Kapitel 2.2 - WiSo

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Kapitel 2.2:
Probleme der Dezentralisierung und die
Theorie des Zweitbesten1
Dr. Jörg Franke
Technische Universität Dortmund
Sommersemester 2010
1
Diese Folien dienen der Ergänzung des Vorlesungsstoffes im Rahmen der Vorund Nachbereitung. Sie stellen kein Skript dar; es wird keine Gewähr für Richtigkeit
und/oder Vollständigkeit übernommen.
Kapitel 2
Fixkostentechnologie
Experiment 2
Steuern
Lockerung der Konvexitätsannahme an die
Technologiemenge: Fixkostentechnologie
Woher stammen Fixkosten? Beispiel: Restaurant
▸ Jedes Restaurant j ist auf einen Koch zum Stundenlohn
von pl = 5 EU angewiesen.
▸ Tägliche Öffnung bzw. Vor- und Nachbereitung benötigen
4 Stunden Arbeitszeit des Kochs, unabhängig von der
Anzahl der zubereiteten Abendessen.
▸ Zur Herstellung einer Mahlzeit benötigt jeder Koch eine
(zusätzliche) Stunde Arbeitszeit.
▸ Aufgrund Platzmangels im Restaurant können pro Abend
nur 4 Gäste bedient werden.
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Kapitel 2
Fixkostentechnologie
Experiment 2
Steuern
Damit ergibt sich Produktionsfunktion für Abendessen:
⎧
0
für lj < 4
⎪
⎪
⎪
⎪
xj (lj ) = ⎨lj − 4 für 4 ≤ lj < 8
⎪
⎪
⎪
⎪
für lj ≥ 8
⎩4
Offensichtlich entspricht Produktionsfunktion einer
nicht-konvexen Technologiemenge:
xj
xj (lj )
4
lj
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Kapitel 2
Fixkostentechnologie
Experiment 2
Steuern
Konsequenzen nicht-konvexer Technologiemengen
Angenommen, Restaurant j ist in Markt eingestiegen bei
folgenden Marktpreisen:
(p ∗ = 8, pl = 5)
Kostenfunktion lautet (wg. Markteintritt gilt lj ≥ 4):
K (lj ) =
pl (lj − 4) + pl ∗ 4 = 5(lj − 4) + 20 = 5lj .
²
´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹¸¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶
variable Kosten Fixkosten
Alternativ (ausgedrückt in Outputeinheiten):
K̂ (xj ) =
pl ∗ xj
+ pl ∗ 4 = 5xj + 20.
²
²
variable Kosten Fixkosten
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Kapitel 2
Fixkostentechnologie
Experiment 2
Steuern
Restaurant j maximiert Gewinn (über lj ≥ 4):
πj (lj ) = p ∗ xj (lj ) − K (lj )
Daraus folgt: (lj∗ = 8, xj∗ = 4), aber: πj (lj∗ ) = −8.
xj
xj∗
πj (lj∗ )
p∗
Isogewinnlinie: πj = 8xj − 5lj = −8
=4
= −1
xj (lj )
4
lj∗ = 8
lj
Fazit: Restaurant j macht im Marktgleichgewicht Verluste!
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Kapitel 2
Fixkostentechnologie
Experiment 2
Steuern
Experiment 2: Der Markt für Restaurants
Konsumenten:
▸ 20 Nachfrager, die jeweils in einem beliebigen Restaurant
ein Abendessen konsumieren möchten:
▸ Verteilung der Reservationspreise:
▸
▸
▸
3 Nachfrager mit pi = 15
4 Nachfrager mit pi = 10
13 Nachfrager mit pi = 8
Restaurants:
▸ 5 Restaurants mit beschränkter Platzkapazität (4 Plätze).
▸ Preis für ein Abendessen ist öffentlich und kann pro
Abend (Runde) 3 mal geändert werden.
▸ Kostenstruktur öffentlich: K (xj ) = 20 + 5xj , d.h.:
▸
▸
Fixkosten in Höhe von 20 EU,
variable Kosten in Höhe von 5 EU pro Abendessen.
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Kapitel 2
Fixkostentechnologie
Experiment 2
Steuern
Strategische Überlegungen der Restaurantinhaber:
1. Preisdiskriminierung (i.e. Abschöpfung der Konsumentenrente) nicht möglich, da Reservationspreise private
Information.
2. Durch öffentliche Preisstellung hoher Wettbewerbsdruck
unter Restaurants.
Strategische Überlegungen der Nachfrager:
1. Nachfrager ist Kostenfunktion der Restaurants bekannt
(insbesondere Fixkostenblock) ⇒ Strategischer Vorteil der
Nachfrager ( Geduld“)
”
2. Durch beschränkte Platzkapazität Wettbewerbsdruck
unter Nachfragern.
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Kapitel 2
Fixkostentechnologie
Experiment 2
Steuern
Auswertung: Theoretische Vorhersagen I
Approximation des Restaurantmarkts durch einen ideal
funktionierenden Wettbewerbsmarkt mit Fixkostentechnologie.
Modellannahmen:
▸ Fixe Kosten sind ’sunk costs’ und für das kurzfristige
Entscheidungsproblem des Restaurantbesitzers
unerheblich.
▸ Marktteilnehmer sind Preisnehmer (aufgrund des
Wettbewerbsdrucks).
▸ Zum Marktpreis sind Märkte geräumt.
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Kapitel 2
Fixkostentechnologie
Experiment 2
Steuern
Auswertung: Theoretische Vorhersagen II
Herleitung der aggregierten Angebots- & Nachfragefunktion:
▸ Nachfragefunktionen:
xi (p) = {
▸
20
X N (p) = ∑ xi (p)
i=1
Angebotsfunktionen:
xj (p) = {
▸
1 falls p ≤ pi ,
0 falls p > pi .
4 falls p ≥ 5,
0 falls p < 5.
X R (p) = {
20 falls p ≥ 5,
0 falls p < 5.
Im Marktgleichgewicht gilt: X R (p ∗ ) = X N (p ∗ ).
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Kapitel 2
Fixkostentechnologie
Experiment 2
Steuern
Preis-Mengen Diagramm Experiment 2
p
p N (X )
15
p A (X )
10
8
p∗
5
X
0
5
10
15
20
▸
Marktgleichgewicht: p ∗ ∈ {5, 8} , x ∗ = 20, xj∗ = 4.
▸
Das Marktgleichgewicht ist pareto-effizient (siehe Übung).
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Kapitel 2
Fixkostentechnologie
Experiment 2
Steuern
Auswertung: Theoretische Vorhersagen III
▸ Im Marktgleichgewicht ist Kapazität ausgeschöpft:
x ∗ = 20 ⇒ xj∗ = 4.
▸
▸
Gleichgewichtspreisspanne: p ∗ ∈ {5, 8},
mit gewinnmaximierendem Preis: p ∗∗ = 8.
Gleichgewichtspreis geringer als Durchschnittskosten:
K (x)
2
∈ {25, 15, 11 , 10} für x = 1, . . . , 4.
x
3
Restaurants können im Marktgleichgewicht nicht ihre
Kosten decken:
p ∗ ∈ {5, 8} <
▸
πj (p ∗ , xj∗ ) = 4p ∗ − 4xj∗ − 20 ∈ [−20, −8] < 0
πj (p ∗∗ , xj∗ ) = −8
▸
Jedes Restaurant macht im Marktgleichgewicht Verluste!
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Kapitel 2
Fixkostentechnologie
Experiment 2
Steuern
Auswertung: Experimentelle Beobachtung - Runde 1
Restaurants
R1
R2
R3
R5
R6
Preis
7
11, 10, 11, 10
12, 11, 10, 9
10, 12, 11, 10
9
Umsatz
4
1
4
Gewinn
-12
-20
-16
-20
-4
⊘
9.27
1.8
-14.4
Beobachtungen:
▸ Preise oberhalb der Nullgewinngrenze pj ≥ 10 ziehen
keinen Umsatz nach sich.
▸ Gleichgewichtspreise p ∗ ∈ {5, 8} führen zu Kapazitätsauslastung ⇒ geringerer Verlust als bei pj ≥ 10.
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Kapitel 2
Fixkostentechnologie
Experiment 2
Steuern
Auswertung: Experimentelle Beobachtung - Runde 2
Restaurants
R1
R2
R3
R5
R6
Preis
9,8.5,8,8
9, 8,8,8
8,8,8,8
7,7,7
7,7,7,7
Umsatz
4
4
4
3
4
Gewinn
-6.5
-7
-8
-14
-12
⊘
7.8
3.8
-9.5
Beobachtungen:
▸ Nahezu alle Preise innerhalb Gleichgewichtsspanne {5, 8}.
▸ Realisierter Preis nahe an gewinnmaximierendem
Gleichgewichtspreis: P ⊘ ≈ P ∗∗ = 8.
▸ Umsatz nahe an theoretischer Vorhersage: x ⊘ ≈ x ∗ = 4.
j
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Kapitel 2
Fixkostentechnologie
Experiment 2
Steuern
Problem:
▸ Im Marktgleichgewicht machen Produzenten Verluste!
▸ Langfristig ist das Marktgleichgewicht nicht
aufrechtzuerhalten!
▸ Pareto-effiziente Allokation (p ∗ , x ∗ ) nicht als Marktgleichgewicht realisierbar und damit auch nicht
dezentralisierbar!
Fazit: 2. Hauptsatz der Wohlfahrtstheorie bei nichtkonvexen Technolgiemengen nicht unbeschränkt gültig!
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Fixkostentechnologie
Experiment 2
Steuern
Kapitel 2
Konsequenz aus Verlusten: Marktaustritt
Restaurants werden so lange aus dem Markt austreten bis
nicht-negative Gewinne möglich sind, i.e. bis:
(p̂ = 10, x̂j = 4)
⇒
π(p̂, x̂j ) = 0.
xj
Isogewinnlinie:πj = 10 xj − 5 lj = 0
x̂j = 4
xj (lj )
lj
4
l̂j = 8
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Kapitel 2
Fixkostentechnologie
Experiment 2
Steuern
Langfristige Perspektive
Falls Fixkosten entsprechend hoch, können folgende
Situationen auftreten:
1. Es verbleibt nur eine/wenige Firmen im Markt:
Natürliches Monopol oder Duopol
▸
▸
Preisnehmerannahme verletzt,
Ineffizienz durch Marktmacht.
2. Bei sehr hohen Fixkosten verbleibt keine Firma im Markt:
▸
Ineffizienz durch Marktzusammbruch.
Fazit: 2. Hauptsatz der Wohlfahrtstheorie bei nichtkonvexen Technolgiemengen auch langfristig nicht
unbeschränkt gültig!
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Kapitel 2
Fixkostentechnologie
Experiment 2
Steuern
Lösungsmöglichkeit: Staatliche Eingriffe:
Falls Produktion trotzdem erwünscht (z. B. wegen ParetoOptimalität), kann diese durch folgende staatliche Maßnahmen
garantiert werden:
1. Staatliche Regulierung des natürlichen Monopols, z.B.
Dt. Telekom, Gasversorger
▸
▸
Kontrolle der Marktmacht,
Kostendeckung statt Gewinnmaximierung.
2. Direkte Verstaatlichung, bzw. staatliche Bereitstellung,
z.B. HRE, Eisenbahnnetz, Universitäten.
Fazit: In beiden Fällen müssen potentielle Verluste der
staatlichen (regulierten) Unternehmen aus dem öffentlichen
Budget gedeckt werden, d.h. durch Steuereinnahmen.
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Kapitel 2
Fixkostentechnologie
Experiment 2
Steuern
Zusammenfassung / Generelles Problem:
1. Unter bestimmten Bedingungen (Fixkostentechnologie)
ist erstbestes Ergebnis (pareto-effiziente Allokation)
langfristig nicht dezentralisierbar, d.h. nicht als
Marktgleichgewicht realisierbar.
2. Zentrale Bereitstellung erfordert Deckung der Verluste
öffentlicher (kontrollierter) Produktion.
3. Finanzierung durch (verzerrende) Steuern, da Kopfsteuer
nicht praktikabel.
4. Steuern sollten in diesem Fall zu möglichst geringen
Verzerrungen führen, um Wohlfahrtsverluste weitgehend
zu vermeiden ⇒ Zweitbestes Ergebnis (Allokation)“.
”
Frage: Wie lassen sich Steuern gestalten, so dass der
Wohlfahrtsverlust durch Verzerrungen möglichst gering ist?
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Kapitel 2
Fixkostentechnologie
Experiment 2
Steuern
Typologie der Steuerarten: Direkte und Indirekte Steuern
1. Direkte Steuern: Steuerschuldner (juristisch verpflichtet)
und Steuerträger (wirtschaftlich belastet) sind identisch.
▸
▸
▸
Beispiele: Einkommensteuer, Körperschaftsteuer,
Zinsabschlagssteuer, Hundesteuer, KfZ-Steuer.
Direkte Steuern können entsprechend individueller
Charakteristika variiert werden.
⇒ Verteilungspolitisches Ziel: Steuergerechtigkeit, d.h.
Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
Erzielbares Steuervolumen durch Steuervermeidung
(-hinterziehung) und Anreizverträglichkeitsproblemen eher
begrenzt.
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Kapitel 2
Fixkostentechnologie
Experiment 2
Steuern
Indirekte Steuern: Steuerschuldner und Steuerträger sind
nicht identisch, Steuerschuldner kann Steuer auf Steuerträger
überwälzen.
▸ Beispiele: Umsatzsteuer, Tabaksteuer, Stromsteuer,
Biersteuer, Kaffeesteuer, Alkopopsteuer, Mineralölsteuer,
Zölle, Lotteriesteuer.
▸ Indirekte Steuern nicht individuell variierbar, eher
ungeeignetes verteilungspolitisches Instrument.
▸ Größere Flexibilität zur Aufbringung eines bestimmten
Steueraufkommens: Praktikabilität und Ergiebigkeit.
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Kapitel 2
Fixkostentechnologie
Experiment 2
Steuern
Steueraufkommen 2009
Quelle: Institut der dt. Wirtschaft Köln: Deutschland in Zahlen 2009.
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