Zeitungen unter Druck: Kunden fordern Beilagensplitting - WAN-IFRA

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Marketing
Februar 1999
zeitungstechnik
NAA SuperConference: Versand
Zeitungen unter Druck:
Kunden fordern Beilagensplitting
Jeder, der am Workflow einer Zeitung
beteiligt ist, sieht
sich einem enormem Zeitdruck ausgesetzt, und dieser
Druck wird immer
größer, da jeder
seinen Beitrag so
spät wie möglich
einbringen will:
Anzeigen, Artikel,
Sportergebnisse etc.
Folglich werden die
Schlußtermine
immer weiter hinausgeschoben, und
im Versand wird es
dann, so ein Verleger auf der NAA
SuperConference,
„gefährlich eng“.
Durch die späteren
Termine, vor allem
aber durch die Flut
von Werbebeilagen
und die Forderungen der Werbekunden
nach zielgruppenspezifischer Distribution,
ist der Zeitungsversandbereich in den Corbin Wyant
Vereinigten Staaten President and Publisher
in den letzten Jahren Naples Daily News
immer mehr unter
Druck geraten.
Zwar waren 1997 erstmals in der Geschichte der USA die Ausgaben für Werbebeilagen höher als die für Anzeigen (nach
einer Statistik der NAA), doch ist auch die
Einsteckverarbeitung für die Zeitungen
eine bedeutende Einnahmequelle. Sowohl
die Werbekunden als auch die Zeitungen
drängen jetzt auf einen echten Dialog, um
mit den Schwierigkeiten fertigzuwerden,
die sich im Zusammenhang mit den Einsteckprodukten stellen.
Einige der Verleger, die auf der NAA
SuperConference vertreten waren, reagierten allerdings mit äußerster Vorsicht auf
den Gedanken, ihren Versandbereich in ein
„Postamt“ zu verwandeln, um künftig kundenspezifisch zusammengestellte Zeitungsprodukte adressengenau ausliefern zu können. Die meisten tun ihr Bestes, um eine
nach Postleitzahlen untergliederte Zustel-
lung zu gewährleisten, doch alles, was darüber hinaus gehe, sagen sie, sei viel verlangt. Einige fragen sich, ob es überhaupt
rentabel sei und inwiefern es sich auf die
Lieferzeiten auswirke. Doch es gibt auch
eine Reihe von Zeitungen, die alles daransetzen, die Forderungen ihrer Kunden zu
erfüllen.
Einsteckprodukte –
eine große Herausforderung
Die Anzahl der Einsteckprodukte, die
von einigen US-Zeitungen jährlich verarbeitet wird, hat inzwischen die Milliardengrenze erreicht, und mit dem konjunkturellen Aufschwung wird sie zwangsläufig
steigen. Da Aufträge auch an Lohndruckereien und kommerzielle Vertriebsunternehmen vergeben werden, landet nur etwa ein
Drittel der Ausgaben für Prospektwerbung
bei den Zeitungen, erläuterte Corbin
Wyant, Präsident und Verleger der Naples
Daily News, Fla., in seinem Eröffnungsvortrag zur Versand-Thematik. Ein Großteil
dieses Geldes sei, wenn man die Druckkosten einmal abziehe, effektiver Gewinn.
Unter dem Strich habe die Zeitungsindustrie von dem Einsteckgeschäft profitiert.
Sowohl die Verlage als auch die
Werbekunden sind der Meinung, daß die
zwischen ihnen bestehende Kommunikationslücke geschlossen werden müsse, um
die Probleme mit den Einsteckprodukten
in den Griff zu bekommen. Wegen des
Das GMA-Versandraumsteuerungssystem SAM der El Paso Times ist an das Vertriebs- und Werbeauftragssystem
und an das Steuerungssystem der beiden Rotationen angeschlossen. Es wird parallel zu den alten Steuerungssystemen der Zeitung eingesetzt.
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hohen Beilagenvolumens waren die Zeitungen gezwungen,
ihre Produktionspläne
zu ändern. Beispielsweise wurden die Anlieferungstermine für
Werbebeilagen vorverlegt, eine MaßnahMarsha Lawrence
me, die manche WerPrint Media Manager
bekunden nicht verBest Buy Co.
stehen oder nicht akzeptieren.
Auch Marsha Lawrence gehört zu
diesen Kunden. Sie ist Printmedien-Managerin bei Best Buy Co., einer US-weiten
Elektronik-Handelskette, die pro Woche 37
Millionen Werbebeilagen über 300 Zeitungen vertreibt. M. Lawrence ist der Ansicht,
daß die Zeitungen den Werbekunden offerieren müssen, was sie verlangen. Dazu
gehört auch das zielgruppenspezifische
Beilagensplitting nach demografischen Kriterien. In diesem Zusammenhang stellen
sich wiederum Aufgaben wie die Standardisierung von Produktformaten, Distributionsverfahren und Erfolgsmessungen.
M. Lawrence hat sich, wie sie sagt, dazu
entschlossen, auf der SuperConference als
Referentin aufzutreten, „um einen Dialog
anzustoßen, der schon längst überfällig ist“.
Ein Hauptkritikpunkt der Managerin
ist, daß die Teilbelegung verschiedener
Ausgaben einem Alptraum gleicht, denn
jede Zeitung hat eine andere Berechnungsgrundlage und Terminologie für das Zoning entwickelt: „Postleitzahlbezirk, Lieferroute, ländlicher Zustellbezirk, Stadtbereich, außerbundesstaatlicher Bereich
etc.“. Man kann sich leicht vorstellen, welche Schwierigkeiten Best Buy angesichts
dieser Unterschiede mit 300 Zeitungen zu
bewältigen hat. Eine weitere kritische Frage
von Marsha Lawrence lautete: „Warum
kann ich keine identischen Distributionszonen für Abonnenten und Einzelverkauf
bekommen?“
Philadelphia Newspapers Inc. ergriff
vor kurzem die Initiative, um den Dialog
zwischen Zeitungen und Werbungtreibenden in Gang zu setzen. John Braun, Director of New Business Development, berichtete, sein Verlag habe eine Idee von The
Boston Globe aufgegriffen und einen
„Printers Day“ organisiert, an dem 75
Drucker, Vertriebsleute und Kunden teilnahmen. Laut Braun schuf der „Printers
Dean Roper
Day“ nicht nur eine gemeinsame Kommunikationsbasis, sondern gab den Werbekunden auch Einblick in die Schwierigkeiten, mit denen sich die Zeitung konfrontiert sieht, und Anregungen, wie sie die
Ressourcen der Zeitung nutzen können, um
ihre Vorstellungen zu verwirklichen. Das
von der NAA gesponserte Qualitätseinsteckprogramm „QIP“ wurde ebenfalls vor
kurzem gestartet. Es soll die Zeitungen in
die Lage versetzen, „ihren Einsteck-Service
für die Kunden attraktiver zu machen“,
erläuterte Corbin Wyant. Die am QIP-Programm beteiligten Zeitungen bieten den
> Weiterverarbeitung mit neuen Systemen
Um den ständig steigenden Anforderungen an die Druckweiterverarbeitung gerecht zu werden, gehen einige Zeitungen jetzt neue Wege und setzen
im Einsteck-, Verpackungs- und Versandbereich auf die neueste Spitzentechnologie. Das gilt insbesondere für Software, Verbindungsausrüstungen, wie
z. B. Förderer, und Steuerungssysteme.
Einige der vor kurzem eingeführten Technologien und Verfahren wurden
auf der SuperConference vorgestellt. Die amerikanische Müller Martini-Tochter
GMA präsentierte erstmals ihren „Bundler“, der nach Aussagen von Direktor
Darrell E. Pav und Präsident Randy Seidel die jahrzehntealten Arbeitsabläufe
Stapeln, Verpacken und Umreifen in einer Maschine vereint. Nach den Worten
von Pav arbeitet diese Maschine mit einer Präzision von „weit mehr als
99,9 %“, erfordert statt zwei oder drei Bedienern nur eine halbe OperatorStelle und ermöglicht innerhalb der Verarbeitungslinie eine Platzeinsparung
2
von 18,5 m .
Im Rahmen einer SuperConference-Sitzung präsentierten vier Zeitungen
ihre jeweiligen Erfahrungen mit der Auswahl und Implementierung von Produktionssteuerungssystemen für ihre Druckweiterverarbeitung. Die El Paso
Times hat innerhalb kurzer Zeit das GMA-Steuerungssystem SAM eingeführt.
Die Zeitung beschloß, zunächst das System zu installieren, erst danach änderte sie ihre Arbeitsabläufe, erklärte Times-Produktionsleiter Gary Hughes. Das
System, das GMA in Zusammenarbeit mit der New York Times entwickelte,
wird parallel zum alten Versandraum-Steuerungssystem der Zeitung eingesetzt. Patrick Burton von The Washington Post berichtete über das Finite
Capacity Scheduling System von ShivaSoft. Obwohl das System noch nicht
vollständig installiert ist, hat es bereits eine Reduktion der Nachbestellungen
und Überschüsse von Einsteckprodukten um 50 % bewirkt. Jack Rounsville
von The Spokesman Review in Spokane, Wash., sprach über die Erfahrungen
seiner Zeitung mit dem Prime II System von Heidelberg Finishing. „Die Einsteckproduktion für die Sonntagsausgabe planen wir jetzt in zirka fünf Minuten, und für die Überprüfung benötigen wir nur etwa 15 Minuten.“ Peter Birdsall, verantwortlich für die Neuinstallation von fünf Goss-Rotationen beim Miami Herald, erörterte das Integrierte Steuerungssystem von Ferag, das an die
Rotationen angeschlossen wird. Das vier Jahre dauernde Projekt mit einem Investitionsumfang von 108 Millionen US-$ soll Mitte des Jahres 2000 abgeschlossen sein, was zum großen Teil durch die leichte Umstellung des
Ferag-Systems ermöglicht wird, so P. Birdsall.
Alle vier Repräsentanten waren sich einig, daß es während der Umstellung
auf diese Systeme bei ihnen drunter und drüber ging, daß sich die Investition
aber auf jeden Fall gelohnt habe. Jenen Zeitungen, die ähnliche Schritte in Erwägung ziehen, rieten sie, frühzeitig für eine enge Kooperation zwischen dem
Projektmanager und dem betreffenden Systemanbieter zu sorgen, Daten über
Produktionsanforderungen zu sammeln und sie dem Anbieter frühzeitig zur
Verfügung zu stellen und wenn irgend möglich, frühzeitig und häufig Schulungen außerhalb der Produktionsstätte durchzuführen.
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Ausschlaggebend für die Entscheidung des Miami Herald zugunsten des Integrierten Steuerungssystems ICS von Ferag war die benötigte Schuppenstrom-Überwachung
und die Ausstattung der Rotationen mit einem Exemplarzählsystem. Das ICS verfolgt den Produktionsstatus von der Rotation bis zur Verladerampe (links) und liefert
Echtzeit-Daten (rechts).
Werbekunden die Wahl zwischen Hauszustellung und Einzelverkauf, die Möglichkeit der Gesamtmarktabdeckung ohne
Überschneidungen einmal pro Woche, die
Beilagendifferenzierung nach Postleitzahlen sowohl an Werktagen als auch an
Sonntagen, die Annahme von Beilagenlieferungen bis spätestens sieben Tage vor
dem Veröffentlichungstermin und die Abrechnung der Einsteckaufträge mittels einer
standardisierten Rechnung.
ben wir uns auf ein Gebiet, auf dem wir
nicht genügend Kompetenzen haben. Wir
sollten uns einmal fragen, warum wir glauben, daß unser Versand, der für die Handhabung von Massenprodukten ausgelegt
ist, gleichzeitig Funktionen eines DirectMail-Unternehmers übernehmen könne.
Meiner Meinung nach ist es unsinnig, das
Massenvertriebsmodell der Zeitung auf einen völlig anderen Geschäftsbereich zu
übertragen.“
J. Schueler wies darauf hin, daß man
aus finanziellen und Zeitgründen besser
davon Abstand nehmen solle. „Betrachten
wir das Ganze einmal rein prozeßorientiert:
Wenn Sie den Prozeß um eine größere Produktvielfalt und unterschiedliche Funktionen erweitern, dann müssen Sie beides in
Ihrem schon jetzt sehr engen Zeitrahmen
unterbringen. Entweder, Sie führen parallele Prozesse ein, was sehr teuer ist – ich
spreche wiederum von einer Differenzierung über die Zustellerroute hinaus –, oder
Sie sprengen Ihren Zeitrahmen. Wenn Sie
10, 20 oder 30 Millionen Dollar investieren
müssen, um das leisten zu können, dann
sind Sie meiner Meinung nach besser bedient, wenn Sie ein Direct-Mail- oder
Shared-Mail-Unternehmen kaufen. Und
was den Zeitplan betrifft, so wird sich eine
feinere Differenzierung auf den Redaktionsschluß und auch auf den Anzeigenschluß auswirken, und die Anzeigen machen immerhin noch 85 % des Geschäftsvolumens aus. Außerdem wird es Auswirkungen auf den Vertrieb geben.“
Wissen, wann man nein sagen muß
Die vier an der Podiumsdiskussion
beteiligten Präsidenten bzw. Verleger waren
mehrheitlich der Ansicht, daß eine über die
Zustellerroute hinaus differenzierte, adressenspezifische Auslieferung unwahrscheinlich sei, zumindest in naher Zukunft. Sie
wiesen darauf hin, daß ihre Zeitungen die
Beilagendifferenzierung nach Zustellerrouten bereits praktizieren, eine noch feinere
Differenzierung aber nicht anbieten.
John Schueler, Präsident und Verleger der Star Tribune, Minneapolis, vertrat
die Überzeugung, daß eine adressenspezifische Beilagenzustellung sehr unwahrscheinlich sei, und appellierte an die Konferenzteilnehmer, „nein“ zu sagen, wenn
die Grenze erreicht sei.
„Das soll nicht heißen, daß wir nicht
versuchen sollten, das, was wir machen, zu
verbessern“, so J. Schueler. „Mit Blick auf
die Zukunft muß ich sagen, wenn wir eine
Differenzierung über die Zustellerroute
oder ähnliches hinaus anbieten, dann bege32
„Bedenken Sie die heutige Situation
der Zeitungsindustrie“, so J. Schueler. „Die
Auflagen sind rückläufig, und wir versuchen, mit dem Markennamen, den wir uns
durch unser Printprodukt erworben haben,
ins Internet zu gehen. Warum sollten wir so
viel Zeit und Energie in die übrigen 15 %
des Geschäftsvolumens stecken, in die
adressenspezifische Zustellung und die
Vordringung in Mikrozonen, auf die wir
nicht ausgerichtet sind? Das alles wird sich
meiner Meinung nach auch auf die Qualität
auswirken. Angenommen, wir lassen uns
darauf ein – hätte das etwa keine Auswirkungen auf das Leistungsprofil in der
Druckweiterverarbeitung? Meiner Meinung
nach müssen sich Druck, Versand und Vertrieb an drei Maßstäben messen lassen, und
zwar in dieser Reihenfolge: pünktlich, gut
und kostengünstig. Daher mein Rat an Sie:
Sie müssen wissen, wann Sie nein sagen
müssen.“
Eine Zeitung, die tatsächlich ein
Direct-Mail-Unternehmen
übernommen
hat, ist die Arizona Republic. John Oppedahl, Verleger und CEO, erklärte, seine Zeitung habe sich zu diesem Schritt entschlossen, weil man davon ausgehe, daß es zu einer Art „Verschmelzung“ zwischen den Direct-Mail-Aktivitäten und den Produktions- und Versandprozessen kommen werde. J. Oppedahl sieht die künftige Entwicklung der Distribution in den USA etwas optimistischer als J. Schueler. Dies mag zum
Teil daran liegen, daß überregionale Werbekunden darauf drängen, bei seiner Zei-
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tung das adressenspezifische Beilagensplitting zu testen, zum Teil aber auch an seiner
Überzeugung, daß sich das Geschäftsmodell der Zeitung wandelt. „In der Frage, ob
die adressenspezifische Differenzierung
letztendlich in den Versandraum vordringt
oder nicht, kann ich mich der Meinung von
John nicht anschließen“, erklärte J. Oppedahl. „Vor zwei Jahren war ich auf der
NAA-Konferenz in Chicago. Dort sprach
die Werbeleiterin von Toys-R-Us über ihre
Pläne, zielgruppenspezifische Werbung zu
machen, und fragte die Konferenzteilnehmer (rund 400 Verleger), wer ihr 1997 eine
adressenspezifische Differenzierung bieten
könne. Niemand meldete sich. Daraufhin
die Sprecherin: ‚Wenn Sie diese Möglichkeit anbieten, rufen Sie mich bitte an.‘ Seither sind fünf große Werbekunden auf mich
zugekommen, die ein routenspezifisches
Beilagensplitting wünschen. Letzte Woche
kam ein überregionaler Werbekunde zu uns
Dean Roper
nach Phoenix, der unserem Werbeleiter
vorschlug, einen Test mit adressenspezifisch differenzierten Beilagen auf der Basis
von 100 000 Haushalten durchzuführen.
Dieser Kunde sucht eine Zeitung, mit der er
den zielgruppen-orientierten Vertrieb testen
kann. Mit der Post ist er äußerst unzufrieden.“ Auch bei seiner Zeitung, bemerkte J.
Oppedahl, gebe es Anlaß zur Unzufriedenheit. Was seine Zeitung hauptsächlich davon abhalte, sich dem routenspezifischen
Beilagensplitting zuzuwenden, seien Versandraum-Probleme, und zwar nicht nur
ausrüstungsbedingte Schwierigkeiten, sondern auch Kommunikationsprobleme.
„Wenn wir uns heute dazu entschließen sollten, mit der routenspezifischen Beilagendifferenzierung zu beginnen, dann würde ich wahrscheinlich nicht
über den Versandraum, sondern über die
Vertriebsabteilung gehen“, erklärte er. Um
Informationen aus dem Versandbereich zu
erhalten, so J. Oppedahl, hatte er einige der
Mitarbeiter kurz vor der Konferenz gebeten, eine Liste der Probleme zu erstellen,
die sie gerne gelöst sehen würden. „Ich erhielt eine drei Seiten lange Liste von Punkten, an denen es ihrer Meinung nach hapert, angefangen von der Integration von
Ausrüstungen mit unterschiedlichen elektrischen Standards bis hin zu störanfälligen
Ausrüstungen, die zu häufig ausfallen, und
vieles mehr. Doch am Schluß führten sie
an, und das ist meiner Ansicht nach der
Knackpunkt, daß wir erst einmal feststellen
müssen, was die Werbekunden und die
Marketing-Abteilung wollen.“
John Oppedahl berichtete, er plane
eine Reihe von Besprechungen mit Werbekunden und Mitarbeitern aus Produktion,
Versand und Marketing, weil er glaube,
„daß es eine echte Kommunikationslücke
zwischen den eigentlichen Kunden der Zeitung, den Lesern und Werbungtreibenden,
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gibt. Das betrifft weder Redaktion, Verlagsleitung noch die Anzeigenabteilung.“
Er gab zu, daß noch viele Hürden zu
überwinden seien, der Druck jedoch nicht
abnehmen werde. Und er gab auch zu, daß
der Vertrieb heute noch nicht so weit sei,
eine adressenspezifische Zustellung durchzuführen. „Ob wir es in den nächsten fünf
Jahren schaffen werden, mit einem Versandraum unserer Größe eine reguläre,
adressenspezifische Beilagendifferenzierung im Echtzeit-Modus zu praktizieren
weiß ich nicht. Ich glaube nicht, daß wir
heute schon dazu in der Lage sind. Wir
nehmen an, daß das Direct-Mail-Werbevolumen in Phoenix in etwa so hoch ist
wie unsere Werbeeinnahmen. In den letzten
zwei Jahren wurden wir mit dem spürbaren
Preiswiderstand großer Werbekunden konfrontiert – die deflationäre Entwicklung,
von der die Gesamtwirtschaft betroffen ist,
trifft auch uns –, und wir müssen einen
Weg finden, der uns aus dieser Situation
herausführt. Die Lösung könnte im Versandbereich liegen, doch solange sich die
Herstellerindustrie und die Philosophie in
diesem Geschäftsfeld nicht ändern, haben
wir meiner Meinung nach keine Chance.
Aber wenn wir das Ganze optimistisch betrachten, dann ist das die Gelegenheit für
uns, unsere Einnahmen zu steigern und die
Aktivitäten unserer Branche neu auszurichten.“
Steve Sumner, Präsident und CEO bei
Thomson South Georgia, einem Unternehmen der Thomson Newspapers, teilte in
puncto Beilagensplitting im wesentlichen
die Einschätzung von John Schueler. Doch
ebenso wie John Oppedahl hob er hervor,
daß es für die Zeitungen ganz entscheidend
darauf ankommt, eine offene Kommunikation mit allen Beteiligten zu pflegen. Auf
die Frage, was seiner Ansicht nach heute
das größte Problem im Versandbereich sei,
antwortete er: „Das ist, als frage man jemanden, auf den 20 Schüsse abgefeuert
wurden, welcher Schuß am schmerzhaftesten war. So in etwa geht es den meisten
unserer Versandbetriebe. Doch angesichts
der Einnahmen, die wir durch den Versand
erzielen – immerhin 30 % unserer Einnahmen werden mit Werbebeilagen erzielt, und
die Auflage unserer Zeitungen liegt zumeist
unter 50 000 Exemplaren, obwohl wir in
strategischen Marketing-Gruppen zusammenarbeiten – ist es meiner Meinung nach
wirklich an der Zeit, den Schritt nach vorn
zu tun und den Versand stärker ins Gesamtmarketing einzubinden. Wir müssen einen
Weg finden, wie wir die Zusammenarbeit
mit der Marketing-Abteilung verbessern
können, und diese Kooperation muß von der
Redaktion quer durch alle Abteilungen hindurch gewährleistet sein. Ich würde allen raten, wirklich aktiv zu werden.“
Zwei innovative Ansätze
Die beiden Zeitungen The Houston
Chronicle und Orlando Sentinel sind in den
letzten Jahren aktiv geworden. Vor einigen
Jahren führte die Houston Chronicle Publishing Co. mit Unterstützung der amerikanischen Post ein Beilagen-Zustellprogramm mit der Bezeichnung „Chron Direct“
ein. Im vergangenen Jahr verzeichnete dieses Programm einen starken Zuwachs, erklärte Steven Earles, Versand- und Vertriebs-Manager bei Chronicle. Im Dezember
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1998 wurden mit dem Programm, das den
Versand unterschiedlicher Beilagenzusammenstellungen durch die Post und das
Chronicle-eigene Vertriebssystem ermöglicht, 1,3 Millionen Adressen mit zirka 845
Chronicle-Beilagenkombinationen beliefert.
1998 lieferte die Zeitung nach Angaben
von Earles 947 503 241 Werbebeilagen aus.
1997 waren es noch 900 000 Adressen, an
die 2,8 Millionen Beilagen und 209 Beilagenkombinationen zugestellt wurden.
„Als erstes brauchen Sie unbedingt
eine gute, klar strukturierte Datenbank“,
betonte Earles. Die Zusammenarbeit mit
dem amerikanischen Postdienst (USPS) beinhalte auch, daß Chronicle- und Post-Mitarbeiter gemeinsam erarbeiten, was für den
Kunden am besten ist. Mary Wilhite, Senior
Sales Representative bei USPS in Houston,
die mit dem Chronicle an dem Programm
arbeitet, appellierte an alle Zeitungen, die
Datenbank, Schulungen und Programme
von USPS zu nutzen, um innovative Vertriebsmöglichkeiten für sich zu erkunden.
Orlando Sentinel hat vor kurzem ihr
Transportsystem umstrukturiert und einen
externen Unternehmer beauftragt. So
konnte die Zeitung ohne Kapitalaufwand
ihre Lagerflächen und die Zahl der Versandrampen erweitern und ihre Vertriebszentren modernisieren, berichtete Jerry
Price, Post-Press-Manager bei Orlando
Sentinel. Das bedeutet, daß der Verlag die
132 Vertriebszonen seiner in fünf Ausgaben erscheinenden Tageszeitung auf
220 Zonen erweitern kann. Durch diesen
neuen Ansatz, so Jerry Price, ist das Einsteckvolumen im vergangenen Jahr auf
über eine Milliarde Beilagen gestiegen. <
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