10. Inklusion – Stellungnahme und Antworten der Parteien a

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10. Inklusion – Stellungnahme und Antworten der Parteien
Die uneingeschränkte Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention auf
Bundesebene war das Signal zur Umsetzung der vollen und gleichberechtigten Teilhabe
von Menschen mit Behinderung – betroffen sind rund 14% aller in NRW lebenden
Menschen.
Das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW veröffentlichte im
März 2011 den Zwischenbericht zur Vorbereitung des Aktionsplans „Eine Gesellschaft für
alle – NRW inklusiv“. In besagtem Bericht wurde der Wille geäußert, den
Aktionsplan bis Sommer 2011 fertig zu stellen. Ein Jahr später liegt dieser immer
noch nicht vor.
Frage: Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um die Fertigstellung und
Umsetzung des Aktionsplans voranzutreiben?
a) Stellungnahme
Die Mitgliederversammlung des DKSB Landesverbandes NRW hat jüngst in ihrer
Erkelenzer Erklärung gefordert, den angekündigten Aktionsplan zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention auf Landesebene, der die volle und gleichberechtigte
Teilhabe von Menschen mit Behinderung verlangt, vorzulegen. Bündnis 90/DIE GRÜNEN
verweist darauf, dass dieser Aktionsplan bzw. Inklusionsplan weitestgehend fertiggestellt
ist und wegen der vorzeitigen Auflösung des Landtages nicht fertiggestellt werden konnte.
Auch die SPD verweist auf die bereits begonnen Arbeiten am Aktionsplan, der fertiggestellt
und vorgelegt werden soll. FDP und DIE LINKE kritisieren die Verzögerung, denn
angekündigt war der Aktionsplan bereits für den Sommer 2011. Die FDP hält einen
schulischen Inklusionsplan für sinnvoll um die Qualität der individuellen Förderung
sicherzustellen. Bedauerlicherweise geht aus der Antwort nicht hervor, inwieweit das Ziel
dieses Inklusionsplans “Eine Schule für alle“ sein soll, wie es der DKSB Landesverband
NRW e. V. mit dem gleichnamigen Bündnis auf Landesebene fordert. Richtig finden wir
den Ansatz von SPD und den LINKEN, die Betroffenen zu Beteiligten zu machen, wobei
sich bei den beiden Parteien Unterschiede in der Umsetzung zeigen. Die volle und
gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen kann nach unserem Dafürhalten nur
gelingen, wenn ressortübergreifend an der Umsetzung gearbeitet wird und alle relevanten
Bereiche wie Bauplanung, Kitaplanung etc. berücksichtigt und einbezogen werden. Diese
Ansicht bringen auch SPD und FDP zum Ausdruck. Es findet sich in den Antworten der
Parteien ein Konsens dahingehend, dass die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention
auf Landesebene eines der wichtigsten Themen für die kommende Legislaturperiode sein
wird und sich alle dafür im Landtag stark machen werden. Begrüßenswert ist aus unserer
Sicht die Schaffung eines Instruments wie der von der SPD vorgeschlagene
Inklusionsbeirat, der aus unserer Sicht parteiunabhängig die konstante und nachhaltige
Umsetzung der Vorgaben aus der Behindertenrechtskonvention begleiten und
unterstützen müsste.
b) Antworten der Parteien
Bündnis 90/DIE GRÜNEN
Der Inklusionsplan ist auf Regierungsebene weitgehend fertiggestellt. Ob und wann
genau er veröffentlicht werden kann hängt entscheidend vom Ergebnis der
Landtagswahlen ab. Sollte die aktuelle Landesregierung bestätigt werden, kann es sicher
schnell gehen.
CDU
Kinder mit Behinderungen haben Anspruch auf die rechtliche Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention in Nordrhein-Westfalen und damit das Recht auf einen Platz
in der allgemeinen Schule wie jedes Kind ohne Behinderung auch.
Die bestmögliche Qualität der Bildung und Versorgung aller Kinder im gemeinsamen
Unterricht sollte gewährleistet werden. Bei der schrittweisen Realisierung der Inklusion
sollte höchste Sorgfalt und Umsicht walten. Hier sind Menschen betroffen, die oftmals in
großem Umfang und gegebenenfalls auch dauerhaft Hilfe und Unterstützung brauchen.
Das muss in jedem einzelnen Fall gewährleistet sein, und in keinem Fall darf das Niveau
von Hilfe, Unterstützung und Förderung, das in den Förderschulen erreicht wurde,
unterschritten werden.
So verschieden Menschen mit Behinderung sind, so vielfältig sind ihre Bedürfnisse. Den
Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, bedeutet für uns in NRW, die Vielfalt der
Lebensläufe, Möglichkeiten und Bedürfnisse in den Blick zu nehmen und im Rahmen des
beabsichtigten Umsetzungsprozesses zu berücksichtigen. Dies schließt auch die
Möglichkeit ein, dass es für bestimmte Kinder mit Behinderungen auch weiterhin
Förderschulen geben wird.
Inklusiver Unterricht lässt sich nicht schablonenhaft und an jeder Schule gleichzeitig
einrichten. Vielfältige Lösungen unter Einbeziehung von Vorreiterschulen müssen im Sinne
der Eigenverantwortung von Schulen und Schulträgern möglich sein. Den spezifischen
Anforderungen der unterschiedlichen Schulformen bei der Umsetzung der Inklusion muss
dabei Rechnung getragen werden. Schulen müssen ihre Authentizität und ihren
Qualitätsanspruch behalten können.
DIE LINKE
DIE LINKE kritisiert die Verzögerung der Vorlage des Aktionsplans „Eine Gesellschaft für
alle – NRW inklusiv“ und die dadurch verzögerte Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention. DIE LINKE wird die Vorlage dieses Aktionsplans weiter
einfordern und sich konstruktiv in die Beratungen einbringen. Bis zur endgültigen
Verabschiedung des Aktionsplans wird DIE LINKE in den verschiedenen angestrebten
Gesetzesverfahren auf die Umsetzung der UN-Behindertenrechts-konvention als
Querschnittsaufgabe für alle Politikfelder drängen. Dafür werden wir uns intensiv mit
Behinderten- und Selbsthilfeorganisationen und den Sozialverbänden austauschen.
FDP
Auch die FDP ist darüber verwundert, dass der von der rot-grünen Landesregierung in
Aussicht gestellte Aktionsplan noch immer nicht vorliegt.
Die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention, welche die universellen Menschenrechte
für die spezifischen Bedürfnisse und Lebenslagen von Menschen mit Behinderung
konkretisiert, werden von der FDP ausdrücklich begrüßt und unterstützt. Wir wollen dazu
beitragen, dass dieser Personenkreis die gleichen Teilhabechancen erhält wie Menschen
ohne Behinderung. Die frühere schwarz-gelbe Landesregierung hatte bereits vielfältige
Maßnahmen ergriffen, um den Weg hin zu einer inklusiven Gesellschaft in NRW zu
erleichtern. Im Programm „Teilhabe für alle“ wurden ressortübergreifende Aktivitäten
gebündelt und zielorientiert weiterentwickelt. Zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention wurde außerdem im Mai 2008 eine interministerielle
Arbeitsgruppe eingerichtet.
Kinder mit Behinderungen gehören in die Mitte der Gesellschaft. Darum bekennt sich die
FDP zur Inklusion und der verstärkten Integration von Kindern mit Behinderungen in
Kindertageseinrichtungen und in allgemeine Schulen. Die FDP warnt jedoch
davor,heilpädagogische oder integrative Tageseinrichtungen für Kinder sowie
Förderschulen mit ihrer besonderen pädagogischen Kompetenz in Gänze abzuschaffen.
Leider hat die Landesregierung wiederholt die Vorlage des angekündigten schulischen
Inklusionsplans verschoben und die Vorlage eines solchen wurde unmittelbar vor der
Auflösung des Landtags durch Vertreter der rot-grünen Koalition abschließend negativ
beschieden. Für die Kommunen als Schulträger sind gegenwärtig die Finanzierungsfragen
ungeklärt, viele Schulen klagen über unzureichende Ressourcen, mangelnde
Fortbildungen und fehlende Sachmittelausstattung. Die Sicherung der Qualität der
individuellen Förderung des Kindes oder Jugendlichen muss im Zentrum des
Inklusionsprozesses stehen.
Die chancengleiche Teilhabe Studierender mit Behinderung oder einer chronischen
Krankheit an der Hochschulbildung ist ein Menschen- und Bürgerrecht. Die FDP als Partei
der Bürgerrechte tritt für die Sicherung dieser chancengleichen Teilhabe ein. Aus diesem
Grund werden wir mögliche Ansätze der Landesregierung zum Themenkomplex „inklusive
Hochschule“ konstruktiv begleiten. Der Weg an die Hochschulen ist für Menschen mit
Behinderung oder chronischer Erkrankung nicht immer einfach. Um den Betroffenen den
Weg zu erleichtern, bieten viele Hochschulen den Betroffenen bereits Beratungs- und
Unterstützungsdienste an. Da jedoch die Entscheidung zur Aufnahme eines Studiums
selbst oftmals schon schwerfällt, sind aus Sicht der Liberalen zusätzlich Beratungs- und
Unterstützungsleistungen wünschenswert, die früher ansetzen, dauerhaft begleiten und
nicht an eine Hochschule gebunden sind. Initiativen wie das unabhängige
Kompetenzzentrum kombabb, welches als Informations- und Beratungsstelle für
Menschen mit Behinderung oder chronischer Krankheit, die ein Studium anstreben, agiert,
unterstützen wir.
Im Bereich der Wohnhilfe wurde in NRW mit der Zusammenführung der Zuständigkeiten
bei den beiden Landschaftsverbänden bereits vor einigen Jahren ein Paradigmenwechsel
eingeleitet. Wir haben dies in der Vergangenheit begrüßt und werden uns auch in Zukunft
dafür einsetzen, dass Menschen mit Behinderung, falls sie dies wünschen, alternativ zum
stationären Wohnen auf ein ambulantes Wohn- und Betreuungsangebot zurückgreifen
können. Auch die Einführung der individuellen Hilfeplanverfahren hat sich als positiv
erwiesen, wobei sicherlich ein Potenzial für weitere Verbesserungen existiert. Ein
besonderer Unterstützungsbedarf ist vor allem für den Personenkreis der Menschen mit
einer geistigen Behinderung gegeben.
Eine wichtige Voraussetzung für die Inklusion besteht darin, NRW nach und nach
möglichst barrierearm bzw. barrierefrei zu gestalten. Nach unserem Kenntnisstand wird die
Landesbauordnung derzeit novelliert. Die FDP in Nordrhein-Westfalen wird darauf achten,
dass die Ziele der UN-Konvention für Menschen mit Behinderung in der neuen Version
berücksichtigt werden.
Aus Sicht der UN-Behindertenrechtskonvention kommt der Arbeitswelt ein zentraler
Stellenwert bei der Inklusion zu. Das berufliche Potenzial von Menschen mit Behinderung
ist gerade aufgrund des wachsenden Fachkräftemangels in vielen Branchen
unverzichtbar. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die
Integrationsabteilungen und -unternehmen. Diese sind Bestandteil des allgemeinen bzw.
ersten Arbeitsmarktes, d.h. es handelt sich um Wirtschaftsunternehmen, in denen
Menschen mit und ohne Behinderung zusammenarbeiten.
SPD
Die NRWSPD nimmt offensiv die Verantwortung wahr, die sich aus der UNBehindertenrechtskonvention ergibt: eine inklusionsorientierte Gleichstellungspolitik für
Menschen mit Behinderungen.
Menschen sind unterschiedlich, das macht unsere Gesellschaft reicher und bunter. Fast
2,6 Millionen der Menschen in Nordrhein-Westfalen haben eine Behinderung, davon die
wenigsten von Geburt an. Jeder kann jederzeit selbst oder in seinem Umfeld von
Behinderung betroffen sein.
Mit der UN-Behindertenrechtskonvention hat sich auch Nordrhein-Westfalen zu einer
gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe aller Menschen verpflichtet. Dieser
Paradigmenwechsel zur Inklusionsperspektive erfordert jetzt von den gesellschaftlichen
Institutionen Anpassungsleistungen, die die Einbeziehung der Menschen mit
Behinderungen systematisch berücksichtigen und praktisch ermöglichen. Wir wollen, dass
der Mensch mit Behinderungen mitten in unserer Gesellschaft steht! Wir
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen diesen Menschen nicht nur sehen
sondern ihn auch teilhaben lassen und ernst nehmen.
Bereits vor der Auflösung des Landtages haben wir im Landtag eine Initiative auf den Weg
gebracht, die Pflöcke für die inklusive Umgestaltung schulischer Strukturen einschlägt.
Darüber hinaus haben wir mit dem Antrag „Auf dem Weg in ein inklusives NRW“ einen
Wegweiser für ein konkretes Maßnahmenpaket zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention vorgelegt. In Folge dessen hat die SPD-geführte
Landesregierung begonnen, einen „Aktionsplan“ auszuarbeiten, der die einzelnen
Maßnahmen und notwendigen gesetzlichen Initiativen bündelt. Diesen Weg wollen wir
fortsetzen. Wir werden einen Aktionsplan zur Inklusion vorlegen, der konkrete
Umsetzungsschritte beinhaltet und bereits im Kindesalter ansetzt.
Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Querschnittaufgabe und damit nicht allein auf
die Sozialpolitik beschränkt. Vom Wohnungsbau über den Arbeitsmarkt bis hin zum
Bildungswesen sind ressortübergreifend alle Politikfelder betroffen. Dabei wird es nicht
zuletzt darauf ankommen, dass wir die Betroffenen zu Beteiligten machen und ihre
konkreten Bedarfe in den Mittelpunkt stellen. Sie sind Experten in eigener Sache. Wir
werden weiterhin die Betroffenen, ihre Familien und die Behindertenverbände frühzeitig an
Gesetzesverfahren beteiligen. Es gilt der Grundsatz „Nicht ohne uns über uns“.
Nordrhein-Westfalen war stets ein Vorreiter der Politik für Menschen mit Behinderung. Die
Umsetzung der Konvention ist daher eine der zentralen politischen Aufgaben der neuen
Legislaturperiode. In der Landesinitiative „Eine Gesellschaft für Alle – NRW inklusiv“
werden wir die verschiedenen Handlungsfelder in einem Gesamtkonzept wirken lassen
und umsetzen.
Wir wollen einen Inklusionsbeirat schaffen, der die Landesregierung in allen Fragen der
Inklusionspolitik begleitet. In ihm sollen alle Ressorts der Landesregierung, die kommunale
Familie und die Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderung konkrete Schritte
zur Gestaltung und Umsetzung einer inklusiven Gesellschaft begleiten. Der Beirat soll als
Berater des Parlaments und der Regierung dienen.
In der politisch-administrativen Meinungsbildung und Entscheidungsfindung der
Kommunen muss zukünftig mehr Partizipation von Menschen mit Behinderung und ihrer
Verbände gewährleistet sein. Grundsätzlich muss die Beteiligung durch kommunale
Behindertenbeiräte umgesetzt werden und die Beteiligungsverpflichtung, z.B. bei
öffentlichen Bauvorhaben, kommunaler Gesundheits- und Pflegeplanung,
Kindergartenbedarfs- und Schulentwicklungsplanung, muss verbindliche Praxis werden.
Der Bund ist zur Umsetzung der UN-Konvention gefordert, ein „Inklusionsgeld“ an Stelle
der bislang kommunal finanzierten Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung
einzuführen. Das Land wird dazu die Initiative auf Bundesebene ergreifen.
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