfür 17 Kapitel an. Bei den von mir hinzugefügten handelt es sich um: „Momiji no ga“ (I:218; 1:271),.„Hatsune“ (I:681; 2:377), „Kashiwagi“ (II:206; 4:26), „Yûgiri“ (II:297; 4:134/ II:300; 4:136), „Shiigamoto“ (II:495-497; 4:350-352 und II:500; 4:356), „Agemaki“ (II:587; 4:457 und II:592; 4:462) und „Yume no ukihashi“ (II:956; 5:420 und II:961; 5:426). Die in Klammern eingefügten Seitenzahlen verweisen auf Textstellen, in denen der Amida-Buddhismus erwähnt wird. 60 V.2.A. Das Paradies (gokuraku jôdo) Das Reine Land des Buddha Amida wird im Genji monogatari oft als eine Metapher für Schönheit verwendet. So zum Beispiel im Kapitel „Wakana I“: [...] nicht nur die Buddha-Statuen, sondern die Sutren-Kästen, die Rollen für die verschiedenen Bilder und alles andere waren von einer solchen Pracht, daß es schien, als habe sich das Paradies hier aufgetan („Wakana I“ II:60; 3:270). 231 An einer anderen Stelle kommt der Azari auf folgenden Vergleich: Wenn ich das Koto-Spiel der beiden Mädchen zusammen mit dem Rauschen des Uji-Flusses höre, ergreift es mich tief. Mir ist, als sei das Paradies hier auf Erden! („Hashihime“ II:457; 4:306). Auch der Palast Genjis, der Rokujô-in, ist so schön, daß er mit dem Paradies verglichen wird („Hatsune“ I:681; 2:377). Iwase kritisiert Murasaki Shikibu für diesen Vergleich, da sie dadurch, ähnlich wie andere Adlige ihrer Zeit, die Symbolik des Amida-Buddhismus benutzt, um das diesseitige Leben zu bejahen.232 Außerdem ist an mehreren Stellen von der Beschaffenheit des Reinen Landes die Rede. Es wird zum Beispiel an mehreren Stellen erwähnt, daß man dort auf einer Lotusblume wiedergeboren wird. So schwören sich Murasaki und Genji, „[...] nach ihrem Tode auf dem gleichen Lotosblatt zu sitzen [...] („Minori“ II:331; 4:174). Wieder an einer anderen Stelle kann der Leser erfahren, daß manche Menschen in geschlos-senen Lotusblumen wiedergeboren werden („Hatsune“ I:688; 2:384). Hiermit bezieht sich die Autorin auf das Kammuryôju-kyô.233 Im Kapitel „Hashihime“ sagt Hachi no miya, daß er sich imstande fühlt, „den Lotus [zu] besteigen und in dem schmutzlosen Teich [zu] wohnen“ („Hashihime“ II:456; 4:404). Als Grundlage dienen der Autorin hierbei die Beschreibungen des Amida-kyô und des Kammuryôju-kyô.234 231 Azari, auch ajari, ist eine Bezeichnung für einen buddhistischen Lehrmeister. Siehe Iwase Hôun: „Genji monogatari to Ôjôyôshû“, S.38. 233 Siehe das Genji monogatari jiten I, S.312. 234 Siehe ebd. 232 61 Eine letzte Beschreibung des Paradieses, auch „das unendlich ferne, westliche Paradies“ genannt („Wakana I“ II:77; 3:286), findet sich im Kapitel „Tenarai“. Dort erklärt der Chûjô, ein unliebsamer Verehrer Ukifunes: Im Paradiese spielen die Bodhisattvas auf Instrumenten und die Himmelswesen tanzen - fürwahr, ein Ehrfurcht erweckendes Geschehen“ („Tenarai“ II:918; 5:374-375). Dies bezieht sich auf das Koto-Spiel der Mutter des Yokawa no Sôzu. Da es im Reinen Land jedoch gerade das Koto-Spiel nicht gibt, kritisiert Ishida Mizumaro diese Stelle. 235 Es ist jedoch auch denkbar, daß die Autorin hier das Unwissen des unsym- pathischen Chûjôs bloßlegen will. V.2.B. Die Hinübergeburt (ôjô) Die Idee der Hinübergeburt (ôjô) wird im Genji monogatari an zahlreichen Stellen erwähnt, so auch in einem Bittgebet von Genji zum Anlaß der Nonnewerdung von seiner Frau Onna san no miya. Er wünscht sich, daß er mit ihr „Hand in Hand ins Paradies gemeinsam hinübergeboren werde[...]“ („Suzumushi“ II:248; 4:78). Doch die eindrucksvollste Beschreibung der Hinübergeburt findet sich im Traum des Laienpriester von Akashi: Ich hob den Sumeru-Berg mit der rechten Hand in die Höhe, und da erstrahlte von links und rechts des Berges die Sonne und der Mond und beschienen die Welt. Ich selber aber stand in dem Schatten unten am Berge und wurde von diesem Lichte nicht erhellt. Hierauf ließ ich den Sumeru-Berg auf dem weiten Meere schwimmen, bestieg ein kleines Boot und ruderte nach Westen („Wakana I“ II:76; 3:286). Die Bilder, die in diesem Traum des Priesters vorkommen, basieren auf Amidabuddhistischer Symbolik. Zum Beispiel wird Amida häufig in Abbildungen „über die Berge kommend“ (yamagoe Amida236) dargestellt, wenn er kommt um die Seele des Sterbenden abzuholen (raigô). Dabei ragt sein Oberkörper hinter einer Bergkette auf, 235 236 Ishida Mizumaro: `Genji monogatari to jôdokyô´, S.254. Auch yamagoshi Amida. 62 was ausdrücken soll, daß Amida schon ganz in der Nähe ist.237 Außerdem gibt es die Amida-buddhistische Tradition, das über das Wasser gen Westen fahrende Boot als Metapher für die Hinübergeburt einzusetzen.238 Daher faßt auch der Laienpriester von Akashi diesen Traum als eine glückliche Verheißung für seine Hinübergeburt auf: Nun, da [...] ich ganz sicher [im] unendlich fernen, westlichen Paradies[...] wiedergeboren werde, warte ich darauf, daß Bodhisattva erscheint, um mich dorthin abzuholen (“Wakana I“ II:77; 3:286). Ishida weist außerdem darauf hin, daß sich die Autorin bei der Anwendung der Traumsymbolik auf die Geschichten 14, 16 und 21 des Amida-buddhistischen Werkes Nihon ôjô gokuraku ki bezieht. 239 Erwähnung findet auch die im Amida-Buddhismus bedeutende Idee der „Neun Stufen der Hinübergeburt“. Sie wird explizit an zwei Stellen erwähnt: das erste Mal von Genji („Yûgao“ I:91; 1:125) und das zweite Mal von dem Laienpriester von Akashi („Wakana I“ II:77; 3:286). Die Vorstellung der „Neun Stufen der Hinübergeburt“ findet sowohl im Amida-kyô als auch im Ôjôyôshû Beachtung.240 Eine letzte Amida-buddhistische Überlieferung hinsichtlich der Hinübergeburt, die im Genji monogatari zu finden ist, betrifft die Annahme, daß ein Mensch, der bei seinem Tod ins Reine Land gelangen wird, intuitiv schon eine Woche vorher von seinem Tod wissen soll.241 Das Beispiel hierfür im Genji monogatari ist Hachi no miya242: Er verläßt genau eine Woche vor seinem Tod seine Töchter und begibt sich in den Tempel des Azari um das nembutsu zu rezitieren. Seinen Töchter sagt er seinen Tod voraus („Shiigamoto“ II:495-498; 4:350-354). Den weitaus größten Teil der Bezüge auf die Hinübergeburt nehmen jedoch die Gedanken an die „Hindernisse für die Hinübergeburt“ (tsumi) ein. Die Vorstellung, 237 Vgl. Gabriele Greve: Buddhastatuen, S.41. Vgl. Wang Jih-hsiu: Laienbuddhismus in China - Das Lung shu ching t´u wên des Wang jih hsiu. Übersetzt und eingeleitet von H.Hackmann. Gotha/Stuttgart: Verlag Friedrich Andreas Perthes 1924, S.67. Dort wird beschrieben, wie Amida mit seinen Begleitbodhisattva bis an das Wasser herankommt und den Gläubigen ruft, der daraufhin in ein Boot steigt und zu ihm hinüberfährt. 239 Siehe Ishida Mizumaro: `Genji monogatari to jôdokyô´, S.256. Im Original finden sich diese Geschichten in: Yoshishige: Nihon ôjô gokuraku ki. In: Ôjôden - hokke genki, S.26/27/31. 240 Siehe Ishida Mizumaro: `Genji monogatari to jôdokyô´, S.256. 241 Vgl. Volker Zotz: Der Buddha im Reinen Land, S.63. 238 63 daß eine emotionale Bindung an einen anderen Menschen zur Zeit des Todes ein Hindernis für die Hinübergeburt darstellen kann, ist allgemein im Buddhismus verbreitet, wird jedoch besonders vom Amida-Buddhismus betont. 243 Sie findet auch im Muryôju-kyô Erwähnung.244 Als Beispiel diene die folgende Sequenz von Szenen, die sich nach dem Tod von Hachi no miya ereignet: Die Töchter des Prinzen baten ihn [den Azari], ihren toten Vater [Hachi no miya] noch einmal sehen zu dürfen, aber er erwiderte: „Welchen Sinn könnte dies haben? Ich habe Eurem Vater schon zu seinen Lebzeiten geraten, Euch nicht wiederzusehen, und so solltet Ihr Euch nun, da jener tot ist, gleichfalls bemühen, nicht mehr an dieser Welt zu hangen“ (“Shiigamoto“ II:499; 4:354-355). Ôigimi ist gleichfalls um ihr eigenes Weiterleben nach dem Tod besorgt: So gern möchte ich dort weilen, wo er ist. Aber wer so viele tiefe Sündenhindernisse wie wir hat, wird nicht so schnell ins Paradies hinübergeboren („Agemaki“ II:581; 4:450). Kurz darauf sagt sie zu ihrer jüngeren Schwester Nakanokimi: Wenn ich an diesem Dasein, bei dem ja nicht einmal der jeweils morgige Tag sicher ist, noch etwas hänge, ist das allein Euretwillen! („Agemaki“ II:587; 4:457). Dann berichtet der Azari Folgendes: „Wo der Prinz wohl im Jenseits wiedergeboren worden ist? Sicher weilt er, so glaube ich, im Reinen Lande, aber neulich sah ich ihn im Traume. Er trug weltliche Kleidung und sagte zu mir mit deutlicher Stimme: <Ich hatte die Welt völlig von mir abgetan und hing also nicht mehr an ihr, doch einer Sorge wegen war mein Herz noch verwirrt, und so bin ich leider noch für eine Weile von dem Orte meiner Sehnsucht entfernt. Ich bitte Euch, betet für mich, damit ich dorthin gelange!> [...]“ („Agemaki“ II:587; 4:457). Abschließend heißt es: 242 Vgl. Iwase Hôun: „Genji monogatari to Ôjôyôshû“, S.24. Siehe Shirane Haruo: The Bridge of Dreams, S.179. 244 Fuchie Fumiya: Genji monogatari no shisôteki bishitsu, S.21. 243 64 Als Oigimi [sic!] davon hörte, war sie bestürzt, daß ihrer beider Sündenhindernisse ihres Vaters Hinübergeburt ins Paradies verhindert hatten („Agemaki“ II:587; 4:457). Zu Unrecht macht sich jedoch Ôigimi Vorwürfe. Die „eine Sorge“ Hachi no miyas ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht verständlich. Erst zwei Kapitel später, in „Yadorigi“, tritt seine dritte, geheimgehaltene und von ihm verstoßene Tochter Ukifune auf, die von einer anderen Mutter stammt. 245 Ein Indiz dafür, daß noch eine weitere Tochter von Hachi no miya existiert, ist in er Namensgebung von Nakanokimi, „der mittleren Prinzessin“, zu finden. IV.2.C. Der Amida Buddha und seine Verehrung Im Genji monogatari erscheint 92mal das Wort Buddha (butsu).246 Darüber hinaus werden zwei Buddha namentlich genannt: der Amida-Buddha (7mal) und der Yakushi-Buddha (2mal).247 Yakushi (skr. Bhaisajyaguru) ist ein Buddha, dem besonders im Tendai-Buddhismus Verehrung zuteil wird, um Krankheiten und Unheil abzuwenden.248 Kannon, einer der Begleiter Amidas, und gleichzeitig der beliebteste Bodhisattva, nicht nur in Japan, kommt außerdem siebenmal vor.249 Er wird im Genji monogatari nicht direkt mit Amidas Reinem Land in Zusammenhang gebracht, sondern sorgt, wie bei der Errettung der Ukifune („Tenarai“ II:900; 5:354), für das Wohlergehen der Menschen hier auf Erden, während Amida für das Leben im Jenseits zuständig ist.250 Darüber hinaus erscheinen an drei Stellen noch zwei 245 Vgl. Iwase Hôun: „Genji monogatari no kôsô no hatten to bukkyô shisô“, S.17. Vgl. Shigematsu Nobuhiro: Genji monogatari ni okeru Kannon to Amida. In: Ehime kokubun kenkyû; 12, Februar 1963, (S.1-8), S.1. 247 Vgl. ebd. Ikeda Kikan zählt hingegen 11 Stellen, an denen Amida vorkommt (siehe das Genji monogatari jiten I, S.27b). Keiner der beiden Autoren gibt eine Gesamt-liste der gefundenen Stellen an, so daß es mir nicht möglich war, die verschie-denen Angaben zu überprüfen. Die folgenden Stellen sind einige Beispiele für die Erwähnung Amidas: „Yûgao“ 1:126, „Asagao“ 2:270 und „Minori“ 4:187. 248 Siehe Takemura Makio/Tamura Yoshirô: Gottheiten. In: Japan-Handbuch - Land und Leute, Kultur- und Geistesleben. Hrsg. von Horst Hammitzsch. Stuttgart: Franz Steiner Verlag 19903, (S.1386-1390), S.1389. 249 Vgl. Shigematsu Nobuhiro: Genji monogatari ni okeru Kannon to Amida, S.1. 250 Vgl. Shigematsu Nobuhiro: Genji monogatari ni okeru Kannon to Amida, S.4. 246 65 geringere Bodhisattva: Fugen (skr. Samantabhadra)251 und Jôfukyô (skr. Sadâparibhûta)252, von denen der erstere dem Amida-Buddhismus zugeordnet werden kann253 und der letztere dem Tendai-Buddhismus zuzuordnen ist.254 Eine Statue des Amida wird ausdrücklich zweimal im Werk erwähnt: im Kapitel „Wakamurasaki“ (I:149; 1:191) und im Kapitel „Suzumushi“ (II:248; 4:78). Im Kapitel „Maboroshi“ ist von einem Paradies-Mandala die Rede („Maboroshi“ II:366; 4:212), welches bei der Meditation über den Amida Buddha verwendet wird, und somit ein wertvoller Hinweis auf das meditative nembutsu ist. Ebenso weist der Ausdruck nembutsu no sammai („Matsukaze“ I:538; 2:204, „die nembutsu-Meditation“ sowie die damit verwandten Stellen255 „Matsukaze“ I:547; 2:212 und „Usugumo“ I:574; 2:245) auf das meditative nembutsu hin. Außerdem ist 256 an zwei Stellen von „Utensilien zum nembutsu“ (nembutsu no gu) die Rede. Eine spezielle nenzu257-Halle (nenzudô) wird an 6 Stellen erwähnt.258 Erwähnungen des nembutsu sind wohl der deutlichste Ausdruck der Verehrung Amidas und des Wunsches nach Wiedergeburt in seinem Reinen Land. Im folgenden Abschnitt habe ich deswegen diese Stellen zusammengetragen. Dabei ist zu bedenken, daß im Genji monogatari eine ganze Reihe von „buddhistischen Übungen“ vorkommen, die nicht weiter spezifiziert sind, und deren Ausführung oft einfach mit omohi („Gedanken“) („Hashihime“ II:455; 4:303) 259 oder okonahi („ausführen“) („Yadorigi“ II:681; 5:101) beschrieben wird.260 Daher läßt sich oft nicht feststellen, um welche Art von Übungen es sich handelt. Ich habe lediglich solche Stellen behandelt, die ausdrücklich vom nembutsu oder nenzu berichten oder von 251 „Aoi“ I:287; 1:341/ „Matsukaze“ I:538; 2:204. „Agemaki“ II:587; 4:457. 253 Dies gilt nur bedingt, da Fugen ursprünglich neben Monju (skr. Mañjuçri) einer der beiden Begleiter Sâkyamunis ist. Er wird jedoch auch zu den 25 Begleitbodhisattva Amidas gezählt. 254 Dies ergibt sich daraus, daß dieser Bodhisattva ausschließlich im Hokke-kyô Erwähnung findet. 255 Vgl. Abschnitt V.2.D. 256 Die Stellen finden sich bei „Suma“ 2:49 und „Shiigamoto“ 4:365. Vgl. das Genji monogatari jiten I, S.389c. 257 Variante zu nembutsu. 258 Zum Beispiel an den Stellen „Usugumo“ 2:231, „Suzumushi“ 4:77 und „Yadorigi“ 5:112. Vgl. das Genji monogatari jiten I, S.389b. Im Kapitel „Wakamurasaki“ (1:191) kommt eine weitere Halle vor, von der es heißt, daß in ihr eine AmidaStatue steht. 259 Benl übersetzt an dieser Stelle mit „buddhistische Übungen“. 260 Benl übersetzt an dieser Stelle mit „fromme Übungen“. 252 66 denen der Kommentar der altjapanischen Ausgabe ausdrücklich belegt, daß es sich um solches handelt.261 IV.2.C.i: Das nembutsu Die Anrufung des Namens Amidas erfolgt in den folgenden 20 Kapiteln: 262 „Yûgao“ (I:122; 1:160/ I:133; 1:172) , „Aoi“ (I:286; 1:340/I:287; 1:341/ I:289; 1:342), „Sakaki“ (I:334; 1:390/ I:346; 1:403), „Suma“ (I:399; 2:46), „Akashi“ (I:424; 2:74), „Matsukaze“ (I:538; 2:204/ I:547;2:212), „Usugumo“ (I:574; 2:245), „Asagao“ (I:598; 2:270), „Wakana I“ (II:28; 3:235/ II:75; 3:285 (2mal)), „Kashiwagi“ („II:206; 4:26), „Suzumushi“ (II:253; 4:83), „Yûgiri“ (II:297; 4:134/ II:300; 4:136), „Minori“ (II:344; 4:187/ II: 345; 4:187/ II:345: 4:188), „Niou no miya“ (II:381; 4:223), „Hashihime“ (II:451; 4:300/ II:452; 4:300/ II:461; 4:310), „Shiigamoto“ (II:492-497; 4:347-352 (4mal)/ II:500; 4:356), „Agemaki“ (II:587; 4:457/ II:592; 4:462), „Kagerô“ (II:852; 5:296/ II:861; 5:305/ II:871; 5:316), „Tenarai“ (II:904; 5:359/ II:918; 5:374/ II:936263; 5:394/ II:938; 5:397) und „Yume no ukihashi“ (II:956; 5:420/ II:961: 5:426). 264 Dies sind insgesamt 43 Erwähnungen des nembutsu. Ikeda Kikan kommt auf 31265, Shigematsu Nobuhiro auf „mehr als 30“266. Das nembutsu wird im Genji monogatari, mit der Ausnahme von Genji („Yûgao“ I:133; 1:172/ „Aoi“ I:287; 1:341/ „Suma“ I:399; 2:46/ „Asagao“ I:598; 2:270/ „Minori“ II:345: 4:188), Yûgiri („Minori“ II:344; 4:187) und Kaoru, („Agemaki“ II:592; 4:462/ „Kagerô“ II:871; 5:316) ausschließlich von Priestern, Mönchen und Nonnen 261 Benl hat an einer Stelle mit „der Anrufung von Buddhas Namen“ übersetzt („Tenarai“ II:939), von der der Kommentar sagt, daß sie ungesichert ist („Tenarai“ 5:398/Anmerkung 5). Daher habe ich sie nicht aufgenommen. 262 Die in Klammern eingefügten Seitenzahlen beziehen sich auf die von mir gefundenen nembutsu-Stellen. 263 Benl läßt die Erwähnung des nembutsu an dieser Stelle aus. 264 Vgl. Oscar Benl: Der Schicksalsbegriff im Genji-monogatari, S42. Benl führt hierzu die folgenden 8 Kapitel an: „Yûgao“, „Wakamurasaki“, „Matsukaze“, „Asagao“, „Suzumushi“, „Minori“, „Yadorigi“ und „Yume no ukihashi“. 265 Genji monogatari jiten I, S.389b/c. Diese Zahl setzt sich aus 16 Vorkommnissen des Wortes nembutsu und 15 des Wortes nenzu zusammen. 266 Shigematsu Nobuhiro: Genji monogatari ni okeru Kannon to Amida, S.1. Shigematsu schreibt, daß die Wörter nembutsu oder go-nembutsu „mehr als 20mal“, die Wörter nenzu oder go-nenzu „mehr als 10mal“ vorkommen. 67 ausgeübt.267 Unter diesen gibt es regelrechte „nembutsu-Priester“ (nembutsu no sô)268, die das nembutsu im Auftrag für das Heil anderer ausführen. Bei der Beerdi gungszeremonie für Aoi, der ersten Frau Genjis, heißt es beispielsweise: Hierauf ließ man die Tote nach dem Toribe-Feld bringen, und da gab es noch viele Szenen furchtbaren Jammers. Von allen Seiten strömten die Menschen herbei, die von ihr Abschied nehmen wollten, unzählige Nembutsu-Priester waren aus den verschiedensten Tempeln gekommen, und so bedeckte schließlich eine riesige Menge Trauernder das weite Feld („Aoi“ I:286; 1:340). Nachdem Murasaki gestorben war, heißt es außerdem von Yûgiri: Er ließ sofort hochgestellte Priester in den Nijô-in kommen und beauftragte sie, Buddhas Namen anzurufen [...] („Minori“ II: 345; 4:187). Etwa ein Drittel der nembutsu werden von solchen Priestern ausgeführt, während es sich bei einem weiteren Drittel um unspezifizierte religiöse Übungen der Gläubigen selbst handelt. Das letzte Drittel der nembutsu-Stellen beinhaltet dagegen solche, die der Gläubige zu einem speziellen Zweck, meistens in Form eines Gebetes ausführt. So zum Beispiel bei Genji, der für die verstorbene Yûgao, seine heimliche Geliebte, ein Bittgebet verfaßt: Bei seinem Entwurf erwähnte Genji den Namen der Verstorbenen nicht, aber er schrieb voll Trauer, daß er sie von ganzem Herzen geliebt habe und sie nun der Gnade Amidas empfehlen wolle („Yûgao“ I:133; 1:172). Mit Ausnahme dieser Stelle und einer weiteren, die im Abschnitt V.2.D. behandelt wird, handelt es sich jedoch um Gebete, die der Gläubige für sich selbst spricht.269 Diese stellen die leidenschaftlichsten Anrufungen des Amida Buddha im Genji monogatari dar. So heißt es von Genji nach dem Tod seiner Stiefmutter Fujitsubo: Er betete voll Inbrunst zu Amida-Buddha und wünschte sich, im Paradiese mit ihr [Fujitsubo] auf der gleichen Lotosblüte zu sitzen („Asagao“ I:598; 2:270). 267 Vgl. Tamura Enchô: „Genji monogatari to jôdo shisô“, S.360. Tamura erwähnt jedoch nur Genji und Yûgiri. 268 Ikeda Kikan führt in seinem Genji monogatari jiten I (S.390b/c) die folgenden vier Stellen an: „Aoi“ 1:340, „Yûgiri“ 4:134 und „Kagerô“ 5:296/ 5:305. 269 Vgl. Tamura Enchô: „Genji monogatari to jôdo shisô“, S.361 und das Genji monogatari jiten I, S.390a. 68 Ebenso veranlaßt der Tod Murasakis sowohl Genji als auch Yûgiri zur Rezitation des nembutsu: Und so bat [Genji] in seiner Angst Amida Buddha: „Mach doch, daß mein Schmerz nicht noch schlimmer ist, als es in diesem Leben nun einmal sein muß. Helft mir, Murasaki ein wenig zu vergessen!“ („Minori“ II:345: 4:188). [Yûgiri] fühlte sich außerstande, seine Traurigkeit noch länger zu unterdrücken. Gepriesen sei Buddhas Name! Gepriesen sei Buddhas 270 Name! rief er immerfort aus [...] („Minori“ II:344; 4:187). Das nembutsu wird an vier Stellen zusammen mit anderen religiösen Praktiken erwähnt („Matsukaze“ I:538;2:204/ „Minori“ II: 345; 4:187/ „Niou no miya“ II:381; 4:223/ „Agemaki“ II:587; 4:457). Bei diesen handelt es sich vornehmlich um solche des Tendai-Buddhismus. Im Folgenden zwei Beispiele: „[...] Weil ich nun nicht recht wußte, was ich mit meinen geringen Kräften tun könnte, ließ ich fünf, sechs Priester seines [Hachi no miyas] Tempels Amidas 271 Name anrufen. Und dann kam mir noch der Gedanke, Sadâparibhûta anzuflehen“. Kaorus Mutter, Onna San no Miya, widmete sich in aller Stille nurmehr ihren frommen Übungen; sie hielt die monatlichen Nembutsu-Zeremonien, die zweimal im Jahr stattfindenden Acht Lesungen des Lotossutras und manche andere ehrfurchterweckende Opferfeiern [...] („Niou no miya“ II:381; 4:223). Eine weitere Vermischung findet sich in dem Ausdruck „der große Fluch des Amida“ (Amida no daizu), der sich im Kapitel „Suzumushi“ findet („Suzumushi“ II:253; 4:83)272. Diese Betrachtungsweise, die gar nicht zum Amida-Buddhismus paßt, ist hier wohl auf den Einfluß des Shingon-Buddhismus zurückzuführen.273 V.2.D. Der Bezug auf Amida-buddhistische Schriften 270 Im Original ist die Anrufungsformel ABITAFÛ angegeben. Dies ist eine Variante, wie sie die Tendai-Schule benutzte (vgl. Murasaki Shikibu: Genji Monogatari. Nihon koten bungaku taikei; 14-18, 4:187/Anmerkung 28). 271 Jap. Jôfukyô. Siehe Fußnote 252/ bzw. 254. 272 Benl läßt diese Stelle in seiner Übersetzung aus. 273 Vgl. Ishida Mizumaro: `Genji monogatari to jôdokyô´, S.258. 69 Iwase weist darauf hin, daß Hachi no miya das jinjô nembutsu („gewöhnliches“ nembutsu) ausführt, wie es Genshin in seinem Ôjôyôshû vorschreibt274, und Ishida kommt in seiner Untersuchung zu der Erkenntnis, daß es sich bei dem Fugenkô• Amida•Saka no nembutsu no sammai („Matsukaze“ I:538; 2:204, „die nembutsu275 Meditation für Fugen, Amida und Sâkyamuni“) handelt. midô 277 276 auch um das jinjô nembutsu Ikeda Kikan betont, daß es sich bei den Formulierungen Sagano no no nembutsu („Matsukaze“ I:547; 2:212, „das nembutsu des Tempels von Sagano“) und rei no fudan no go-nembutsu („Usugumo“ I:574; 2:245, „das [wie gewohnte], gewöhnliche nembutsu“) ebenso um diese im Tempel von Sagano durchgeführten Zeremonien handelt, bei denen am 14. Tag des Monats eine Lesung über Fugen, am 15. Tag eine über Amida und am letzten Tag des Monats eine über Sâkyamuni abgehalten wird. 278 Dagegen wird das rinjû nembutsu („Totenbett“-nembutsu) trotz der vielen Todesszenen nur einmal erwähnt („Yume no ukihashi“ II:956; 5:420).279 Es handelt sich um eine Szene, in der der Sôzu erklärt, daß er für seine sterbenskranke Mutter das nembutsu rezitiert habe. Obwohl an keiner Stelle vorkommt, daß der Sterbende für sich selbst das nembutsu rezitiert, kann man davon ausgehen, daß ein leidenschaftlicher Amida-Anhänger wie Hachi no miya, dessen Tod nicht geschildert wird, dabei das nembutsu rezitiert hat. Von ihm heißt es, daß er sich eine Woche vor seinem Tod dazu entschloß, „[...] sich in den ruhigen Bergtempel des Azari zurückzuziehen, um dort, von der Welt nicht länger mehr abgelenkt, Buddhas Namen anzurufen“ („Shiigamoto“ II:495; 4:350). Bei den nembutsu-Übungen, die in dem Kapitel „Hashihime“ als „sieben Tage währende Andachten“ („Hashihime“ II:461; 4:310) beschrieben werden, könnte es sich meiner Meinung nach um das jôgyôzammai handeln, wie es im 8. Monat auf 274 Siehe Iwase Hôun: „Genji monogatari to Ôjôyôshû“, S.24. In diesem Fall beschränkt sich das nembutsu nicht ausschließlich auf Amida, sondern wird eingesetzt, um andere Buddha bzw. Bodhisattva anzurufen. 276 Siehe Ishida Mizumaro: `Genji monogatari to jôdokyô´, S.255. 277 Hierbei handelt es sich wohl um den Tempel von Saga, der sich am nordwestlichen Stadtrand von Kyôto befindet. Er gehört der Zen-Schule Ôbaku. 278 Genji monogatari jiten I, S.390b+c. 279 Vgl. Tamura Enchô: „Genji monogatari to jôdo shisô“, S.362 und das Genji monogatari jiten I, S.390a. 275 70 dem Berg Hiei durchgeführt wurde. Durch eine Stelle in Murasaki Shikibus Tagebuch ist belegt, daß sie diese wichtige Zeremonie kannte.280 Weitere Bezüge auf Amida-buddhistische Schriften finden sich außerdem erstens in einer Erwähnung, daß Genji das Amida-kyô abschreibt („Suzumushi“ II:248; 4:78), zweitens bei der Nennung der „Andachten der Sechs-Tageszeiten“ 281 (rokuji no tsutome) 4:187 („Akashi“ I:424; 2:74/ „Wakana I“ II:75; 3:285/ „Minori“ II:345; 282 ), die im Kammuryôju-kyô beschrieben sind 283 , und drittens in der Rezitation der Formel nembutsu shujô sesshu fusha („ein jeder, der das nembutsu rezitiert wird erlöst, keiner wird aufgegeben“) im Kapitel „Sakaki“ („Sakaki“ I:334; 1:390), eine Formel, die sowohl im Kammuryôju-kyô als auch im Ôjôyôshû vorkommt.284 Ebenso bezieht sich der folgende Satz auf das Kammuryôju-kyô: „[...] auch wenn jemand nur einen Tag oder eine Nacht vor seinem Tode die Gelübde abgelegt hat, wird er dafür belohnt werden“ („Minori“ II:341; 4:184). 280 285 Nagai Giken: Murasaki Shikibu nikki ni egakaretaru bukkyô - „jûichinichi no akatsuki“ no dan no butsuji. In: Bukkyô bungaku kenkyû: Serie 2. Kyôto: Hôzokan 1964, (S.47-61), S.49. 281 Diese Form der Anrufung wird, wie der Name schon sagt, sechsmal am Tag durchgeführt, nämlich am Morgen, am Mittag, bei der Abenddämmerung, am Anfang, in der Mitte und am Ende der Nacht. Sie geht auf Shandao zurück. 282 Benl übersetzt an dieser Stelle nicht mit „Andachten der Sechs-Tageszeiten“, sondern mit „Buddhas Namen an[...]rufen“. Im Original steht eine andere Bezeichnung für den Ritus, nämlich sadamaritaru nembutsu („festgelegtes nembutsu“), welche jedoch vom Kommentar als „Anrufung der Sechs Tageszeiten“ identifiziert wird (4:187/Anmerkung 32). 283 Siehe das Genji monogatari jiten I, S.312. 284 Siehe ebd. 285 Siehe ebd. 71 V.3. Die Symbolik des Amida-Buddhismus V.3.A. Die Symbolik des Prinzen Genji Der leuchtende Prinz Genji ist der Inbegriff des Schönen. Er überwältigt alle durch seine strahlende Schönheit („Wakamurasaki“ I:145; 1:186-187), sein Duft vermittelt eine Vorstellung des Paradieses („Sakaki“ I:345; 1:401) und er singt so schön wie der dort lebende Kalavinka-Vogel („Momiji no ga“ I:218; 1:271). Aber mehr als nur Schönheit, strahlt Genji etwas Göttliches aus. So heißt es von Genji: „Er sieht gar nicht wie ein Mensch von dieser Erde aus!“ („Wakamurasaki“ I:157; 1:200). Auch wird von Genjis „Glanz“ (go-hikari) („Niou no miya“ II:383; 4:225) in gleicher Weise berichtet wie von Amidas „Glanz“ (go-hikari)(„Yûgao“ I:91; 1:125). Genjis Amme bringt ihn in dem letzten Beispiel mit Amida in Verbindung: „[...] Und jetzt, da Ihr [Genji] mich noch einmal aufgesucht habt, kann ich Amidas Glanz getrost und reinen Herzens erwarten“ („Yûgao“ I:91; 1:125). Richard Pilgrim bezeichnet Genji als „demideity“286 und Ikeda Daisaku stellt die Hypothese auf, daß die Autorin Genji nach dem Vorbild der einen Buddha auszeichnenden 32 Merkmale und 80 Kennzeichen (skr. laksana-vyañjana, jap. sôgô) beschrieben hat.287 Dadurch würde impliziert, daß Genji eine Reinkarnation eines Buddha oder Bodhisattva ist. Dafür spricht auch, daß sich Kaoru mit Râhula, dem Sohn des historischen Buddha vergleicht („Niou no miya“ II:382; 4:223), wodurch Genji, den er zu diesem Zeitpunkt noch für seinen Vater hält, die Position des Buddha einnimmt. Kurze Zeit später wird Genji wiederum mit dem Sâkyamuni Buddha verglichen, während Niou seinem Lieblingsschüler Ânanda gleichgesetzt wird („Kôbai“ II:396; 4:242). 286 Richard Pilgrim: The Tale of Genji in a Religio-aesthetic Perspective. In: Approaches to Teaching Murasaki Shikibu´s the Tale of Genji. Hrsg. von Edward Kamens. The Modern Language Association of America. (Approaches to Teaching World Literature; 47. Hrsg. von Joseph Gibaldi). New York 1993, (S.4551), S.49. 287 Ikeda Daisaku/Nemoto Makoto: On the Japanese Classics, S.131. 72 V.3.B. Die Lichtsymbolik Seit der koreanische Wahrsager dem Prinzen Genji den Beinamen „leuchtender Prinz“ (Hikarugimi) gegeben hat („Kiritsubo“ I:30; 1:51), wird Genji mehr als mit jedem anderen Merkmal mit dem Licht in Verbindung gebracht, so sehr, daß, als Genji gestorben ist, der Leser darüber informiert wird, daß „sich das Licht verborgen 288 hat“ („Niou no miya“ 4:219). Einige wenige andere Personen werden ebenso mit dem Licht in Verbindung gebracht. Diese sind Fujitsubo, die an einer Stelle als „Prinzessin des strahlenden Sonnenlichtes“ (kagayaku hi no miya) genannt wird („Kiritsubo I:25; 1:47), und Ukifune, die einmal als das „Licht des Bergdorfes“ (yamazato no hikari) bezeichnet wird („Tenarai“ II:935; 5:394). 289 Die Lichtsymbolik spielt im Amida-Buddhismus eine große Rolle. Amitâbha, einer der Sanskrit-Namen Amidas, bedeutet „unendliches Licht“. Im Kammuryôju-kyô steht Folgendes zu seiner Beschreibung: The body of the Buddha of Eternal Life is of a hue golden as a hundred trillion Jambu-River-sand golden Yama gods. [...] The luminous tuft of white hair [...] between his brows curls to the right in a volute as great as five Mount Sumerus. The Buddha´s eyes are pure blue and bright as the water of the four great seas. The brilliance from the pores of his body is like Mount Sumeru. His aureole is like ten billion three-thousand-great-thousand-worlds and within its brilliance are an infinite Ganges Rivers´ sands of apparition-Buddhas.290 Einige Wissenschaftler vermuten, daß die Lichtsymbolik aus der „Licht-Religion“ des Zoroastrismus stammt.291 Während Konishi Jin´ichi der Meinung ist, daß der göttliche Glanz ein Archetyp in Götterlegenden ist, wie man sie auch in Japan findet292, wirft Ikeda Daisaku ein, daß die Lichtsymbolik wahrscheinlich durch den Buddhismus nach Japan gelangte und dort möglicherweise die Vorstellungen der obersten Shintô-Gottheit Amaterasu als „Sonnengöttin“ beeinflußte.293 288 Übersetzung von mir. Benl übersetzt mit: „Nachdem der Leuchtende Genji gestorben war [...]“nicht wörtlich(II:378). 289 Die Lichtsymbolik spielt außerdem bei den Todesszenen eine Rolle, auf die ich in Teil V.3.D. zu sprechen kommen werde. 290 Allen A. Andrews: The Teachings Essential for Rebirth, S.13. 291 Siehe Christian Steineck: Quellentexte des japanischen Amida-Buddhismus, S.14 und The Princeton Companion to Classical Japanese Literature, S.374. 292 Siehe Konishi Jin´ichi: Genji monogatari no imejeri, S.221. 293 Siehe Ikeda Daisaku/Nemoto Makoto: On the Japanese Classics, S.131. 73 V.3.C. Die Geruchssymbolik von Kaoru und Niou Auch die Geruchssymbolik im Genji monogatari deutet auf Göttlichkeit hin. Die Lotusblumen des Paradieses werden beispielsweise als „wohlriechend und rein“ beschrieben. 294 Die beiden Darsteller, die mit dem Duft in Zusammenhang gebracht werden, sind Kaoru und Niou, die, nachdem der leuchtende Genji gestorben ist, zusammen die Protagonistenrolle einnehmen. Keiner von beiden reicht jedoch an die Herrlichkeit Genjis heran. Es heißt von ihnen: Prinz Niou [...] und Kaoru [...] waren zwar beide ihrer Schönheit wegen berühmt und besaßen wahrhaftig einen außergewöhnlichen Zauber; aber ihr Glanz ver-mochte die Umwelt nicht in dem gleichen Maße zu blenden, wie dies einst bei Genji der Fall gewesen war („Niou no miya“ II:378; 4:219). Im Laufe des dritten Teils wird klar, daß Kaoru hinsichtlich seines Interesses am Weg des Buddha der geistige Nachfolger Genjis ist, während Niou seine Abenteuerlust geerbt hat. Es scheint geradezu, als ob die Autorin Genji in zwei Teile geteilt hätte.295. Die Göttlichkeit, die Genji durch seinen Glanz verkörperte, offenbart sich bei ihnen nun in Form von Geruch. Beide Namen sind vom Geruch hergeleitet: kaoru bedeutet „duften“, niou „riechen“.296 Über Kaoru heißt es: [...] er duftete so herrlich, daß sie alle dachten: Oh, was für ein erlesener Duft! Es könnte der heilige Duft des Paradieses sein („Hashihime“ II:468; 4:318). 294 Übernommen von Volker Zotz: Der Buddha im Reinen Land, S.28-29. Vgl. Shirane Haruo: The Bridge of Dreams, S.187. 296 Norma Field stellt fest, daß sich niou ursprünglich auf eine rote Lichtqualität bezog (Norma Field: The Splendor of Longing in The Tale of Genji, S.228). 295 74 Und von Niou: Die eingeräucherten, regennassen Ärmel verbreiteten einen so köstlichen Duft, als sei er gar nicht von dieser Welt („Agemaki“ II:563; 4:431). Während Niou seine Gewänder mit Räucherwerk einräuchert, ist Kaorus Duft ein körpereigener und Nious daher überlegen: 297 [...] der Duft, den er ausstrahlte, war wie von einer anderen Welt; er war von erlesener Güte, und wenn ihn der Wind schon bei einer kleinen Bewegung seines Körpers weithin trug, konnte man ihn wahrlich für den <hundert Fuß reichenden Duft> halten. [...] der Duft von Kaoru war so stark, daß er, selbst wenn Kaoru ungesehen im Schatten stand, fein und köstlich überallhin drang. So war es ihm völlig unmöglich, sich irgendwo zu verstecken. Er schalt seinen Duft daher als lästig und verzichtete darauf, seine Gewänder, wie es üblich war, einzuräuchern. Die chinesischen Kästen waren mit den verschiedensten Sorten von Räucherwerk gefüllt, aber Kaorus Duft war ihnen allen weit überlegen („Niou no miya“ II:384; 4:225). Der Duft Kaorus wird auf eine karmisch günstige Vorexistenz zurückgeführt und hat daher eine religiöse Bedeutung: Prince Kaoru [...] does not go in for perfumes at all, and has no need to, for his natural smell is unsurpassed. No doubt this is due to something that happened in a previous incarnation. („Kobai“ 4:247)298. Kaorus göttlicher Charakter wird im Folgenden noch deutlicher: Im Grunde paßte es gar nicht recht zu ihm, nur ein Mensch zu sein, und manchmal konnte man wirklich glauben, es sei ein Bodhisattva zur Erde herabgestiegen („Niou no miya“ II:384; 4:225). 297 Für eine ausführliche Darstellung von der Entwicklung des Duftes Kaorus siehe Konishi Jin´ichi: Genji monogatari no imejeri, S.217-219. 298 Übersetzung übernommen von Arthur Waley. Murasaki Shikibu: The Tale of Genji. Lady Murasaki. Übersetzt und eingeleitet von Arthur Waley. New York: The Mod-ern Library 1993, S.889. Bei Benl heißt es: „Auch der Gon-Chunagon, Kaoru, vermag seine Gewänder nicht so fein einzuräuchern wie dieser Prinz [Niou], dessen Körper ja schon so unbeschreiblich duftet. Welche Verdienste in seinem früheren Dasein wirken sich nun wohl aus?“ (II:400). Im Original steht: „Genchûnagon wa, kôzama ni konomashû wa, takiniohasa de, hitogara koso, yo ni nakere. <Ayashû, saki no yo no chigiri, ikanarikeru mukui ni ka> to, yukashiki koto ni koso are (4:247). Benl hat die Passage offensichtlich mißverstanden. 75 V.3.D. Die Todesszenen Die Amida-buddhistische Symbolik findet sich in konzentrierter Form in den für die Hinübergeburt glückverheißenden Todesszenen des Genji monogatari wieder. Sie beruhen auf einer Amida-buddhistischen Tradition solcher Beschreibungen, wie man sie schon in dem Bericht von Tanluans Tod im Jahr 542 in China vorfindet: [...] er [ließ] die Schüler mit lauter Stimme Amitâbha anrufen. Luan wandte sich nach Westen, schloß die Augen, berührte mit der Stirn den Boden und starb. Zur selben Zeit vernahmen Mönche und Hausleute aus westlicher Richtung den Klang verschiedener Instrumente, der einige Zeit anhielt, um 299 dann zu verstummen. Bei den Berichten sollen verschiedene Erscheinungen ein Anzeichen dafür sein, daß der Sterbende ins Reine Land hinübergeboren wird. Diese sind unter anderen paradiesische Düfte, himmlische Musik, violette Wolken, himmlische Boten und gleißendes Licht.300 In Yasutanes Nihon ôjô gokuraku ki sind 42 kurze Biographien bekannter und unbekannter Persönlichkeiten zusammengestellt, die sich am Ende auf die Umstände des Todes im Hinblick auf solche Zeichen konzentrieren. Als typisches Beispiel die Geschichte 35: Minamoto Ikou was the seventh son of the head of the Bureau of Skilled Artisans. He had turned to the Dharma since childhood. Clever and articulate, he read many books. When he was a little over twenty years old, he became ill for about three weeks and, finding worldly life distasteful, became a monk. His practice had been to contemplate and call upon Amida with all his heart. In his illness, he redoubled his efforts. As he spoke with his elder brother, the monk Anhô, Ikou said, “I hear music coming from the west. Can you hear it?“ Anhô replied that he could not. Ikou said, “A peacock is here, fluttering and dancing before me. Its plumage is radiant and lovely.“ Placing his hands in the concentration mudra, he turned to 301 the west and died. 299 Volker Zotz: Der Buddha im Reinen Land, S.68. Dieser Bericht findet sich auch in dem chinesischen Werk Lung shu ching t´u wen [Pinyin: Long shu jing tu wen] („Die Schrift über das Reine Land aus Lung shu“) von Wang Jih-hsiu [Pinyin: Wang Rixiu] (12.Jahrhundert). Siehe die Übersetzung von H.Hackmann: Wang Jih-hsiu: Laienbuddhismus in China - Das Lung shu ching t´u wên des Wang jih hsiu, S.140-141. 300 Siehe Aileen Gatten: Death and Salvation in Genji Monogatari, S.20. 301 Übernommen von Aileen Gatten: Death and Salvation in Genji Monogatari, S.20-21. Im Original findet sich die Geschichte bei Yoshishige (Yoshishige no Yasutane): Nihon ôjô gokuraku ki. In: Ôjôden - hokke genki. Hrsg. von Inoue 76 Aileen Gatten302, die eine Untersuchung der Todesszenen im Genji monogatari vorgenommen hat, zeigt, daß Murasaki Shikibu die „good deaths“ 303 ihres Romans nach der Amida-buddhistischen Tradition, wie sie in den ôjôden dargestellt ist, entworfen hat. Ein Beispiel für diese These findet sich im Vergleich zwischen der Geschichte 6 des Nihon ôjô gokuraku ki und der Beschreibung von Ôigimis Tod. Die Lebensbeschreibung des Tendai-Bischofs Zômyô (843-927) endet in der folgenden Passage: The master [Zômyô] quickly developed a slight illness. He cleaned his cell and told his disciples, “All those born as men must die. The Buddha will be my guide. None of you is to remain near me.“ That night a golden light suddenly shone forth, and purple clouds appeared. Music filled the skies and fragrance pervaded the cell. The master bowed to the west in adoration and meditated upon the Buddha Amida. Having burned incense, he leaned upon an armrest and died as if falling asleep. The smoke rising from his funeral pyre was fragrant.304 Wie Zômyô wird auch die tote Ôigimi als „sanft schlafend“ („Agemaki“ II:593; 4:463) beschrieben. Außerdem erinnert der „köstlich[e] und sehnsuchtweckend[e]“ Duft (ebd.), der aufsteigt, als man ihr als Vorbereitung auf die Kremation die Haare kämmt, an den Duft, der von dem Scheiterhaufen des Heiligen aufsteigt. Die Geschichte 33 des Nihon ôjô gokuraku ki erzählt von dem Tod eines frommen Laien: Although it was summer and several days passed before the funeral, the body did not decay but remained as it had been in life.305 Norma Field kommt zu der Erkenntnis, daß dieser wundersame Zustand auch bei den Leichen von Murasaki und Ôigimi eintritt.306 Mitsusada und Ôsone Shômuke. Nihon shisô taikei; 7. Hrsg. von Midorigawa Tôru [?]. Tôkyô: Iwanami 19826, (S.9-42), S.38. 302 Die folgende Ausführung vgl. Aileen Gatten: Death and Salvation in Genji Monogatari, S.20-24. 303 Ebd., S.9. 304 Übernommen von Aileen Gatten: ebd., S.21. Im Original findet sich die Geschichte bei Yoshishige: Nihon ôjô gokuraku ki. In: Ôjôden - hokke genki, S.21. 305 Übersetzung übernommen von Aileen Gatten: Death and Salvation in Genji Monogatari, S.22. Im Original findet sich die Geschichte bei Yoshishige: Nihon ôjô gokuraku ki. In: Ôjôden - hokke genki, S.37. 306 Siehe Norma Field: The Splendor of Longing in The Tale of Genji, S.251. 77 Ein weiteres Beispiel für einen Vergleich zwischen einer Todesszene des Genji monogatari und einer Amida-buddhistischen Vorlage läßt sich durch ein weiteres ôjôden ziehen. In dem frühen Werk Nihon ryôiki („Wundersame Geschichten Japans“, ca. 785-822) des Mönches Kyôkai findet sich die folgende Passage zum Tod des berühmten Mönches Dôshô (?-700): At the time of his death, he purified himself in the bath, changed his clothes, and seated himself facing west. Light filled the room, and he opened his eyes and asked his disciple Chichô, “Did you see the light?“ Chichô replied, „Yes, I did.“ Then Master Dôshô asked him not to tell others of it. Very early the next morning a light emanated from the hall and moved round to illuminate the pine trees in the garden. Presently it flew away to the west. All of his disciples were struck with wonder, and it was at that very moment that the Most Venerable 307 Master passed away seated calmly, facing west. Auch von Murasakis toten Körper geht ein „wundervoller Glanz“ („Minori“ II:342; 4:185) aus, der noch einige Zeit nach ihrem Tod anhält. Das Erscheinen eines mysteriösen Lichtes im Moment des Todes bzw. der Hinübergeburt steht in der Tradition des Muryôju-kyô. Wie bereits eingangs erwähnt, wird dort beschrieben, wie Amida Buddha beim Abholen des Sterbenden ins Reine Land einen großen Lichtstrahl auf den Gläubigen wirft308, wodurch er für die Außenstehenden selbst zu leuchten scheint. 307 Kyôkai: Legenden aus der Frühzeit des japanischen Buddhismus [Nippon-KokuGembô-Zenaku-Ryô-I-Ki]. Übersetzt und eingeleitet von Hermann Bohner. Hrsg. von der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens unter Beteiligung der Ôsaka Tôyôgakkai (Ôsaka Ostasiatische Gesellschaft); Band 27. Tôkyô: Kommissionsverlag von Otto Harrassowitz, Leipzig 1934, (Buch I, Legende 22), S.134. 308 Siehe Abschnitt II.1. Vgl. Allen A. Andrews: The Teachings Essential for Rebirth, S.15-16. 78 V.4. Die Symbolik der Uji-Kapitel V.4.A. Genshin als Modell für Yokawa no Sôzu Seit dem Kommentarwerk Kakaishô (ca.1362-1368) wird angenommen, daß der Mönch Yokawa no Sôzu, der in den letzten beiden Kapiteln des Genji monogatari auftritt, dem historischen Mönch Genshin (942-1017) nachempfunden ist. 309 Als Beweis dafür wird die folgende Passage herangezogen 310 : Damals lebte in Yokawa ein sehr wunderkräftiger Mönch, Sôzu Soundso. Er besaß eine schon achtzig Jahre alte Mutter und eine jüngere Schwester von etwa fünfzig Jahren („Tenarai“ II:888; 5:339). Genshin trug ebenso wie dieser den Titel „Yokawa no sôzu“.311 Auch er hatte eine jüngere Schwester: Anyô-in (953-1034). In der Zeit als Murasaki Shikibu die UjiKapitel schrieb (um 1010), war Genshin 69 Jahre alt. Der Sôzu des Genji monogatari sagt im Kapitel „Tenarai“: „Schon [mehr als]312 sechzig Jahre bin ich auf dieser Welt, aber etwas so Wunderliches habe ich noch nie erlebt!“ („Tenarai“ II:894; 5:346). Yokawa, in dem Genshin zurückgezogen lebte, befindet sich auch in direkter Nachbarschaft mit Ono, wo sich das Nonnenkloster der Uji-Kapitel befindet.313 Dorthin steigt der Sôzu aus den Bergen ab, wenn er seine dort lebende Mutter, seine Schwester und Ukifune besuchen will. 309 Siehe Yottsutsuji no Yoshinari: Kakaishô. In: Kokubun chûshaku zensho. Hrsg. von der Kokubun-in daigaku shuppan-bu. Tôkyô: 1908, (S.1-455), S.444. Vgl. auch Okazaki Yoshie: Genji monogatari no shûkyôteki seishin, S.110. Die einzige Kritik an diesem Vergleich, die ich gefunden habe, stammt von Edward Kamens: Genshin´s „Shadow“. In: Approaches to Teaching Murasaki Shikibu´s the Tale of Genji. Hrsg. von Edward Kamens. The Modern Language Association of America. (Approaches to Teaching World Literature; 47. Hrsg. von Joseph Gibaldi). New York 1993, (S.132-141), S.132. 310 Siehe beispielsweise bei Hayami Tasuku: Genji monogatari to jôdo shisô, S.201. 311 Das Folgende ebd. 312 Einschub von mir. Im Original steht: [...] musoji ni amaru toshi [...]. 313 Siehe Shirane Haruo: The Bridge of Dreams, S.195. 79 Genshin war bei den adligen Frauen beliebt und bekannt für seine große Menschenliebe314, - ein Zug, den auch den Sôzu in seiner Errettung der Ukifune auszeichnet. Mit den folgenden Worten setzt er sich gegen seine Begleiter durch, die ihn davor gewarnt haben, sich um die Bewußtlose zu kümmern: Ob dieses Frauenwesen, das von einem Dämon oder einem Gott verzaubert worden ist, durch böse Menschen aus dem Haus gejagt oder von einem Verführer hinausgelockt worden ist, es ist in jedem Falle ein Mensch, dem ein gewaltsamer Tod zu sterben droht. Es ist ein Mensch, dem Buddha helfen wird („Tenarai“ II:893; 5:345). Die durchweg positive Beschreibung Genshins über die Person des Yokawa no Sôzu 315 steht auch im krassen Gegensatz zu der des herzlosen und strengen Azari . Da- durch will die Autorin möglicherweise ihrer Bewunderung für Genshin Ausdruck verleihen. Genshin gesteht in der Tradition des Tanluan im Ôjôyôshû auch Frauen die Hinübergeburt ins Reine Land zu.316 Dies stellt in Japan einen revolutionären Ansatz dar, da Frauen im Tendai- und Shingon-Buddhismus größtenteils nur als „Verunreinigung“ angesehen wurden.317 V.4.B. Der Ort Uji Uji liegt umgeben von Bergen etwa 15 Kilometer Luftlinie südöstlich der Hauptstadt Heiankyô, eine Strecke, für die Kaoru zu Pferd die halbe Nacht benötigt („Hashihime“ II:461-462; 4:310-311). Am Anfang des 11. Jahrhunderts, also genau zu Murasaki Shikibus Lebzeiten, begann der Ort Uji für Vergnügungsausflüge einerseits und für religiöse Beschäftigung andererseits bekannt zu werden.318 Uji ist 314 Siehe Shirane Haruo: The Bridge of Dreams, S.195. Siehe Abschnitt V.2.B. Vgl. Okazaki Yoshie: Genji monogatari no shûkyôteki seishin, S.106. 316 Jedoch geschieht dies, wie Kobayashi Masaaki betont, nicht explizit (siehe ders.: Nyonin ôjôron to Uji jûjô. In: Kokugo to kokubungaku, 1987:8 (#763), Tôkyô: Tôkyô Daigaku kokugo kokubun gakkai 1987, (S.21-38), S.21). 317 Siehe Shirane Haruo: The Bridge of Dreams, S.195/Fußnote 27. Das Lotus-Sûtra deutet, wenn auch sehr vage, in seinem Kapitel 20 ebenso eine Möglichkeit der Erlösung für Frauen an. Dabei muß sich die Frau, wie auch im AmidaBuddhismus, zuerst in einen Mann verwandeln. 318 Siehe Murai Yasuhiko: Jôdokyô to kizoku seikatsu, S.514. 315 80 berühmt für die Betrachtung des Herbstlaubes319 (zwei solche Ausflüge nach Uji werden in den Uji-Kapiteln beschrieben: der von Niou in „Shiigamoto II:485-489; 4:340-344 und der von Kaoru und Niou in „Agemaki“ II:567-572; 4:435-439). Uji stellt einen Verkehrsknotenpunkt dar und ist eine Station für Pilger auf dem Weg zum Hatsuse-Tempel (mehrere Personen im Genji monogatari machen diese Wallfahrt, so zum Beispiel Niou in „Shiigamoto“ II:484; 4:339 und Ukifune in „Yadorigi“ II:700; 5:120). Außerdem beerdigen die Fujiwara ihre Toten in den Hügeln um Uji und erreichen ihren Schutzschrein Kasuga und Schutztempel Kôfuku-ji über Uji. 320 Der Ort Uji, der mit Ujigawa (der Uji-Fluß), Uji no ajiro (die Fischreuse von Uji) und Uji (no) hashi (die Uji-Brücke) drei makurakotoba321 vorweisen kann322 und somit einen festen Platz in der japanischen Lyrik hat, hat auch eine poetische Assoziation. Uji wird mit dem Wort ushi („verlassen“, „traurig“, „düster“) in Zusammenhang gebracht, eine Assoziation, die zum ersten Mal in folgendem Gedicht des Kokinshû323 zu finden ist: Serene is my dwelling, southeast of the capital; but people seem to think it´s in the world-loathing 324 hills of Uji. Hier wird Uji mit einer religiösen Weltabgewandtheit in Zusammenhang gebracht, wie wir sie mit dem Begriff des enriedo kennengelernt haben. 319 Siehe ebd., S.506. Vgl. Norma Field: The Splendor of Longing in The Tale of Genji, S.221. 321 Wörtlich „Kissenwörter“, stehende Attribute der Lyrik, zumeist fünfsilbig, die das Kurzgedicht tanka (in der Oberstrophe in 5-7-5 und in der Unterstrophe in 7-7 Silben eingeteilt) einleiten. Die makurakotoba assoziieren lautlich, inhaltlich und metaphorisch. 322 Siehe The Princeton Companion to Classical Japanese Literature, S.440. 323 Der volle Titel lautet Kokinwakashû: „Sammlung japanischer Gedichte aus alter und neuer Zeit“. Auf Befehl des Kaisers Daigo (897-930) um 905 kompiliert. 324 Übersetzung übernommen von Norma Field: The Splendor of Longing in The Tale of Genji, S.218. 320 81 Uji hat nämlich auch eine Amida-buddhistische Tradition, auf die Murasaki Shikibu möglicherweise durch die Wahl dieses Schauplatzes, den sie gut kannte325, hinweisen wollte. Dort belebte Genshin den Tempel Eshin-in wieder326 und Michinaga ließ dort den Jôdo-Tempel Jômyô-ji erbauen327. Außerdem unterhielt Minamoto no Tôru die Villa Uji-in an der Stelle, an der später Michinagas Sohn Yorimichi den bis heute erhaltenen Tempel Byôdo-in erbaute. Dieser symbolisiert in seinem Aufbau Amidas Reines Land.328 V.4.C. Die Himmelsrichtung Westen Die Himmelsrichtung Westen ist in den Uji-Kapiteln mehrmals erwähnt. Da die Gläubigen in dieser Himmelsrichtung das „Westliche Paradies“ vermuten, besitzt diese eine starke Amida-buddhistische Symbolik. So befindet sich die bescheidene Villa Hachi no miyas auf der gleichen Seite des Uji-Flusses wie die Hauptstadt Heiankyô („Hashihime“ II:46; 4:310), also östlich, während die prachtvolle Villa, die Genji erbauen ließ und die nun seinem Sohn Yûgiri gehört, auf der anderen Seite („Shiigamoto II:485; 4:340), also westlich des Flusses liegt. Man nimmt an, daß diese Villa der bereits erwähnten Villa Uji-in von Minamoto no Tôru nachempfunden ist. 329 Die „seltsame“ und „seltene“ Reise330 über den Uji-Fluß, die Niou mit Ukifune in einem Boot macht und bei der sie an der wundersamen Tachibana-Insel vorbeikommen, auf der tausend Jahre alt werdende Bäume wachsen, führt somit auch nach Westen. Dieses Bild entspricht außerdem der Metapher für die Hinübergeburt, in der der Gläubige bei seinem Tod in einem Boot über das Wasser fährt, das ihn von Amidas Westlichem Paradies trennt.331 325 Siehe Murai Yasuhiko: Jôdokyô to kizoku seikatsu, S.507. Vgl. ebd., S.480. 327 Vgl. Hayami Tasuku: Genji monogatari to jôdo shisô, S.205. 328 Siehe Norma Field: The Splendor of Longing in The Tale of Genji, S.226. 329 Vgl. ebd. 330 „Ukifune“ II:800-801; 5:236-237. Benl übersetzt mezurashi („Ukifune“ 5:237) mit „seltsam“ (II:801), jedoch ist auch „selten“ möglich. 331 Vgl. Abschnitt V.II.B. 326 82 Field kommt in ihrer Untersuchung außerdem zu der Erkenntnis, daß die Villa des Hachi no miya in eine Ost- und eine Westhälfte eingeteilt ist.332 Die beiden Töchter Ôigimi und Nakanokimi bewohnen den östlichen Teil, während sich in dem westlichen Teil ein Andachtsraum befindet, in dem eine Buddha-Statue untergebracht ist. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich hierbei um eine Statue des Amida Buddha.333 Hachi no miya selbst wohnt in einem den Andachtsraum wiederum westlich angrenzenden Vorraum. V.4.D. Berg-Fluß-Boot In den Uji-Kapiteln benutzt die Autorin eine dichte Symbolik. Als grundlegende symbolische Elemente setzt sie die Berge um Uji und Ono, den Uji-Fluß und das Bild des Bootes ein. Die Berge symbolisieren das religiöse Leben. Im lyrischen Kontext bedeutet „in die Berge gehen“ (nyûzan) dasselbe wie Mönch bzw. Nonne werden.334 Der Fluß symbolisiert laut Konishi dagegen die spirituelle Blindheit. 335 Der Uji-Fluß hat dabei durch die lyrische Tradition bereits ausdrücklich eine negative Assoziation.336 Murasaki Shikibu bedient sich hier vermutlich der buddhistischen Konvention, die Fluß- und Seesymbolik als Metapher für Liebesqualen einzusetzen.337 Ein Grundthema des Genji monogatari, das sich in den Uji-Kapiteln immer mehr zuspitzt, ist nämlich, daß die erotische Liebe ein religiöses Leben verhindert. Schon Genji sagt am Ende seines Lebens, daß es ein Fehler war, sich in Frauen zu verlieben, und bedauert, daß er immer noch nicht Mönch geworden ist („Maboroshi“ II:359; 5:204). 332 Das Folgende siehe Norma Field: The Splendor of Longing in The Tale of Genji, S.226-227. 333 Siehe Murasaki Shikibu: Genji monogatari. Nihon koten bungaku taikei; 14-18, 4:356/Anmerkung 13. 334 Siehe Konishi Jin´ichi: Genji monogatari no imejeri, S.227. 335 Siehe Konishi Jin´ichi: A History of Japanese Literature. „The Early Middle Ages“, S.343. 336 The Princeton Companion to Classical Japanese Literature, S.440. 337 Siehe Konishi Jin´ichi: A History of Japanese Literature. „The Early Middle Ages“, S.344. 83 Als Hachi no miya mit seinen Töchtern in sein Haus am Uji-Fluß zieht, muß er feststellen, daß der Ort aufgrund des lauten Dröhnens des Flusses für seine „buddhistischen Übungen“ nicht geeignet ist („Hashihime“ II:455; 4:303). Bald darauf heißt es: Als der Herbst zu Ende ging, begab sich der Prinz, da ihn das Rauschen des Uji-Flusses an den Fischreusen neuerdings zu sehr störte, wie in allen vier Jahreszeiten zur Nembutsu-Übung in den Bergtempel, wo der Azari hauste [...] („Hashihime“ II:461; 4:310). Der streng religiöse Hachi no miya sieht von seinem Teil des Hauses aus genau diese Berge, während seine von Liebesanwärtern geplagten Töchter von ihren Räumen aus mit dem Blick auf den verstörend lärmenden Uji-Fluß vorlieb nehmen müssen. 338 Das Bild des Bootes drückt eine zweifache Symbolik aus: einerseits ist es eine Metapher für die Hinübergeburt 339 , andererseits dient es laut Konishi dazu, solche Personen zu symbolisieren, die zwischen Religiosität und spiritueller Blindheit umherirren.340 Diese beiden Aspekte schließen sich jedoch nicht aus. Sieht man das ganze Leben eines Menschen mitsamt seinen Verirrungen als Weg an, der zur Hinübergeburt führt, so sind sie durchaus vereinbar. Diese Doppelbödigkeit der Bootsymbolik findet in der Episode, in der Ukifune im Boot Richtung Westen über den Fluß fährt341, einen geradezu genialen Ausdruck. Ukifunes seelische Verfassung verkörpert dabei den Inbegriff eines verirrten Zustandes, was durch das folgende Gedicht deutlich wird: Auf dieser Insel wird das Grün der Bäume sich nicht verändern, aber wohin wird denn wohl das kleine Boot da treiben? („Ukifune“ II:801; 5:237). 338 Vgl. Norma Field: The Splendor of Longing in The Tale of Genji, S.227. Vgl. Abschnitte V.2.B. und V.4.C. 340 Siehe Konishi Jin´ichi: A History of Japanese Literature. „The Early Middle Ages“, S.345. 341 „Ukifune“ II:800-801; 5:236-237. 339 84 Ukifune, deren Name „treibendes Boot“ bedeutet, erhielt denselben aufgrund dieses Gedichtes. Sie wird im Roman selbst nie mit diesem bezeichnet, sondern verdankt ihn späteren Lesern, die sie aufgrund dieses von ihr verfaßten Gedichtes und dem danach benannten Kapitelnamen so benannten. 342 Dadurch wird folgende Assoziation möglich: Ukifune, das „treibende“ Boot, sitzt in einem Boot, das sie in Amidas Reines Land bringt. Die Bootsymbolik hat daher auch ein glückverheißendes Moment, das Kaoru, dem anderen „Verirrten“ der Uji-Kapitel, nicht zuteil wird. Im Kapitel „Kagerô“ zum Beispiel liest man über ihn: Kaoru überlegte [...] bedrückt, daß er zwar einmal zu einem frommen Leben entschlossen gewesen war, nun aber doch einen falschen Weg wandelte und nur immer wieder neuen Liebeskummer erfuhr. Hätte ich mich damals von der Welt zurückgezogen, lebte ich jetzt tief in den Bergen und müßte mich nicht quälen („Kagerô“ II:871; 5:315). Kaoru spürt Ukifune in ihrem Versteck in Ono auf. Die Tatsache, daß Kaoru erneut versucht, sie für sich zu gewinnen, zeigt, daß er immer noch zwischen der Liebe und dem buddhistischen Weg hin und her irrt. Er läßt ihr auch folgendes Gedicht überbringen: Zum Führer wählte ich mir zwar den Priester heiligen Gesetzes, und doch verlief ich mich auf unbekanntem Bergpfad („Yume no ukihashi“ II:966; 5:433). Im Gegensatz zu Kaoru, der bis zuletzt auf unsicheren Pfaden bleibt, sprechen mehrere Indizien dafür, daß Ukifune dem religiösen Weg, den sie betreten hat, treu bleiben wird.343 Diese sind einerseits ihr als positiv beschriebenes neues Leben als Nonne, andererseits die tatkräftige und verständnisvolle Unterstützung des Sôzu, der ihr verspricht: „Ich werde Euch zur Seite stehen, solange ich lebe“ („Tenarai“ II:939; 5:398) und schließlich die Bootsymbolik, mit der sie in Zusammenhang gebracht 342 Siehe Konishi Jin´ichi: A History of Japanese Literature. „The Early Middle Ages“, S.344. 343 Vgl. Shirane Haruo: The Bridge of Dreams, S.194/bzw.198. 85 wird. Jedoch liegt der Weg der Erlösung noch vor ihr344: Dies erkennt man an dem folgenden Gedicht, das sie schreibt, kurz nachdem sie Nonne geworden ist. Erneut greift sie die Bootsymbolik auf: Von dem Gestade dieser traurigen Welt brach ich wohl auf, doch nun treibt unbekannten Zieles das Boot dahin („Tenarai“ II:934; 5:392). V.4.E. Der nikabyakudô Die reichste Symbolik erlebt von dem Dreiergespann Berg-Fluß-Boot der Fluß. 345 Naka Tetsuhiro346 zeigt in einem Aufsatz auf, daß in die Symbolik des Flus- ses Shandaos Gleichnis des nikabyakudô eingewoben ist.347 Dieses Gleichnis von den „zwei Strömen und dem weißen Pfad“ beruht auf einem alten buddhistischen Bild, in dem der Weg zur Befreiung als das Überqueren eines Wassers zum „anderen Ufer“ dargestellt wird.348 Shandaos Version dieser Metapher, die bereits Sâkyamuni verwandte349, findet sich in der Schrift Sanzengi (chin. San shan yi, „Das Prinzip der Verbreitung des Guten“) seines Werkes Kangyôsho (chin. Guan jing su, „Kommentar zum Sûtra der Meditation“). Sie erlangte große Bekanntheit. Sie lautet: 350 Es war einmal ein Reisender, der, als er 100.000 ri in Richtung Westen gegangen war, auf zwei Flüsse stieß. Der eine, der im Süden war, war ein Feuerfluß und der andere, der im Norden war, ein Wasserfluß. Die Breite der Flüsse betrug jeweils 100 Schritte und ihre Tiefe war unendlich, so daß der Reisende sie nicht überqueren konnte. Zwischen dem Feuerfluß und dem 344 Vgl. Mori Ichirô: Ukifune wa kyûsai sareta ka. Kokubungaku - kaishaku to kyôzai no kenkyû. 25:6. Tôkyô: Gakutôsha 1980, (S.142-145), S.145. 345 Vgl. Ivan Morris: Der leuchtende Prinz, S.348. 346 Der Vorname ist nicht gesichert. 347 Naka Tetsuhiro: Etoki `Genji monogatari´ - Ukifune monogatari to `nikabyakudô´. In: Nihongaku: rekishi bungaku shûkyô. Meichô kankôkai; 14, Tôkyô 1989, (S.191202). Vgl. auch Abschnitt V.2.B. und V.4.C. 348 Siehe Volker Zotz: Der Buddha im Reinen Land, S.83. 349 Siehe ebd. 350 Ein ri entspricht 3,93 km. 100.000 ri sind also 393.000 km. 86 Wasserfluß war ein schmaler weißer Pfad, dessen Breite 4 oder 5 sun351 betrug und der zum anderen Ufer hinüberführte. Jedoch schlugen von dem Wasserfluß aus Wellen über den Pfad und durchnäßten ihn und von dem Feuerfluß aus leckten Flammen an ihm und verbrannten ihn, weswegen er unüberquerbar schien. Weit und breit war kein Mensch zu sehen, doch hatte eine Schar von Räubern und eine Schar von wilden Tieren ihn entdeckt und kamen angerannt um ihn zu töten. „Diese Flüsse fließen im Norden und Süden ohne zu enden immer weiter. Deswegen gibt es außer dem weißen Pfad keine Möglichkeit, die Flüsse zu überqueren. Doch ist der Pfad, obwohl es bis zum anderen Ufer gar nicht mal so weit ist, überhaupt nicht passierbar, weil er wirklich sehr schmal ist und die Wellen und Flammen abwechselnd über ihn schlagen. Gehe ich den Weg zurück, den ich gekommen bin, verfolgen mich die Scharen von Räubern und wilden Tieren, versuche ich nach Norden oder Süden entlang der Flüsse zu fliehen, werden mich Scharen von bösen Tieren und giftigen Insekten angreifen. Gehe ich über den Pfad zum westlichen Ufer, werde ich gewiß in den Wasserfluß oder den Feuerfluß fallen. Kehre ich um, sterbe ich, bleibe ich hier, sterbe ich, gehe ich voran, sterbe ich. Wenn ich in jedem Falle sterben muß, dann gehe ich über den weißen Pfad. Da der Pfad bis zum jenseitigen Ufer hinüberreicht, werde ich bestimmt auf die andere Seite gelangen.“ Als er im letzten Moment, als er keinen anderen Ausweg mehr sah, sich hierzu entschloß, hörte er eine Stimme, die vom diesseitigen (östlichen) Ufer kam: „Entschließe dich fest dazu, den Pfad zu beschreiten und gehe hinüber. Du wirst es sicher schaffen. Wenn du hier bleibst, wirst du sterben.“ Dann erschien eine Menschengestalt am jenseitigen (westlichen) Ufer und sagte: „Zögere nicht. Gehe geradewegs hinüber. Ich werde dir helfen, weswegen du nicht in den Wasserfluß oder den Feuerfluß fallen wirst.“ Als er daraufhin ohne zu zögern eine kleine Strecke auf dem weißen Pfad gegangen war, rief ihn die Räuberschar vom diesseitigen (östlichen) Ufer zurück: „Dieser Pfad ist gefährlich. Du wirst nicht am anderen Ufer ankommen, sondern auf dem Weg fallen und sterben. Komm zurück! Wir werden dir keinen Schaden zufügen.“ Obwohl er die Stimmen vernahm, blickte er sich nicht um, sondern folgte innig glaubend dem Pfad. Er erreichte das andere (westliche) Ufer und entkam auf 352 diese Weise dem Unglück. Shandao kommentiert sein Gleichnis folgendermaßen: Das östliche Ufer repräsentiert die korrupte und leidvolle Welt, das westliche Ufer Amidas Reines Land. Die beiden Flüsse symbolisieren die egoistischen Triebe des Menschen, der Feuerfluß Haß und Zorn, der Wasserfluß Liebesgier. Der weiße Pfad steht für Amidas Gelöbnis, das besagt, daß jeder ins Reine Land gelangen kann, der an ihn glaubt. Die Stimme, die aus dem Osten ertönt, ist die von Sâkyamuni. Der Reisende kann ihn nicht sehen, son-dern nur hören, weil Sâkyamuni bereits ins Nirvâna 351 352 Ein sun ist 3,03 cm lang. 4 sun entsprechen also 12,12 cm, 5 sun 15.15 cm. Übersetzung der modernen Wiedergabe des Originals bei Naka Tetsuhiro: Etoki `Genji monogatari´ - Ukifune monogatari to `nikabyakudô´, S.192-193. Übersetzung von mir. 87 eingegangen ist. Der Mensch kann nicht mehr zu ihm gelangen, seine Lehre jedoch vernehmen. Die Gestalt, die im Westen erscheint, ist Amida Buddha. Amida, der strenggenommen noch ein Bodhisattva ist, ist in diesem Zeitalter für die Erlösung der Menschen zuständig. Er wird von Sâkyamuni unterstützt. 353 Übertragen auf die Geschichte der Ukifune kommt Naka zu folgenden Parallelen: Die Liebe Nious, die er Ukifune auf dem Fluß verspricht („Ukifune“ II:801; 5:236) entspricht der Liebesgier des Wasserflusses. 354 Kaorus Wut, als er von der Affäre zwischen Niou und Ukifune erfährt, entspricht dem Haß und Zorn des Feuerflusses. Dieses Bild wird dadurch verstärkt, daß Kaorus Männer, die Ukifune bewachen, wild mit dem Bogen hantieren und „Habt acht vor Feuer! Habt acht vor Feuer!“ rufen („Ukifune“ II:831; 5:271).355 Ukifune gerät in ein Dilemma. Sie hat das Gefühl, daß sie einen der beiden akzeptieren muß, da sie sonst keinen Rückhalt mehr durch den damit verbundenen Unterhalt hat. Niou, von dem sie sich angezogen fühlt, will nur der körperlichen Liebe frönen, so wie er es bei ihrem Ausflug gemacht hat („Ukifune“ II:800-805; 5:236-241), würde sie aber als Ehefrau genauso vernachlässigen wie ihre Schwester Nakanokimi. Kaoru würde sie dagegen gut behandeln, jedoch empfindet sie keine Zuneigung zu ihm. Da sie sich nun mit Niou eingelassen hat, fürchtet sie, daß Kaoru dahinter kommt und ihr zürnt. Seinen Zorn fürchtet sie über alles. Kaorus Macht über Ukifune ist größer als die Nious. Es gelingt ihm, Niou durch verstärkte Bewachungsmaßnahmen von Ukifune fernzuhalten. Schließlich ist es auch die Angst vor Kaorus Zorn, die Ukifune zum Selbstmord treibt.356 Der Leser muß nach ihrem Verschwinden („Kagerô“ II:836; 5:277) annehmen, daß sie sich in die rauschen-den Fluten des Uji-Flusses gestürzt hat. 353 Siehe Naka Tetsuhiro: Etoki `Genji monogatari´ - Ukifune monogatari to `nikabyakudô´, S.193. 354 Siehe ebd., S.196. 355 Siehe ebd., S.197. 356 Vgl. ebd. und Norma Field: The Splendor of Longing in The Tale of Genji, S.280-281. 88 Kaoru fühlt sich für das Unglück verantwortlich: Kaoru empfand Haß und Grauen vor diesem Wasser [Uji-Fluß]. [...] Es ist beinahe [...], als hätte ich sie mit eigenen Händen in den Fluß gestoßen! („Kagerô“ II:860; 5:304). Ukifune wird jedoch auf wundersame Weise von Kannon gerettet („Tenarai“ II:900; 5:354), der ja, wie bereits erwähnt, einer der beiden wichtigsten Begleitbodhisattva Amidas ist. Es gibt eine Szene, bevor Ukifune Nonne wird, die Naka symbolisch für die Situation des Reisenden des Gleichnisses hält, in der er vor dem weißen Pfad 357 stehend weder vor noch zurück weiß : In dieser Szene erschreckt sich Ukifune vor der alten Nonne, in deren Zimmer sie sich versteckt hält, um dem aufdringlichen Chûjô zu entkommen. Die Alte sieht so schrecklich aus, daß sie sie für einen Dämon hält. Ukifune sagt zu sich: In so jämmerlichen Zustand bin ich wieder in das Leben und die Menschenwelt zurückgekehrt, und ich bin verzweifelt, wenn ich an all das Leid denke, das ich schon erfahren mußte. Wäre ich freilich gestorben, umgäben mich in der Hölle noch schrecklichere Dämonen als hier! („Tenarai“ II:926; 5:383). Ukifune, die sich vor dem Leben auf Erden fürchtet, weiß, daß Selbstmord keine Lösung ist. Hätte sie sich das Leben genommen, wäre dies ein schweres Vergehen gewesen, weswegen sie in einer der Höllen gelandet wäre. 358 Dort wären noch viel schrecklichere Wesen über sie hergefallen, als Menschen es sind. Weder das Leben, das sie jetzt führt, noch der Tod scheinen einen Ausweg aus ihrem Unglück zu bieten. Doch genau wie in der Parabel der „zwei Ströme und des weißen Pfades“ 357 Siehe Naka Tetsuhiro: Etoki `Genji monogatari´ - Ukifune monogatari to `nikabyakudô´, S.197/5 und Norma Field: The Splendor of Longing in The Tale of Genji, S.198. 358 Der Buddhismus mißbilligt genauso wie den „Durst nach Existenz“ den „Durst nach Nicht-Existenz“. Der „Durst“ (skr. trsnâ, jap. katsuai) im Sinne von „Gier“ wird neben der Unwissenheit (skr. avidyâ, jap. mumyô) als die Ursache für das Leiden angesehen. Der Selbstmord zerstört die Chance des Menschen sein Ich aufzulösen und dadurch dem Leiden ein Ende zu bereiten. Er wird wiedergeboren werden und steht dann wieder vor ähnlichen Schwierigkeiten. Kosmologisch gesehen fällt der Mensch in eine niedrigere Lebensstufe zurück und muß durch viele Reinkarnationen hindurch erst wieder einmal zum Mensch wiedergeboren werden, bevor er die Möglichkeit zur Erlösung wieder erlangt. Es gibt mitunter die Vorstellung, daß Selbstmörder in der Hölle wiedergeboren werden. 89 tut sich inmitten der egoistischen Triebe der Menschen plötzlich ein Weg der Erlösung auf, der durch das Vertrauen in eine jenseitige Macht begehbar wird.359 Iwase hält dies für eine Schlüsselszene, da diese seelische Notsituation seiner Meinung nach notwendig ist, um die Erlösung zu erlangen.360 Bald darauf wird Ukifune Nonne („Tenarai“ II:931-932; 5:389-390), worüber sie sehr erleichtert und glücklich ist („Tenarai“ II:933; 5:391). Ihre Nonnewerdung und ihre täglichen religiösen Übungen bedeuten ein Schritt nach dem anderen über den „weißen Pfad“. 361 Bei den buddhistischen Übungen handelt es sich vornehmlich um Amida-buddhistische.362 Das wird einerseits aus der Belehrung des Sôzu nach Ukifunes Weihe deutlich: „Ihr solltet Euch nun“, ermahnte der Sôzu Ukifune, „ernsthaft der Anrufung von Buddhas Namen widmen“ („Yume no ukihashi“ II:938; 5:397). Andererseits gibt es auch eine Szene, in der Ukifune das nembutsu ausführt („Yume no ukihashi“ II:961; 5:426). Der „weiße Pfad“ wird in den Uji-Kapiteln als Brücke dargestellt. Die Autorin selbst liefert in der folgenden Szene den Beweis: Ob mich in dieser Nacht wohl ein Dämon verschlingen wird, ängstigte sich Ukifune. Sie hatte zwar ihrem Leben noch nie großen Wert beigemessen, doch sie war furchtsamen Gemütes und fühlte sich nun so beunruhigt wie 363 jene, die vor der Brücke zurückschauerte („Tenarai“ II:925; 5:382). Das Bild der Brücke paßt sehr gut zu dem Gleichnis des nikabyakudô. Vergegenwärtigt man sich, wo die beiden Flüsse des Gleichnisses nun genau verlaufen, kommt 359 Vgl. Volker Zotz: Der Buddha im Reinen Land, S.84. Iwase Hôun: „Genji monogatari no kôsô no hatten to bukkyô shisô“, S.17. 361 Vgl. Naka Tetsuhiro: Etoki `Genji monogatari´ - Ukifune monogatari to `nikabyakudô´, S.199. 362 Laut Kommentar handelt es sich bei den Übungen einerseits um das nembutsu, andererseits um das Lesen der Sûtra (siehe 5:397/Anmerkung 28). 363 Im Kommentar steht, daß es sich hier um den Bezug auf ein älteres monogatari handelt, jedoch nimmt er einen nicht geklärten buddhistischen Hintergrund an (siehe 5:382/Anmerkung 8 bzw. 5:490/Anmerkung 568). Dieser könnte der nikabyakudô sein. 360 90 man zu der Erkenntnis, daß der Wasserfluß von Norden und nicht im Norden und der Feuerfluß von Süden und nicht im Süden verläuft. Die Flüsse laufen von beiden Seiten senkrecht aufeinander zu und verschwinden auf wunderbare Weist kurz vor der Mündungsstelle. Dadurch ergibt sich bildlich gesehen ein Fluß, über den der „weiße Pfad“ eine Art Brücke darstellt. Volker Zotz gibt den Anfang des Gleichnisses, ganz anders als Naka, auch in diesem Sinne wieder: „Ein nackter Wanderer reist in Richtung Westen einem fernen Ziel entgegen. Weit ist er schon gekommen, und viel hat er erlebt, als er das Ufer eines reißenden Stromes erreicht. Zwei große, gegenströmende Flüsse treffen an dieser Stelle aufeinander. In dem einen fließt eiskaltes Wasser, im anderen feurig heiße Flüssigkeit. Der feurige Strom kommt von Süden, der eisige aus dem Norden. Genau am Mündungsort erkennt der Wanderer einen schmalen 364 weißen Pfad, der auf die andere Seite führt. [...]. Die Brücke, die hierfür in den Uji-Kapiteln verwendet wird, ist die Uji-Brücke, die in dem Ort Uji über den Uji-Fluß führt. Als Ukifune zum ersten Mal Auftritt, überquert sie gerade in einem Wagen genau diese Brücke („Yadorigi“ II:700; 5:219-220). Ukifune auf der Brücke, ein Bild, das von nachhaltiger Bedeutung ist. 365 Die Beschreibung des Flusses im folgenden Gedicht paßt auch genau in die Symbolik des Gleichnisses: Mögen die beiden Ufer durch die Wellen der Welt auch getrennt sein, wehet doch zu mir her Ihr Bergwind von Uji! („Shiigamoto“ II:487; 4:342). Im Laufe der Uji-Kapitel wird auch immer wieder die Gefährlichkeit der Brücke und des Flusses betont. Noch vor Auftreten Ukifunes wird beispielsweise die Gebrechlichkeit der Brücke konstatiert („Agemaki“ II:561; 4:428). 364 365 Volker Zotz: Der Buddha im Reinen Land, S.83-84. Vgl. Norma Field: The Splendor of Longing in The Tale of Genji, S.270. Field stellt hier keinen Vergleich mit dem nikabyakudô an, sondern mit der Assoziation der hashihime, der „Brückendame“, die der Legende nach seit dem Bau der UjiBrücke im 7. Jahrhundert die Reisenden beschützt. Zu der Diskussion, welche der drei Uji-Schwestern als hashihime anzusehen ist, siehe Ojima Naoko: Uji to wa nani ka - hashihime wa dare ka. In: Kokubungaku - kaishaku to kanshô; 579. Tôkyô: Shibundô 1980, (S.143-149). 91 Die nächste Szene spielt noch vor dem Selbstmordversuch und kann als schlechtes Omen angesehen werden: Die beiden Frauen [Ukifunes Mutter und eine Dienerin Ukifunes] erzählten sich [...] alte, schreckliche Geschichten über diesen reißenden Fluß. „Erst jüngst setzte der Enkel des Fährmanns, ein Kind noch, die Ruder falsch, stürzte hinein und ertrank. In den allermeisten Flüssen kommen viele Menschen ums Leben! („Ukifune“ II:813; 5:250). Als Ukifune im Fluß ertrunken zu sein scheint, sagt Kaoru in ähnlich fatalistischer Weise: Dieser Uji-Fluß spielte in unserem Leben wahrhaftig eine Schicksalsrolle! („Kagerô“ II:860; 5:304). Das Bild des nikabyakudô scheint bis ins Detail von der Autorin ausgefüllt zu sein. Als Niou mit Ukifune über den Fluß fahren will, sagt er: „Wie sollen wir nur dorthinüber gelangen?“ („Ukifune“ II:800; 5:236). Auch sie fahren in Richtung Westen. 366 Die wilden Tiere, die hinter dem Wanderer her sind, werden hier durch zahlreiche Dämonen, Füchse und wild bellende Hunde repräsentiert.367 So denkt die Mutter Ukifunes, daß Dämonen Ukifune geraubt haben („Kagerô“ II:841: 5:281). Auch die Leute des Sôzu denken sofort, als sie sie bewußtlos finden, daß sie von einem Fuchs verhext oder von einem Dämon besessen ist („Tenarai“ II:890-893; 5:341-345). Ukifune wird bei ihrem Selbstmordversuch tatsächlich von einem bösen Geist besessen und bleibt es, bis der Sôzu sie durch Exorzismus von ihm befreit („Tenarai“ II:900; 5:355). Doch auch danach fühlt sich Ukifune vor dem Geist nicht sicher. Sie schildert es so, als wenn sie noch immer von ihm besessen wäre, wohl mit dem Ziel, dem Sôzu die Dringlichkeit ihres Anliegens Nonne zu werden, nahe zu legen: „Der Mononoke-Geist368, der mich besessen hält, scheint mich nicht aufgeben zu wollen; ich möchte mich aber der Macht dieses bösen Dämons entziehen, ich sehne mich nach dem Glück des kommenden Lebens!“ („Yume no ukihashi“ II:956; 5:420). 366 Vgl. Abschnitt V.4.C. Vgl. Naka Tetsuhiro: Etoki `Genji monogatari´ - Ukifune monogatari to `nikabyakudô´, S.199. 368 Eine Bezeichnung für böse Geister. 367 92 Eine weitere Szene, in der sich Ukifune scheinbar einem Dämon gegenüber sieht und sich zu Tode ängstigt, spielt im Zimmer der alten Nonne („Tenarai“ II:925926; 5:382-383). Bedrohlich wirken auch die wild bellenden Hunde, die Niou schließlich von Ukifunes Aufenthaltsort in Uji vertreiben („Ukifune“ II:829-831; 5:269-271). Naka arbeitet ebenfalls die Vorstellung der shikuhakku aus der Geschichte um Ukifune heraus, die die Autorin einsetzt, um das Leiden der Welt auf dem „diesseitigen Ufer“ darzustellen. 369 Diese acht Leiden, von denen man die ersten vier als „Grundleiden“ und die letzten vier als „Nebenleiden“ bezeichnen kann, hat bereits Sâkyamuni Buddha festgelegt. 370 Die vier „Grundleiden“ sind: Geburt (skr. jâti-duhka, jap. shô-ku), Alter (skr. jarâ-duhka), Krankheit (vyâdhi-duhka, jap. byô-ku) und Tod (skr. marana-duhka, jap. shi-ku). In der Geschichte um Ukifune kommen außer der Geburt alle „Grundleiden“ vor. Die Krankheit wird laut Naka durch die Mutter des Sôzu dargestellt, die auf dem Heimweg von einer Wallfahrt nach Hatsuse einer schweren Krankheit erliegt. Der Sôzu läßt daraufhin mit der Gruppe der Reisenden einige Tage in Uji Halt machen („Tenarai“ II:888-889; 5:339-340), wo sie dann die bewußtlose Ukifune finden. In Form von der häßlichen Alten in Ono („Tenarai“ II:925926; 5:381-383) bekommt Ukifune auch das Leiden zu sehen, das das Alter mit sich bringt.371 Der Tod als letzte der „Grundleiden“ wird durch den vermeintlichen Tod Ukifunes dargestellt, der einer ganzen Reihe von Akteuren großes Leid bereitet.372 Die vier „Nebenleiden“ sind: erstens das Leiden, das dadurch entsteht, daß man von Lieben getrennt sein muß (skr. priya-viprayoge-duhka, jap. aibetsuri-ku), zweitens das Leiden, das dadurch entsteht, daß man mit Unlieben vereint sein muß (skr. apriya-samprayoge-duhka, jap. onzôe-ku), drittens das Leiden, das dadurch entsteht, daß man nicht erlangen kann, was man begehrt (skr. yad-apîcchayâparyesamâno-na-labhate-tad-api-duhka, jap. gufutoku-ku) und viertens das Leiden, 369 Vgl. Naka Tetsuhiro: Etoki `Genji monogatari´ - Ukifune monogatari to `nikabyakudô´, S.198-199. Sâkyamuni erläutert diese in seiner „Ersten Edlen Wahrheit“. Vgl. Fußnote 28. 370 Vgl. Klaus Mylius: Gautama Buddha - Die vier edlen Wahrheiten - Texte des ursprünglichen Buddhismus. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 19862, S.204. 371 Siehe Naka Tetsuhiro: Etoki `Genji monogatari´ - Ukifune monogatari to `nikabyakudô´, S.198. 372 Siehe ebd., S.199. 93 das dadurch entsteht, daß man durch die Sinneswahrnehmung getäuscht wird (skr. samksepena-pañcopâdâna-skandha-duhka, jap. goonjô-ku). Von diesen vier „Nebenleiden“ sind alle vertreten. Das erste dieser Leiden wird von Niou erlebt, der darunter leidet, daß er Ukifune nicht treffen kann, obwohl er sie liebt. Das zweite „Nebenleiden“ zeigt sich bei dem Krankenbesuch, den Kaoru bei Niou abhalten muß, obwohl er weiß, daß Niou Ukifune verführte und ihn dadurch hintergangen hat („Kagerô“ II:847-849; 290-293). Kaoru leidet außerdem unter dem dritten „Nebenleiden“: es gelingt ihm nicht, eine der drei Uji-Schwestern für sich zu gewinnen. Nachdem er die ersten beiden schon verloren hat, entzieht sich ihm jetzt auch Ukifune. Das letzte der „Nebenleiden“ wird in einer Szene dargestellt, in der Kaoru seiner Frau Onna ni no miya ein rotes Gewand anziehen läßt, damit sie ihrer Halbschwester Onna ichi no miya ähnelt, die er viel lieber zur Frau gehabt hätte. Trotzdem sie es anzieht, erzielt es bei Kaoru nicht den gewünschten Effekt („Kagerô“ II:871; 5:316-317). Außerdem ist Kaorus Verfall körperlicher Begierde ein Zeichen eben dieses vierten Leidens.373 Als Ukifune Nonne wird und sozusagen den „weißen Pfad“ betritt, läßt ihr Leiden spürbar nach. Die weiße Farbe des Pfades wird laut Naka durch den tiefen Schnee symbolisiert, der kurz nach Ukifunes Weihe zur Nonne fällt („Tenarai“ II:943944: 5:403).374 V.5. Die Dreierstruktur des Romans Wie Naka betont, sind die buddhistischen Inhalte des Genji monogatari untrennbar mit seiner Struktur verknüpft.375 Es ist zur Tradition von Genji-Forschern geworden, Untersuchungen der Struktur anhand der sich aus der Handlung ergebenden Dreiteilung des Romans vorzunehmen. Konishi beispielsweise benennt die drei Teile des Genji monogatari wie folgt: 1.Teil: die Sonne, 2.Teil: die untergehende Sonne und 3.Teil: die Dunkelheit.376 373 Siehe Naka Tetsuhiro: Etoki `Genji monogatari´ - Ukifune monogatari to `nikabyakudô, S.199. 374 Siehe ebd. 375 Siehe Naka Tetsuhiro: Genji monogatari to bukkyô, S.110. 376 Siehe Konishi Jin´ichi: Genji monogatari no imejeri, S.226. 94 Sowohl Genji als auch Kaoru verlieren nämlich seiner Meinung nach im Laufe des Romans die göttliche Wirkkraft, die sich bei Genji in seinem Strahlen und bei Kaoru in seinem Duft offenbart. Kaoru, dessen Lebensweg anfangs dem Genjis zu ähneln scheint, der dann aber nicht einmal seine Stellung als Protagonist des dritten Teils behaupten kann, reicht jedoch längst nicht an die Herrlichkeit Genjis heran. Als Beleg dafür, daß Genjis Glanz im Laufe des zweiten Teils abnimmt, führt Konishi eine Aussage über ihn an, die kurz vor Genjis Ausscheiden aus der Geschichte gemacht wird: [...] der alte Glanz begleitete ihn noch in großem Maße [...] („Maboroshi“ 377 4:216). Die Ausdrucksweise verrät, daß Genjis Glanz nicht mehr die anfängliche Ausstrahlungskraft hat. Dieser Verfall wird von einer zunehmend pessimistischen Lebenseinstellung begleitet, die mit der lebensbejahenden seiner Jugend nichts mehr gemein hat. Dies wird besonders in einer Szene nach dem Tode Murasakis deutlich, welcher den wahrscheinlich bittersten Schlag seines Lebens darstellt378: Ich wurde, überlegte Genji, in so hohem Hause geboren, daß mir fast alle Wünsche in Erfüllung gingen, und doch hat mich mehr Leid als andere getroffen. Vielleicht führte Buddha all diese traurigen Geschehnisse absichtlich herbei, damit ich um so eher die Flüchtigkeit dieser Welt erkennen möge. Aber ich tat all die Zeit über, als begriffe ich den Fingerzeig nicht recht, und habe nun, da ich alt geworden bin, Murasakis Tod schrecklich erleben müssen. Jetzt weiß ich, wie nutzlos mein Leben war und wie töricht mein Herz („Maboroshi II:353; 4:198). Genji verwirft seinen früheren Lebenswandel und bereut es, noch immer nicht Mönch geworden zu sein. 377 Übersetzung von mir. Benl übersetzt ungenau mit : „[...] Genji [war] noch erlauchter und schöner [...] als je [...]“ (II:371). Im Original steht: „[...] mukashi no go-hikari ni mo, mata, ôku sohite [...] (4:216). 378 Vgl. Shirane Haruo: The Bridge of Dreams, S.181. 95 Er sagt in der gleichen Szene: „[...] Obgleich ich nun schon geraume Zeit mit reinem Herzen lebe, ließ ich mich doch von allerlei lächerlich unwichtigen Dingen daran hindern, Buddhas Pfad zu schreiten!“ („Maboroshi“ II:352; 4:197). Viel deutlicher als bei Genji ist der Verfall des göttlichen Merkmals bei Kaoru. Als Kaoru das erste Mal aus einem Versteck heraus Ukifune betrachtet, vernehmen ihre Kammerfrauen seinen Duft, identifizieren ihn aber nicht als den seinen, sondern als das Räucherwerk der dort wohnenden alten Nonne („Yadorigi“ II:702-703; 5:122123). Sein Duft, vormals mit dem des Paradieses gleichgesetzt, („Hashihime“ II:468; 4:318) scheint an Qualität verloren zu haben. 379 Später hat das Verwechseln seines Duftes für ihn noch ganz verheerende Folgen: Die Dienerin Ukifunes läßt den sich als Kaoru ausgebenden Niou zu Ukifune herein, weil sie ihn im Dunkeln unter anderem an seinem Duft wiederzuerkennen glaubt („Ukifune“ II:781; 5:217). Dies hat zur Folge, daß Niou Ukifune verführt, wodurch Kaoru sie verliert. 380 Außerdem weist Konishi darauf hin, daß durch den Wechsel von der Lichtsymbolik Genjis zu der Geruchssymbolik der beiden Prinzen des dritten Teils noch etwas anderes suggeriert wird: Duft kann man auch im Dunkeln riechen, was ein Anzeichen dafür ist, daß das Licht der ersten beiden Teile des Romans untergegangen ist und nun die Dunkelheit regiert.381 Der zunehmende Verfall, der sich im Laufe des Romans vollzieht, zusammen mit der möglichen Dreiteilung des Werkes erinnern ebenfalls die Dreierstruktur des mappô-Gedankens: Das „Wahre Gesetz“ könnte man mit Genjis Jugend, das „Verfälschte Gesetz“ mit Genjis Erwachsenenleben und das „Vergehende Gesetz“ mit Kaorus unglücklichem Dasein gleichsetzen. Eine zufällige Übereinstimmung zwischen der Dreiteilung des Werks und dem mappô-Gedanken sei noch erwähnt: Laut dem Kommentarwerk Kakaishô deckt Murasaki Shikibu mit ihrem Roman zeitlich gesehen die drei historischen Kaiserperioden der Kaiser Daigo (897-930), 379 Vgl. Norma Field: The Splendor of Longing in The Tale of Genji, S.270. Vgl. Konishi Jin´ichi: Genji monogatari no imejeri, S.218. 381 Für eine ausführliche Darstellung siehe ebd., S.226-227. 380 96 Suzaku (930-946) und Murakami (946-967) ab.382 Das erste Schriftzeichen im Namen des ersten der drei Kaiser, also Daigos, bedeutet „gute buddhistische Lehre“383. Neben dem Verfall, der sich in vielerlei Hinsicht vollzieht und der in Kaorus Unfähigkeit, Nious Vergnügungssucht und Ukifunes verzweifelter Situation gipfelt, kündigt sich gleichzeitig durch Ukifunes zunehmende Religiosität eine Hinwendung zum Amida-Buddhismus an. Der Zusammenhang zwischen diesem Verfall und der daraus entstehenden Religiosität stimmt mit der Lehre des Amida-Buddhismus überein, die besagt, daß der mappô-Gedanke und die Abwendung von der Welt Voraussetzung für diesen sind. Iwase beweist die zunehmende Bedeutung des Amida-Buddhismus im dritten Teil durch eine Studie, in der er die drei Begriffe guwan384, mujô und enriedo untersucht.385 Der Begriff guwan stammt aus dem Shingon-Buddhismus. Er stellt ein Gelübde dar, durch das der Mensch versucht, ein weltliches Ziel zu erreichen. Dadurch verkörpert das Gelübde eine äußerst bejahende Einstellung zur Welt. Es steht der Verneinung der Welt, welche die Bedingung für das Hinübergeborenwerden in Amidas Paradies ist, diametral gegenüber. Es gibt im Genji monogatari laut Iwase 33 Stellen, an dem ein guwan-Gelübde vorkommt. Im ersten Teil sind es 17, im zweiten Teil 10 und im dritten Teil nur noch 6 Stellen.386 Man kann also eine deutliche Abnah-me dieses lebensbejahenden Ritus feststellen. Der Begriff mujô drückt, wie bereits erwähnt, ein Vergänglichkeitsbewußtsein aus. Neben seiner ästhetisierenden Funktion kann er jedoch auch eine Vorstufe zur Ablehnung der Welt darstellen. Der Begriff kommt in Form von den Ausdrücken tsunenasa und tsunenashi (beide mit „nicht immerwährend“ zu übersetzen) in jedem der drei Teile des Genji monogatari 11mal vor, also insgesamt 33mal.387 Diese sehr 382 Vgl. Yottsutsuji no Yoshinari: Kakaishô. In: Kokubun chûshaku zensho. Hrsg. von der Kokubun-in daigaku shuppan-bu. Tôkyô: 1908, (S.1-455), S.22. Siehe auch Fujimura Kiyoshi: Genji monogatari no junkyo to tenpen, S.21. 383 Siehe The Modern Reader´s Japanese-English Character Dictionary. Von Andrew Nathaniel Nelson. Rutland,VT/Tôkyô: Charles E.Tuttle 19882, S.901/#4795. 384 Die moderne Aussprache dieses Terminus ist gan. 385 Siehe Iwase Hôun: „Genji monogatari no kôsô no hatten to bukkyô shisô“. In seinem Werk Genji monogatari to bukkyô shisô. Tôkyô: Kasama Shoin 1972, (S.3-22). 386 Siehe ebd., S.3. 387 Siehe ebd., S.8. 97 ausgeglichene Verteilung deutet darauf hin, daß der Vergänglichkeitsgedanke das gesamte Werk durchzieht. Als letztes untersucht Iwase Stellen, an denen der Begriff enriedo in Form seiner kana-Lesung itoihanare vorkommt. Er sieht in dem darin ausgedrückten Gefühl des Ekels gegenüber der Welt eine logische Weiterführung des Vergänglichkeitsgedankens, bei dem von der Freude über die Schönheit der Welt nichts mehr zu spüren ist. 388 Der Begriff enriedo kommt im ersten und zweiten Teil gar nicht, im dritten Teil jedoch gleich dreimal vor. 389 Durch seine Studie beweist Iwase, daß die lebensbejahende Grundhaltung des vom magischen Shingon-Buddhismus beeinflußten Tendai-Buddhismus im Laufe des Romans von einer lebensfeindlichen Grundhaltung abgelöst wird. Diese ist auf den zunehmenden Einfluß des Amida-Buddhismus innerhalb des TendaiBuddhismus zurückzuführen.390 Man erkennt die Zunahme des Amida-Buddhismus auch an der steigenden Zahl der nembutsu-Stellen. Diese sind das deutlichste Zeichen der Verehrung Amidas. Im ersten Teil sind es 13, im zweiten Teil 10 und im dritten Teil 20 Stellen.391 Auch nimmt die Zahl der für die Handlung bedeutsamen Geistlichen zu, von denen ausdrücklich erwähnt wird, daß sie Anhänger des Amida-Glaubens sind. Im ersten Teil sind dies zwei: Der Bischof (sôzu), zu dem sich Genji nach dem Tod seiner heimlichen Geliebten Yûgao zurückzieht („Wakamurasaki“ I:137ff; 1:177) und der Laienpriester von Akashi, von dem zuerst nur am Rande berichtet wird („Wakamurasaki“ I:138-141; 1:179-182), dem aber später, nachdem ihn Genji bei seiner Verbannung nach Suma antrifft („Suma“ I:400ff; 3:46ff), eine größere Rolle zukommt. Im zweiten Teil kommt lediglich noch einmal der Priester von Akashi vor, namentlich in einem Brief, den er an seine Tochter schreibt („Wakana 1“ II:75-78; 3:285-287). Im dritten Teil sind es schließlich insgesamt vier Geistliche: Der Azari, Hachi no miya, Genshin und Ukifune, nachdem sie Nonne geworden ist. Höhepunkt des Niederschlags des Amida-Buddhismus im Genji monogatari sind die Uji-Kapitel und innerhalb dieser Ukifune.392 Sie sind ein Lichtschimmer am 388 Siehe Iwase Hôun: „Genji monogatari no kôsô no hatten to bukkyô shisô“, S.15. Siehe ebd., S.16. 390 Siehe ebd., S.3. 391 Berücksichtigt man, daß der erste Teil mit über 1000 Seiten länger ist als der zweite (ca. 400 Seiten) und dritte Teil (ca. 680 Seiten), so wird der Unterschied noch deutlicher. 392 Vgl. Gatten Aileen: Death and Salvation in Genji Monogatari, S.20. 389 98 Ende des Romans. Ukifune findet, wie der nikabyakudô veranschaulicht, inmitten des Meeres menschlicher Gier und menschlichen Hasses einen „weißen Pfad“, über den sie sich zu gehen entscheidet. Im Gegensatz zu Murasaki, die sich in ihrem Kummer um Genjis „Frauengeschichten“ ihrem Schicksal überläßt und schließlich stirbt, und zu ihrer Halbschwester Ôigimi, die vom Jôdo-Gedanken des Vaters beeinflußt 393 die Welt und die Männer verachtend stirbt, ergreift Ukifune gegen die Machenschaften der Männer Initiative und erkennt in ihrer verzweifelten Situation die Chance, ein neues Leben zu beginnen. wahrscheinlich jene der Autorin wider. 394 Diese Religiosität Ukifunes spiegelt 395 Hier wird der positive Aspekt des dritten Teiles sichtbar, den auch Ikeda Kikan in seiner Bezeichnung der drei Teile hervorhebt: 1.Teil: Leuchten und Jugend, 2.Teil: Kampf und Tod und 3. Teil: Überwinden des Todes.396 393 Vgl. Sayama Wataru. Genji monogatari no sekaikan, S.128. Vgl. Aoyama Nao: Genji monogatari no shûkyôsei, S.111. Zu den Auswirkungen der Polygamie auf die Stellung der Frau im alten Japan siehe Wakita Haruko: Marriage and Property in Premodern Japan - From the Perspective of Women´s History. In: Journal of Japanese Studies. 10:1. 1984. - S.73-99. 395 Siehe Okazaki Yoshie: Genji monogatari no shûkyôteki seishin, S.110 und Sayama Wataru. Genji monogatari no sekaikan, S.128. 396 Ikeda Kikan: „Genji monogatari no kôsei“. In seinem Werk Shinkô Genji monogatari. Das Werk war mir nicht zugänglich. Zitiert bei Yanai Shigeshi: Genji monogatari to jôdokyô, S.62. 394 99 VI. Schlußbetrachtungen Betrachtet man das bisher Gesagte, so stellt man fest, daß alle wichtigen Aspekte des Amida-Buddhismus im Genji monogatari vorhanden sind: die Vorstellung des Verfalls der Welt (mappô), die Abwendung und Verachtung des irdischen Lebens (enriedo) und der Wunsch nach Wiedergeburt in Amidas Reinem Land (nembutsu). Der Mensch wird als kraftlos (bombu) dargestellt, der Amida Buddha als kraftspendender, barmherziger Helfer, der durch seine strahlende Göttlichkeit symbolisiert wird. Diese Göttlichkeit färbt im Genji monogatari auf die Hauptdarsteller ab: Genji, der „Strahlende“ und in abgewandelter Form Kaoru, der „Duftende“. Vor allem die Todesszenen sind von dieser Göttlichkeit durchdrungen, zu deren Beschreibung sich die Autorin die ausgeprägt Amida-buddhistische Tradition der ôjôden zum Vorbild nahm. Besonders in den Uji-Kapiteln zeigt sich, wie sehr der Amida-Buddhismus der Autorin am Herzen gelegen hat, der Glaube, den sie selbst bevorzugte, wie ihr Tagebucheintrag offenbart. Der Eintrag beweist außerdem, daß, entgegen der Meinung einiger in der Einleitung erwähnter Genji-Forscher, die Autorin eine echte Religiosität kannte, die, wie die Uji-Kapitel durchscheinen lassen, sie auch dem Genji monogatari zu Grunde gelegt hat. Dies wird vor allem durch zwei Charaktere deutlich: Erstens Yokawa no Sôzu, den sie höchstwahrscheinlich nach dem Vorbild des großen, für den japanischen Amida-Buddhismus überaus wichtigen Mönch Genshin erschaffen hat und zweitens Ukifune, die in ihrer entschlossenen Religiosität eine Frau darstellt, die die Autorin wahrscheinlich gerne selbst gewesen wäre. Die positive Darstellung des Yokawa no Sôzu und damit Genshins, dessen spirituelle Leitung sie vermutlich selbst gerne erfahren hätte, zeigt zudem eine offene Bewunderung für diesen Mönch. Die Bedeutung des Amida-Buddhismus für das Genji monogatari wird besonders auch im Einsatz seiner symbolischen Elemente deutlich. Während diese im ersten und zweiten Teil vor allem metaphorische Funktionen haben, die aufgrund ihrer mangelnden Ernsthaftigkeit hinsichtlich einer echten Religiosität mitunter kritisiert worden sind, nimmt gerade diese im Laufe des Romans mehr und mehr zu und findet ihren Höhepunkt in der Einflechtung der nikabaykudô-Parabel in die Geschichte um Ukifune. 100 Ein besonderer Reiz des Romans liegt in religionshistorischer Sicht darin, daß der Amida-Buddhismus im Genji monogatari in einer besonderen Entwicklungsphase wiedergegeben ist. Dadurch wird der Roman zu einem Zeugnis für den frühen japanischen Amida-Buddhismus, der sich noch im Prozeß des Loslösens vom Tendai-Buddhismus befand. Auf diesen ist beispielsweise die Betonung auf die Meditation zurückzuführen, die auch im Genji monogatari ihren Niederschlag gefunden hat. So reicht es nicht aus, einfach nur den Namen Amidas anzurufen, eine Entwicklung, die der Amida-Buddhismus später unter Hônen (1133-1212) erfuhr. 397 Auch werden das Mönchwerden und ein Leben buddhistischer Frömmigkeit und Übung als notwendig für die Hinübergeburt ins Reine Land angesehen.398 Die Vermischung von Tendai- und Amida-buddhistischem Gedankengut zeigt sich beispielsweise auch in der Praxis der nembutsuVereinigungen. Diese ist charakteristisch für den Amida-Buddhismus der Heian-Zeit. Wie ich versucht habe anhand der Arbeit aufzuzeigen, ist es möglich, den Amida-Buddhismus im Genji monogatari eindeutig zu identifizieren, auch wenn durch das Werk hindurch ein starker Synkretismus der buddhistischen (und nichtbuddhistischen) Glaubensrichtungen vorliegt. Dabei lassen sich zwei Tendenzen des Amida-Buddhismus erkennen. Einerseits hat er eine negative Tendenz: Er ruft dazu auf, die Welt zu verabscheuen, wodurch er, im Zusammenspiel mit der Schicksalsvorstellung sukuse und dem Vergänglichkeitsgedanken mujôkan, eine pessimistische und fatalistische Lebenseinstellung der Menschen bewirkt. Andererseits hat er auch eine positive Tendenz: Er verspricht die persönliche Erlösung eines jeden Menschen und gibt ihm Hoffnung auf ein angenehmes Leben nach dem Tod. Diese beiden Tendenzen verstärken sich im Laufe des Romans und verschmelzen im dritten Teil zu dessen Höhepunkt. Der Bedeutung des Amida-Buddhismus für das Genji monogatari muß, um nochmals auf die in der Einleitung erwähnte Diskussion der Genji-Forscher einzugehen, Rechnung getragen werden. Sowohl am Beispiel der steigenden Zahl von nembutsu-Stellen als auch mittels der Iwase-Studie läßt sich aufzeigen, daß der Amida-Buddhismus im Laufe des Werks stetig an Bedeutung gewinnt. Diese 397 Vgl. Akihisa Shigematsu: An Overview of Japanese Pure Land. 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Dem Amida-Buddhismus kommt im Genji monogatari eine sehr bedeutende Rolle zu. Nicht nur ist er eine der führenden religiösen Ausrichtungen, auf denen der Roman basiert, sondern er erlebt eine allmähliche Vertiefung, welche die Geschichte gegen Ende des Werkes geradezu beflügelt. 399 Diese umfassen: Kammuryôju-kyô (7 Stellen), Amida-kyô (2 Stellen), Ôjôyôshû (4 Stellen) und der Amida-buddhistische Kommentar Fazhaos über den Nutzen des goenembutsu: Jôdo goenembutsu ryakuhôjigi san („Kurze Schrift über das Amidabuddhistische nembutsu der fünf Stufen für Totenmessen“) (6 Stellen). Zum letzten Werk vgl. Abschnitt II.2.B. 102 Literaturverzeichnis Quellentexte GENSHIN: Ôjôyôshû. Hrsg. von Ishida Mizumaro. Nihon shisô taikei; 6. Hrsg. von Midorigawa Tôru [?]. Tôkyô: Iwanami shoten 198510. KYÔKAI: Nihon reiiki [ryôiki]. Bearbeitet von Endô Yoshimoto und Kasuga Kazuo. Nihon koten bungaku taikei; 70. Hrsg. von Midorigawa Tôru [?]. Tôkyô: Iwanami 21 1987 . MURASAKI SHIKIBU. Genji Monogatari. 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