4. Jenaer Medienrechtliche Gespräche Anzeigenfinanzierung von Online-Medien vs. Adblocker Dr. Philipp-Christian Thomale Jena, den 22. November 2016 Wie funktionieren Adblocker Adblocker sind “Add-Ons”, die das Signal des vom Webseitenbetreiber genutzten AdServers blockieren. Die Ausspielung von allen gängigen Werbemittel wird blockiert. Nutzungsrate zwischen rund 30% (bspw. Spiegel, F.A.Z., WELT) und über 50% (bspw. Chip, ComputerBILD). Für die blockierte Werbung erhält der Webseitenbetreiber keine Vergütung. PageFair & Adobe: Weltweite Umsatzverluste von US$ 22 Mrd. (2015) und US$ 40 Mrd (2016). Anzeigenfinanzierung von Online-Medien vs. Adblocker Funktionsweise von Adblockern Blockade des Werbemittels: Die Blockade des für die Werbemittelausspielung verantwortlichen AdServers verändert den vom Webseitenprogrammierer intendierten Ablauf der Aufrufe und bewirkt damit bewirken, dass kein (oder ein alternativer Inhalt) dargestellt wird. Ausblenden eines Elements: Adblocker können gezielt einzelne Elemente ausblenden. Dabei wird aktiv neuer Programmcode in die Webseiten zur Verarbeitung durch den Browser eingefügt. Anzeigenfinanzierung von Online-Medien vs. Adblocker Die Easylist Adblocker funktionieren auf Basis einer umfangreichen Liste (“Easylist”), die die zu blockierende AdServer-Adressen enthält. Blockiert werden sowohl Inhalte vom AdServer als auch vom Content-Server. Alle maßgeblichen AdBlock-Programme (Adblock Plus, AdBlock, Adblock Pro, Adguard, Adblock Super, Del Ad) verwenden die Easylist. Easylist wird von der Eyeo GmbH gehostet sowie fortlaufend gepflegt. Anzeigenfinanzierung von Online-Medien vs. Adblocker Die Blockadebefehle (dvd.bild.de^$subdocument) (||faz.net/f6/ad) (ip-ads.de$ domain= sueddeutsche.de) (spiegel.de/gutenb/img/HuH-Banner.gif) (zeit.de##a[href^="http://www.avocadostore.de) (handelsblatt.com/images/icon/anzeige_h.gif) Anzeigenfinanzierung von Online-Medien vs. Adblocker Geschäftsmodell von AdblockPlus (Eyeo GmbH) Marktführer; auf über 100 Millionen Geräten laut Eyeo weltweit aktiv genutzt. Blockiert fast jede Werbefläche auf allen Webseiten. Eyeo hat „Kriterien“ entwickelt (“Acceptable Ads Initiative”), die von allen Webseitenbetreibern erfüllt werden müssen. Blockade betrifft alle - auch die “akzeptablen” - Inhalte. Erst gegen Zahlung einer Umsatzbeteiligung in Höhe von 30 % werden Webseiten durch Eyeo GmbH freigeschaltet (sog. „Whitelisting“). Anzeigenfinanzierung von Online-Medien vs. Adblocker Das Wettbewerbsverhältnis Zwischen Adblockern und Webseitenbetreibern besteht Wettbewerbsverhältnis, da Wechselwirkung zwischen den Vorteilen der Adblocker und den Nachteilen der Webseitenbetreiber (BGH GRUR 2014, 1114, Rn 32 nickelfrei). Blacklisting und Whitlisting ist ein einheitliches Geschäftsmodell, daher keine Aufspaltung in getrennte geschäftliche Handlungen. Bedarf für das Whitelisting entsteht erst durch die vorherige Blockade der Werbeanzeigen. (OLG Köln GRUR 2016, 1082; Alexander, Anmerkungen zu OLG Köln a.a.O.; a.A. Köhler, WRP 2014, 1017, Rn. 17, 26 ff) Anzeigenfinanzierung von Online-Medien vs. Adblocker Wettbewerbsrechtliche Fragestellung Unmittelbare Behinderung in die gewerbliche Leistung der Webseitenbetreiber, § 4 Nr. 4 UWG? Unlautere Behinderung bei (a) Handeln in Schädigungsabsicht, oder (b) die übermäßige Beeinträchtigung der Möglichkeiten eines Wettbewerbers, seine Leistungen am Markt angemessen zu platzieren. Bei Var.(a) ist wettbewerbswidrigkeit indiziert, bei Var. (b) ist eine Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls geboten. (OLG Köln GRUR 2016, 1082 - Adblocker; BGH GRUR 2001, 1061- Mitwohnzentrale) Anzeigenfinanzierung von Online-Medien vs. Adblocker (a) Handeln in Schädigungsabsicht? Adblocker sind dazu bestimmt, Werbeflächen auf Webseiten der Publisher zu blockieren. Adblocker behindern nicht nur den Programmablauf einer Webseite, sondern verändern auch die Software beim Webseitenaufruf. Easylist enthält Befehle, die zielgerichtet das Ausspielen von Werbung auf den Internetseiten behindern ( z.B. (||faz.net/f6/ad)). Eine unmittelbarere, gezieltere Behinderung als derartige Linklisten ist wohl kaum denkbar. Damit ist auch die Schädigungsabsicht indiziert. Bereits an diesem Punkt ist die Wettbewerbswidrigkeit gegeben. Anzeigenfinanzierung von Online-Medien vs. Adblocker (b) Übermäßige Beeinträchtigung Behinderung des Produkts der Webseitenbetreiber und Förderung des Umsatzes der Adblocker-Anbieter stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang. Adblocker blockieren jede - auch die sog. akzeptable Werbung - und funktionieren daher wie ein Türsteher zwischen Nutzer und Webseitenbetreiber. Adblocker bedienen sich ausschließlich der Mittel des Behinderungswettbewerbs und nicht des Leistungswettbewerbs, denen Webseitenbetreiber durch ein “besseres” Produkt begegnen könnten. Anzeigenfinanzierung von Online-Medien vs. Adblocker Entscheidungsfreiheit der Verbraucher Verhindert der Umstand, dass Werbeblocker erst durch die Installation des Nutzers aktiviert werden, einen unmittelbaren Eingriff i.S.d § 4 Nr. 4 UWG? Jedem Nutzer steht es frei, das unentgeltliche, aber nicht werbefreie Angebot des Webseitenbetreibers zu nutzen. Besucht der Nutzer eine werbefinanzierte Webseite, handelt es sich nicht um eine aufgedrängte Werbung. Für die Frage der (Un)Lauterkeit der Adblocker ist es unerheblich, ob der Nutzer Werbung auf Internetseiten unterdrücken darf, maßgeblich ist vielmehr das geschäftsmäßige Angebot. Anzeigenfinanzierung von Online-Medien vs. Adblocker Entscheidungsfreiheit der Verbraucher Adblocker werden zu dem Zweck angeboten, Werbung auf Internetseiten zu unterdrücken. Die zweckentsprechende Verwendung des Nutzers verwirklicht den angestrebten Erfolg. Auch beim Boykottaufruf (vgl. dazu Beater, WRP 2011, (7) 15) als einem klassischen Anwendungsfall des § 4 Nr. 4 UWG, hebt die Entscheidungfreiheit des Nutzers, ob er dem Boykott folgt, nicht deren Unlauterkeit auf. Für unmittelbaren Eingriff genügt es, dass ein Angebot darauf abzielt, den Nutzer zu einem Verhalten zu veranlassen, das dem Wettbewerber eine unmittelbar bevorstehende Einnahmemöglichkeit objektiv entzieht. (OLG Köln NJOZ 2008, 179; BGH MMR 2010, 403 - „Switch & Profit”) Anzeigenfinanzierung von Online-Medien vs. Adblocker Urheberrechtliche Fragestellung Eine Webseite nach heutigem Stand beinhaltet ablauffähige, interpretierbare Steuerbefehle und ist daher nach § 69 a UrhG geschützt. Ausblenden von Webemitteln: Veränderung der Webseitenprogrammierung und rechtswidrige Umarbeitung § 69 c UrhG. Werbemittelblockade: Rechtwidrige Umarbeitung nach § 69 c UrhG: Eine Umarbeitung liegt - auch ohne Eingriff in die Programmsubstanz - vor, wenn die in einem externen Arbeitsspeicher programmgemäß abgelegten Daten verändert werden. (OLG Hamburg GRUR-RR 2013, 13, 15 – Replay PSP; Dreier/Schulze,§ 69 c, Rn. 16; Spindler/Schuster § 69c, Rn. 10) Anzeigenfinanzierung von Online-Medien vs. Adblocker Verfassungsrechtliche Aspekte Pressefreiheit umfasst der Verbreitung der Meinung sowohl in journalistischredaktionellen Inhalten als auch in Werbeanzeigen. „In allen diesen Fällen bringt die Presse die Anzeige, ebenso wie Nachrichten im redaktionellen Teil, ihren Lesern ohne eigene Stellungnahme zur Kenntnis und informiert sie […] über die in ihnen etwa enthaltenen, von anderen geäußerten Meinungen. Dies gehört zu der typischen Aufgabe der Presse. (BVerfGE 21, 271, 279 – Südkurier; siehe auch BVerfGE 64, 108, 114; 102, 347 – Schockwerbung Blockade von (Werbe-) Inhalten führt zu einer rechtswidrigen Vorzensur, erst recht wenn die Freigabe nur gegen Geldazahlung und redaktioneller Kontrolle erfolgt Anzeigenfinanzierung von Online-Medien vs. Adblocker Verfassungsrechtliche Aspekte Infomationelle Selbstbestimmung: Werbemittelausspielung auf (regulären) Webseiten verstößt nicht gegen geltendes Datenschutzrecht. Adblocker beinhalten nach eigenen Angaben keinen „Trackingschutz“. Berufsfreiheit der Werbeblocker-Hersteller gewährleistet nicht das Recht, in Rechtspositionen Dritter einzudringen und fremde Computerprogramme zu manipulieren und zu verändern. Anzeigenfinanzierung von Online-Medien vs. Adblocker Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Dr. Philipp-Christian Thomale Senior Legal Counsel Digital & Data Law Axel Springer SE Axel-Springer-Straße 65 D - 10888 Berlin Tel. +49 (0) 30 / 2591 - 77398 [email protected] Anzeigenfinanzierung von Online-Medien vs. Adblocker