38 STUDENTISCHE ARBEITEN Die Gesänge der Roma und Sinti von Robert Maier „Wir Roma und Sinti sind die Blumen dieser Erde. Man kann uns zertreten, man kann uns aus der Erde reißen, man kann uns vergasen, man kann uns erschlagen - aber wie die Blumen kommen wir immer wieder...“ Prof. Karl Stojka Abb. 1: Hemetek, Ursula: Amare ǵila – Unsere Lieder. Romamusik in Österreich am Beispiel der Lovara. In: Winkler, Gerhard J. (Hg.): Musik der Roma im Burgenland. Referate des Internationalen WorkshopSymposions Eisenstadt. Verlag Wab. Eisenstadt 2003. S. 22 Abb. 2: Sárosi, Bálint: Zigeunermusik. Atlantis MusikbuchVerlag, Zürich/Freiburg I. Br. In Gemeinschaft Mit Corvina Verlag,. Budapest 1977. S. 29/30 Abb. 3: Hemetek, Ursula: Amare ǵila – Unsere Lieder. Romamusik In Österreich Am Beispiel Der Lovara. In: Winkler, Gerhard J. (Hg.): Musik der Roma im Burgenland. Referate des internationalen WorkshopSymposions Eisenstadt. Verlag Wab. Eisenstadt 2003. S. 25 VOX HUMANA 11.3 | 10.2015 Jahrhundertelang wusste man nicht, woher die Roma kamen und hatte kaum Kenntnisse über ihre eigene Kultur, ihre Musik, ihre Lebensweise, ihre Werte. Diese Kluft zwischen Klischee und Wahrheit wird dank der immer detaillierter werdenden Studien immer kleiner. Fest steht allerdings schon seit langer Zeit, dass die Roma die Musik der Mehrheitsbevölkerung immer aufgenommen und sie stark mit beeinflusst haben. Über die urtümlichste und eigene Volksmusik der Roma kann man nur Spekulationen machen, da die Überlieferung mündlich erfolgte. Ihre eigene Musik war immer abhängig von der lokalen Volksmusik des Landes, in dem sie sich angesiedelt hatten. Die bekanntesten Musikarten sind in Ungarn und Spanien angesiedelt. Laut Bálint Sárosi gibt es in der ungarischen „Zigeunermusik“ zwei Grundtypen von Liedern, welche durch ihre Stilmerkmale deutlich machen, dass es sich dabei einzig und allein um echte „Zigeunervolkslieder“ handelt: Langsame Lieder (loke ´gila) und Tanzlieder (khelimaske ´gila). Bei Ursula Hemetek kommen noch die neuen Lieder (neve ǵila) hinzu. Charakteristisch für den Aufbau der „loke ´gila“ sind die immer gleich bleibenden Gerüsttöne der Melodie, die Zwischentöne können variieren. Die Zeilenschlusstöne der durchwegs freirhythmisch gesungenen Lieder werden mit einem sehr starken Vibrato versehen. Die in vier Zeilen aufgeteilte Melodie ist meist absteigend. Die häufigsten Lieder stehen in normalem Dur oder Moll, können sich allerdings auch des Öfteren mit der mixolydischen oder äolischen Tonart vermischen. Die Textzeilen bestehen meist aus sechs oder acht Silben und können durch Ausrufe wie „hej“, „hejde“, „no de“ und „jaj“ ergänzt werden. 2/4- oder 4/4-Takt, die Textzeilen sind meist sieben- oder achtsilbig, nur sehr selten sechssilbig und folgen einer vierzeiligen Strophenstruktur. Wie auch bei den langsamen Liedern stehen sie meist in normalem Dur und Moll und können sich ebenfalls mit der mixolydischen und der äolischen Tonart vermischen. Die Zigeunertonleiter kommt nur sehr selten zum Einsatz. Bei einem Vortrag selbst wird oft nur ein sinnloser Text gesungen, es wird versucht, die Instrumente nachzuahmen. Die grundlegenden Achtelder Melodie werden häufig in Sechzehntel zerlegt und synkopiert, es entstehen eigene Zeilenabschlüsse.Im Verlauf des Liedes wird das Tempo erheblich gesteigert,die umstehenden Personen klatschen auf jedem Taktschlag und schnalzen mit den Fingern auf den Achteleinheiten. Abb. 2 Die „Neve ´gila“ gewinnen bei öffentlichen Auftritten immer mehr an Bedeutung. Hierbei handelt es sich um Neuschöpfungen, die zum Teil Melodiematerial aus der Pop-Musik, dem Jazz und der südamerikanischen Popularmusik übernehmen. Zu diesen Neuen Liedern wird ein Text in Romanes verfasst. Bezeichnend für diese Art von Liedern ist auch das Fehlen von Improvisationsmöglichkeiten – die Lieder werden bei jedem Auftritt gleich gespielt. Inhalt dieser Lieder ist meist das moderne zivilisierte Leben. Dennoch sind die Texte häufig „hemmungslos derb, Abbildung 3 Abb. 1 Die „Khelimaske gila“ hört man in Österreich heute nur noch selten, doch in Ungarn haben sie sich lebendig erhalten. Als Instrumente wurden zur tradierten Musikausübung alle möglichen Gebrauchsgegenstände verwendet, wie unter anderem Kannen, Kochlöffel und Wassergefäße. Der Mundbass, charakteristisch für diesen Musikstil, wird mit der Stimme erzeugt, in Silben artikuliert und stellt eine Kombination von rhythmischem Akzent und Funktionsbass dar. Später kam als Begleitinstrument die Gitarre hinzu. Die Tanzlieder stehen meist in geradem STUDENTISCHE ARBEITEN ja oft geradezu unflätig.“ Wichtig zu erwähnen ist auch noch, dass die Lieder nicht durch Instrumente, sondern mit bereits erwähnten Gegenständen, Klatschen, Stampfen, Mundbass usw. begleitet werden. Im Flamenco, der spanischen „Zigeunermusik“ ist der Gesang am wichtigsten. Er wird in „Cante grande“ (auch „Cante hondo“ genannt), „Cante chico“ und „Cante intermedio“ (großer, kleiner und mittlerer Gesang) eingeteilt. Typisch für den „Cante grande“ sind laut Thomas Garms der „zigeunerische“ Ursprung und der klagende Ausdruck. Themen sind unter anderem der Tod, Verzweiflung, Unglück, Schuld und Sühne, Flüche und Liebesleid. Der „Cante intermedio“ ist in der andalusischen Folklore verwurzelt und erreicht nicht die Intensität und Kompliziertheit des „Cante hondo“, während der „Cante chico“ eine tänzerische, fröhliche und populäre Gesangsform darstellt. Der „Cante hondo“ ist am klarsten in den Sologesängen ohne Instrumentalbegleitung erkennbar. Das folgende Beispiel zeigt einen der ältesten „Cante hondo“: Cante gesungen wird. Allgemeine Stilelemente sind unter anderem: Abhängigkeit von der Ausdruckskraft und Stimmbildung des Sängers (cantor), Verwendung von Mikrointervallen, gleitende Übergänge von einem Ton zum anderen (Portamento), reichhaltig an Verzierungen, raue und heisere Stimme, Effekte in der Stimme, Steigerung des Ausdrucks durch Dämpfen und Verzerren der Stimme, Form: vierzeilige Strophen (coplas) mit (meistens) je acht Silben, freie Rhythmen, keine erkennbare Takteinteilung, Gliederungen in Atemeinheiten und ausgeprägte Melismen. Zu Beginn der Flamenco-Geschichte war die Stimme rau, heiser, brüchig und kraftvoll, doch später waren hohe Stimmen, bis hin zum Falsett bevorzugt. Immer wieder gab es Schwankungen zwischen diesen beiden Idealen, je nachdem, was gerade vom Publikum bevorzugt wurde. Zusätzliche Eigenheiten sind Silben oder Silbenfolgen ohne bestimmte Bedeutung, die sogenannten „lalias“. 39 Abb. 4: Katz, Israel J.: Cante Hondo. In: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. Begründet von Friedrich Blume. Sachteil 2. Böh-Enc. Bärenreiter-Verlag. Stuttgart 1998. Spalte 370 Obwohl es in den verschiedenen Ländern sehr viele Unterschiede in der Musik der verschiedenen RomaVölker gibt, dürften sich dennoch einige Gemeinsamkeiten erhalten haben: organische Verbindung von Musik und Bewegung spontane rhythmische Begleitung (z. B. Händeklatschen) als integrativer Bestandteil große Impulsdichte, hohes Tempo, additive komplementäre rhythmische Elemente feste metrische Struktur kombiniert mit freien Elementen besonders freie Vortragsart und besonders expressive Art des Vortrags Improvisation, freie Handhabung mit stilistischen Grenzen intensive Einbeziehung des Zuhörers, Miteinander von Musiker und Publikum Abb. 4 Die meisten Gesänge wurden „a palo seco“ vorgetragen, also solistisch, ohne Instrumentalbegleitung. Die einzige Begleitung bei Privatfesten der Gitanos war das Klatschen. Jede Tonart hat ein bekanntes Rhythmus- und Melodiemodell. Bei zwölfschlägigen Gesängen wird ein bestimmter Rhythmus geklatscht, wodurch man erkennt, welcher Des Weiteren erwähnt Bernard Leblon in seinem Buch „Gitanos und Flamenco“ folgende gleiche Merkmale: „höllisch komplizierte Virtuosität“ in der Instrumentalmusik tiefste Traurigkeit in langsamen Teilen, Melancholie, zärtliche, herzzerreißende Sehnsucht mitreißende, maßlose, erotische, flüchtige und gewaltige Musik Robert Maier wurde am 30.11.1987 in Sankt Pölten geboren. Von 1994–1998 besuchte er die Volksschule in Kirchberg/ Pielach, danach verbrachte er 8 Jahre im BRG/BORG St. Pölten. Seine erste musikalische Erfahrung machte er mit 6 Jahren an der Violine bei Frau Irene Turon (Unterricht bis 2007). Parallel erhielt er Unterricht bei Arnold Medicus am BRG/BORG Sankt Pölten und maturierte im Mai 2006 (musischer Zweig). 2007 Lehramtsstudium Musikerziehung und Instrumentalmusikerziehung (1. Instrument Gesang bei Mag. Peter Thunhart, 2. Instrument Violine bei Univ.-Prof. Jaqueline Roscheck-Morard), welches er am 26. Juni 2014 abschloss. 2009 und 2011 folgten die Studien IGP Violine und IGP Gesang. Referenzen: u.a. Chorus sine Nomine, Musica Sacra, Chor der Markuskirche in Ottakring, … November 2012 Mitglied im Wiener Kammerchor. Konzertmeister bei der Uraufführung der Adventkantate von Martin Wadsack. Seit 2008 Benefizkonzerte in Kirchberg/Pielach unter dem Titel Musik durch die Jahrhunderte für das Sankt Anna Kinderspital. 2013 war er im Projekt Oper hautnah Graf Almaviva in Mozarts Oper Figaro unter der Leitung von Mag. Helga Meyer-Wagner. Im selben Jahr wirkte er bei Carl Millöckers Der Bettelstudent im Chor bei den Seefestspielen in Mörbisch mit. Im Sommer 2014 sang er im selben Chor bei Anatevka mit. VOX HUMANA 11.3 | 10.2015